Zielgruppe 50plus - Herausforderungen für die Gestaltung von Dienstleistungsumgebungen


Diplomarbeit, 2007

49 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung und Problemstellung

2 Bedeutung der Zielgruppe 50plus
2.1 Demographische Entwicklung in der BRD
2.2 Einkommens- und Vermögenssituation der Zielgruppe 50plus
2.3 Konsumverhalten der Zielgruppe 50plus

3 Charakterisierung und Segmentierung der Zielgruppe 50plus 8
3.1 Der Altersbegriff
3.1.1 Das biologische Altern
3.1.2 Das psychologische Altern
3.1.3 Das soziologische Altern
3.2 Altern als individueller Prozess
3.3 Ansätze zur Segmentierung der Zielgruppe 50plus
3.3.1 Marktsegmentierung nach Alter und Lebensphasen
3.3.2 Marktsegmentierung nach „Typen“

4 Theoretische Betrachtungen zur Dienstleistungsumgebung
4.1 Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs
4.2 Definition und Funktion der Dienstleistungsumgebung
4.3 Umweltpsychologische Wirkung der Dienstleistungsumgebung
4.4 Dienstleistungsumgebung, Transaktionsabsicht und Qualität

5 Gestaltung der Dienstleistungsumgebung für die Zielgruppe 50plus
5.1 Ansprüche der Zielgruppe 50plus an Dienstleistungsumgebungen
5.2 Gestaltung „physischer“ Dienstleistungsumgebungen
5.2.1 Gestaltung von Layout-Faktoren und funktionalen Elementen
5.2.1.1 Gestaltung des Außenbereichs
5.2.1.2 Gestaltung des Innenbereichs
5.2.1.3 Gestaltung tangibler Elemente im Kundengebrauch
5.2.1.4 Das Crowding-Problem
5.2.2 Gestaltung von Ambiente-Faktoren
5.2.2.1 Farbgestaltung
5.2.2.2 Lichtgestaltung
5.2.2.3 Gestaltung auditiver Signale
5.2.2.4 Gestaltung des Raumklimas
5.2.3 Gestaltung von Zeichen, Symbolen und Artefakten
5.2.3.1 Gestaltung von Beschriftungen und Orientierungshilfen
5.2.3.2 Gestaltung von symbolischen Elementen
5.3 Gestaltung virtueller Dienstleistungsumgebungen
5.4 Universal Design – Eine Lösung für alle Zielgruppen?

6 Diskussion der Ergebnisse und Forschungsimplikationen

Literaturverzeichnis

Anlagen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung:Haushaltseinkommen und Zusammensetzung nach Alter des Haupteinkommensbeziehers 2005. Eigene Darstellung auf Grundlage von Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, vgl. Statistisches Bundesamt (2007a), S. 549

Abbildung:Haushaltsgrößen nach Altersgruppen 2007. Eigene Darstellung auf Grundlage von Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, vgl. Statistisches Bundesamt (2007b)

Abbildung:Umweltpsychologisches Modell der Wirkung der Dienstleistungsumgebung auf Kunden und Mitarbeiter, in Anlehnung an Bitner (1992), S. 60

1 Einführung und Problemstellung

In der Vergangenheit sind ältere Konsumenten in der Wirtschaft vernachlässigt worden. Erst seit den 1980er Jahren wurde die Relevanz des „Seniorenmarktes“ langsam entdeckt.1 Bereits heute stellen Menschen über 50 Jahre 39 % der Bevölkerung dar. Im Jahr 2035 werden es bereits mehr als 50 % sein.2 Zudem verfügen Menschen über 50 über ein relativ hohes Haushaltseinkommen und über ein hohes Maß an Privatvermögen.3 Zusätzlich zu beträchtlichen Geldmitteln hat die Zielgruppe 50plus überdurchschnittlich viel Freizeit,4 die sie mit ihrem verfügbaren Einkommen positiv gestalten will. Dienstleistungen, die zunehmend stärker von Älteren nachgefragt werden, sind beispielsweise Tourismus, Wellness- und Gesundheitsdienstleistungen, IT- und Mediendienstleistungen, Unterhaltungsdienstleistungen und Sekundärdienstleistungen.5Für Anbieter von Dienstleistungen ist es also besonders in den genannten Bereichen wichtig, sich auf die Bedürfnisse der Zielgruppe 50plus einzustellen.

Die spezifischen Bedürfnisse Älterer zu erfüllen ist nun in Bezug auf Dienstleistungen ein besonderes Problem. Dienstleistungen sind per se in einem hohen Maße immateriell6 und somit in ihrer Qualität für den Kunden schwer zu beurteilen.7 Für den Kunden steht unter anderem die Dienstleistungsumgebung als Informationsquelle zur Verfügung.8 Sie hat sowohl die Funktion des Qualitätssignals vor dem Kauf als auch die Funktion des wahrnehmungsbeeinflussenden Moments in Bezug auf die Dienstleistungsqualität während und nach der Dienstleistungstransaktion.9 Will der Anbieter den Kunden zufrieden stellen, so muss er also besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der Dienstleistungsumgebung legen.

Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, welche besonderen Bedürfnisse die Zielgruppe 50plus in Bezug auf die Dienstleistungsumgebung hat und wie diese vom Dienstleister erfüllt werden können.

Im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird zunächst die Bedeutung der Zielgruppe 50plus herausgearbeitet. Dazu wird die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland kurz dargestellt. Prognosen zur weiteren Bevölkerungsentwicklung zeigen, wie groß der Markt 50plus in Zukunft sein wird. Danach werden Aussagen zur gegenwärtigen Einkommens- und Vermögenssituation der Zielgruppe 50plus getroffen. Auf Prognosen muss hier aufgrund zahlreicher Unsicherheitsfaktoren verzichtet werden. Das Kapitel wird schließlich mit einem kurzen Abriss zu den Konsumgewohnheiten Älterer abgeschlossen. Hier sollen allgemeine Aussagen zu Dienstleistungszweigen getroffen werden, die gegenwärtig und auch in Zukunft eine wichtige Rolle für den Markt 50plus spielen.

Das dritte Kapitel widmet sich verschiedenen Näherungen an Altersbegriffe und den daraus folgenden Möglichkeiten zur Marktsegmentierung. Dazu wird zunächst der Altersbegriff aus der Perspektive verschiedener Wissenschaftsperspektiven beleuchtet. Schließlich werden mithilfe der ausgearbeiteten Ergebnisse verschiedene Segmentierungsansätze für den Markt 50plus vorgestellt.

Kapitel vier beschäftigt sich mit den theoretischen Betrachtungen zur Dienstleistungsumgebung. Hier wird erläutert, welche besonderen Eigenschaften Dienstleistungen kennzeichnen. Im Anschluss wird der Begriff der Dienstleistungsumgebung definiert, um schließlich die Wirkung der Dienstleistungsumgebung anhand eines Modells auf Grundlage der Umweltpsychologie darzustellen.

Im fünften Kapitel werden grundsätzliche Bedürfnisse der Zielgruppe 50plus an Dienstleistungsumgebungen dargestellt. Es wird überprüft, wie sich Veränderungen, die das Alter mit sich bringt, auf die Wahrnehmung der Dienstleistungsumgebung auswirken und wie diese so gestaltet werden kann, dass diese Wahrnehmungsveränderungen kompensiert werden können. In einem kurzen Exkurs zum Universal Design wird die Möglichkeit überprüft, Dienstleistungsumgebungen zu schaffen, die allen Zielgruppen gerecht werden.

Zum Abschluss der Arbeit werden die Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel kritisch zusammengefasst. Aus dieser Zusammenfassung leiten sich dann Implikationen für notwendige Untersuchungen und weitere Forschungen im behandelten Themengebiet ab.

Methodisch beschränkt sich die Arbeit auf die Analyse vorhandener Literatur. Für die Darstellung sämtlicher statistischer Sachverhalte stehen umfangreiche Materialien des Bundesamtes für Statistik zur Verfügung. Neben diesen existieren zahlreiche Veröffentlichungen der Länder und des Bundes zur Situation der Zielgruppe 50plus. Für die Darstellung von Segmentierungsansätzen wird auf verschiedene Marktforschungsdaten und Studien zurückgegriffen. Zur Theorie des Dienstleistungsmanagements werden vorwiegend Aufsätze aus Fachzeitschriften und Fachbüchern, die zum großen Teil aus dem englischsprachigen Raum stammen, verwendet. Diese sollten sich relativ problemlos auch auf den deutschen Dienstleistungsmarkt übertragen lassen. Für die praxisorientierten Abschnitte der Arbeit wird ein Mix aus Marketingpublikationen sowie Studien und Veröffentlichungen öffentlicher Institutionen herangezogen, um eine vielschichtige Sichtweise der Sachverhalte zu erhalten.

2 Bedeutung der Zielgruppe 50plus

2.1 Demographische Entwicklung in der BRD

Der Begriff „demographischer Wandel“ bezeichnet eine durch Schrumpfen und Altern gekennzeichnete Entwicklung der Bevölkerung.10 In der Bundesrepublik Deutschland hat sich ein solcher Prozess, ähnlich wie in vielen anderen europäischen Ländern, mittlerweile nachhaltig manifestiert.11 Gründe für die absolute Abnahme der Bevölkerungszahl und der Verschiebung in der Altersstruktur sind vor allem eine gestiegene Lebenserwartung und eine geringe Geburtenhäufigkeit.12

Betrug die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt 1901/1910 bei Männern noch 44,82 Jahre und bei Frauen 48,33 Jahre, so waren es 2003/2005 schon 76,21 Jahre bei den Männern und 81,78 Jahre bei den Frauen.13 Die Lebenserwartung in der Bundesrepublik Deutschland wird voraussichtlich weiter steigen. Das Bundesamt für Statistik legt für Bevölkerungsprognosen bis zum Jahre 2050 eine Lebenserwartung neugeborener Jungen von 83,5 Jahren und neugeborener Mädchen von 88,0 Jahren zu Grunde.14 Die Geburtenhäufigkeit wird für diese Prognose mit 1,4 Geburten je Frau angenommen.15 Ein Schrumpfen der Gesamtbevölkerung ergibt sich nun daraus, dass die Zahl der Geburten kleiner ist als die der Sterbefälle, also ein Geburtendefizit besteht. Zusätzlich wird dies in Zukunft nicht mehr durch den Wanderungssaldo (Saldo aus Zu- und Abwanderung) ausgeglichen werden.16 Die steigende Lebenserwartung verzögert das Schrumpfen der Bevölkerung lediglich, da Sterbefälle auf einen späteren Zeitpunkt fallen.17 Das Statistische Bundesamt hat mit unterschiedlichen Grundannahmen die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2050 prognostiziert.18 Geht man von der Berechnungsvariante 1-W1 mit einer Geburtenhäufigkeit von 1,4 Kindern je Frau, einer Lebenserwartung von 83,5 Jahren bei Männern und 88 Jahren bei Frauen, sowie einem Wanderungssaldo von 100.000 Personen aus, so erhält man die prognostizierte Bevölkerungsuntergrenze im Betrachtungszeitraum. Danach wird die Gesamtbevölkerungszahl Deutschlands von 82,2 Mio. Menschen im Jahr 2007 auf 68,7 Mio. Menschen im Jahr 2050 sinken. Der Anteil der Menschen über 50 Jahre wird relativ von etwa 39 % im Jahr 2007 auf 53 % im Jahr 2050 steigen. Ab dem Jahr 2034 wird in dieser Berechnungsvariante der Anteil der Bevölkerung über 50 Jahre mehr als 50 % betragen. Doch nicht nur relativ wird der Anteil der älteren Personen durch das Geburtendefizit steigen. Die lange Lebenserwartung wird dazu führen, dass die Zahl der Personen über 50 Jahre von 31,8 Mio. im Jahr 2007 auf 38,1 Mio. im Jahr 2038 steigt. Dann wird auch diese Personengruppe vom Geburtendefizit eingeholt und 2050 werden dann noch etwa 36,5 Mio. Menschen in Deutschland über 50 Jahre alt sein. Der Teil der Bevölkerung, der unter 50 Jahre alt ist, wird von absolut 50,4 Mio. im Jahr 2007 auf 32,2 Mio. Menschen im Jahr 2050 sinken. Optimistischere Varianten der Bevölkerungsvorausberechnung19 führen zu höheren Gesamtbevölkerungszahlen, die prognostizierte Bevölkerungszusammensetzung ist aber auch hier ähnlich wie im dargestellten Beispiel.

2.2 Einkommens- und Vermögenssituation der Zielgruppe 50plus

Immer wieder wird von der Zielgruppe 50plus als sehr finanzkräftige Generation gesprochen.20 In einer Studie von Grey Strategic Planning werden Menschen über 50 Jahre gar als „reichste Generation aller Zeiten“21 bezeichnet.

Das Konsumpotenzial der Zielgruppe wird durch Einkommen und Vermögen bestimmt.22 Die Einkommenszusammensetzung verändert sich mit zunehmendem Alter stark. Während für Menschen unter 65 Jahre das Arbeitseinkommen den höchsten Anteil am Gesamteinkommen ausmacht, ist für Menschen über 65 Jahre der Rentenbezug durch ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die Haupteinkommensart (vgl. Abb. 1, S. 5). Insgesamt liegen die durchschnittlichen Haushaltseinkommen älterer Menschen ab 65 Jahre deutlich unter denen jüngerer (vgl. Abb. 1, S. 5). Die Zielgruppe 50plus scheint, bezogen auf das Haushaltseinkommen, zunächst nur interessant zu sein, so lange sie sich im Erwerbsleben, also im Alter bis etwa 65 Jahre, befindet.

Abbildung 1: Haushaltseinkommen und Zusammensetzung nach Alter des Haupteinkommensbeziehers 2005. Eigene Darstellung auf Grundlage von Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, vgl. Statistisches Bundesamt (2007a), S. 549.

Betrachtet man nun die Haushaltsgrößen in den jeweiligen Altersklassen, so ergibt sich ein differenzierteres Bild (vgl. Abb. 2, S. 6). Deutlich erkennbar ist, dass Menschen ab 60 Jahre fast ausschließlich in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben. Die Kinder sind dann ausgezogen oder der (Ehe)Partner verstorben,23 das Haushaltseinkommen muss also auf weniger Haushaltsmitglieder verteilt werden.24

Abbildung 2: Haushaltsgrößen nach Altersgruppen 2007. Eigene Darstellung auf Grundlage von Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, vgl. Statistisches Bundesamt (2007b).

Zusätzlich zum regelmäßigen Einkommen steht den Haushalten Vermögen zur Verfügung. Tendenziell ist das Vermögen im höheren Lebensalter besonders groß, da es während des Lebens durch Sparen aufgebaut wird.25 Daneben vergrößert sich Vermögen durch Erbschaften. Insgesamt können Menschen über 50 Jahre über etwa 61 % der privaten Geldvermögen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 720 Mrd. € verfügen.26 Die 55- bis 65-Jährigen hielten dabei im Jahr 2003 mit durchschnittlich 57.500 € das höchste Haushaltsnettogeldvermögen nach Altersklassen.27

Trotz dieser viel versprechenden Aussagen ist zu beachten, dass Einkommens- und Vermögensverhältnisse von einer Vielzahl von Faktoren abhängen und sich sehr heterogen darstellen.28 Politische Rahmenbedingungen, individuelle Lebensläufe oder regionale Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland wirken sich erheblich auf die finanziellen Verhältnisse im Alter aus.29 So sind Ältere in Ostdeutschland, allein Lebende und ältere Frauen finanziell deutlich schlechter gestellt als andere Personengruppen.30 Auch Aussagen zu zukünftigen Vermögensverhältnissen der Zielgruppe 50plus lassen sich aus diesen Gründen nicht problemlos treffen.31

2.3 Konsumverhalten der Zielgruppe 50plus

Wie verwenden Menschen über 50 Jahre ihr Geld? Zunächst wird ein gewisser Teil des Einkommens gespart. Vom 50. bis zum 69. Lebensjahr sinkt die Sparquote.32 Danach steigt sie wieder an, da die Konsumneigung im Alter nachlässt.33 Menschen von 50 bis 69 Jahre verwenden im Vergleich zu anderen Altersgruppen tendenziell den größten Teil ihres Einkommens für den Konsum.34 Gegenwärtig nimmt die Bereitschaft zum Konsumieren bei der älteren Generation zu.35 Sparsamkeit als Tugend der heutigen Alten wird für die kommenden „aktiven Alten“ eine wesentlich geringere Rolle spielen.36

Den höchsten Anteil an den Ausgaben der Haushalte machen Ausgaben für das Wohnen aus. Diese bleiben, absolut betrachtet, im Lebensverlauf etwa gleich hoch.37 Weitere große Posten bei den Konsumausgaben machen Nahrungsmittel, Verkehr und Unterhaltung aus, wobei die Ausgaben für Verkehr und Unterhaltung in den späten Lebensphasen abnehmen.38

Interessant ist im Rahmen dieser Arbeit jedoch die Entwicklung der Ausgaben für Dienstleistungen. Besonders hohe Zuwächse bei der Zielgruppe 50plus konnten in den letzten Jahren beispielsweise die Bereiche der Dienstleistungen für Gesundheitspflege, Haushaltsführung, Reisen oder Körperpflege verzeichnen.39 Im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen wird ein zunehmend hohes Lebensalter zu wachsenden Marktchancen führen.40 Die Anteile der über 50-Jährigen an den Gesamtausgaben für Güter und Dienstleistungen im Bereich Gesundheit werden nach Prognosen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von etwa 67 % im Jahr 2005 auf etwa 77 % im Jahr 2035 steigen.41 Viel freie Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben führt dazu, dass ältere Menschen in Deutschland fast genauso häufig reisen wie jüngere und besonders als allein Reisende mehr Geld ausgeben.42 Bei den Ausgaben für Reisen und Hotels steigt der Anteil der über 50-Jährigen an den Gesamtausgaben von 62 % in 2005 auf 71 % in 2035.43 Und auch in Zukunft werden aus dem Wunsch, körperlich wohlauf zu sein und Freizeit sinnvoll zu nutzen,44 Dienstleistungen für das körperliche Wohlbefinden und aktive Freizeitgestaltung stark nachgefragt sein.45 So wird der Anteil der Zielgruppe 50plus an den Ausgaben für aktive Freizeitgestaltung von 48 % in 2005 auf 59 % in 2035 steigen.46 Ältere werden zunehmend konsumfreudig, interessiert an Neuem und möchten ihr Leben genießen.47 Somit dürften in Zukunft auch weitere Potenziale für Dienstleistung abseits der klassischen Angebote für Ältere entstehen. So werden beispielsweise im Internet erbrachte Dienstleistungen durch die wachsende Zahl Älterer, die sich im Netz bewegen,48 auch in dieser Gruppe weiter Verbreitung finden.

3 Charakterisierung und Segmentierung der Zielgruppe 50plus

3.1 Der Altersbegriff

3.1.1 Das biologische Altern

Altern im biologischen Sinne beschreibt zunächst einen Abbauprozess, also eine Entwicklung, die durch zunehmende Defizite gekennzeichnet ist.49 Dieser Prozess lässt sich in „normales und pathologisches Altern“50 unterteilen. Das pathologische Altern ist durch Einbußen gekennzeichnet, die durch Krankheiten, wie beispielsweise Altersdemenz, auftreten.51 Der normale Alterungsprozess geht einher mit Verminderung der Seh- und Hörfähigkeit, Beweglichkeit und Muskelkraft und Veränderung des Gehirns.52

Im Bereich der visuellen Fähigkeiten tritt bereits ab dem 40. Lebensjahr zunächst eine zunehmende Weitsichtigkeit mit abnehmender Akkommodationsfähigkeit, also der Nah-Fern-Anpassung auf.53 Zusätzlich ergeben sich durch altersbedingte Eintrübungen der Linse Probleme bei der Farbunterscheidung, insbesondere im Bereich von Grün- und Blautönen.54 Ältere haben überdies Probleme bei der Anpassung an unterschiedlich helle Umgebungen, wobei besonders dunkle Räume problematisch sind.55 Ein häufiges Problem ist auch eine zunehmende Blendempfindlichkeit im Alter.56

Das auditive System ist während des Alterungsprozesses ebenfalls Veränderungen unterworfen. Schon ab dem 45. Lebensjahr nimmt die Hörfähigkeit ab.57 So können besonders hochfrequente Geräusche nicht mehr wahrgenommen werden.58 Zusätzlich lässt die Fähigkeit nach, Geräuschquellen auseinander zu halten.59

Auch im Bereich des Bewegungsapparates kommt es im Alter zu Veränderungen. Muskelkraft sowie die Beweglichkeit der Gelenke können sich verringern.60 Außerdem lassen die Fähigkeiten der Feinmotorik zunehmend nach.61

3.1.2 Das psychologische Altern

Die psychologische Sichtweise auf das Altern stellt Veränderungen im emotionalen Bereich, im Bereich der kognitiven Prozesse und der Persönlichkeit in den Mittelpunkt.62 Immer wieder wird in diesem Zusammenhang eine Veränderung des Verhältnisses zwischen der fluiden und der kristallinen Intelligenz herausgestellt.63 Die fluide Intelligenz beschreibt die Fähigkeit und Motivation, in Entscheidungssituationen neue Informationen zu verarbeiten und einzubeziehen. Der Begriff der kristallinen Intelligenz hingegen beschreibt den Umfang an Erfahrungswissen und die Fähigkeit, in eben solchen Entscheidungssituationen auf dieses zurückzugreifen.64 Im Bereich der fluiden Intelligenz ist im Alter ein Abnehmen der Fähigkeiten festzustellen, die kristalline Intelligenz kann jedoch bis ins Alter aufgebaut und auch kompensatorisch genutzt werden.65 Mit dem Alter verändern sich auch persönliche Wertvorstellungen. So werden im Alter fundamentale Werte wie Glück, Freiheit oder Unabhängigkeit zunehmend wichtig.66 Dennoch ist in der Regel im Alter keine vollständige Veränderung der Persönlichkeit zu erwarten. Eher verfestigen sich bereits im Lebensablauf entwickelte Persönlichkeitsmerkmale.67

3.1.3 Das soziologische Altern

Der soziologische Altersbegriff bezieht sich auf, durch einschneidende Ereignisse geprägte, Lebensphasen. Hier stellen zum Beispiel der Eintritt in das Berufsleben, das Gründen einer Familie, der Auszug der Kinder, die Aufgabe des Berufs oder der Tod des Lebenspartners Meilensteine in persönlichen Biographien dar.68 In unserer Gesellschaft sind der Auszug der Kinder und das Ausscheiden aus dem Beruf häufig das bestimmende Kriterium für die Zurechnung zu den „Alten“.69

3.2 Altern als individueller Prozess

Das Defizitmodell des Alterns, sowie die Vorstellung von einem uniformen Ablauf des Alterns, prägten lange Zeit das Altersbild.70 So wurde angenommen, dass Altern lediglich ein körperlicher und psychischer Zerfallsprozess ist, der nur in Abhängigkeit des Lebensalters jeden gleichsam trifft.71

Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Altern ein sehr individueller Prozess ist,72 der von vielen Faktoren abhängt. Altern birgt nicht nur Verluste von Vitalität und geistigen Fähigkeiten, sondern gleichsam einen Gewinn von Erfahrung, Zeit und neuen Perspektiven.73

[...]


1 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 235.

2 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006b), Prognosevariante 1-W1.

3 Vgl. GREY (1998).

4 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 243.

5 Vgl. Schaffnit-Chatterjee (2007), S. 19, Langguth (2005), S. 21.

6 Vgl. Bruhn/Georgi (2006), S. 13.

7 Vgl. Corsten (1998), S. 87.

8 Vgl. Reimer/Kuehn (2005), S. 786.

9 Vgl. Reimer/Kuehn (2005), S. 800.

10 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006c), S. 7.

11 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 35 ff.

12 Vgl. Hupp (1999), S. 3.

13 Vgl. Statistisches Bundesamt (2007a), S. 54.

14 Vgl. Statistisches Bundesamt (2007a), S. 57.

15 Vgl. Statistisches Bundesamt (2007a), S. 57.

16 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006a), S. 31.

17 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006a), S. 31.

18 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006b).

19 Für eine Übersicht der Annahmen zur Bevölkerungsvorausberechnung vgl. Statistisches Bundesamt (2006b), Blatt 3.

20 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 187.

21 GREY (1998).

22 Vgl. BMFSFJ (2005) , S. 187.

23 Vgl. Hupp (1999), S. 5.

24 Vgl. Cirkel et al. (2006), S. 21.

25 Vgl. BMFSFJ (2005),S. 203 f.

26 Vgl. Cirkel et al. (2006), S. 30.

27 Vgl. Statistisches Bundesamt (2004), S. 80.

28 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 187 f.

29 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 191.

30 Vgl. Grabka (2004), S. 69.

31 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 188.

32 Vgl. Fachinger (2004), S. 61 ff.

33 Vgl. Grabka (2004), S. 70 f.

34 Vgl. Fachinger (2004), S. 17 ff.

35 Vgl. Langguth (2005), S.17, Bovensiepen et al. (2006), S. 7.

36 Vgl. Balderhaar et al. (2006), S. 57.

37 Vgl. Schaffnit-Chatterjee (2007), S. 12.

38 Vgl. Fachinger (2004), S. 40 ff.

39 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 22.

40 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 247 f.

41 Vgl. Schaible et al. (2007), S. 92.

42 Vgl. BMFSFJ (2005), S. 242 f., Born et al. (2000), S. 10.

43 Vgl. Schaible et al. (2007), S. 98.

44 Vgl. GfK (1993), S. 26.

45 Vgl. Schaffnit-Chatterjee (2007), S. 19.

46 Vgl. Schaible et al. (2007), S. 95.

47 Vgl. Wild (2004), S. 251.

48 Vgl. Kompetenzzentrum TeDiC (2007), S. 5.

49 Vgl. Filipp/Mayer (1999), S. 30, Hupp (1999), S. 14.

50 Langguth (2005), S. 13.

51 Vgl. Langguth (2005), S. 13.

52 Vgl. Hupp (1999), S. 17 ff., Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 27 ff.

53 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 29, Hupp (1999), S 21.

54 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 30 f.

55 Vgl. Hupp (1999), S 21.

56 Vgl. Hupp (1999), S 21.

57 Vgl. Hens (2006), S. 15.

58 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 31.

59 Vgl. Hens (2006), S. 15.

60 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 32.

61 Vgl. Hens (2006), S. 13.

62 Vgl. Hupp (1999), S. 23.

63 Vgl. Hupp (1999), S. 42 f., Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 27 f.

64 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 28.

65 Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004), S. 28.

66 Vgl. Filipp/Mayer (1999), S. 42 f., GfK (1993), S. 72.

67 Vgl. Hupp (1999), S. 52.

68 Vgl. Hupp (1999), S. 54 ff.

69 Vgl. Hupp (1999), S. 55 f., Filipp/Mayer (1999), S. 12 f.

70 Vgl. Filipp/Mayer (1999), S. 29 ff.

71 Vgl. Filipp/Mayer (1999), S. 29 ff.

72 Für verschiedene Ausführungen zu Einstellungen zum Altern vgl. u.a. GfK (1993), ACNielsen (2006), GREY (1998).

73 Vgl. Filipp/Mayer (1999), S. 34 f.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Zielgruppe 50plus - Herausforderungen für die Gestaltung von Dienstleistungsumgebungen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
49
Katalognummer
V92378
ISBN (eBook)
9783638061315
Dateigröße
35046 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zielgruppe, Herausforderungen, Gestaltung, Dienstleistungsumgebungen
Arbeit zitieren
Janett Büttner (Autor:in), 2007, Zielgruppe 50plus - Herausforderungen für die Gestaltung von Dienstleistungsumgebungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92378

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