Im Rahmen der Physikdidaktik der Universität zu Köln wurde im November und Dezember 2019 an einer Kölner Schule ein Projekt zu Wetter und Klima in der Stadt durchgeführt, bei dem durch eigenständiges Experimentieren und der Selbstaneignung physikalischer Sachverhalte Neugier der Schülerinnen und Schüler an der Physik geweckt werden sollte. Bereits der amerikanische Gründervater und naturwissenschaftsbegeisterte Erfinder Benjamin Franklin sagte: „Erzähle es mir und ich vergesse es. Bringe es mir bei und ich merke es mir. Lass mich machen und ich lerne“ (Müller, 2015). Dieser Idee vom immersiven und praxisorientierten Lernen folgend, sollten auch hier die SuS für einen langfristigen Lernerfolg autonom tätig sein und experimentieren.
Für eine möglichst effektiven Unterrichtsplanung habe ich mit den Methoden Design Thinking und Design Based Research einige Stationen zum physikalischen Begriff der Temperatur in einem einfachen Teilchenmodell vorbereitet und durchgeführt.
Um die Wirksamkeit des Design Thinking zu erforschen, habe ich im Rahmen dieser Masterarbeit die Kernaussagen mit den Lehren aus dem Werk Logik der Forschung (1934) des österreichisch-britischen Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Karl Popper verglichen. Nach Poppers Konzeption des Falsifikationismus können wissenschaftliche Sätze nie endgültig bewiesen und verifiziert, sondern stets nur falsifiziert werden, was jedes Mal eintritt, wenn es eine noch so geringe Abweichung von einem vorher etablierten Pattern gibt. Daher müssen sich die wissenschaftlichen Sätze einer ständigen Überprüfung aussetzen. Je öfter sie überprüft und dabei nicht falsifiziert werden, desto höher ist ihre Komplexität und ihr Grad der Bewährung. Auch Design Thinking zeichnet sich durch einen iterativen Prozess aus, bei dem die gewonnenen Informationen und Forschungen einer steten Überprüfung bedürfen.
Außerdem habe ich eine physikalische Definition der Temperatur gegeben, versucht die SuS und deren Bedürfnisse zu verstehen, einen Unterrichtsentwurf entwickelt und getestet, im Fazit einen Anstoß für eine weiterführende Arbeit geliefert und mit Hilfe von Bullet Points die Hauptaussagen meiner Forschung zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Physikalische Betrachtung des Temperaturbegriffs
2.1 Kinetische Gastheorie
2.2 Aggregatzustände
3. Design Thinking
4. Karl Popper – Logik der Forschung
5. Vergleich Design Thinking mit Logik der Forschung
6. Stadtwetter und Stadtklima – Projekt der Physikdidaktik an der XYschule
7. Entwicklung der Fragestellung
8. Erste Beobachtung der XYschule und Feedback Capture Grid
9. Interview for Empathy
9.1 Interview mit Student A
9.2 Interview mit Student B
9.3 Interview mit Lehrer A
10. Feldforschung an der XYschule in Köln
11. Personae Prototypes
11.1 Persona Prototype 1: Lena
11.2 Persona Prototype 2: Moritz
11.3 Persona Prototype 3: Marco
12. Ideen generieren
12.1 Why-How Laddering
13. Entwicklung des Prototyps
14. Hypothesen
15. Einführung der Temperatur und der Messgeräte an der XYschule
16. Temperaturstation
17. Evaluation und Auswertung
17.1 Teilnehmende Beobachtung
17.2 Fragebogen
17.3 Auswertung des Fragebogens
17.3.1 Selbsteinschätzung
17.3.2 Einschätzung der Stationen
17.3.3 Verständnisfragen
17.4 Feedback der betreuenden LuL
17.5 Feedback der Personae Prototypes
17.5.1 Lena
17.5.2 Moritz
17.5.3 Marco
18. Reflexion der Auswertung
19. Fazit und Ausblick
20. Bullet Points
21. Literaturverzeichnis
22. Abbildungsverzeichnis
23. Anhang
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Anhang D
Anhang E
Anhang F
Anhang G
Anhang H
Anhang I
Anhang J
Anhang K
Anhang L
Anhang M
1. Einleitung
Im Rahmen der Physikdidaktik der Universität zu Köln wurde im November und Dezember 2019 an der XYschule in Köln ein Projekt zu Wetter und Klima in der Stadt durchgeführt, bei dem durch eigenständiges Experimentieren und der Selbstaneignung physikalischer Sachverhalte Neugier der Schülerinnen und Schüler (im Folgenden mit SuS abgekürzt) an der Physik geweckt werden sollte. Bereits der amerikanische Gründervater und naturwissenschaftsbegeisterte Erfinder Benjamin Franklin sagte: „Erzähle es mir und ich vergesse es. Bringe es mir bei und ich merke es mir. Lass mich machen und ich lerne“ (zitiert in Müller, 2015). Dieser Idee vom immersiven und praxisorientierten Lernen folgend, sollten auch hier die SuS für einen langfristigen Lernerfolg autonom tätig sein und experimentieren.
Für eine möglichst effektiven Unterrichtsplanung habe ich mit den Methoden Design Thinking und Design Based Research einige Stationen zum physikalischen Begriff der Temperatur in einem einfachen Teilchenmodell vorbereitet und durchgeführt. Dabei wurden zunächst Studenten der Universität zu Köln interviewt, die ein ähnliches Projekt schon durchgeführt hatten, sowie ein Physiklehrer der XYschule, um auf die Bedürfnisse der Durchführenden und Betreuenden, aber besonders der SuS einzugehen. Vor Beginn des Projekts besuchte ich zweimal zur Hospitation die Schule, um mich mit dem Umfeld vertraut zu machen und erste Feldforschungen zu betreiben. So hatte ich beim zweiten Besuch den SuS einen Empathie Prototyp vorgestellt, der im Rahmen des Projekts weiterentwickelt wurde. Dieser Prototyp stellte ein einfaches Teilchenmodell mit Tischtennisbällen in einer zylindrischen Tennisballdose dar und hatte die Aufgabe, den SuS einen ersten Eindruck der Temperaturbewegung von Teilchen zu zeigen, sie zum Reden und Nachdenken zu bringen und ihre Gedanken zur Thematik zu verdeutlichen. Zusätzlich wurden die SuS zu ihren Interessen befragt und bekamen Zeit um selbst Fragen zu stellen. Dank dieser Vorbereitungen war schnell zu erkennen, dass SuS Fehlvorstellungen in Bezug auf das Teilchenmodell haben, so fragte ein Schüler zum Beispiel: „Wenn sich Teilchen immer bewegen und der Teppich aus Teppichteilchen besteht, warum bewegt sich dann der Teppich nicht?“ Um Fehlvorstellungen und Probleme der SuS zu erkennen und zu lösen, habe ich Personae Prototypes der SuS mit Hilfe der vorbereitenden Forschungen erstellt und den Empathie Prototyp entsprechend angepasst und weiterentwickelt. Personae Prototypes sind fiktive SuS, die mit erfundenen Namen, Hobbies und einer eigenen Geschichte plastischer werden, was dabei hilft, die SuS als Individuen und nicht als eine große und abstrakte homogene Masse anzusehen. Durch diese Methode lässt sich herausfinden, wie sich SuS verhalten, was sie anspricht, wie sie gut lernen können und was ihre Neugier weckt, also was ihre Bedürfnisse und Ziele sind. Darauf aufbauend habe ich ein Design für einen Projekttag entwickelt, das während des Projekts begutachtet werden sollte. Besonders wollte ich dabei die folgende, angeglichene Fragestellung prüfen: „Wie können wir den physikalischen Temperaturbegriff erklären, wenn einfache Teilchenmodelle Fehlvorstellungen bei SuS hervorrufen?“ Dazu habe ich durch teilnehmende Beobachtung, Interviews mit Aufsichtspersonen und den SuS und durch einen Fragebogen im Anschluss an die Durchführung der Temperaturstunde nach den Interessen und der Effektivität meines entwickelten Designs geforscht.
Um die Wirksamkeit des Design Thinking zu erforschen, werde ich im Rahmen dieser Masterarbeit die Kernaussagen mit den Lehren aus dem Werk Logik der Forschung (1934) des österreichisch-britischen Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Karl Popper vergleichen. Nach Poppers Konzeption des Falsifikationismus können wissenschaftliche Sätze nie endgültig bewiesen und verifiziert, sondern stets nur falsifiziert werden, was jedes Mal eintritt, wenn es eine noch so geringe Abweichung von einem vorher etablierten Pattern gibt. Daher müssen sich die wissenschaftlichen Sätze einer ständigen Überprüfung aussetzen. Je öfter sie überprüft und dabei nicht falsifiziert werden, desto höher ist ihre Komplexität und ihr Grad der Bewährung. Auch Design Thinking zeichnet sich durch einen iterativen Prozess aus, bei dem die gewonnenen Informationen und Forschungen einer steten Überprüfung bedürfen.
Außerdem werde ich eine physikalische Definition der Temperatur geben, versuchen die SuS und deren Bedürfnisse zu verstehen, einen Unterrichtsentwurf entwickeln und testen, im Fazit einen Anstoß für eine weiterführende Arbeit liefern und mit Hilfe von Bullet Points die Hauptaussagen meiner Forschung zusammenfassen.
2. Physikalische Betrachtung des Temperaturbegriffs
Die Temperatur ist der zentrale Begriff der Thermodynamik, der fast jedem Menschen vertraut ist und unserem Empfinden von heiß und kalt entspricht. Daher denken die meisten, das Konzept und Phänomen hinter der Temperatur verstanden zu haben. Allerdings trügt uns der Temperatursinn, da einem dieselbe Temperatur kalt oder heiß vorkommen kann. So wird eine durchschnittliche Wohnung mit 22 °C im Sommer, wenn es draußen wärmer ist, als angenehm kühl empfunden, während dieselbe Wohnung mit der gleichen Temperatur im Winter, wenn es draußen wesentlich kälter ist, als warm empfunden wird. Außerdem kommt einem ein Eisengeländer im Winter wesentlich kälter vor als ein Holzstück, obwohl beide dieselbe Temperatur haben. Das liegt daran, dass Eisen den Fingern schneller Wärme entzieht als Holz (Halliday, Resnick & Walker, 2009, S. 550-575).
Die Temperatur ist eine Grundgröße der Physik, das bedeutet sie ist eine SI-Basiseinheit. Die Einheit der Temperatur ist Kelvin (K) und kann auf die kinetische Energie der Teilchen, und demnach auf eine mechanische Größe zurückgeführt werden. Darum ist die Temperatur eine Bezeichnung für die Bewegung der Teilchen (Demtröder, 2018, S. 23). Benannt ist die Kelvin Skala nach dem britischen Physiker William Thomson, der sich auch Lord Kelvin nannte. Alle Körper sind aus Atomen oder Molekülen aufgebaut, oder um es zu vereinfachen, aus Teilchen, die sich bewegen (ebd., S. 156). Es gibt eine untere Grenze der Temperatur bei 0 K, bei dem sich die Teilchen nicht mehr bewegen; dieser Punkt wird als absoluter Nullpunkt bezeichnet, allerdings gibt es keine obere Grenze der Temperatur. Die Kelvin-Temperatur wird auch absolute Temperatur genannt. Im Universum herrscht eine durchschnittliche Temperatur von 3 K. Ohne die Sonne würde auch die Temperatur auf der Erde 3 K betragen und unser Leben wäre so nicht möglich.
Die Temperatur hat außerdem einen Einfluss auf viele Eigenschaften von Körpern, so nimmt das Volumen einer Flüssigkeit1 oder eines Körpers mit steigender Temperatur zu und der elektrische Widerstand eines Drahtes und der Gasdruck in einem abgeschlossenen Gefäß vergrößern sich. All diese Eigenschaften können verwendet werden, um ein Messgerät für die Temperatur herzustellen, ein Thermoskop. Um ein Thermoskop in ein Thermometer zu verwandeln, muss es zunächst kalibriert werden (Halliday et al., 2009, S. 550).
In großen Teilen der Welt wird umgangssprachlich die Celsius-Skala verwendet, benannt nach dem schwedischen Physiker Anders Celsius. Eine Temperaturänderung um ein Grad Celsius entspricht einer Änderung um 1 K. Der Nullpunkt der Celsius-Skala entspricht etwa dem Gefrierpunkt des Wassers und 100 °C ca. dem Siedepunkt bei Normaldruck. Für die Umrechnung von Kelvin-Temperatur (T) zu Celsius-Temperatur () gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den Vereinigten Staaten von Amerika wird die Temperatur mit der Fahrenheit-Skala angegeben. Sie ist benannt nach dem deutschen Physiker Daniel Gabriel Fahrenheit und verwendet ein kleineres Grad und einen anderen Nullpunkt als die Celsius- oder die Kelvin-Skala. Für die Umrechnung in Fahrenheit-Temperatur () gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Halliday et al., 2009, S. 553).
2.1 Kinetische Gastheorie
Die kinetische Gastheorie verbindet makroskopische Eigenschaften eines Gases wie z.B. Temperatur oder Druck mit mikroskopischen Eigenschaften wie z.B. kinetische Energie und Geschwindigkeit der Teilchen (Halliday et.al., 2009, S. 614). Das einfachste und am besten zu berechnendste Gasmodell ist das Modell des idealen Gases. Hierbei besteht ein Gas aus Teilchen, die sich wie Massenpunkte verhalten und sich mit statistisch verteilten Geschwindigkeiten bewegen. Energie- und Impulssatz gelten für Stöße untereinander und mit der Wand, wobei diese Stöße elastisch sind (Demtröder, 2018, S.192). Diese Teilchen üben nur Kräfte aufeinander aus, wenn sie sich berühren und bewegen sich unabhängig voneinander (Meschede, 2018, S. 107). Für ideale Gase gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wobei: p = absoluter Druck
V = Volumen
N = Anzahl der Moleküle
k = Boltzmann-Konstante
T = Temperatur in Kelvin (Halliday et.al., 2009, S. 586).
Aus (3) folgt, dass das Produkt nur von der Temperatur bei konstanter Molekülzahl abhängt.
Die kinetische Energie beträgt im Allgemeinen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die mittlere kinetische Energie eines idealen Gases beträgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
weil sich die Teilchen in drei Richtungen bewegen können und die mittlere kinetische Energie pro Freiheitsgrad
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
entspricht (Demtröder, 2018, S- 193-194).
Da k eine Konstante ist, hängt die kinetische Energie demnach nur von der Temperatur der Teilchen ab und diese Größen sind zueinander proportional. Entsprechend ist die Temperatur proportional zu der Bewegung der Teilchen. Wenn sich diese schneller bewegen, steigt die Temperatur und umgekehrt.
2.2 Aggregatzustände
Die klassischen Aggregatzustände eines Stoffes sind gasförmig, flüssig und fest.2 Festkörper haben ein bestimmtes Volumen und eine bestimmte Gestalt. Die Teilchen haben eine feste Ordnung, was in Abbildung 1 a) beobachtet werden kann. Flüssigkeiten besitzen keine eigene Form und nehmen die Gestalt eines Gefäßes an. Die Teilchen haben keine feste Ordnung, allerdings ist der durchschnittliche Teilchenabstand gering (s. Abbildung 1 b)). Gase ähneln Flüssigkeiten, jedoch ist die Dichte sehr viel geringer und der mittlere Abstand der Teilchen sehr viel größer als ihr Durchmesser, was in Abbildung 2 zu sehen ist (Meschede, 2018, S. 100).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: a) Teilchenmodell eines Festkörpers; b) Teilchenmodell einer Flüssigkeit; (Meschede, 2018, S. 100).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Teilchenmodell eines Gases; (Meschede, 2018, S.100).
Durch Veränderung des Druckes oder der Temperatur kann ein Stoff von einem in einen anderen Aggregatzustand übergehen. Wird eine Flüssigkeit über den Siedepunkt erwärmt, bewegen sich die Teilchen immer mehr und ihr Abstand vergrößert sich so lange, bis die Flüssigkeit in ein Gas übergegangen ist.3 Wird die Flüssigkeit jedoch gekühlt, bewegen sich die Teilchen immer langsamer, ihre Abstände verringern sich und sie nehmen eine feste Ordnung ein, bis sie zu einem Festkörper werden (Demtröder, 2018, S. 157).4
Gase lassen sich aufgrund der geringen Bindungsenergie zwischen den Teilchen beliebig expandieren und bis zu einer Grenze auch komprimieren, während Festkörper und Flüssigkeiten ihr Volumen nur geringfügig ändern (ebd., S. 188).
3. Design Thinking
Die Unterrichtseinheit zum Thema Temperaturbegriff in einem einfachen physikalischen Teilchenmodell habe ich mit Hilfe der Methode des Design Thinking (DT) und des Design Based Research (DBR) erarbeitet. In der bisherigen Wissenschaft wurde meist lösungsorientiert gearbeitet und daher bei der Erforschung neuer Ansätze bereits an die Lösung gedacht. Bei DT und DBR wird hingegen der Fokus auf einen problemorientierten Ansatz gesetzt, was zur Folge hat, dass besondere Bedeutung auf die Endnutzer, in diesem Fall die SuS, fällt (Leifer & Meinel, 2018a, S. 1). Somit ist DT eine „systematische Herangehensweise an komplexe Problemstellungen aus allen Lebensbereichen“ (Hasso-Plattner-Institut, 2015). Daher ist diese Methode nicht auf den Schulbereich begrenzt. Die pädagogische Psychologin Ann Brown und der Kognitionswissenschaftler Allan Collins schlugen die Methode des DBR erstmals im Jahr 1992 als neuen Ansatz zur Entwicklung von Unterrichtsstrategien vor (Design Based Research Collective, 2003, S. 1). Vorreiter im Bereich des DT sind die Universitäten Potsdam mit dem Hasso-Plattner-Institut und die Universität Standford, die seit 2008 eine Kollaboration eingehen.
Der DT-Prozess besteht im Allgemeinen aus sechs Phasen (s. Abbildung 3), die sich in zwei Blöcke eingliedern lassen, Problemraum und Lösungsraum. Außerdem beschäftigt sich ein multidisziplinäres Team mit dem Design, um verschiedene Perspektiven in die Lösung mit einfließen zu lassen. Dadurch ist das Team nicht auf eine Fachkompetenz beschränkt, um Offenheit beim Designprozess zu fördern. Dafür wird auch ein variabler Raum benötigt, der die Kreativität nicht einschränkt und Möglichkeiten zu schnellen Veränderungen zulässt (Teamentwicklung Lab, 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Phasen des DT-Prozesses, https://hpi-academy.de/design-thinking/was-ist-design-thinking.html.
Zunächst muss der Problemraum in der Phase des Verstehens abgedeckt und erste Fragestellungen generiert werden, bevor die Teilnehmer durch Beobachten Empathie für die Endnutzer aufbauen und Daten sammeln, z.B. durch Interviews for Empathy oder einen Empathie Prototyp (Hasso-Plattner-Institut, 2015). Empathie ist die Grundlage für einen Design-Prozess, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Demnach müssen die Endnutzer vom Designer verstanden werden (Both, 2010, S.1). Daraufhin werden mit Hilfe der gewonnen Daten Sichtweisen definiert und Erkenntnisse gesammelt. Nun geht der Prozess vom Problemraum in den Lösungsraum über, wo zunächst Theorien und Ideen entwickelt werden. Die besten Designs entstehen, wenn die SuS wirklich verstanden werden. Hierfür werden Personae Prototypes entwickelt und ein besonderes Augenmerk auf Extremnutzer gelegt, da ebendiese wichtige Problemstellungen aufdecken können. Extremnutzer sind dabei keine typischen Mitglieder der zu erforschenden Gruppe, sondern Individuen, die sich am Rand des Spektrums befinden. Beim ganzen Prozess ist es wichtig, keine Ideen oder Fragestellungen auszuschließen und statt „Ja, aber“ stets eine „Ja, und“ Einstellung zu haben. Somit entsteht zunächst eine divergente Phase, in der jede Idee bzw. Fragestellung oder mögliche Prototypen aufgeschrieben und zusammengetragen werden, bevor die Anzahl in einer konvergenten Phase eingeschränkt wird (s. Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Divergente und konvergente Phasen, https://www.growth-factory.at/creative-problem-solving/.
Daraufhin können Prototypen entwickelt und getestet werden. Dabei muss die ganze Zeit Kontakt zu den Endnutzern gehalten und Fragen gestellt werden, was zur Folge haben kann, dass sich neue Sichtweisen und Ideen entwickeln und bei einer früheren Phase neu angesetzt werden muss (Hasso-Plattner-Institut, 2015). Demnach ist DT ein iterativer, Theorien generierender Prozess. Ideen sollen durch Prototypen möglichst frühzeitig untersucht und damit auch kommunizierbar gemacht werden.5
Bereits im Jahr 1959 veröffentlichte Stanford Professor Robert H. McKim eine Designtheorie, die auch menschliche Emotionen und Bedürfnisse in den Entwicklungsprozess mit einbezieht. Für ihn waren Design und menschliche Bedürfnisse so miteinander verwoben, dass sie nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Somit war er bereits Jahrzehnte zuvor ein Vorreiter für das DT (Leifer & Meinel, 2018b, S. 13-14).
Da der DBR-Prozess nicht normiert ist, kann theoretisch jedes DT-Projekt auch ein DBR-Projekt sein. Hierbei hilft die strukturierte Vorgehensweise des DT-Prozesses und die Fokussierung auf den Endnutzer dem DBR. Allerdings veröffentlichte das Design Based Research Collective im Jahr 2003 einige Kriterien, die angeben, ob ein Projekt den Leitlinien des DBR entspricht (Bresges, 2017). Demnach muss ein Projekt, um DBR-Projekt genannt werden zu können, die Lernumgebung und die Erstellung oder Weiterentwicklung von Lerntheorien verknüpfen. Außerdem wird die Entwicklung und Forschung in wiederholenden Abläufen von „Design, Durchführung, Analyse und Redesign“ (ebd.) durchgeführt. Die Forschung muss Theorien generieren, die helfen, die Problemstellung kommunizierbar zu machen. Des Weiteren muss die Forschung klarstellen, wie Designs in authentischen Situationen eingesetzt werden und sich dabei nicht nur auf den Erfolg bzw. Misserfolg beziehen, sondern auch die Interaktionen, die zum Verständnis beitragen, begutachten (Design Based Research Collective, 2003, S.5). Das heißt alle Beteiligten, in der Schule also Lehrerinnen und Lehrer (im Folgenden mit LuL abgekürzt), SuS, die Schulleitung, die Eltern etc., werden mit eingebunden. Aus den Reaktionen und Interaktionen werden Wirkungszusammenhänge festgestellt und somit Theorie und Praxis miteinander verknüpft (Bresges, 2017).
In der Fachdidaktik soll mit „hoher wissenschaftlicher Rigidität“ (Bresges et. al., 2013, S. 1) gearbeitet und Einflüsse aus dem Umfeld minimiert werden. Allerdings verhält sich das Unterrichtsgeschehen komplex und dynamisch, Emotionen spielen eine große Rolle und auch wenn Unterrichtsstunden nach dem gleichen Planungsmuster verlaufen sollten, können sie nicht genau gleich durchgeführt werden, da Klassendynamik, Tagesform der SuS bzw. LuL, die Lehrerpersönlichkeit, etc. einen großen Einfluss auf den Unterricht haben. Um dieses Problem zu lösen, versucht DBR all diese Faktoren zu berücksichtigen und Wissenschaft, menschliche Emotionen und Erfahrungen nicht voneinander zu trennen, sondern in den Designs des Unterrichts mit einzubeziehen (ebd. S. 1-2). Um guten und vor allem funktionierenden Unterricht zu planen, müssen LuL ihre Klasse einschätzen können und das Vorwissen kennen. Wenn ein Unterrichtsdesign vorbereitet wird ohne die Klasse genau zu kennen, ist es umso wichtiger, dass genau geplant, gut kommuniziert und sorgfältig gearbeitet wird, damit sichergestellt ist, dass das Design auch funktioniert (Bresges, Hoffmann, Schadschneider & Weber, 2014, S. 29-30)
Bei der Entwicklung meines Unterrichtsdesigns und Prototyps habe ich versucht, den Leitideen des DT und DBR so gut es geht zu folgen, allerdings war es mir im Rahmen meiner Masterarbeit nicht möglich, ein multidisziplinäres Team zu beschäftigen oder in einem variablen Raum zu unterrichten, da ich auf die Klassenräume der Schule angewiesen war.
4. Karl Popper – Logik der Forschung
Karl Popper hat sein Hauptwerk Logik der Forschung bereits im Jahr 1934 veröffentlicht, aber Zeit seines Lebens weiter daran gearbeitet und Anhänge hinzugefügt. Dies ist im Einklang mit der hauptpostulierten Idee des wissenschaftstheoretischen Buches, nämlich dass Theorien nie verifiziert, sondern nur falsifiziert werden können und deswegen ständiger Überprüfung ausgesetzt sein müssen, um sich zu bewähren. Eine Theorie oder Hypothese, die heute als wahr betrachtet wird, kann sich durch Falsifikation bereits morgen als falsch herausstellen. Der deutsche Philosoph Herbert Keuth fasste die Hauptaussagen folgendermaßen zusammen: „Der Erkenntnisfortschritt resultiert aus Versuch und Irrtum“ (2013, S. 2). Logik der Forschung zählte schon zur Zeit der Veröffentlichung zu den bedeutendsten Arbeiten in der Wissenschaftslogik und heute zu den wichtigsten wissenschaftstheoretischen Werken des 20. Jahrhunderts (ebd., S. 2).
Popper fügt ein berühmtes Beispiel zum Induktionsproblem an den Anfang seines Werkes ein. So könne man von der Beobachtung von weißen Schwänen nicht auf den Schluss kommen, dass alle Schwäne weiß seien, denn bereits eine Beobachtung eines schwarzen Schwanes würde die Hypothese falsifizieren (Popper, 1934, S. 3). Es geht Popper hierbei nicht um die Entwicklung einer Hypothese, sondern nur um deren deduktive Überprüfung. Wie eine Theorie entsteht kann laut Popper nicht logisch rekonstruiert werden, da oftmals bloß eine Intuition ohne jegliche Regeln für die Entstehung verantwortlich ist (Schurz, 1998, S. 27-28). So können Theorien nur durch Erfahrung falsifiziert, jedoch nicht verifiziert werden. Je mehr deduktive Nachprüfungen durchgeführt werden und eine Hypothese durch diese nicht falsifiziert wird, je eher bewährt sich die Theorie. Daher ist Poppers Forderung für eine wissenschaftliche Forschung: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muß (sic!) an der Erfahrung scheitern können“ (Popper, 1934, S. 17). Je mehr ein System oder eine Hypothese verbietet, umso höher ist der Erkenntnisgewinn. Daraus folgt, dass eine Theorie keinen großen Nutzen hat, wenn alles erlaubt ist. Je genauer die Verbote beschrieben werden, und desto mehr Überprüfungen sie standhält, desto gehaltvoller ist sie. Allerdings folgt daraus das Problem, dass Nachprüfungen unendlich fortgesetzt werden müssen, was so nicht umsetzbar ist. Poppers Lösungsvorschlag hierfür ist, dass nicht gefordert wird, dass alle Theorien und Hypothesen auch nachgeprüft werden, aber dass sie theoretisch nachprüfbar wären (ebd., S. 25). Die Wissenschaft und Forschung besitzen demnach kein Ende, da sie sich ständigen Nachforschungen und Überprüfungen aussetzen müssen und nicht an früheren Systemen festgehalten werden sollte.
Laut Popper sind Experimente, die drohen, vorher bewährte Systeme zu falsifizieren, höchst interessant, da sie eine neue Ansicht auf die Welt und neue Erfahrungen hervorbringen können (ebd., S. 56). Für ihn ist Wissenschaft die Überprüfung von Basissätzen und Theorien und eine Anwendung der Theorie. Erfahrungen und „Wahrnehmungserlebnisse“ können diese Basissätze dabei nicht begründen, sondern lediglich prüfen (ebd., S. 82-83). Dabei ist die Aufgabe des Theoretikers die exakte Formulierung der Fragestellung, die dann in einem Experiment überprüft wird. Neue Erkenntnisse werden hierbei durch Falsifikation mit Hilfe eines Experimentes einer vorher bewährten Theorie gewonnen (ebd., S. 85-86). Also ist „die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts ‚Absolutes‘; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund“ (ebd., S. 88). Es muss stetig weiter geforscht und falsifiziert werden, um wissenschaftlich zu arbeiten. Eine allgemeingültige empirische Hypothese, die nicht nachgeprüft werden muss und dazu führt, das Suchen nach Gesetzen aufzugeben, kann nicht existieren. Außerdem sollte die Forschung nicht durch Verbote beschränkt werden, sondern verbietende oder beschränkende Theorien, die an einer empirischen Forschung scheitern können, überprüfen (ebd., S.235-236).
Des Weiteren können nur neue Experimente und / oder Erlebnisse Ergebnisse gegen bewährte Theorien liefern, nicht alte Experimente, die immer wieder durchgeführt werden. Aus diesem Befund können neue Hypothesen entwickelt werden, die dabei jedoch die alten Erfahrungen nicht außer Acht lassen, sondern diese in die neu gewonnene Erkenntnis mit einbauen (ebd., S. 238-239). Auch die neuen Sätze werden nicht als wahr angesehen, sondern nur als so lange gültig, als „vorläufige Annahmen“, bis sie wieder falsifiziert werden (ebd., S. 253). Mit dieser Methode werden immer bessere Theorien entwickelt, die die Realität zutreffender darstellen sollen (Gadenne, 1998, S. 125). Dabei gilt, dass sich die Theorie umso besser bewähren kann, je besser sie überprüfbar ist (Popper, 1934, S. 256).
Entsprechend ist Wissenschaft laut Popper kein „System von gesicherten Sätzen“, das einen Endgültigkeitsanspruch hat. Sie kann keine Wahrheit erreichen, noch nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit und ist kein Wissen, wie der Name eigentlich vermuten lassen würde. Trotzdem besitzt sie einen intrinsischen Wert in der Überprüfung der aufgestellten Theorien. Zwar wird das Aufstellen ebendieser Hypothesen von Popper nicht als wissenschaftlich bezeichnet, da er zugibt: „Wir wissen nicht, sondern wir raten“. (ebd., S. 266) Allerdings gilt dies nur für die Entwicklung der Theorien, die Wissenschaft prüft diese dann methodisch nach. Dabei ist ihr Ziel nicht das Festhalten an den Sätzen, sondern deren Widerlegung, also deren Falsifikation. Experimente werden mit Hilfe der Theorie geplant und sie sind kein zielloses Raten hinein ins Ungewisse. Jeder wissenschaftliche Satz ist also vorläufig und es müssen wieder und wieder neue Fragen aufgestellt werden, deren Lösungen immer wieder von neuem überprüft werden müssen (ebd., S. 266-269).
5. Vergleich Design Thinking mit Logik der Forschung
Der iterative Prozess des DT hat einige Gemeinsamkeiten mit den Kernaussagen aus Logik der Forschung. Bei beiden wird eingesehen, dass es kein Ende der Wissenschaft gibt und aufgestellte Theorien oder entwickelte Designs einer ständigen Überprüfung und Anpassung unterworfen werden müssen. Allerdings ist DT sehr wohl an der Entwicklung der Theorien oder des Designs interessiert und stützt sich dabei nicht nur auf bloße Intuition oder lässt diesen Teil der Forschung weg, wie es Popper postuliert. Für ihn ist das Aufstellen der Hypothesen keine Wissenschaft, da er dies als ‚raten‘ bezeichnet. Im Design Thinking wird jedoch die Endnutzergruppe genau erforscht und somit deren Bedürfnisse ergründet. Durch empirisches Forschen kann die Endnutzergruppe mit Personae Prototypes beschrieben und die Designs und Prototypen genau für diese Gruppe abgestimmt und entwickelt werden. Diese Designs und Prototypen müssen dann immer wieder überprüft und angepasst werden, so wie es mit Theorien in Logik der Forschung der Fall ist. Demnach haben beide Konzepte die ständige Überprüfung gemein, während sich DT auch mit der Erforschung des später Überprüften auseinandersetzt.
Beide Prozesse sehen den größten Erkenntnisgewinn in Widersprüchen und Experimenten, die etwas zu widerlegen versuchen. Das Bekannte zu bestätigen bringt keinen hohen Aufschluss über die Materie, wohl aber das Herausfinden von vorher unbekannten Problemen, Schwierigkeiten oder der Widerlegung von Theorien. Das führt dazu, dass neue Experimente und Innovationen weiter gefördert werden und sich die Forschung und die Wissenschaft niemals mit dem Status quo zufriedengeben sollte.
6. Stadtwetter und Stadtklima – Projekt der Physikdidaktik an der XYschule
Im Rahmen des Instituts der Physikdidaktik an der Universität zu Köln wurde im November und Dezember 2019 ein Projekt zu Stadtwetter und Stadtklima an der XYschule in Köln durchgeführt. An der Schule werden Fünft- und Sechst-KlässlerInnen gemeinsam unterrichtet, wobei ein großer Schwerpunkt auf eigenständiges Arbeiten gelegt wird. Daher wird das Projekt altersgemäß auf eine fünfte und eine sechste Klasse ausgerichtet. Insgesamt sind sechs Lerngruppen mit 150 SuS am Projekt beteiligt. Damit die Projektzeit möglichst praktisch und anschaulich genutzt wird, werden die 25 SuS jeder Lerngruppe in Fünfergruppen eingeteilt, die gleichzeitig an einem Experiment oder Baustein arbeiten sollen. Diese Fünfergruppen werden wiederum in eine Tandem- und eine Dreiergruppe eingeteilt, die ein digital angelegtes Protokoll zusammen erstellen soll. Die Projektarbeit wird jeweils an Dienstagen von 11:00 – 12:30 und an Donnerstagen von 11:00 – 16:00 mit einer Mittagspause durchgeführt. Das führt dazu, dass jede Lerngruppe etwa drei Stunden zur Bearbeitung eines Projektbausteines Zeit hat.
Es werden verschiedene Themen zu Wetter und Klima behandelt, unter anderem zur Temperatur, zum Umgang mit Messgeräten, zu Jahreszeiten, Gewitter, Co2 Ausstoß, dem Verhalten des Windes in einer Stadt und zu Bäumen und Fotosynthese. Die durchführenden Personen sind jeweils für einen Baustein des Projektes verantwortlich, wobei es eine einführende Stunde zur Temperatur und Thermometern gibt. Des Weiteren sollen die SuS jede Woche ein Wettertagebuch ausfüllen, indem sie das Wetter über den gesamten Zeitraum des Projektes beobachten und dokumentieren. Zu diesem Zweck ist eine Wetterstation an der Schule angebracht worden, auf der einige Messwerte abgelesen werden können. Allerdings steht diese Wetterstation windgeschützt in einer Ecke des Schulhofes, weswegen die Angaben für die Windwerte verfälscht sind.
7. Entwicklung der Fragestellung
Die erste sehr allgemein gefasste Fragestellung zu meinem Projekt lautete:
„Wie können wir das Projekt ‚Wetter und Klima in der Stadt‘ an der XYschule für alle Schülerinnen und Schüler bestmöglich gestalten“?
Dazu sammelte ich empirische Daten und konnte die Interessen der SuS und die Anforderungen der Lehrer und der Personen, die das Projekt durchführen, ergründen. Somit konnte mein Teil des Projektes besser eingegrenzt werden und ich sollte die Temperatur im physikalischen Sinne einführen.
Meine Fragestellung entwickelte sich somit zu:
„Ist es möglich den physikalischen Temperaturbegriff in einem einfachen Teilchenmodell einzuführen?“
Dafür habe ich mit Methoden des DT und DBR die Bedürfnisse der SuS erforscht und schnell bemerkt, dass es möglich ist, ein einfaches Teilchenmodell schon früh in der Schullaufbahn zu implementieren. Des Weiteren sieht der Kernlehrplan für Gymnasien und Gesamtschulen bereits am Anfang der Sekundarstufe 1 die Einführung einfacher Teilchenmodelle vor (Ministerium für Schulentwicklung, 2013 und 2019).
Daher habe ich ein Unterrichtsdesign zu diesem Thema und einen Prototyp eines Teilchenmodells einer Flüssigkeit erstellt, was ich im Folgenden genau darstellen werde.
Deshalb lautet die Fragestellung zu meinem Projekt:
„Wie kann der physikalische Temperaturbegriff mit einem einfachen Teilchenmodel erklärt werden?“
Da erste Forschungen ergaben, dass die SuS mit Fehlvorstellungen an die mikroskopische Welt der Teilchen gehen, wollte ich diese Probleme lösen und Fehlvorstellungen beseitigen, weswegen die angepasste Fragestellung nun lautet:
„Wie können wir den physikalischen Temperaturbegriff erklären, wenn einfache Teilchenmodelle Fehlvorstellungen bei SuS hervorrufen?“
8. Erste Beobachtung der XYschule und Feedback Capture Grid
In der ersten Phase des Verstehens des DT-Prozesses habe ich mir einen Eindruck der XYschule bei einer ersten Hospitation verschafft. Dabei war es wichtig ohne eine bestimmte Erwartungshaltung in die Schule zu gehen und die Denkweise eines Anfängers anzunehmen (assume a beginner’s mindset). Ich ging ohne einen Arbeitsauftrag in die Schule und wollte den Schulalltag untersuchen und kennenlernen. Dabei gab es bereits einige Besonderheiten, so tragen die SuS und LuL keine Straßenschuhe in den Klassenräumen, die LuL werden geduzt und statt eines klassischen Klassenzimmers mit fester Sitzordnung existiert in jeder sogenannten Lerngruppe ein fest installierter Sitzkreis, in dem die SuS zusammenkommen und Unterrichtsgegenstände besprechen. Jede/r SuS hat ein eigenes iPad zur Verfügung und der Unterricht ist offen gestaltet, so können die SuS am Morgen entscheiden, welche Fächer sie gerne durchführen würden. Allgemein ist die Schule gut mit technischen Geräten ausgestattet und den SuS wird eine große Wertschätzung entgegengebracht.
Um die einzelnen Aspekte der gesammelten Eindrücke besser zu verdeutlichen, habe ich diese mit Hilfe eines Feedback Capture Grid (s. Abbildung 5) untersucht. Ein Feedback Capture Grid besteht aus vier Feldern, links oben stehen positive Aspekte, rechts oben konstruktive Kritik, links unten Fragen die während der Forschung aufkommen und rechts unten Ideen und Einsichten (Both, 2010, S. 40).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Feedback Capture Grid mit eigener Beschriftung, https://pt.slideshare.net/fmrodriv/feedback-capture-grid/2.
Ein Feedback Capture Grid profitiert stark von einem multidisziplinären Team. Da ich jedoch die Masterarbeit alleine schreibe, habe ich es selbst ausgefüllt. Dazu wurden alle Aspekte und Ideen auf Post-Its geschrieben, in das entsprechende Feld gehängt und zu Clustern zusammengeführt und kategorisiert, um einen besseren Überblick zu erhalten (s. Abbildung 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Feedback Capture Grid.
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Tabelle 1: Auswertung des Feedback Capture Grid
Diese Ergebnisse wurden in den weiteren Verlauf der Entwicklung meines Projektes eingearbeitet.
9. Interview for Empathy
Um mich bestmöglich auf das Projekt der Physikdidaktik an der XYschule vorzubereiten, habe ich drei Experteninterviews durchgeführt. Ein Interview war mit Student A der Universität zu Köln, der ein ähnliches Projekt zum Thema Wasser im Frühjahr 2019 betreut hatte, das nächste mit Student B, der dabei geholfen hatte, dieses Projekt zu betreuen und ein Interview mit dem Physik- und Mathelehrer (Lehrer A) der XYschule. Um mich ganz auf das Interview und die Person zu konzentrieren, habe ich die Interviews mit einer Diktier-App meines Smartphones aufgezeichnet.
Interviews werden beim DT ein besonderer Stellenwert zuteil, da hier gezielte Fragen zum Thema gestellt werden können. Diese Fragen sollten möglichst offen sein und den Interviewten die Möglichkeit geben eine Geschichte zu erzählen (Story-Telling), da dadurch besonders die Emotionen zur Geltung kommen und eine hohe Empathie aufgebaut werden kann; daher kommt auch der Name: Interview for Empathy.
Das Interview folgt dabei dem Ablauf aus Abbildung 7, Dramaturgie eines Interviews. Zunächst sollte sich der Interviewer vorstellen und das Projekt beschreiben. Dabei ist es wichtig, dass stets transparent gearbeitet wird und den Interviewten klar ist, warum sie interviewt werden. In dieser Warm-Up Phase soll eine emotionale Verbindung aufgebaut werden, die für die weitere Durchführung des Interviews unabdingbar ist. Daraufhin soll die interviewte Person angestoßen werden, Geschichten zu erzählen. Die Gedanken, die Motivation, die Körpersprache und die Emotionen einer Person sind dabei wichtiger als der Inhalt. Das Verhalten und die Entscheidungen der Interviewten stehen dabei im Vordergrund. Es sollte stets „warum?“ gefragt werden, auch wenn sich der Interviewer die Antwort schon denken kann, da es die Möglichkeit gibt, überrascht zu werden. Außerdem sollte immer nach den Gefühlen gefragt und die interviewte Person nicht unterbrochen werden, damit sie so lange und so emotional sprechen kann, wie sie möchte. Zum Schluss sollten Hypothesen aus dem Gesagten herausgearbeitet und Sachfragen gestellt werden, bevor sich der Interviewer bedankt und alles noch einmal zusammenfasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Dramaturgie eines Interviews; https://dschool.stanford.edu/s/METHODCARDS-v3-slim.pdf.
Manchmal kommt es vor, dass sich das Gesagte vom Verhalten der Person unterscheidet. Diese Widersprüche können interessante Eindrücke enthalten und es lohnt sich, genauer auf diese einzugehen. Fragen sollten stets neutral gestellt und Antworten der interviewten Person nie in den Mund gelegt werden (Both, 2018, S. 9-10). Des Weiteren sollten die Fragen nicht zu lang sein, eine ungefähre Faustregel besagt hier zehn Wörter pro Frage. Wenn es einmal zu einer Pause kommt, sollte diese nicht versucht werden zu füllen, da sonst oft eine sozial akzeptierte Antwort statt der eigenen gegeben wird. Es sollten aber aus den eigenen Erfahrungen der Person Erkenntnisse gewonnen werden (Bresges, 2017).
Um das meiste aus einem Interview herauszuholen, habe ich zu jedem Interview einen Leitfaden (siehe Anhang A) mit Fragen geschrieben, der den offenen Charakter des Interviews jedoch nicht überdecken sollte. Außerdem habe ich immer darauf geachtet „warum?“ und nach den Gefühlen und Überraschungen zu fragen. Im Folgenden möchte ich die Kernaussagen und Erkenntnisse aus den Interviews darstellen. Dazu habe ich zunächst einzelne Zitate genauer beleuchtet, diese interpretiert und daraus Bedürfnisse abgeleitet. Dies ist in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2: Auswertung der Interviews.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den folgenden Kapiteln 9.1-9.3 werde ich die Interviews und deren Ergebnisse genauer beleuchten.
9.1 Interview mit Student A
Das Projekt zum Thema Wasser war zunächst mit einer Klasse der XYschule geplant, allerdings wurde es stattdessen kurzfristig mit einer Klasse einer anderen Schule durchgeführt. Die Planung war zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen und die tatsächliche Schulklasse war nicht so sehr an selbstständiges Arbeiten gewohnt, was zu einigem Durcheinander geführt hat. Die Arbeitsanweisungen auf den Blättern wurden nicht gelesen oder diese nur überflogen und einige Gegenstände waren unbekannt. So hatten die SuS Schwierigkeiten damit, die Wassertemperatur mit einem Flüssigkeitsthermometer zu bestimmen, da dieses falsch herum ins Wasser gehalten wurde. Außerdem mussten die Sicherheitsregeln und die Anweisungen zum Aufräumen oftmals wiederholt werden. Alles was keinen Spaß macht, wurde gerne von den SuS überhört. Die ganze Klasse spielte lieber mit den Instrumenten und Messgeräten und allgemein kam es zu viel Chaos. Außerdem hatten die SuS Probleme damit Anweisungen auf dem Arbeitsblatt wie: „Wiederhole Punkt 3 und 4.“ zu befolgen. Wenn die SuS einen eigenen Merksatz formulieren sollten, wussten sie meistens nicht, was genau zu tun war.
Daraus kam ich auf folgende Erkenntnisse für die Vorbereitung meines eigenen Projektes: Es muss den SuS klar sein, was sie zu tun haben und warum sie etwas machen. Das heißt die Aufgabe muss deutlich formuliert sein. Dabei sollten sie nicht überfordert und es sollte nicht zu viel von ihnen verlangt werden. Unbekannte Gegenstände, wie zum Beispiel Thermometer müssen vorher eingeführt werden und es muss klar sein, wie diese zu bedienen sind. Komplizierte Handlungen sollten zunächst vorgemacht und dann von den SuS selbst durchgeführt, ebenso sollten Messungen geübt werden. Am besten wird jede Anweisung mit einem Bild verdeutlicht.
9.2 Interview mit Student B
Die Powerpoint-Präsentation zu Beginn des Projektes war zu lang (etwa 20 Minuten) und die SuS haben schon nach kurzer Zeit nicht mehr zugehört. Zwar waren die SuS neugierig, allerdings waren die Anweisungen auf den Arbeitsblättern einerseits zu ausführlich und mit zu vielen Informationen gespickt, andererseits war den SuS nicht klar, was sie machen sollten und warum. Dies führte zu einem großen Durcheinander, was die studentische Hilfskraft als wesentlich ausgeprägter schilderte als der Student zuvor. So haben die meisten Betreuer den SuS vorgesagt, was sie zu tun haben, damit etwas Ordnung in die Klasse kam, anstatt den SuS dabei zu helfen es selbst zu tun. Die Objekte wurden zum Teil zweckentfremdet, so wurden statt Wasser mit einer Spritze in ein Becherglas zu füllen andere MitschülerInnen nass gespritzt. Außerdem war das Wasser zum Teil mit Lebensmittelfarbe blau gefärbt, was zu mehr Unordnung führte. Eine Gruppe von drei SuS funktionierte überhaupt nicht, da sich ein dominanter Schüler über die anderen zwei Schülerinnen hinwegsetzte und alles alleine machen wollte. Meist war die vorgeschlagene Arbeitsweise jedoch nicht zielführend und auch wenn die restlichen Gruppenmitglieder andere Vorschläge hatten, wurden diese direkt abgewiesen. Nachdem die Lehrer der Klasse eingegriffen und die Gruppen geändert hatten, funktionierte es besser.
Dieses Interview war sehr informativ, da mir dieselbe Situation aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählt wurde. Die Erkenntnisse aus der Stunde waren, dass die Anleitungen für Experimente einfach und aufschlussreich formuliert werden sollten, am besten mit Bildern. Des Weiteren sollten die SuS nicht mit zu vielen Lernzielen überfordert werden, sondern auf einfache Lernziele hinarbeiten, die oftmals wiederholt werden sollten. Bevor ein Experiment erfolgreich durchgeführt werden kann, muss es motorisch durchgeführt werden können. Das heißt die SuS müssen in der Lage sein, die einzelnen Arbeitsschritte zu bewältigen. Wenn eine Teilaufgabe eines Experiments ist die Temperatur zu messen, müssen sie mit Thermometern umgehen können und wissen, was gemessen werden soll. Außerdem sollten Merksätze gemeinsam herausgearbeitet und nicht von den SuS ohne Hilfestellung alleine formuliert werden. Weiterhin sollten die LuL, die mit der Klassendynamik vertraut sind, die Gruppen einteilen, damit SuS zusammenarbeiten, die gut harmonieren und sich bei den Aufgaben gegenseitig helfen können. Des Weiteren sollten die Arbeitsgruppen wenn möglich nicht zu groß sein.
9.3 Interview mit Lehrer A
In diesem Interview wollte ich Erkenntnisse zur Arbeitsweise der XYschule erhalten. Der Lehrer ist vom Konzept des selbstständigen Arbeitens der XYschule sehr angetan und äußerte sich fast ausschließlich positiv dazu. Besonders ging er auf die Offenheit und die Wertschätzung ein, die den SuS entgegengebracht wird. Bei der Nachfrage nach Überraschungen oder Problemen, die sich ergeben, meinte er, dass schwächere SuS in Gruppenarbeiten zum Teil abgehängt werden oder mit den Aufgaben nicht hinterherkommen. Allerdings haben gerade SuS mit Förderbedarf oftmals eine/n Schulbegleiter/in, die diese in der offenen Form des Arbeitens unterstützen. Bei den Fragen nach Wünschen und Erwartungen vom Projekt sagte er, er würde sich vor allem praktische Experimente wünschen und dass die SuS lernen Temperatur zu messen und das Wetter zu beobachten. Außerdem gibt es eine Physik-Werkstatt an der Schule, in der erste physikalische Experimente durchgeführt und Phänomene beleuchtet werden. Diese wird allerdings nicht von allen SuS besucht. Daher haben einige SuS schon Erfahrungen mit physikalischen Experimenten, andere allerdings noch nicht.
Daraus konnte ich ableiten, dass die Aufgaben so gestellt werden sollten, dass alle SuS sie bearbeiten und gemeinsam in einer Gruppe lösen können. Außerdem sollten die Schulbegleiter in die geplanten Projekte mit einbezogen werden. Es ist auch wichtig, die Experimente und Messgeräte genau einzuführen und die Schritte beim Experimentieren genau anzugeben, um den SuS zu vermitteln, wie diese zu arbeiten haben, da einige noch nie Experimente oder Messungen durchgeführt haben.
10. Feldforschung an der XYschule in Köln
Bei meinem zweiten Besuch an der XYschule wollte ich mir ein genaueres Bild der SuS machen und herausfinden, was sie wirklich interessiert. Dazu habe ich Schülerinterviews durchgeführt und in der gesamten Klasse Post-Its ausgeteilt, auf die die SuS schreiben sollten, was sie am Thema Wetter interessiert und auf einen weiteren Zettel, was sie sich unter Klima in der Stadt vorstellen. Die Zettel hatten drei verschiedene Farben, die das Interesse der SuS an Naturwissenschaften und der Physik darstellen sollen. Dabei steht grün für großes, gelb für mittleres und orange für gar kein Interesse. Diese Post-Its habe ich in den folgenden Abbildungen 8 und 9 festgehalten und kategorisiert.
[...]
1 Eine Ausnahme bildet hier die Anomalie des Wassers, da Wasser bei etwa 4 °C oder etwa 277 K die höchste Dichte hat (Demtröder, 2018, S. 322).
2 Es existieren noch weitere nicht klassische Aggregatzustände, auf die hier nicht näher eingegangen wird (Meschede, 2018, S. 296).
3 Wie zum Beispiel Wasser zu Wasserdampf.
4 Wie zum Beispiel Wasser zu Eis.
5 Den genauen Ablauf der einzelnen Phasen werde ich im Laufe dieser Masterarbeit ausführlich erläutern, während ich sie durchführe.
- Arbeit zitieren
- Master of Education Christoph Schrank (Autor:in), 2020, Design Thinking und Karl Popper. Wie kann der physikalische Temperaturbegriff mit einem einfachen Teilchenmodell erklärt werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/920600
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