Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Analyse der Türkei und der Prozesse, die seit dem Putschversuch 2016 vor sich gehen.
Die Türkei wurde nach einem vierjährigen Unabhängigkeitskrieg, dem Kurtuluş Savaşı, gegen Großbritannien, Armenien, Griechenland, Italien und Frankreich von General Mustafa Kemal Atatürk als neutraler, säkularer und unabhängiger Staat gegründet. Atatürks Reformen prägten den Kemalismus, die türkische Staatsideologie. Er wollte eine moderne, westliche Gesellschaft in der Türkei aufbauen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Seit 1930 besteht für Frauen die Möglichkeit das aktive Wahlrecht auszuüben, seit 1934 zudem noch das passive.
Das Militär war in der Türkei aber trotz der westlichen Vision Atatürks immer ein stärkerer Machtfaktor als man es in westlichen Demokratien gewohnt ist. Dreimal putschte das Militär erfolgreich (1960 1971, 1980). 1997 stellte es dem amtierenden Ministerpräsidenten ein Ultimatum, welches die Islamisierung der Türkei verhindern sollte. Bei den Putschen, welche bis zum 15. Juli 2016 unternommen wurden, war die Motivation meist die Sicherung einer laizistischen Republik, nach Atatürks Verständnis.
Der Putschversuch 2016 war nicht von Erfolg gekrönt, u.a. weil sich ein deutlich geringerer Anteil des Militärs, sowie eine geringe Zahl hochgradiger Generäle, beteiligten. Nach Auffassungen und Behauptungen der Regierung handelte es sich hierbei um Anhänger der Gülen-Bewegung, welche die Herrschaft über den Staat übernehmen wollten. Eindeutige Beweise dafür gibt es aber nicht.
Im Jahre 2017 ist die Türkei aus Sicht der Transformationsforschung interessanter denn je. Schon seit langer Zeit möchte die Türkei ein Mitgliedstaat in der Europäischen Union werden. Dies scheiterte jedoch oft an der vorhandenen Todesstrafe. Durch die Flüchtlingsströme, die sich über die Türkei nach Europa fließen, gewann die Türkei wieder an Aufmerksamkeit. Äußere Einflussnahmen und Gefahren stärken das lokale nationale Bewusstsein einer Gesellschaft und schüren Ängste in dieser Richtung.
2016 kam es in der Türkei zu einem Putschversuch, in dessen Verlauf das Militär versuchte, gegen den amtierenden Präsidenten Erdogan aufzubegehren. Seit diesem Putschversuch herrscht in der Türkei der Ausnahmezustand. Regierungsferne Medienanstalten werden geschlossen, das Internet ist nicht mehr frei zugänglich. Die Türkei, so fühlt es sich an, ist entfernt sich immer weiter von einer demokratischen Ordnung.
Inhaltsverzeichnis
- Quo vadis Türkei?
- Defekte Demokratie und ihre Spielarten
- Wahlregime
- Politische Teilhaberechte
- Bürgerliche Freiheitsrechte
- Gewaltenkontrolle
- Effektive Regierungsgewalt
- Die Türkei nach dem Putschversuch 2016
- Wahlregime in der Türkei
- Aktives und passives Wahlrecht
- Der Hohe Wahlrat
- Der Wahlvorgang – Ein Blick auf das Referendum im April 2017
- Politische Teilhaberechte in der Türkei
- Assoziationsfreiheit
- Meinungs- und Pressefreiheit
- Bürgerliche Freiheitsrechte in der Türkei
- Individuelle Schutzrechte
- Justizrechte
- Gewaltenkontrolle - Das Referendum 2017 und seine Folgen
- Effektive Regierungsgewalt in der Türkei
- Wahlregime in der Türkei
- Alea iacta est?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Türkei im Kontext der Transformationstheorien und analysiert, ob die Türkei nach dem Putschversuch 2016 weiterhin als defekte Demokratie betrachtet werden kann.
- Entwicklung des politischen Systems der Türkei
- Bewertung des türkischen Systems im Hinblick auf die Kriterien der defekten Demokratie nach Wolfgang Merkel
- Analyse der Veränderungen nach dem Putschversuch 2016
- Bedeutung des Referendums im April 2017
- Mögliche zukünftige Entwicklungen der Türkei
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1 stellt die Türkei als Fallbeispiel für eine defekte Demokratie vor und beleuchtet den historischen Kontext, insbesondere die Rolle des Militärs.
- Kapitel 2 definiert die wichtigsten Kennzeichen einer defekten Demokratie anhand des Modells von Wolfgang Merkel.
- Kapitel 3 analysiert die Situation der Türkei nach dem Putschversuch 2016 in Bezug auf die Kriterien der defekten Demokratie, einschließlich Wahlregime, politische Teilhabe, bürgerliche Freiheitsrechte, Gewaltenkontrolle und effektive Regierungsgewalt.
Schlüsselwörter
Defekte Demokratie, Türkei, Putschversuch 2016, Transformationstheorien, Wolfgang Merkel, Wahlregime, politische Teilhabe, bürgerliche Freiheitsrechte, Gewaltenkontrolle, effektive Regierungsgewalt, Freedom House Index, Bertelsmanntransformationsindex, Gülen-Bewegung, PKK, Kurdenkonflikt, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit.
- Quote paper
- Philipp Amadeus Skudelny (Author), 2017, "Vierte Gegenwelle" zur Demokratisierung? Die Türkei nach dem Putschversuch 2016 aus der Perspektive der Transformationstheorien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/922818