Die ersten Kumpf in Beerfelden

Genealogische Strukturen und Lebensbilder einer Tuchmacher- und Zentschultheißen-Familie in den Jahren 1507 bis 1678 im südlichen Odenwald


Forschungsarbeit, 2020

94 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung
1.1 Forschungsstand und Problemstellung
1.2 Methodik der Arbeit
1.2.1 Verwandtschaftsbelege sind Argumente
1.2.2 Aufbau der Personenbeschreibungen

2 Frühe Zuwanderung nach Beerfelden

3 Die fünf Kumpf-Familien 1678

4 Die Forschungsaufgabe
4.1 Die erste These
4.2 Die zweite These
4.3 Die dritte These
4.4 Die vierte These
4.5 Conditio sine qua non

5 Ältere Ahnenreihe zu Peter Kumpf junior
5.1 Generation I in Beerfelden: Urich Kumpf
5.2 Generation II in Beerfelden: Bastian Kumpf
5.3 Generation III in Beerfelden: Hans Kumpf der Alte
5.4 Generation IV in Beerfelden: Hans Kumpf der Junge
5.5 Generation V: Brüder Hans, Peter und Georg Kumpf
5.6 Generation VI in Beerfelden: Peter Kumpf senior
5.7 Generation VII in Beerfelden: Peter Kumpf junior

6 Jüngere Ahnenreihe zu Hans Kumpf junior und Georg Kumpf
6.1 Generation IV: Erste Ehe des Hans Kumpf der Junge
6.2 Generation V: Hans Kumpf genannt der Haberhans
6.3 Generation VI: Hans Kumpf senior
6.3.1 Seine erste Ehe in Hirschhorn mit Ottilie
6.3.2 Seine zweite Ehe in Beerfelden mit Maria
6.4 Generation VII: Hans Kumpf junior und Georg Kumpf

7 Weitere Ahnenlinien und Einzelnes
7.1 Abzweigung der Lenhard-Kumpf-Linie
7.2 Zweite Hans-Kumpf-Linie mit Zuwanderung
7.2.1 Generation III in Beerfelden: Hans Kumpf der Älteste
7.2.2 Generation IV in Beerfelden: Hans Kumpf der Alte
7.3 Übrige Namen der Generation V in Beerfelden
7.3.1 Zeitraum und Namen der V. Generation
7.3.2 Sichere Zuordnungen
7.3.3 Wahrscheinliche und mögliche Zuordnungen

8 Gesamtschau der Ergebnisse
8.1 Peter-Kumpf-Zweig in Beerfelden
8.2 Hans- und Georg-Kumpf-Zweig in Beerfelden

9 Spätere Lebensbilder - Die Familien nach 1678
9.1 Häuser im Verhör 1678 und danach
9.2 Besitz bei der Schatzung 1691
9.3 Reiche Kinderscharen nach 30jährigem Krieg

10 Exkurs: Ausbreitung nach 1600 bis heute

11 Frühere Lebensbilder - vor Beerfelden
11.1 Kumpf-Familien vor der Beerfelden-Zeit 1507
11.2 Zuwanderergeschichten
11.2.1 Zuwanderung um 1507 aus Franken
11.2.2 Zuwanderung um 1560 aus Kitzingen
11.3 Mögliche Wege der Zuwanderer

Schlusswort

Endnoten

Abbildungsverzeichnnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Der Autor

Vorwort

Bis zurückgehend in das Jahr 1678 werden viele Familienforscher in Beerfelden fündig. Aber dann enden die Gewissheiten. Kaum ein Ahnenforscher gelangt über den 30jährigen Krieg hinaus. Hier wird eine Studie vorgelegt, die eine weiter zurückreichende Familie zeigt.

Wer wird das lesen? Nun, alle mit dem Namen Kumpf, wie ich hoffe, und das sind in der Tat viele! In Franken, Bayern. Österreich, Schwaben und Hessen - aber auch im Rheinland und im Norden Deutschlands ist der Name verbreitet. Darüber hinaus dürften auch andere interessiert sein, die sehen wollen, wie man noch tiefer in die Vergangenheit zurückgehen kann. Die Familie Kumpf ist in vielen Dokumenten belegt und mit etwas Fantasie entstehen wechselvolle Lebensbilder. Es ist ein Griff ins volle Leben mit Höhen und Tiefen, aber immer voller Energie und Lebensfreude. Früh geheiratet und viele lebendige Kinder in die Welt gesetzt - das scheint das Lebensmotto dieser Familie zu sein.

Mein Dank geht in viele Richtungen. Zunächst einmal an die vielen Archivare, die in den letzten Jahren meine „Ausgrabungen“ historischer Dokumente för­dernd begleiteten. Dann an meine Cousine 2. Grades Ursula, die mir die For­schungsunterlagen ihres Vaters und Großvaters zur Verfügung stellte. Ein Dank geht auch an meinen Vater selig, der in Gesprächen die Ahnen lebendig erhielt und in vielen Bereichen Grundlagenforschung betrieb, auf der ich auf­bauen konnte, sowie an meinen Großvater, der mich in die Odenwälder Woll­fabrikation und den -versand einführte. Ganz besonders möchte ich auch meinen „Mitforschern im Geiste“ danken, Herrn Dr. Wolfgang Kumpf und Herrn Dr. Johann Heinrich Kumpf, deren ständige wohlwollende Begleitung meiner Arbeit sehr förderlich war und ist. Last but not least geht ein großer Dank an meine liebe Ehefrau Susanna, die mit viel Interesse und immer wieder anre­genden Gesprächen und nicht zuletzt einer großen Geduld mein Hobby, das einem jahrelangen Puzzle-Spiel nicht unähnlich war, begleitet hat.

Nun auf, Leser, frisch sei’s gewagt! Aber habe Nachsicht mit dem Autor, denn eine Arbeit kann nur soweit gelingen wie seine verwendeten Quellen überzeu­gen. Wenn du, geneigter Leser, mich auf Holzwegen ertappst oder Wichtiges gefunden hast, das hier nicht enthalten ist, dann sprich es aus und teile es mir mit. Denn das gehört zum hier betriebenen Handwerk. Igersheim, am 19. Juli 2020 Gert Heinz Kumpf M.A.

1 Einleitung

Betrachtet man eine Karte mit der Verteilung des Nachnamens Kumpf im deutschsprachigen Raum, so fällt sofort die starke Häufung im südhessischen Odenwaldkreis auf. Innerhalb des Odenwaldkreises sticht ganz markant wie­derum Beerfelden hervor. Beerfelden scheint so etwas wie die Urheimat vieler heutiger Kumpf-Familien zu sein, einschließlich der im 19. Jahrhundert in die USA Ausgewanderten.

Dies ist umso verblüffender, da man nämlich im Jahr 1507 noch keinen Na­mensträger Kumpf im ganzen Odenwald findet. Rund 170 Jahre später sind dann fünf kinderreiche Kumpf-Familien in Beerfelden durch die Kirchenbuch­Einträge nachgewiesen.

1.1 Forschungsstand und Problemstellung

Seit dem Jahr 1678 liegen Kirchenbücher in Beerfelden vor. Dem Stadtarchiv der Oberzent, wie Beerfelden seit dem 1. Januar 2018 heißt, ist es in den letz­ten Jahren gelungen, die Kirchenbücher zu digitalisieren. Somit kann jeder In­teressierte seine Ahnen lückenlos bis in dieses Jahr 1678 zurückverfolgen. Zwei ältere Kirchenbücher, die im Jahr 1600 begannen, sind bei dem großen Brand von Beerfelden 1810 verbrannt.1 Wegen dieses Verlustes gibt es bis dato keine Möglichkeit, die Spuren der Familie Kumpf zuverlässig weiter zurückzu­verfolgen.

Man ist auf andere Quellen angewiesen, nämlich auf Gültbücher, Schatzungen und Protokolle des Amtes Freienstein, zu dem Beerfelden zur Zeit der Graf­schaft Erbach rechnete. Der Odenwälder Heimatforscher Friedrich Höreth hat in seiner Schrift „Beiträge zur Odenwälder Familiengeschichte. Die Namen Kumpf in Beerfelden und Erbach. Verbreitungsgebiet und Herkunft“ im Jahr 1959 die Erwähnungen des Namens überblickshaft dargelegt, ohne aber einen roten Faden zu finden. Bedauernd stellt er fest: So wichtig für die Geschichte der Familie die Einträge auch sind, so lässt sich mit ihnen doch keine Genealo­gie aufstellen.2

Der Ahnenforscher Johann Heinrich Kumpf aus Berlin hat erstmals zu diesen frühen amtlichen Quellen eine vollständige Liste vorgelegt, die durch ihre klare chronologische Struktur eine wichtige Vorarbeit für diese Arbeit bildet.3

Auch das Archiv in Beerfelden kommt nicht weiter zurück als bis zum Jahr 1678. Davor finden sich nur vereinzelte Einträge, die zwar genau, aber zusam­menhanglos sind, wie z. B. In Beerfelden wird der Wollenweber Georg Kompf am 7.10.1626 als Schultheiß bestätigt. 4

Die Aufgabe, die die vorliegende Arbeit zu bewältigen versucht, lautet also: Wie war die Generationenfolge der Familie Kumpf zwischen 1 507 und 1678? Das sind 171 Jahre. Setzt man das Geburtsdatum des ersten Zuwanderers nach Beerfelden mit etwa 1460 an, so kommt man auf 218 Jahre. Eine Generation wird in der Ahnenforschung mit 30 Jahren angesetzt.5 Folglich ergeben sich bei einer Zeitspanne von 218 Jahren 7 Generationen. Diese sieben Generatio­nen der Familie Kumpf zu finden und damit den Anschluss an die Kirchenbuch­zeit zu finden, ist das Ziel dieser Arbeit.

1.2 Methodik der Arbeit

Es ist nicht sicher, ob dieses Ziel zu erreichen sein wird. Anders gesagt: Mit dem jetzigen Wissen und den jetzigen Materialien wird das Optimum versucht, das so lange gilt, bis es mit fundierter Kritik oder neuen Materialien revidiert werden muss. Dieser Weg wissenschaftlichen Arbeitens gilt natürlich auch für die Ahnenforschung.

1.2.1 Verwandtschaftsbelege sind Argumente

Der konkreten Arbeit möchte ich einige allgemeine Überlegungen voranstellen, die von Nutzen sind:

- Die Sitte der Namensgebung war im 16. und 17. Jahrhundert im Oden­wald noch sehr traditionell. Das Studium der Kirchenbucheinträge belegt zur Genüge, dass der älteste Sohn den Vornamen des Vaters erhielt. Wir hatten damals noch die väterlich orientierte Zeit mit dem Ziel, an den männlichen Erstgeborenen nicht nur das Erbe, sondern auch den Namen weiterzugeben. Soweit ich sehe, war die Namensgebung bei einer erst­geborenen Tochter nicht so konsequent mütterlich. Wenn der erste Sohn bald nach der Geburt verstorben ist, konnte sein Name auch ein zweites Mal vergeben werden, sonst aber nicht. Weitere Kinder wurden dann überwiegend nach weiteren Verwandten beider Li­nien benannt, oder auch mit neuen, gerade modisch gewordenen Na­men.
- Da früh geheiratet wurde und wir damals eine durchschnittliche Lebens­dauer von 45-65 Jahren in den Quellen beobachten, im Einzelfall auch bis 80 Jahren, wuchs der älteste Sohn neben dem Vater zum Erwachse­nen heran. Zur Unterscheidung der beiden sprach man im 16. Jahrhun­dert vom „Alten“ und „Jungen“, und wenn der Großvater gleichen Vornamens sogar noch lebte, so war er „der Älteste“. Im 17. Jahrhundert finden wir die lateinischen Zusätze hinter den Namen „Senior“ (der Äl­tere) und „Junior“ (der Jüngere, der Sohn im Verhältnis zum Vater6 ). Diese Sitte war und ist im Odenwald weit verbreitet. Der Schreiber dieser Zeilen wuchs in Erbach im Odenwald auf. Solange ich ein Kind war, war Großvater der Senior und Vater der Junior. Nach dem Tod des Großvaters ging diese paarige Bezeichnung auf meinen Vater und mich über.
- Die amtlichen Einträge vor der Kirchenbuchzeit in Beerfelden weisen überwiegend eine Person, einige Male aber auch Verknüpfungen zweier oder mehrerer Personen auf, auch mit Angabe der verwandtschaftlichen Beziehungen. Diese Verknüpfungen sind besonders interessant und können, bei gelungener Lesart, wesentliche Bausteine zur Entwicklung einer genealogischen Reihung darstellen.
- Ein kleiner, fast unscheinbarer Hinweis im Beerfelder Kirchenbuch führt auf eine Zusammenhänge erschließende Struktur. 1677 heißt es dort: Georg Kumpf, Bierbrauer, aus Hirschhorn stammend7. Ein genaueres Studium des katholischen Kirchenbuchs Hirschhorn wird zu verblüffen­den Ergebnissen beim besseren Verständnis der Zusammenhänge in Beerfelden führen.

1.2.2 Aufbau der Personenbeschreibungen

Gäbe es nur unbestreitbare Fakten, wäre diese Arbeit nicht erforderlich. Was vorliegt, sind klare Quellenhinweise. Das Problem beginnt mit der Interpreta­tion und der Rekonstruktion von Zusammenhängen. Deshalb ist eine erste me­thodische Vorentscheidung die, dass die Informationen generationsweise nacheinander vorgestellt werden. So bleibt das Ganze nachvollziehbarer.

Beginnen werde ich zweitens jeweils mit den Quellenhinweisen (Dokumente sind in Blau hervorgehoben), ähnlich wie sie Johann Heinrich Kumpf in seiner Zusam­menstellung aufführt.8 Dann folgt die Auswertung der Fakten, die in eine Le­bensbeschreibung übergeht. In einem dritten Teil können Möglichkeiten oder Vermutungen angesprochen werden. So bewegt sich die Argumentation vom Sicheren zum Unsicheren, vom Faktum über die Interpretation hin zur - aller­dings begründeten - Spekulation.

Da ich wenig von PC-generierten Genealogie-Listen halte, die zwar viel Arbeit bei der Erstellung bereiten, aber dann nur kurz begutachtet und vielleicht zur Seite gelegt werden, will ich einen anderen Weg einschlagen. Es ist der Weg einer Interpretation der Fakten, der, im besten Fall, zu einem sachlich begrün­deten Lebensbild führen kann. Wo es möglich ist, werde ich meine Forschungs­ergebnisse in Diagrammen veranschaulichen.

2 Frühe Zuwanderung nach Beerfelden

Dass die Familie Kumpf nicht „schon immer“ in Beerfelden lebte, sondern zu­gewandert ist, dürfte sicher sein. In den „Einwohnerlisten der Grafschaft Erbach aus dem Jahre 1 507“ ist kein Kumpf genannt. Auch im sonstigen Odenwald, z.B. im Herrschaftsbereich Breuberg, finden sich keine Spuren. Höreth stellte fest: Leider fehlen aus jenen Jahren [1507 und früher] die Akten über die Auf­nahme fremder Leute, die sogenannten Receptionen.9

Einen weiteren Hinweis, dass die Familie Kumpf nicht ursprünglich aus dem Odenwald stammte, gibt die Sprachform. Die Zweite oder Hochdeutsche Laut­verschiebung führte zu einem regelhaften Wandel im Konsonantismus und da­mit zu einer Herauslösung des Deutschen aus den übrigen germanischen Sprachen. Germanisch p wurde zu Althochdeutsch pf verschoben (damals auch ph geschrieben). Der stimmlose Verschlusslaut p wurde zur Affrikate, dem Ver­schlussreibelaut pf. Dieser konsonantische Vorgang fand im 6. bis 7. Jahrhun­dert statt, aber nur im oberdeutschen Dialektgebiet. So wurde aus Altsächsisch appul und Englisch apple Althochdeutsch aphul, unser Wort Apfel. Entspre­chend wurde aus dem Namen Kump die lautverschobene Variante Kumpf.

Diese Veränderung spielte sich nur im süddeutsch-schweizerisch-österreichi­schen Raum ab, bis zur sogenannten Appel/Apfel- oder Speyerer Linie. Sie ver­läuft südlich von Speyer, dann entlang des Neckars, den sie bei Eberbach Richtung Nordosten überschreitet. Südlich dieser Linie befindet sich der ober­deutsche Dialektraum mit Südfränkisch, Ostfränkisch sowie den schwäbisch­alemannischen und den bairisch-österreichischen Mundarten. Im gesamten Raum hat man die Variante „Kumpf“. Da der Odenwald mit Beerfelden nördlich dieser Isoglosse liegt, wird dort die nicht lautverschobene rheinfränkische (oder pfälzische) Mundart mit der Variante „Kump“ gesprochen. Also auch „Kaf- feekumbe“, „Parrer“ und „Appel/Äppelwoi“. Diese „p statt pf"-Variante findet sich auch in Nord-, West- und Ostdeutschland.

Wir sehen also, dass das Wort „Kumpf“ nicht im Odenwald entstanden sein kann, auch nicht nördlich davon, sondern dass es ein aus dem oberdeutschen Sprachraum eingewandertes Wort ist.

3 Die fünf Kumpf-Familien 1678

Der Beerfelder Pfarrer Henricus Heisius, der aus Braunschweig stammte, trug in das Kirchenbuch ein:

Beerfelden Anno 1678, den 5. Juny auf dem Rathhause verhör gehalten die Hausbesitzende persönlich anwe- send & bekannt10 Dieses sogenannte. „Verhör“ diente der Erstellung eines Einwohnerverzeichnis­ses in der gesamten Pfarrei für den ortsfremden Pfarrer. Ein Glück für uns Nachgeborenen, dieser ordnungsliebende Preuße!

Beerfelden bestand damals aus 46 Häusern. Der Pfarrer zählte die Bewohner zusammen: S[um]me aller Seelen in Beerf. sind 271.11 Die 46 Haushaltsvor­stände waren alle verheiratet und hatten zwischen null und acht Kindern, zu­sammen ergaben sich 246 Einwohner. In sieben Häusern wohnten 11 verwandte oder verschwägerte Personen. Außerdem wurden die Haushalte des Pfarrers und des Schulmeisters, vermutlich weitere 14 Personen, dazugerech­net. Zu diesen fest in Beerfelden ansässigen 271 „Seelen“ kommen noch einmal 32 Hausangestellte hinzu, die sich auf 17 Häuser verteilten.

Nimmt man diese Zahlen, die Johann Heinrich Kumpf in seiner Abhandlung „Beerfelden 1678“ zusammengetragen hat12, zur Grundlage, so lässt sich der Anteil der Bürger mit Namen Kumpf berechnen. Fünf der 46 Häuser waren von Kumpf-Familien bewohnt, das sind 11 % der Häuser. Zusammen waren es 36 Familienmitglieder von 271 Einwohnern, das sind 13%. Die Kinderzahl der Kumpf-Familien war überdurchschnittlich hoch. Im Jahr 1678 lebten in den 46 Beerfelder Häusern 154 Kinder, davon waren allein 25 Kumpf-Kinder, also 16,2 %. Bis zum Jahr 1686 wurden in diese Familien fünf weitere Kinder gebo­ren. Die übrigen Beerfelder Familien hatten durchschnittlich 3,1 Kinder, die Kumpf-Hausstände dagegen 5, acht Jahre später sogar 6 Kinder.10

Max Steinbaur hat im Jahr 1982 die fünf frühesten, durch das Kirchenbuch belegten Kumpf-Familien Beerfeldens zusammengestellt.11 12 Er bemerkt sehr rich­tig, dass „die Kumpf ... zu den ältesten Familien mit wohl stärkster Verbreitung (zählen)“.13 Steinbaurs Zusammenstellung ist als erste Orientierung zwar nütz­lich, bei genauerem Hinsehen jedoch lückenhaft und fehlerbehaftet. Dies zei­gen Vergleiche mit Kopien der Kirchenbücher (teils schwer leserlich), Abschriften des Ober-Pfarrers Junker von 1900 und Ernst Walz von 1986.14

Ich nenne im Folgenden die Namen der fünf Beerfelder Haushaltsvorstände mit Lebensdaten, Beruf und Ehefrau aus dem Jahr des „Verhörs“ 1678. Bei den Kin­dern gebe ich hier zunächst nur die Anzahl an, aber die Gesamtzahl des 1686 abgeschlossenen Nachwuchses. Der Pfarrer notierte das Alter der Eltern. Da­nach errechne ich das Geburtsdatum, nach dem sich meine Reihe richtet.:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nicht nur durch die hohe Kinderzahl, sondern auch durch die Berufsstruktur liegen die fünf Kumpf-Familien über dem sozialen Durchschnitt.15 16 Von dreien sind Berufe überliefert: drei sind Tuchmacher, wobei der eine zugleich auch Bierbrauer ist. Alle fünf sind ehrenamtlich engagiert: vier sind Gerichtsmänner oder „Gerichtsverwandte“, das heißt Schöffen oder Beisitzer im Gericht, zwei Kirchenpfleger oder „curatores ecclesiae“. Drei übten sogar das höchste Amt aus, das die Oberzent zu vergeben hatte, sie waren Zentschultheiße17, vom Grafen zu Erbach berufen und für den südlichen Teil der Grafschaft Erbach, die Oberzent um Beerfelden, zuständig.

4 Die Forschungsaufgabe

4.1 Die erste These

Max Steinbaur schreibt über die fünf Familien : Wenn mehrere Träger desselben Namens nur knapp in die Kirchenbuchzeit hineinreichen, besteht Mehrstäm- migkeit. ...Nach dem Hausstandsregister in Beerfelden von 1678 ... waren sie fünfstämmig.18

Im Gegensatz zu dieser Behauptung wird der Verfasser darlegen, dass keine Fünfstämmigkeit vorliegt. Es wird zu zeigen sein, dass alle Beerfelder Kumpf auf zwei Stämme zurückzuführen sind, die ich Peter-Kumpf-Ahnenreihe und Hans-Kumpf-Ahnenreihe nenne.

4.2 Die zweite These

Friedrich Höreth hat 1959 versucht, die Herkunft der Familie Kumpf in Beerfel­den und Erbach aufzuklären. Er stellt fest: Außer in Beerfelden kommt die Fa­milie auch in Erbach, Güttersbach und Hirschhorn vor, ebenso in Mossau. .Die Güttersbacher und Mossauer Kumpf gehen alle auf die Beerfelder Kumpf der Kirchenbuchzeit zurück.19

Es wird gezeigt werden, dass die im 17. Jahrhundert in Erbach und Hirschhorn nachgewiesenen Kumpf auch von Beerfelden kamen. Außerdem wird die enge Verbindung zwischen Beerfelden und Hirschhorn nachgewiesen werden, die wesentlich zur Aufklärung der Zusammenhänge in Beerfelden beiträgt. Damit wird der Ort Beerfelden als Ursprungsort aller Kumpf im Odenwald bestätigt.

4.3 Die dritte These

Sie beschäftigt sich mit Zeitpunkt und Pesonen der Zuwanderung. Höreth nimmt in seiner Untersuchung an, dass die Familie zwischen 1500 und 1550 in den Odenwald in das Amt Freienstein eingewandert ist.20 Als Zuwanderer macht er den nach den Wirren des Bauernkriegs nach Kitzingen geflohenen Rothenburger Tuchmacher Georg Kumpf aus, der von Kitzingen aus weiterge­wandert sein soll. Nach längeren Überlegungen zum Bauernkrieg räumt Höreth aber selbst ein: Dem widerspricht jedoch der Name des erstmalig in Beerfelden genannten Kumpf. Er wird Bastian genannt.21

Es wird gezeigt werden, dass sich der Zeitpunkt der Zuwanderung präziser bestimmen lässt: dass außer der ersten Zuwanderung um 1 507 oder kurz da­nach eine zweite Zuwanderung nach Beerfelden erfolgt ist, etwa um 1 560. Beim Jahr 1 507 beziehe ich mich auf die Forschungen meines Kollegen Johann Heinrich Kumpf, der nachgewiesen hat, dass der erste Kumpf in Beerfelden Urich und nicht Bastian hieß. Die von mir postulierte zweite Zuwanderung ist spekulativer. Sie vermutet die Zuwanderung eines (oder mehrerer) Hans Kumpf, die im evangelischen Kirchenbuch von Kitzingen nachgewiesen sind, rund 50 Jahre später.

4.4 Die vierte These

Schließlich soll die Frage erörtert werden, aus welcher Stadt oder Landschaft die Zuwanderung erfolgt sein könnte. Höreth hatte nur eine Idee, aufgrund der Schriften eines früheren Familienforschers Alfred Kumpf22, von woher der oder die Zuwanderer kamen, hat diese aber durch seinen „Bauernkriegs-Georg“ dis­kreditiert (Georg Kumpf ist nachweislich in Kitzingen gestorben.)

Aufgrund der Forschungen renommierter Kumpf-Ahnenforscher23 und meiner Wenigkeit hat sich inzwischen ein breites Feld möglicher Zuwanderungsregio­nen und -namen ergeben. Die nach heutigem Wissensstand wahrscheinlichsten Varianten werden dargelegt werden. Mit der Frage nach dem Ort der Zuwande­rung stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Zuwanderungsweg. Auch dazu werden die wahrscheinlichsten Routen erörtert werden.

4.5 Conditio sine qua non

Der Kern dieses Aufsatzes besteht in dem Versuch, die ersten Kumpf in Beer­felden zu finden und die genealogische Reihung vor der Kirchenbuch-Zeit her­auszufinden. Sie existiert ja! Ein solches Bemühen kann nur dann Sinn haben, wenn es überzeugend gelingt, die Vorfahren a l l e r fünf Kumpf-Familien des Jahres 1678 zu entdecken und die Zusammenhänge darzulegen. Die Verfol­gung nur einer Generationenlinie bei Außerachtlassung anderer, z. B. des „ja sowieso aus Hirschhorn stammenden Georg Kumpf“, kann nicht wirklich zielführend sein. Anders formuliert: Solange auch nur e i n Beerfelder Kumpf nicht „untergebracht ist“, ist die ganze Herleitung fragwürdig. Die Über­zeugungskraft der Argumentation steht und fällt also mit den Ergebnissen und der Plausibilität der Detailuntersuchung, die jetzt beginnen soll.

5 Ältere Ahnenreihe zu Peter Kumpf junior

Das evangelische Kirchenbuch Beerfelden verzeichnet fünf frühe Kumpf. Georg stammt aus Hirschhorn, also haben Beerfelder Wurzeln: Hans Kumpf senior und junior, Peter Kumpf senior und junior. Wie ich schon gezeigt hatte (Ab­schnitt 1.2.1), kann es sich jeweils nur um Vater und Sohn handeln. Ein älterer Bruder, ein Onkel oder ein fernerer Verwandter würde nicht als „Senior“ be­zeichnet werden. Damit wäre schon einmal ein Schritt hinter die Kirchenbuch­Zeit zurück getan. Es ist aber sinnvoller, die Betrachtung der Generationen­folge vom Anfang an durchzuführen. Wir beginnen mit der Peter-Kumpf-Ah­nenreihe.

5.1 Generation I in Beerfelden: Urich Kumpf

Quellenhinweise:

1507 Einw Kein Kumpf in Bf. genannt, aber „Der Lynewöber".

1511 Gült Urich Kumpf:

- Haus „hinder der Pastorie uff der Weyden", zahlte Hintersiedelsbeed
- Mitbesitzer von 8 Morgen Acker am Gammelsbacher Weg in Bf.
- Mitbesitzer der Leweryn-Hub in Bf. (Anteil 1/12)
- Mitbesitzer der Brunschnyders-Hub in Etzean24

Interpretation der Quellen:

Urich Kumpf ist wohl 1507 nach der Erstellung des Einwohnerverzeichnisses oder etwas später in Beerfelden eingewandert.

Jedenfalls wohnt er 1511 schon in einem Beerfelder Haus. Das Gültbuch von 1420/29 [erneuert 1511] unterscheidet drei Siedlungsarten in Beerfelden: die Huben und ihre Besitzer, das sind die alteingesessenen, wohlhabenden Bauern. Zweitens „Häuser auf der Almend“; - die Besiedlung der Allmende, des bäuerlichen Allgemeinbesitzes, war eine Maßnahme, die durch die Bevölke­rungsvermehrung um 1300-1350 erfolgte.25 Hier siedelten Kleinbauern. Drit­tens die Häuser auf der Wiese hinter dem Sitz des Pastors, des Pfarrhauses. Das war wohl eine Art sozialer Maßnahme der Kirche für den Schulmeister und ärmere Häusler, die außer Haus und Garten nichts besaßen, sich auf größeren Höfen als Tagelöhner verdingen oder sich aufs Handwerk verlegen mussten. Das war auch der Ankerplatz für Zuwanderer. Diese Armen und Zuwanderer mussten „Hintersiedelsbeed“, eine Art Vermögenssteuer („Leibsteuer“) für bloße Häusler, zahlen. Wir finden unseren zugewanderten Urich natürlich in der dritten Gruppe.

Nichtsdestotrotz hat sich Urich rasch Besitz erworben, denn schon 3-4 Jahre später hat er an zwei Plätzen in Beerfelden Äcker und einen dritten im nahe gelegenen, fußläufigen Bereich in Etzean. Dass er nicht Allein-, sondern Mitbe­sitzer ist, zeigt an, dass er sich als Zuwanderer in das Agrarland „eingekauft“ hat. Also war er, wie alle damals, bäuerlich tätig, jedoch in geringem Umfang. Seine Felder scheinen hauptsächlich am Gammelsbacher Weg in Bf. gelegen zu haben.26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anknüpfende Vermutungen:

Ob Urich schon nebenher ein Handwerk ausgeübt hat, wissen wir nicht. Ob er der 1 507 zitierte Leinenweber (Lynewöber) ist, ist mehr als fraglich. Warum sollte er nicht mit Namen genannt werden, wenn er doch genug Geld hatte, um ein (kleines) Haus zu erwerben und sich in die landwirtschaftliche Fläche einzukaufen? Gegen die Gleichung Urich = Lynewöber spricht auch der Um­stand, dass die Leinenweber zu der unteren sozialen Schicht rechneten (gerade auch, weil sie nicht einmal eines personenbezogenen Namens würdig waren), anders als die Wollenweber (anderer Ausdruck für Tuchmacher), die wir später im Hause Kumpf zur Genüge finden. Weiterhin ist zu beachten, dass es 1511 „in einem Haus auf der Allmend“ „Die Leinewoberin“ gab. Das ist wohl die Witwe des noch 1 507 bezeugten „Lynewöbers“. Sie wohnt aber in einem anderen Haus als Urich, der ja hinter dem Pfarrhaus auf kirchlichem Besitz siedelte. Andererseits rechnete aber dieser Lynewöber mit (1507) 30 Gulden Ver­mögen durchaus zur Mittelschicht Beerfeldens (die 80 Bürger Beerfeldens hat­ten 1507 zwischen 6 und 80 Gulden Vermögen, 21 von ihnen gar keines. Dies geht aus dem Einwohnerverzeichnis hervor, das „zur Erhebung eines 10%igen Notopfers zur Deckung der während der pfalz-bayrischen Fehde entstandenen Kriegsschäden aufgestellt“ 27 wurde. Das ist ja nun auch so verwunderlich nicht, da dieser Leineweber wohl die ganze Beerfelder ,Community‘ mit Unterwäsche und Oberhemden aus Leinen versorgt hat.

Auf jeden Fall muss Urich nicht völlig mittellos, sondern schon mit einem nicht unerheblichen Barvermögen eingewandert sein. Dies spricht für eine eher ge­plante als eine überstürzte, gar kriegsbedingte Einwanderung. Vermutlich ist es ihm in den wenigen verbliebenen Jahren seines Lebens in Beerfelden aber kaum gelungen, neben den Problemen der Eingliederung und des Grunder­werbs am neuen Ort auch noch einen doch recht komplizierten Holz-Webstuhl aufzubauen. Denn 1511 scheint er nicht mehr am Leben zu sein, da sein Sohn Bastian seinen Besitz übernommen hatte.

5.2 Generation II in Beerfelden: Bastian Kumpf

Quellenhinweise:

1511 Gült Bastian (Bestgen) Kumpf:

- Neuer Besitzer von „Urich Kumpffs Haus" in Bf.
- Neuer Besitzer von 8 Morgen Acker am Gammelsbacher Weg in Bf.
- Neuer Besitzer der Krebs-Hub in Bf.
- Neuer Besitzer von „Jacob Brunschnyders Haus" (vor 1517 weiterver­kauft)

1519 Gült B.K. zahlt vom Haus „Hinter der Pastorie" Hintersassenbeed 1557 Erb B.K. hat 400 Gulden Vermögen und keine Schulden nach 1557 Georgi (23. April) Hör Bastian Kumpf verleiht zusammen mit Balthasar Streun 20 Gulden an Lenhardt Crafft in Hetzbach28 Vermutlich ein jüngerer Bruder von Bastian ist Jakob Kumpff: 1519 Gült J.K. besitzt ein Haus „uff der Almend" und zahlt Hintersassenbeed 1557 Erb J.K. hat 165 Gulden Vermögen und 85 Gulden Schulden Interpretation der Quellen:

Da Bastian (Bestgen, Sebastian) Kumpf im Jahr 1511 Haus und Besitz von Urich Kumpf übernommen hat, ist er wohl sein ältester Sohn und damit der Erbe. Er muss bei Antritt des Erbes schon volljährig (damals 21) gewesen sein. Das be­deutet auch, dass er mit seinem Vater Urich eingewandert ist. Er hat schon im Jahr 1511 den landwirtschaftlichen Besitz um die Krebs-Hube vermehrt. Sie dürfte in der Krebsklinge gelegen sein, auch im Süden Beerfeldens wie die Ackerflächen am Gammelsbacher Weg. Außerdem war er kurzzeitig Besitzer eines zweiten Hauses, das des Brunschnyder in Beerfelden, dessen Huben-An­teil in Etzean sein Vater besessen hatte. Trotz dieser ökonomischen Verbesse­rungen sehen wir ihn 8 Jahre später (1519) aber immer noch Hintersassenbeed von seinem Haus „Hinter der Pastorie“ zahlen, d. h. der Status des Zuwanderers ist immer noch nicht ganz überwunden. Das ändert sich aber im Laufe seines weiteren Lebens. Nach 1557 (?) verleiht er 20 Gulden, eine nicht unerhebliche Summe, wenn man den Gulden mit dem Wert von etwa 50 Euro ansetzt.

Hier ist er mit Balthasar Streun in Kontakt, der während des Bauernkriegs 1525 auf Seiten der Obrigkeit stand.29 Die Beerfelder Kumpf scheinen auch nicht am Bauernkrieg teilgenommen zu haben. Anders aber der Schenk von Erbach, der Oberbefehlshaber des Kurpfälzischen Heeres war und dafür von Kaiser Karl V. im Jahr 1 532 die Reichsgrafenwürde verliehen bekam.30 Im engen Zusammen­hang mit dem Grafenhaus steht wiederum das Amt des Zentschultheißen, das schon in der „Erbacher Schatzung 1 557“ aufgeführt ist. Im Jahr 1 557 beschlos­sen die Fürsten auf dem Reichstag in Regensburg, für die „ armen beträngten Christen zu Hungarn“31 Geld einsammeln zu lassen. Ungarn hatte in der Schlacht von Mohacs 1 526 seine Selbständigkeit verloren, mehr als zwei Drittel des Landes wurden osmanisch.32

In dieser „Erbacher Schatzung“ der Grafschaft wurde festgelegt, dass „von hun­dert Gulden rechtes Werths ein Gulden zu 15 Batzen“ eingenommen wird und zu dem Zweck eine Aufstellung zur Vermögensschätzung vorgenommen wird. Um die Höhe der Abgabe richtig einzuschätzen, liefert Höreth Preis-Beispiele. Eine Kuh kostete damals 4 bis 6 Gulden, ein Schwein 1 bis 1 /2, ein Schaf /2 Gulden; ein Morgen Feld oder Wiese 5 bis 8 Gulden. In Beerfelden gab es 80 Haushaltsvorstände, also etwa 400 Einwohner.

Der Beerfelder Bauer Lenhart Flechsenhoor, genannt ,das Bäuerle1, war „der reichste Mann des Erbacher Odenwaldes und wohnte im Jahr 1557 in Beerfel­den. Er hatte ein Vermögen von 1612 Gulden und keine Schulden. An sechster Stelle kam Bastian Kumpf mit 400 Gulden Vermögen, auch ohne Schulden.33 Bastian Kumpf zählte zur Oberschicht Beerfeldens.34 Eine Mittelschicht von 28 Bürgern besaß zwischen 100 und 370 Gulden, 32 Arme hatten weniger als 100 Gulden und 14 waren völlig mittellos oder überschuldet.

Es dürfte klar sein, dass es dem Zuwanderer Bastian nicht allein durch die bäu­erliche Tätigkeit gelungen sein kann, in wenigen Jahrzehnten einen solchen erheblichen Besitz anzuhäufen. Höreth vermutet, dass „ er einen Beruf gehabt haben (muss), der ihm in wenigen Jahren ein Vermögen einbrachte. Das kann ... nur der Beruf eines Tuchmachers oder Leinewebers gewesen sein.“35 Wie Wolfgang Kumpf in seiner Abhandlung gezeigt hat, war schon 1426 die Schafhaltung im Odenwald weit verbreitet und damit verbunden der Beruf des Wollenwebers oder Tuchmachers. Die Tuchmacherei, d.h. die berufsmäßige Herstellung von Stoffen aus Wolle, prägte bis ins 19. Jahrhundert hinein be­sonders Beerfelden.36 „Dass es im Odenwald schon um 1500 Tuchmacher gab, belegt ein spätgotischer Bildstockrest im Odenwald, der eine Distelkarde als Handwerks- oder Stifterzeichen zeigt...“37

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Jakob Kumpf dürfte sein jüngerer Bruder gewesen sein. Acht Jahre nach Bastian hat auch er ein Haus, aber „auf der Allmende“, auch er muss 1519 Hintersas- senbeed zahlen. Dies weist ihn als Zuwanderer aus. Wie seinem Bruder gelingt ihm der Aufbau eines Vermögens, jedoch bescheidener. In der Erbacher Schat­zung 1 557 hat er ein Vermögen von 165 Gulden und 85 Gulden Schulden. Die Schulden haben wohl mit Investitionen z. B. in einen Webstuhl zu tun. Vermut­lich ist er im selben Beruf wie Bastian tätig, aber eben nicht so erfolgreich. Dies mag daher rühren, dass er der nachgeborene Sohn ist, der weniger erbte.

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Anknüpfende Vermutungen:

Höreth sieht Jakob als Sohn Bastians an.38 Das kann ich aus folgendem Grund nicht mittragen: Jakob ist 1519 als Hausbesitzer genannt, muss also volljährig und evtl. schon verheiratet gewesen sein. Damit ist sein Geburtsjahr ca. 1495. Sollte Bastian sein Vater sein, müsste er um 1460-70 geboren sein, dessen Vater Urich wiederum ca. 1440-50. Es ist aber nicht denkbar, dass im Jahr 1507 ein 57- bis 67-jähriger mit Sohn und kleinem Enkel eingewandert ist. Das war damals (wie heute) ein hohes Alter, in dem man nicht mehr auswanderte oder sich eine neue Existenz aufbaute. Ein zweiter Nachzug wäre freilich nicht aus­zuschließen, doch scheint mir die Deutung als jüngerer Bruder näherzuliegen, weil er in ähnlicher Weise in Beerfelden auftritt (Haus + Vermögensaufbau).

Es tritt uns also eine interessante Situation vor Augen: Ein Vater (Urich), der mit zwei Söhnen (Bastian und Jakob) um 1 507 nach Beerfelden zugewandert ist und sich dort in Haus und Landwirtschaft einkaufte. Seine Söhne sind auch Hausbesitzer und fassen im Zeitraum 1519 bis 1 557 richtig Fuß in der neuen Stadt. Der ältere Bastian steigt sogar in die Oberschicht auf und ist der sechst­wohlhabendste Beerfelder Bürger. Woher kamen sie? Diese Frage wird später erörtert werden.

5.3 Generation III in Beerfelden: Hans Kumpf der Alte

Quellenhinweise:

1557 Erb Hans Kumpff hat 135 Gulden Vermögen und 105 Gulden Schulden

1578 Hör H.K. bezahlt 1 Gulden 11 Batzen Türkensteuer

1582 Amt [lt. Hör] H.K. verleiht Geld

1582/83/84 H.K. bezahlt 1 1/2 Gulden Türkensteuer

1583 Hör H.K. (erstmals der Alte genannt) zahlt Leibesbeedrechnung

1609 Hör H.K. der Alte zahlt Leibesbeedrechnung

1610 Hör Appolonia, Hans Kumpfs des Alten Witwe, genannt 1621/22 Hör Appolonia, in der Leibesbeedrechnung noch genannt

1557 Erb Lenhard Kumpf noch nicht volljährig, daher nicht genannt.

1571 Amt L.K. leiht 15 Gulden

1578 Hör L.K. bezahlt 4 Batzen, 3 Kreuzer Türkensteuer

1582/83/84 L.K. bezahlt 1 V Gulden Türkensteuer

1584 KB Bf. [Dr. Pieper]39 L.K. „der Schatzung wegen seines Leibesgebresten von der Türkensteuer befreit"

Interpretation der Quellen:

Der dritte Abgabenpflichtige, der in der Erbacher Schatzung von 1 557 genannt ist, ist Hans Kumpff. Er dürfte von der Spanne der Nennung und der Besitz­struktur her der Sohn des Bastian sein. Auch er baut ein Vermögen auf, das aber geringer als das seines Vaters ist, außerdem ist er anfangs noch hoch verschuldet. Höreth schreibt über die drei Kumpf (Bastian, Jakob und Hans): „ Es ist anzunehmen, dass die Söhne [Autor: der Bruder und der Sohn]... (Tuch­macher waren und) ein eigenes Geschäft angefangen hatten und dass die Schulden davon herrührten. Der Vater Bastian, der wohl das Stammgeschäft betrieb, ist deshalb schuldenfrei.“40 Dann hat Hans Kumpf vermutlich später als 1 557 das Stammgeschäft seines Vaters übernommen.

Später leiht und verleiht Hans Kumpf Geld, zahlt Türkensteuern und die Lei- besbeedrechnungen. 1 583 wird er erstmals „der Alte“ genannt, weil neben ihm ein neuer Hans Kumpf mit dem Beinamen „der Junge“ aufgeführt wird.

Höreth schreibt. „1610 ist er tot, denn in der Leibesbeedrechnung dieses Jah­res kommt Appolonia, Hans Kumpf des Alten Wwe, vor. Sie ist noch in den Beedrechnungen 1621 und 22 genannt. Wahrscheinlich war sie seine zweite Frau, weil sie ihn so lange überlebte, obwohl auch er recht alt geworden sein muss.“41 Hans Kumpf der Alte ist vermutlich 80 Jahre alt geworden und hat den Psalm 90:10 erfüllt: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin.“42

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Ein mit Hans Kumpf dem Alten Auftauchender ist Lenhard Kumpf. Er ist deut­lich jünger, da er 1557 unter den Erwachsenen noch nicht genannt ist. Er wird dann aber 1578 bis 1583 bei der Türkensteuer im gleichen Atemzug wie Hans Kumpf der Alte genannt. Er hatte körperliche Gebrechen, weshalb er im Jahr 1584 von der Türkensteuer befreit wurde.

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Anknüpfende Vermutungen:

Lenhard könnte der jüngere Sohn Bastians sein, da er in engem Zusammen­hang mit dem älteren Hans genannt wird. Nicht unmöglich wäre auch, ihn als Seite | 17 Sohn Jakobs zu sehen. Ich plädiere - im Gegensatz zu Höreth - für die letztere Variante, da dies vom Alter des Vaters her sinnvoller zusammenpasst: der jün­gere Jakob hat den jüngeren Lenhard als Sohn. Außerdem ist Lenhard in schlechteren Vermögensverhältnissen, genauso wie Jakob. Bastian hat ein Zuwandererhaus hinter der „Pastorie“, dort kommt Hans zur Welt, Bas­tian ist der ökonomisch Erfolgreichere. Der jüngere Jakob übernimmt ein Haus auf der „Allmende“, dort kommt Lenhard zur Welt. Beide sind im gleichen Beruf wie Bastian, aber in schlechteren Vermögensverhältnissen mit hohen Schulden. Über die Mütter wissen wir leider nichts. Also: Familienzweig Jakob Kumpf - Lenhard Kumpf.

Es folgt eine Übersicht über die bisher erarbeiteten genealogischen Zusam­menhänge:

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Abb. 1: Erste Kumpf in Beerfelden I. bis III. Generation

5.4 Generation IV in Beerfelden: Hans Kumpf der Junge

Quellenhinweise:

Hans Kumpf der Junge zahlt 1 Gulden 6 Batzen Türkensteuer H.K., „der Jung zu Beerfelden", tritt bei einer Eheberedung als Zeuge auf H.K. der Junge in der Leibsbeedrechnung genannt Margareth, Hans Kumpf des Alten Frau, genannt Eine Abrechnung mit „der alten Kumpfen Margaretha". Erwähnt werden auch ihre drei Söhne Hans, Peter und Georg. (s. u.) 1617-06-24 Amt „Margareth, Hans Kumpfen Wittib zu Beerfelden, verkauft an ihre drei Söhne Hans, Peter und Georg ein Sechstel der Hube, die sie von Peter Baum gekauft hat und ein halb Viertel einer Hube am Gammelsbacher Weg."

1618 Hör M.K noch einmal in Beerfelden genannt Interpretation der Quellen:

Mit Höreth sehe ich hier einen direkten familiären Zusammenhang: „Ein neuer Hans Kumpf erscheint 1583 zum ersten Mal. Er wird im Gegensatz zu Hans Kumpf dem Alten der Junge genannt. Weil beide zusammen erscheinen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um Vater und Sohn handelt.“43 Auch im Jahr 1609 erscheinen beide in der Leibsbeedrechnung gemeinsam: Hans Kumpf, der Alte und der Junge.

Andererseits behauptet Höreth: „Er heißt 1620 selbst der Alte ... er ist am 28. Okt. 1631 in Erbach verstorben.“44 Das geht ja nun wirklich nicht! Seine Frau Margarethe war 161 7 Witwe! Hier muss es sich um einen anderen Hans Kumpf handeln! Davon später im Kapitel 7.2. Die drei Söhne des Paares sind zweimal genannt.

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Anknüpfende Vermutungen:

Dem Autor stellt sich die Situation aufgrund der Quellen so dar, dass Hans Kumpf der Junge eine späte zweite Ehe einging, ca. um 1594. Aus dieser Ehe stammen die drei Söhne Hans, Peter und Georg . Die beiden Quellen von 1616 und 1617 nennen sie in eben dieser Reihenfolge.

Dass es einen zweiten Hans Kumpf in der Generation IV) geben muss, steht außer Frage. Er ist mehrmals in den Quellen belegt. Ich werde ihn im 7. Kapitel behandeln, denn er bildet eine eigene Ahnenreihe. Die Tatsache, dass es in Beerfelden zwei Namensträger Hans Kumpf in einer Generation gegeben hat, ist nicht so ungewöhnlich, da Hans damals der am häufigsten verbreitete männliche Vornamen gewesen ist. In einer Liste der häufigsten Vornamen im Spätmittelalter steht Hans an der ersten Stelle.45 Und der Nachname Kumpf war in Beerfelden sowieso am häufigsten verbreitet. Allerdings liegen hier noch andere Ursachen vor. Wir werden sehen.

5.5 Generation V: Brüder Hans, Peter und Georg Kumpf

Die drei Brüder treten häufig gemeinsam auf, manchmal zu dritt, sonst in Zwei­ergruppen. Darstellungsmethode: Die Gruppen-Quellen schreibe ich zur Hauptperson, ist sie nicht auszumachen, dann 1. zu Peter, 2. zu Georg (Hans spielt eine geringere Rolle). Bei den anderen Genannten gibt es nur einen kur­zen Hinweis.

Quellenhinweise:

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Interpretation der Quellen:

Hans Kumpf:

Hans ist der Erstgenannte und er trägt den Namen des Vaters, also ist er der Erstgeborene und dürfte um 1 595 geboren sein. Über seinen Beruf erfahren wir nichts. Genannt ist er von 1622 bis 1626, in Rechtsgeschäften mit den jüngeren Brüdern finden wir ihn seit 1622. Hans übernimmt 1623 die Vor­mundschaft über Michel Buschbaums hinterlassene Tochter Barbara, die also noch nicht volljährig gewesen sein dürfte. Auch über ältere verwaiste Kinder musste und muss ein Vormund gesetzt werden. Häuslein und Äcker (85 fl.) Barbaras verkauft Hans an ihren erwachsenen Bruder Georg Buschbaum. Mit diesem, seinen Brüdern und weiteren Kumpfs diente er im Jahr 1626 in der Cronbergischen Kompagnie oder beteiligte sich an den Unkosten ihrer Erstel­lung. Hans war offensichtlich ledig und hatte keinen Besitz.; erst am 12. Januar 1626 kaufte er von Peter Scholch dem Jungen eine Wiese in der Walterbach. Das ist eine Mühlensiedlung am Walterbach, wie der Oberlauf der Mümling auch heißt. Von Beerfelden aus sind es nur 1,5 Kilometer nach Norden auf dem Weg nach Etzean oder Hetzbach. Hans ist früh verstorben, denn schon am 28. September 1626, nach nur 8 Monaten, hat er seine Wiese an seine beiden Brü­der weitervererbt, die sie an ihren früheren Besitzer Peter Scholch den Jungen zurückverkauften. Die Ursache seines Todes ist nicht bekannt. Er könnte aber Krieg und Not des Dreißigjährigen Krieges zum Opfer gefallen sein. Vielleicht war er Angehöriger der Cronbergischen Kompagnie und ist als Soldat gefallen.

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Peter Kumpf:

Peter ist der zweitgeborene Sohn von Hans dem Jungen und Margaretha und dürfte um 1 598 herum geboren sein. 1617 war sein Vater verstorben, und schon ein Jahr später hat er den Beruf und die Einrichtungen seines Vaters übernommen, er ist Tuchmacher. Schon 1519, mit gerade mal 21 Jahren, tritt er uns als stolzer und selbstbewusster Handwerker gegenüber, der sich die Qualität seiner Tuche nicht kleinreden lässt. In Rechtsgeschäften wird er von 1622 bis 1631 genannt. 1622 kauft er in Gammelsbach eine Wiese. Am Gam­melsbacher Weg im Süden Beerfeldens waren ja auch schon Urich und Bastian Kumpf (Generation I und II) landwirtschaftlich begütert. Am 11. Januar 1623 heiratet Peter Kumpf Elisabeth Zeller, deren Vater Hans Zeller schon verstorben war. Diese „Eheberedung“, wie man damals den Abschluss eines Ehevertrags nannte, wurde mit drei „Weinkaufsleuten“ besiegelt. Beim Weinkauf handelte es sich um „eine Draufgabe. Die Draufgabe bzw. Weinkauf konnte in Geld oder Waren erfolgen. Ursprünglich war es Wein, der als Draufgabe gegeben wurde. Die Draufgabe erfolgte als eine Besiegelung des Abschlusses eines Vertrages.“46 Die Weinkaufsleute waren seine beiden Brüder Hans und Georg, außerdem Pe­ter Weyprecht, der Schmied in Beerfelden. (Erst 6 Jahre zuvor, im Jahr 1617, hatte der Schmied seine Tochter auch mit einem Peter Kumpf verheiratet, aus der Lenhard-Linie.)

Noch im selben Jahr, am 23. Oktober 1623, kaufte - unser - Peter Kumpf für seine vermutlich schon schwangere Frau ein Haus, es war das Haus der ver­waisten Buschbaumkinder. Hier kam im Jahr 1624 der erste Sohn Peter zur Welt (der sich später „Peter Kumpf senior“ nannte).

An Petri 1626 (Der Festtag der Heiligen Apostel Petrus und Paulus wird am 29. Juni begangen) erwarb Peter, seinem Namenspatron Ehre machend, ein weite­res Haus, das des Jost Emich. Zeitgleich verkaufte er sein halbes Haus an sei­nen Bruder Georg, der sich auch in der Phase der Familiengründung befand und ein Heim suchte. 1627 erwirbt Peter anderthalb Viertel einer Hube, diese Ackerfläche verkauft er aber schon 1631 wieder weiter. Dieser Huben-Anteil war ursprünglich im Besitz seines Vaters Hans Kumpf der Junge gewesen, ging dann an eine Erbengemeinschaft mit dem Schwerpunkt - wieder - in Gammels­bach, von denen Peter dann die väterlichen Äcker zurückgekauft hatte. Er war aber immer mehr Tuchmacher geworden und konnte oder wollte nicht mehr nebenher zu viel landwirtschaftliche Fläche beackern. Auch Peter scheint früh verstorben zu sein, denn nach 1631 hören wir in den Quellen nichts mehr von ihm. War auch der lange Krieg schuld?

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Georg Kumpf:

Georg, der jüngste der drei Brüder, dürfte um 1600 geboren sein, jünger ist nicht denkbar, da er mit seinen Brüdern schon 1622 Rechtsgeschäfte vor­nimmt. In diesem Jahr kauft er zusammen mit Peter eine Wiese in Gammels­bach. Nach verschiedenen Auftritten als Zeuge sehen wir ihn dann bei der Hochzeit seines Bruders Peter, wo er am 11. Januar 1623 den Weinkauf be­sorgt. 1624 kauft er Äcker und 1627 anderthalb Viertel Hube über die drei Erben zurück, die seinen Vater und seine Mutter beerbt hatten. Zwei von diesen „Zwischenbesitzern“ des Agrarlandes stammen aus Gammelsbach, und des­halb kann man sagen, dass dort auch der Agrarbesitz der Kumpf liegt. Neben der Landwirtschaft sehen wir ihn aber wie seinen Bruder Peter als Wol­lenweber (was, im Gegensatz zum Leinenweber, eine andere Bezeichnung für Tuchmacher ist. Der Tuchmacher verarbeitet Schafwolle.).

Georg Kumpf scheint schon früh ein Auge auf Barbara Buschbaum geworfen zu haben, die ja im jugendlichen Alter ihren Vater verloren hatte, weshalb Georgs Bruder Hans 1623 ihr Vormund geworden war. Vielleicht war sie auch schon achtzehn Jahre und Georg heiratete sie im gleichen Jahr, in dem auch die Hochzeit seines Bruders Peter war. Wahrscheinlicher ist aber, dass er noch ein paar Jahre warten musste. An Petri 1626 sehen wir, dass er seinem Bruder Peter ein halbes Haus abkauft, wohl um ein Heim für seine Familie zu schaffen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass er im selben Jahr 1626 Barbara Buschbaum heiratete. Sonderbarerweise ist keine Eheberedung überliefert. War sie doch noch zu jung für einen offiziellen Ehevertrag? Oder war dieser gar nicht nötig, da sie Waise war, mit dem Vormund in der Familie?

Wie dem auch sei, am 7. Oktober 1626 geschieht weiteres Wichtiges: Georg Kumpf wird zum Schultheiß (Bürgermeister) seiner Heimatstadt Beerfelden er­nannt. Ein starkes Jahr 1626 mitten im Dreißigjährigen Krieg: Eheschließung, Hauskauf und Ernennung zum Schultheiß! In den folgenden Jahren begegnet uns Georg Kumpf als Schultheiß immer wieder in verschiedenen Rechtsge­schäften.

Aber schon im Jahr 1640 ist er wohl - offensichtlich kinderlos - verstorben, denn bereits am 14. Mai 1 641 heiratet Barbara Kumpf, Witwe von Georg Kumpf, Schultheiß zu Beerfelden, erneut. Der zweite Ehemann heißt Adam Geissert und stammt aus Klein-Heubach. Das ist sehr weit weg und erklärungs­bedürftig. Eine Witwe in Beerfelden wird dort nicht hingereist sein. Klein-Heu­bach liegt bei Miltenberg am Main, gehörte aber noch zur Grafschaft Erbach. Damit wird für uns deutlich: Die Schultheißen-Witwe hat erneut eine Amtsper­son geheiratet, eventuell auch einen Bürgermeister? Vielleicht war Adam Geis- sert schon früher einmal zu Besuch in des Schultheißen Haus? Wahrscheinlich war es attraktiv, eine Schultheißen-Witwe zu ehelichen. Adam Geissert hat sich übrigens später in Beerfelden „eingekauft“. Schon 1643, am 20. November, verkauft Hans Kumpf senior (*1607) seine halbe Behausung an Adam Geissert. (Dieser Hans Kumpf braucht zunächst mal kein Haus in Beerfelden mehr, da er nach Hirschhorn geht. Aber davon später.)47

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Anknüpfende Vermutungen:

Die dargelegten Zusammenhänge wurden aus den überlieferten Quellen er­schlossen. Da exakte Kirchenbuch-Aufzeichnungen fehlen, gibt es keinen an­deren Weg. Sicher ist die späte Ehe zwischen Hans Kumpf dem Jungen und Margarethe. Die drei Söhne des Paares Hans, Peter und Georg Kumpf sind zwei­mal in der gleichen Reihenfolge genannt und bilden damit sicherlich die Ge­burtsreihenfolge ab. Aus ihrem häufigen Auftreten und einem Hochzeitsdatum lässt sich in etwa auf ihr Geburtsdatum schließen. Vom Alter her passt die 1604 heiratende Anna, Hans Kumpfen Tochter, nicht dazu und muss sich auf einen anderen Hans Kumpf oder eine erste Ehe beziehen.48

Erörterung anderer Deutungen : Es gibt zwei Peter Kumpf dieser Generation, einer heiratet 1617, der andere 1623. Das erste Datum ist für „unseren“ Peter Kumpf zu früh. Außerdem heiratet 1517 die Tochter des Schmieds Wey- precht. Dieser Weyprecht ist 1623 Trauzeuge. Aber doch nicht, nachdem seine Tochter nach 6 Jahren verstorben war, beim selben Ehemann? Sehr unwahr­scheinlich. - Ob der 1624 geborene Peter Kumpf senior von den Brüdern Hans oder Georg abstammt? Hans war nicht verheiratet. Georg heiratete frühestens 1623, könnte also theoretisch auch der Vater sein. Dagegen spricht aber die Namensgebung. Der angehende Schultheiß hätte seinen erstgeborenen Sohn sicher auch Georg genannt. Weiter: Warum sollte der 1623 heiratende Peter keinen Sohn Peter bekommen haben?49

Ein weiteres Indiz für die Zusammengehörigkeit der drei Brüder ist kurioser­weise die Rechtschreibung. Im Unkostenverzeichnis der Cronbergischen Kom- pagnie49 1626 sind unter Beerfelden acht Kumpfs aufgeführt, aber nicht alphabetisch, sondern verstreut zwischen anderen Personen und in Gruppen. Man beachte die verschiedene Rechtschreibung: auf „Mathes Kumpf“ folgt die Dreiergruppe „Petter Kumpff, Hans Kumpff und Georg Kumpff“, weiter unten „Hans Kumpf“, nach vielen anderen Namen dann wieder „Adam Kumpff, Marttin Kumpff und Bastian Kumpff“. Die jüngeren, untereinander Verbundenen haben das expressive Doppel-f und Doppel-t, die älteren nicht. - Außerdem tritt uns die Schreibweise „Kompf“ entgegen, eine ebenfalls expressive Lautänderung, eine Öffnung des „u“ zum „o“. Die zunehmende Expressivität in der Sprache ist eine allgemeine Erscheinung in der beginnenden Barockzeit.

Eher peripher dürfte der Gedanke sein, dass die expressive Öffnung des „u“ zum „o“ auch ein Merkmal des schwäbischen Dialektes ist. So heißt es dort für „gesund“ „xond“. 50 Weitere Beispiele dafür: „Pfondskerle“, „o'gfähr“, „om- sonscht“, „onda“ (unten), „nomm“ (hinum) und „Schtond“ (Stunde).51 Es ist aber denkbar, dass bei den Durchzügen fremder Truppen im Krieg auch schwäbi­sche Landsknechte dabei waren und die Sprachsitte nach Beerfelden „ein­schleppten“: So nennt sich dann der Schultheiß „Georg Kompff“.

Dreißigjähriger Krieg 1618 bis 1648:

Die Generation V in Beerfelden ist die unter den Bedingungen des Dreißigjäh­rigen Krieges stehende. Zur Aufstellung Cronbergischer Reiter in einer Kom­pagnie waren die Unkosten zu zahlen - oder gar eine Verpflichtung, mit seinem Pferd als Soldat teilzunehmen? Der südliche Odenwald um Beerfelden hatte weniger Kämpfe als vielmehr Truppendurchzüge mit Einquartierungen und Plünderungen zu erdulden. Wahrscheinlich kamen noch Seuchen dazu. Fried­rich Höreth schreibt: „Eines der am häufigsten vorkommenden Vergehen war der Waldfrevel. Das in den gräflichen Waldungen ... lebende Wild ... gab dem verarmten und von feindlichen Soldaten bedrückten Untertanen Veranlassung und Gelegenheit genug, sich für die Verwüstung seiner Äcker schadlos zu hal­ten.“52 Ein Beispiel für die finanzielle Bedrückung der Gegend sei genannt. Die Reiter- oder Ritterzehrung war ursprünglich die einem fahrenden Ritter zu­stehende Verköstigung und Lohn. Im 30jährigen Krieg wurde „Reiterzehrung“ ironisch und als Drohung verwendet: „So erhielt Ernst von Mansfeld für die Verschonung von Heilbronn 20.000 fl.“53 Ein hohes „Abschiedsgeld für den Truppenabzug“.54

Schließlich soll noch ein Blick auf die Entwicklung der Einwohnerzahl Beerfel­dens geworfen werden. Die uns erhaltenen Daten weisen Häuser und Hausvor­stände aus. Daraus lässt sich die Einwohnerzahl schätzen. Beerfelden war die größte Stadt in der 39 Siedlungen umfassenden Grafschaft Erbach und hatte von 1 507 bis1626 80 Häuser und Familien.55 Nach anhaltenden Truppendurch­zügen waren 1643 nur noch 30 Familien (etwa 120 Personen) in Beerfelden.56 Im (schon zitierten) Verhör von 1678 gab es wieder 46 Häuser mit 271 Einwoh­nern. Der Stand vor dem Krieg war aber noch nicht wieder erreicht.

Höreth zählt für die Grafschaft Erbach und die Herrschaft Breuberg namentlich 39 ausgestorbene Familien. „Weit größer ist jedoch die Zahl der Familien, die mit einem oder mehreren Gliedern das große Sterben des 30jährigen Krieges überstanden, und deren Nachkommen schon in der nächsten Generation wie­der in den verschiedensten Ortschaften des Landes auftauchen.57 Zu diesen rechnet auch die Familie Kumpf. Doch auch hier war der Blutzoll für Elend, Not und Krankheit der Zeit zu zahlen. So müssen wir die Brüder Hans, Peter und Georg Kumpf als Kriegsgeneration sehen. Sie sind alle nicht alt geworden: Ich schätze für Hans 30, für Peter 33 und für Georg 40 Jahre. Von Kindern ist nur eines bekannt oder es hat nur eines überlebt: Peter Kumpf senior, noch vor dem schlimmsten Geschehen 1624 geboren.

Wir können nun die Ahnenreihe bis in die V. Generation abbilden:

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Abb. 2: Erste Kumpf in Beerfelden III. bis V. Generation

5.6 Generation VI in Beerfelden: Peter Kumpf senior

Wir knüpfen nun an die Kirchenbuch-Zeit an, denn der 1624 geborene Peter Kumpf senior ist der erste der fünf Kumpf, die im „Verhör 1678“ genannt sind.

Quellenhinweise:

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Interpretation der Quellen:

Peter Kumpf senior verbringt seine Jugendzeit unter den schwierigen Bedin­gungen des 30jährigen Krieges in Beerfelden. Vermutlich begegnet er schon im frühen Alter von 16 Jahren der jungen, 24jährigen Frau Katharina. Mögli­cherweise war sie 1639 schon verwitwet, ihr Mann im Krieg gefallen. Das un­gleiche Liebespaar trifft sich heimlich. Peter ist einfach noch zu jung, trotzdem wird er 1640 Vater. Katharina ist als 25jährige Mutter aber durchaus in der Lage, das gemeinsame Kind zunächst alleine aufzuziehen. Der junge Peter zieht in die Fremde, um an Alter und Erfahrungen zu reifen. Als 20jähriger oder später geht er dann mit seiner geliebten Katharina die Ehe ein und sie erhalten später noch zwei weitere Kinder.

Der Altersunterschied des Paares ist so erheblich, dass die Quellen schamhaft schweigen. Der Ober-Pfarrer Junker in meiner Kirchenbuch-Abschrift erwähnt das Geburtsdatum und das Alter Katharinas gar nicht.58 Das Archiv in Beerfel­den rechnet mit seinem Genealogie-Computerprogramm ein fiktives Datum für die Geburt der Eltern heraus, das „gesellschaftlich passender“ ist: Peter wird älter gemacht: *err 1614, Catharina behält ihr Geburtsdatum: *um 161 5.59 In der Ahnenforschung steht „err“ für „errechnetes Datum“. Das ist natürlich hier ein Witz. Wenn das Comuterprogramm Lebensbedingungen normiert und glattbügelt, dann kann man auch darauf verzichten.

Es bleibt nach meinen Überlegungen dabei: die Kirchenbuch-Abschrift von Ernst Walz von 1986 ist richtig: Katharina ist nun mal 9 Jahre älter als Peter, und Peter war eben erst 16 Jahre alt, als er Vater wurde. Nun, er ist nicht da­vongelaufen, sondern hat es später wieder gerichtet, seine Katharina geheira­tet und sich sogar als Schöffe („Gerichtsverwandter“) engagiert und als Pfleger um die Beerfelder Sankt-Martins-Kirche gekümmert. Sein ältester Sohn Peter Kumpf junior hatte beim „Verhör 1678“ bereits seinen eigenen Hausstand.

Außerdem hat er 8 Morgen Feld zu bewirtschaften. Der genannte Nachfolger der Äcker müsste Hans Görg, der 1666 geborene Sohn seines Verwandten Georg Kumpf, des Bierbrauers aus Hirschhorn sein.

Es dürfte sich um jene 8 Morgen Äcker handeln, die schon der erste Vertreter der Familie in Beerfelden, Urich Kumpf, als Mitbesitzer erworben hatte und die im Jahr 1511 auf seinen Sohn Bastian Kumpf als Alleinbesitzer übergegangen waren. Sie lagen am Gammelsbacher Weg in Beerfelden. > Dieser Ort spielt auch in den späteren Generationen eine Rolle. Peter Kumpf juniors Urenkel (=Generation X) war Johann Georg Kumpf (1764-1836), der nach dem Vermerk des Pfarrers im Kir­chenbuch „auf der Chaussee“ wohnte. So hieß damals die heutige Bundesstraße 45, die von Erbach durch Beerfelden (heute aller­dings Umgehungsstraße) nach Eberbach führt. Der heutige Gam­melsbacher Weg in Beerfelden war ein Teil dieser Chaussee. Das sogenannte „Spitznamenverzeichnis Beerfeldens“60 von 1818 nennt Johann Georg Kumpfs Wohnhaus: „Auf der Chaussee, Haus Nr. 198“. Mitgenannt in diesem Haus ist der Sohn Johann Wilhelm Kumpf (1787-1871) (=Generation XI). Hier handelt es sich um Vor­fahren des Verfassers.

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Anknüpfende Vermutungen:

Wem das dargelegte Lebensbild des Peter Kumpf senior zu konstruiert vor­kommt, der möge einen besseren Vorschlag machen. Ich sehe bei der jetzigen Quellenlage keinen, wenn ich die Gesamtsituation in Beerfelden bei allen Kumpf überblicke. Doch das ist im Detail erst noch zu zeigen. Der Computerausdruck des Beerfelder Archivs führt jedenfalls in eine Sack­gasse.

5.7 Generation VII in Beerfelden: Peter Kumpf junior

Quellenhinweise:

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Interpretation der Quellen:

Peter Kumpf junior ist noch in der Kriegszeit geboren, doch sein Leben entfal­tet sich in der Friedenszeit nach dem 30jährigen Krieg. In seine Ehe mit Eva Menges aus Hebstahl werden 9 Kinder geboren, fünf Jungen und vier Mädchen. Die Kinder folgen im 3-4-Jahres-Abstand nacheinander, von 1660 bis 1682. Sein Besitz besteht in einem Haus in Beerfelden (im Verhör trägt es die Num­mer 21), links und rechts neben ihm wohnen weitere Kumpf-Familien (Nr. 20 Hans Kumpf senior, Nr. 22 Jörg Flach, dessen Mutter eine geborene Kumpf war, Nr. 23 Georg Kumpf). Er ist Wollenweber oder Tuchmacher von Beruf, wie auch seine Vorfahren.61 62

Zu der landwirtschaftlichen Nutzfläche am Gammelsbacher Weg (8 Morgen Äcker) traten möglicherweise noch weitere, vielleicht gepachtete Äcker, denn Peter Kumpf junior hatte einen ansehnlichen Viehbestand: ein Paar Ochsen zum Ziehen des Pfluges und ein Pferd zum Ausreiten für den Herrn Zentschult- heiß waren darunter. Im Stall standen acht Kühe, ein Stier, ein Füllen und zehn Geißen. Höreth schreibt: „Nach diesem Eintrag [in der Schatzung 1691] zu ur­teilen muss Peter Kumpf ein vermögender Mann gewesen sein.“63 Eine Geiß des David Jud stand bei ihm mit unter als Bestandsvieh.

Peter Kumpf junior war 1686 Schultheiß von Beerfelden und 1687 sogar Zent- schultheiß des Amtes Freienstein geworden und damit die direkte Ansprech- und Vertrauensperson der Oberzent für das Grafenhaus in Erbach. Sein Amts­gebäude befand sich vermutlich am Platz des späteren Rathauses gegenüber der St.-Martins-Kirche. Nicht weit davon entfernt ging es zur Zentlinde, unter der Gericht gehalten wurde. Noch ein Stückchen hinauf zur Gerichtsstätte, dem noch heute vorhandenen Beerfelder „dreischläfrigen“ Galgen. (Zentlinde und Galgen sind in der Geißgasse / Airlenbacher Straße.)

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Anknüpfende Vermutungen:

Im Schatzungsprotokoll von 1691 fällt auf, dass außer Peter Kumpf keiner so viel, nämlich zehn junge Geißen hatte. Dies scheint ein Erbe der Frau Eva Men­ges aus Hebstahl gewesen zu sein. Nach persönlicher Befragung in Hebstahl bekam der Verfasser nämlich zu hören, dass der Sinn des Ortes „Hebbes-Tal“ ist, und Hebben sind in der Mundart eben Ziegen. Betrachtet man die Lage von Hebstahl, hat man dafür Verständnis. Die Ortschaft liegt dort, wo sich das Sensbachtal verengt. Zwischen dem Sensberg (480 m NN) und dem Spitzberg (460 m NN) wird das Tal fast abgeriegelt. Die Hänge sind steil und überwiegend bewaldet - nichts für Kühe, aber durchaus für Hebben (Ziegen).

Ende 1691 hatte Peter Kumpfs Witwe den Besitz übernommen und die land­wirtschaftliche Fläche an den „filius“ Hanns Georg Kumpf übergeben. Ist damit der Sohn Georg gemeint? Er war erst 9 Jahre alt. Oder vorläufig, bis zum Er­wachsenwerden desselben, der 25jährige Hans Georg, der älteste Sohn des Zentschultheißen Georg Kumpf? Er war verwandt und war der Amtsnachfolger des verstorbenen Hausherrn, das könnte also so passen.

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Abb. 3: Erste Kumpf in Beerfelden V. bis VII. Generation

6 Jüngere Ahnenreihe zu Hans Kumpf junior und Georg Kumpf

In diesem Kapitel möchte ich die jüngere Ahnenlinie, die zu Hans Kumpf senior und junior sowie zu Georg Kumpf führt, darlegen. Es geht darum, die restli­chen drei der frühen, im Kirchenbuch 1678 genannten Kumpf-Familien zuzu­ordnen. Es wird sich zeigen, dass es erstaunlich genaue Belege im Kirchenbuch Hirschhorn dazu gibt. Andererseits bleiben aber, besonders am Anfang der Ahnenreihe, auch Unwägbarkeiten. Wir gehen die Namen wieder generations­weise durch.

6.1 Generation IV: Erste Ehe des Hans Kumpf der Junge

Es sind weitere Kinder eines Hans Kumpf in der V) Generation belegt, die früher geboren sind als die 3 Söhne Hans, Peter und Georg aus seiner späten Ehe mit Margarethe. Sie stammen also aus einer ersten Ehe. Diesen Zusammenhang belegt die Quelle aus den Freiensteiner Amtsprotokollen

Quellenhinweis:

1616-09-07 Amt (Hör)64 „1616, 7. September hat Anna, Jost Kumpfen Weib mit ihrer Schwiegermutter, der alten Kumpfen Margaretha abgerechnet, ebenso mit Hans Kumpf, ihrem Schwager, dem Haberhans. Ferner setzte sie sich mit ihren drei Söhnen Hans, Peter und Georg Kumpf auseinander."

Interpretation der Quelle:

1. Die drei Söhne sind die Söhne Margarethes, nicht Annas. Das ergibt sich eindeutig aus der Quelle in den Freiensteiner Amtsprotokollen vom 24. Juni 1617 (zitiert in Kapitel 5.4).
2. Anna ist mit Jost Kumpf verheiratet, dessen Bruder Hans Kumpf der Ha­berhans ist, ihr Schwager. Man kann annehmen, dass diese beiden Söhne (und weitere Kinder?) aus einer früheren Ehe Margarethas mit einem a n d e r e n Hans Kumpf stammen. Den gibt es, er wird „Hans Kumpf der Alte genannt“ und stirbt 1631 in Erbach (siehe Kapitel 7). Diese These beinhaltet allerdings ein Problem, nämlich das der Ehescheidung. Margarethe hätte sich von ihrem ersten Mann getrennt und ein zweites Mal geheiratet. (Kurioserweise hießen beide Ehemänner „Hans Kumpf“.) Dagegen spricht jedoch die Unwahrscheinlichkeit einer Ehescheidung im Spätmittelalter. „Eine im 16. bis 18. Jahrhundert geschlossene Ehe wurde in der Regel erst durch den Tod eines Ehepartners aufgelöst.“65 Im ka­tholischen Raum war und ist die Ehe eine von Gott gegebene Institution und damit ein Sakrament. Dadurch ist die Ehe nicht nur auf Lebenszeit geschlossen, sondern auch unauflösbar. Die Reformation brachte im evangelischen Raum, zu dem auch Beerfelden zählt, eine Änderung: Mar­tin Luther sah die „Ehe als vertragliche Vereinbarung zwischen den Ehe­gatten, die unabhängig von kirchlichem Segen bestehe. Demzufolge müsste auch die Scheidung rechtlich möglich gewesen sein.“66 Trotzdem bleibt eine Scheidung sehr unwahrscheinlich, besonders im ländlichen Raum. Nichtvollzug der Ehe war z.B. ein Scheidungsgrund, Alkoholismus des Mannes aber nicht. Ersteres trifft nicht zu, das zweite wäre bei jenem anderen Hans Kumpf denkbar gewesen, da er im Vollrausch 1631 ver­storben ist.
3. Es bleibt also die zweite Lesart, dass die beiden genannten Söhne aus einer ersten Ehe des Vaters Hans Kumpf der Junge stammen. Margarethe wäre dann genauer gesagt die „Stief-Schwiegermutter“ gewesen, aber solche feinen begrifflichen Unterscheidungen pflegte man damals nicht. Weiters würde dann folgen, dass Hans Kumpf der Junge (+1617) in erster Ehe mit einer quellenmäßig unbekannten Frau verheiratet gewesen wäre, vielleicht jemand, der Beziehungen zu Hirschhorn hatte oder dorther stammte. Denn die gemeinsamen Kinder gehen später nach Hirschhorn. Für diese Sichtweise lassen sich dann doch die besseren Gründe anfüh­ren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anknüpfende Vermutungen:

Dass die erste Frau des Hans Kumpf nicht in Beerfelden belegt ist, rührt wohl daher, dass sie aus dem katholischen Hirschhorn kam. Dort setzen die Kir­chenbücher aber erst 1636 ein, jene „Anna“ ist aber schon früher geboren und hat früher geheiratet.

Für diese heuristische67 Annahme spricht weiterhin, dass in der nächsten Ge­neration der Haberhans in Hirschhorn auftaucht und sein Sohn Hans Kumpf senior dort seine Familie gründet.

6.2 Generation V: Hans Kumpf genannt der Haberhans

Es werden jetzt vier Kinder des Hans Kumpf der Junge aus erster Ehe behandelt, von denen Hans Kumpf alias Haberhans die Ahnenfolge aufrechterhält.

Quellenhinweise:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Interpretation der Quellen:

Der Haberhans und Jost sind sicher Kinder des Hans Kumpf der Junge aus sei­ner ersten Ehe (siehe Beleg in Kapitel 6.1).

Der erste Sohn dürfte Hans sein, er trägt den Namen des Vaters und wird die Namenstradition fortsetzen. Zur Unterscheidung vom ersten Sohn aus der zweiten Ehe seines Vaters, der auch Hans heißt, hat er sich den Beinamen „Haberhans“ zugelegt bzw. wurde zur Unterscheidung so genannt. Der Alias kann auch mit seinem Beruf zusammenhängen: ein Bauer, der überwiegend oder nur Hafer (mittelhochdeutsch „Haber“) anbaut. Hafer ist das Hauptge­treide zur Pferdenahrung. Vielleicht hatte er sich auf Pferdezucht verlegt? 1649 wird in Hirschhorn sein Sohn Matthias als Pate genannt. Da dürfte er folglich noch gelebt haben.

Über den zweiten Sohn Jost ist nichts bekannt, außer der Abrechnung seiner Frau Anna, die für uns zur Klärung der Familienverhältnisse aber sehr auf­schlussreich ist.

Die beiden anderen Kinder Anna und Adam sind als „Kinder des Hans Kumpf“ tituliert und dürften deshalb auch hierher gehören.

Anna ist die älteste, da sie 1604 schon heiratet, also um 1 584 herum geboren ist. Sie geht zu ihrem Mann Leonhard Heim nach Hebstahl.

Adam hat auch als Vater Hans Kumpff in Beerfelden, er dürfte der Jüngste sein, da er erst 1616 auf einer Wanderschaft im mittelhessischen Marburg an der Lahn heiratet. Er kehrt mit seiner Frau Elisabeth nach Beerfelden zurück, hat dort eine öffentliche Funktion im Umfeld des Zentgrafen, da er 1623 - zusam­men mit Martin Kumpf - die Beerfelder Badstube verkauft. 1625 kauft er ein größeres Haus (im Wert von 350 fl.) in Beerfelden. Weinkaufsleute sind drei Schultheißen und der Hofmann vom Hohberg.68 Adam Kumpf wird noch 1631 genannt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anknüpfende Vermutungen:

Ob Anna und Adam hierher gehören, lässt sich nach bisherigem Quellenstand nicht mit 100%iger Sicherheit erschließen. Sie könnten auch einen anderen Hans Kumpf als Vater haben, der zugewandert oder der Sohn eines Zuwande­rers ist, den bzw. die ich im letzten Abschnitt dieses Kapitels behandeln werde. Nach meinen Überlegungen spricht aufgrund der Verwurzelung in Beerfelden und der Namensnennung des Vaters aber doch mehr dafür, dass beide hierher, eben nach Beerfelden gehören.

Der Haberhans und ein Sohn werden in Hirschhorn genannt. Möglicherweise hat er über seine Mutter Beziehungen nach dort. Auf jeden Fall wird in der nächsten Generation ein Hans Kumpf in Hirschhorn auftauchen und dort hei­raten, der eigentlich nur sein älterer Sohn sein kann. Es ist Hans Kumpf senior, 1608 in Beerfelden geboren und dort am 25.03.1685 verstorben.

In der Abbildung 4 sehen wir die erschlossene Hans-Generationenfolge aus der ersten Ehe des Hans Kumpf der Junge (|1617):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Hans Kumpf senior: von Beerfelden nach Hirschhorn

6.3 Generation VI: Hans Kumpf senior

Der älteste Sohn des Hans Kumpf alias Haberhans trägt den Namen des Vaters (ohne den Alias), wächst in Beerfelden auf, geht aber dann nach Hirschhorn und gründet dort seine Familie; nach dem Tod der Ehefrau kehrt er nach Beer­felden zurück und heiratet zum zweiten Mal. Zwei Ehen mit vielen Kindern - hatte er das nicht bei seinem Großvater Hans Kumpf der Junge (+1617) erlebt?

6.3.1 Seine erste Ehe in Hirschhorn mit Ottilie

Wir betrachten zunächst seine Jugend in Beerfelden und seine (erste) Familien­phase in Hirschhorn, also den Zeitraum 1 608 bis etwa 1661. Wir bewegen uns von jetzt an auf sicherem Terrain, denn (fast) alles ist durch das katholische Kirchenbuch Hirschhorn belegt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Die ersten Kumpf in Beerfelden
Untertitel
Genealogische Strukturen und Lebensbilder einer Tuchmacher- und Zentschultheißen-Familie in den Jahren 1507 bis 1678 im südlichen Odenwald
Autor
Jahr
2020
Seiten
94
Katalognummer
V923928
ISBN (eBook)
9783346248336
ISBN (Buch)
9783346248343
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kumpf, beerfelden, lebensbilder, zentschultheißen-familie, odenwald, tuchmacher-familie, genealogische strukturen, kumpf in beerfelden
Arbeit zitieren
Gert Heinz Kumpf (Autor:in), 2020, Die ersten Kumpf in Beerfelden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923928

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