Der Begriff des Betriebsübergangs


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Betriebsbegriff
1. Funktion und tatbestandliche Struktur
2. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals Betriebsübergang
a) Geltung des sog. „allgemeinen Betriebsbegriffes“
b) Anwendung eines eingeschränkten Betriebsbegriffes
3. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Vorliegen eines Betriebs(teils)
b) Identitätswahrender Übergang eines Betriebs(teils)

III. Darstellung der Problematik anhand von ausgewählten Entscheidungen
1. Frühere Rechtssprechung des BAG und Christel Schmidt - Entscheidung
2. Neuorientierung des Betriebsbegriffes durch die Ayse Süzen - Entscheidung
3. Carlito Abler – Entscheidung des EuGH
4. Güney Görres

IV. Fazit

V. Ausgewähltes Literaturverzeichnis

Der Begriff des Betriebsübergangs

I. Einleitung

Betriebe werden im Ganzen verkauft, Bereiche werden ausgegliedert oder im öffentlichen Bereich privatisiert. Der Umfang kann unterschiedlich sein, doch es handelt sich in allen Fällen um einen Betriebsübergang. Mit der Einführung des § 613a in das BGB im Jahre 1972 sollte eine Lösung gefunden werden, die hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs Klarheit schafft.

Dennoch ist die Frage nach dem Vorliegen eines Betriebsübergangs, sowohl in der Anwendung des § 613a BGB wie auch der ihm zugrunde liegenden Richtlinie 77/187/EWG (2001/23EG) unter verschiedensten Gesichtpunkten streitig.

Schwierigkeiten in der einheitlichen Auslegung des Begriffes Betriebsübergang zeigen sich sowohl im EuGH, wie im BAG.

Im Rahmen dieser Arbeit soll versucht werden die Problematik des Begriffes Betriebs(teil)übergang näher zu erörtern und anhand von ausgewählten Entscheidungen zu erleuchten.

II. Der Betriebsbegriff

1. Funktion und tatbestandliche Struktur

Die Funktion des Tatbestandsmerkmals Betriebsübergang besteht darin zu gewährleisten, dass die Übertragung einer Sachgesamtheit bzw. einzelner Betriebsmittel nicht vom Regelungsbereich des §613a BGB (durch den recht unglücklichen Wortlaut des Gesetzgebers) erfasst werden kann. Für die daraus resultierende Abgrenzung des Betriebsübergangs von der Veräußerung einer Sachgesamtheit sind hieraus zwei Bedingungen notwendig.

Als erstes Kriterium wäre hier zu nennen, dass wenn bereits vor dem Übertragungsakt lediglich eine Sachgesamtheit vorliegt, wie es zum Beispiel bei einer Betriebs(-teil)Stilllegung der Fall ist[1], so findet § 613a BGB von vornherein keine Anwendung.

Betrieb bzw. Betriebsteil bilden somit die äußerste Grenze des tatbestandlichen Anwendungsbereiches. Daher ist erst nach der Feststellung, dass es um einen Betrieb bzw. Betriebsteil geht, sich die Frage nach dem „Ob“ eines Betriebsüberganges zu stellen. Das Kriterium des Betriebsüberganges beinhaltet somit die Feststellung der Existenz eines Betriebes bzw. Betriebsteils, wie auch des Überganges. Dies lässt sich hiermit als zweistufiger Tatbestand charakterisieren.

2. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals Betriebsübergang

Obgleich das Auslegungsziel, die Abgrenzung zur Übertragung einer bloßen Sachgesamtheit vorgegeben ist, bestehen in der Rechtssprechung und Literatur z. T. beachtliche Differenzen hinsichtlich auf die konkrete Umschreibung, Festlegung, wie auch Ein- und Abgrenzung des Betriebsübergangs.

Verantwortlich für diese Differenzen ist zum einen die Verwendung unscharfer Begriffe wie Betrieb oder Betriebsteil. Zum anderen hat der Gesetzgeber offenbar bewusst auf deren Konkretisierung verzichtet[2]. Insoweit ist nicht ganz zu Unrecht dem Gesetzgeber der Vorwurf mangelnder gesetzgeberischer Sorgfalt erhoben worden. Dies gilt um so mehr, als gerade die Unbestimmtheit der gesetzlichen Terminologie als Ansatzpunkt gewählt wird, um durch einseitige, interessenorientierte Interpretationen den tatbestandlichen Anwendungsbereich des §613a BGB entweder einzuschränken oder auszudehnen. Die aus derartigen Bemühungen resultierende Rechtsunsicherheit führt dazu, dass häufig erst nach einer letztinstanzlichen Entscheidung feststeht, ob auf den Erwerb bestimmter Betriebsmittel § 613a BGB Anwendung findet oder nicht[3]. Allerdings ist dem Gesetzgeber zuzugeben, dass angesichts der unterschiedlichen Betriebsformen sowie der vielfältigen Möglichkeiten zur Regelung eines Betriebsübergangs, eine Auslegung, die das Tatbestandsmerkmal Betriebsübergang über ein bestimmtes Maß hinaus spezifiziert, weder möglich noch sinnvoll ist. Denn ansonsten würde die Gefahr bestehen, dass über eine starre und statische Definition des Gesetzes bezweckte sozialstaatliche Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse durch atypische Übertragungsformen[4] unterlaufen wird.

Demzufolge bedarf § 613a BGB einer wesensimmanenten Flexibilität, die als Ziel einer sachgerechten Auslegung nur darin liegen kann, das Tatbestandsmerkmal Betriebsübergang soweit zu konkretisieren, dass die Anwendbarkeit des § 613a BGB vom Makel der Zufälligkeit und Unvorhersehbarkeit entledigt wird.

a) Geltung des sog. „allgemeinen Betriebsbegriffes“

Die Auslegung des Betriebsbegriffes i. S. v. § 613a BGB ist umstritten.

Ein Teil der Landesarbeitsgerichte sowie die überwiegende Ansicht in der Literatur geht von der Geltung des von Jacobi entwickelten und inzwischen modifizierten[5] allgemeinen Betriebsbegriffes, in Anlehnung an § 613a BGB, aus. Demzufolge wird der Betrieb i. S. von §613a BGB als Einheit von Betriebsmitteln charakterisiert, mit deren Hilfe ein Unternehmer zusammen mit seinen Mitarbeitern eine bestimmte arbeitstechnische Zielsetzung erfolgt.

b) Anwendung eines eingeschränkten Betriebsbegriffes

Andererseits befürwortet das BAG und ein Teil der Literatur die Anwendung eines eingeschränkten Betriebsbegriffes für § 613a BGB. Zwar gilt im Arbeitsrecht der allgemeine Betriebsbegriff, doch ist im Hinblick auf den Betriebsinhaberwechsel eine Modifizierung notwendig. Mithin könne § 613a BGB, der den Übergang der Arbeitsverhältnisse als Rechtsfolge ansieht, nicht gleichzeitig den Betriebsübergang als tatbestandliche Voraussetzung anordnen und damit des Betriebes in Betracht kommen. Daher könne unter einem Betrieb i.S.v. §613 a BGB nur die Summe der im Betrieb zusammengefassten materiellen und immateriellen Betriebsmittel verstanden werden.

3. Tatbestandsvoraussetzungen

a) Vorliegen eines Betriebs(teils)

Transaktionsobjekt, d.h. Gegenstand des Inhaberwechsels kann nach §613a BGB sowohl ein ganzer Betrieb als auch ein Betriebsteil sein. Unter Berücksichtigung der Rechtssprechung des EuGH versteht die neuere Rechtssprechung des BAG unter einem Betrieb oder einem Betriebsteil stets die „wirtschaftliche Einheit“, d.h. die organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung[6]. Die Anwendung des § 613a BGB kann nur unter dem Gesichtspunkt eines Betriebsteilübergangs erwogen werden. Betriebsteile sind dabei Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebs. Nach der Rechtssprechung muss es sich um eine selbständige, organisatorisch abgrenzbare Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betriebstechnischen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird[7].

b) Identitätswahrender Übergang eines Betriebs(teils)

Liegt eine übertragungsfähige wirtschaftliche Einheit vor, muss diese auf den neuen Inhaber übertragen und in identitätswahrender Weise fortgeführt werden. Ob dies erfolgt, wird durch die Rechtssprechung anhand einer Gesamtabwägung aller Einzelumstände mithilfe eines „Sieben-Punkte-Katalogs“ ermittelt. Alt Teilsaspekte der Gesamtwürdigung gehören nach der übereinstimmenden Rechtssprechung des EuGH[8] und BAG[9] dazu:

- die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs
- der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel
- der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs
- etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft
- etwaiger Übergang der Kundschaft sowie
- der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit
- die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.

[...]


[1] BAG NZA 1987, 523

[2] Fischer, Betriebsübergang, 22

[3] Fischer, Betriebsübergang, 21 f.

[4] Pietzko, Der Tatbestand des §613a BGB, 3.

[5] Mit der Anmerkung des Persönlichkeitswertes der Arbeit und der verfassungsrechtlichen Verankerung der Würde des Menschen im Grundgesetz wurde die Definition des Betriebsbegriffes von Jacobi zunehmend kritisiert, da diese die Arbeitnehmer als persönliche Betriebsmittel auf die gleiche Ebene mit materiellen (sachlichen) Betriebsmitteln stellte, vgl. Fischer, Betriebsübergang, 25.

[6] EuGH-Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-340/01 „Abler“, BAG-Urteil vom 27.10.2005, 8AZR 568/04 sowie vom 22.07.2004, 8 AZR 350/03

[7] BAG-Urteil vom 27.10.2005, 8 AZR 45/05; Urteil vom 18.12.2003, 8 AZR 621/02; Urteil vom 5.2.2003, 8 AZR 639/02

[8] EuGH-Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-340/01 sowie vom 15.12.2005, Rs. C-232/04, C-233/04.

[9] Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR 350/03.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Begriff des Betriebsübergangs
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Rechtswissenschaften)
Veranstaltung
Entwicklungstendenzen im europäischen Arbeitsrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V92212
ISBN (eBook)
9783638060592
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begriff, Betriebsübergangs, Entwicklungstendenzen, Arbeitsrecht
Arbeit zitieren
Kiriaki Apelidou (Autor:in), 2006, Der Begriff des Betriebsübergangs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92212

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