„Wo ist, frage ich, das Fenster, das nach Süden offen ist?“
Im Oktober 1972 bricht Rolf Dieter Brinkmann als Stipendiat nach Rom auf, wo er ein Jahr in der Villa Massimo verbringt. In diesem Zeitraum entstehen die Manuskriptaufzeichnungen zu "Rom, Blicke". Sie enthalten neben Tagebucheinträgen, Postkarten, Briefen und berichtenden Passagen in chronologischer Reihenfolge eine von Brinkmann selbst angefertigte Collage, bestehend aus Fotos, Stadtplänen, Zeitungsausschnitten, Postkarten, Fahrkarten, Quittungen und anderen "Wirklichkeitspartikeln", die vorrangig illustrativen Zwecken dienen.
Aufgrund von Konflikten im Beruflichen wie im Privaten gerät Brinkmann vor seiner Abreise in eine ausweglose Situation, welche ihn zur Annahme des Stipendiums in Rom zwingt. Im Gegensatz zu den Italienaufenthalten anderer Autoren handelt es sich bei Brinkmann folglich nicht um eine Bildungsreise, vielmehr wird sein Aufenthalt im Rom von ihm als „Schriftstellerexil“ empfunden: „Nicht der Bildungsgedanke war es oder die Poesie des Südens, die ihn nach Italien führten, er brauchte einfach Geld, dazu ein wenig Abstand von Deutschland, den Freunden und der Familie in Köln.“ Diese Ausgangssituation ist zu berücksichtigen, um Brinkmanns Aufzeichnungen einordnen zu können.
Im ersten Teil meiner Arbeit gehe ich auf die Italien- und Zivilisationskritik ein, die Brinkmann in "Rom, Blicke" äußert. Daraufhin werde ich Brinkmanns Begriff der „Gegenwartsästhetik“ und der daraus resultierenden „Neuen Sensibilität“ erläutern, um seine Arbeiten und damit auch die im ersten Teil beschriebene Kritik zu hinterfragen und Erklärungsansätze zu finden. Im Anschluss werde ich den mit seiner Selbstfindung verbundenen inneren Konflikt und die sich ergebende Protesthaltung Brinkmanns darstellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Italien- und Zivilisationskritik
- Gegenwartsästhetik als Schlüssel zu einer neuen Sensibilität
- Ein innerer Konflikt: Die Faszination des Sehens und die Verzweiflung an der Gegenwart
- Literarische Amokläufe – Brinkmanns Protest
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Rolf Dieter Brinkmanns Rom, Blicke und untersucht, wie Brinkmanns Erfahrungen in Rom seine Sicht auf Italien, Zivilisation und Gegenwart prägten. Sie beleuchtet die Kritik, die Brinkmann an der Italienbegeisterung und der Zivilisation übt, und analysiert seine Vorstellung von einer "Gegenwartsästhetik" als Mittel zur Entwicklung einer neuen Sensibilität. Die Arbeit konzentriert sich auf die Auseinandersetzung mit dem inneren Konflikt zwischen Faszination des Sehens und Verzweiflung an der Gegenwart, der Brinkmanns Protesthaltung prägt.
- Brinkmanns Kritik an der Italien-Passion und Zivilisationskritik
- Die Rolle der "Gegenwartsästhetik" in Brinkmanns Werken
- Der innere Konflikt zwischen Faszination des Sehens und Verzweiflung an der Gegenwart
- Brinkmanns literarische Protesthaltung
- Die Bedeutung von Rom als Ort der Reflexion und Kritik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt Brinkmanns Reise nach Rom im Jahr 1972 und die Entstehung von Rom, Blicke vor. Sie erläutert die besondere Situation Brinkmanns, der sich in einem "Schriftstellerexil" befindet und seine Erfahrungen in Rom als Flucht aus schwierigen Lebensumständen betrachtet.
- Italien- und Zivilisationskritik: Dieses Kapitel untersucht Brinkmanns Kritik an Italien und der Zivilisation, die in Rom, Blicke deutlich wird. Brinkmann schildert seine Enttäuschung über den Zustand Roms, das er als "verwahrlost" und "schmutzig" empfindet, im Kontrast zu Goethes idealisierter Sicht auf Italien. Er kritisiert die Vermischung von historischer Architektur und neuer Werbung, die seiner Meinung nach den Verfall und die Dekadenz der Zivilisation symbolisieren.
- Gegenwartsästhetik als Schlüssel zu einer neuen Sensibilität: Dieses Kapitel erläutert Brinkmanns Begriff der "Gegenwartsästhetik" und wie er diese zur Entwicklung einer neuen Sensibilität einsetzt. Brinkmann betont die Bedeutung des Detail und des Augenblicks, um die Gegenwart zu erfassen und neue Formen der Wahrnehmung zu entwickeln. Er zeigt, wie die "winzigen Einzelheiten" der Welt eine neue Sicht auf die Realität eröffnen können.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Italien- und Zivilisationskritik, Gegenwartsästhetik, Verzweiflung an der Gegenwart, literarische Amokläufe und Brinkmanns subjektive Wahrnehmung von Rom. Im Mittelpunkt steht die Analyse von Rom, Blicke als Spiegelbild der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Zeit sowie der individuellen Erfahrungs- und Reflexionsprozesse des Autors.
- Quote paper
- Ina Brauckhoff (Author), 2007, Zu Rolf Dieter Brinkmanns "Rom, Blicke" - Über die Faszination des Sehens und die Verzweiflung an der Gegenwart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92198