Deutschlands Außenpolitik und der Kosovokonflikt


Seminararbeit, 2007

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Wahl der Methode

3. Die Außenpolitik des Vereinigten Deutschlands

4. Das Kosovo
a.) Provinz und Bevölkerung
b.) Historisches
c.) Konfliktparteien

5. Ursachen und Wege in den Krieg

6. Erklärung des Akteurverhaltens anhand der Theorieschulen
a.) Erklärung aus sozialkonstruktivistischer Sicht
b.) Erklärung aus Realismussicht
c.) Erklärung aus Liberalismussicht

7. Epilog

8. Literaturangaben

1. Einleitung

Die lange Geschichte des Kosovo-Konflikts hat neben einer Massenflucht und einer Wirtschaftsblockade am 24. März 1999 erstmals in der Geschichte des Nordatlantik-Vertrages zu einem Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien geführt. In Deutschland hatte der erste grüne Außenminister Europas den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit zu tragen. Beides geschah ohne Mandat der Vereinten Nationen und nach intensiven Debatten über eine militärische Beteiligung der BRD an diesem Krieg. Nach nur 78 Tagen gewann die Nato den Krieg aus der Luft, ohne auch nur einen einzigen Soldaten zu verlieren. So schnell der Krieg letztlich vorüber war, so lange war der Weg hinein in diesen.

Heinz Loquai weist in seiner Studie „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg: Die Zeit von Ende November 1997 bis März 1999“ zurecht darauf hin, dass das Bild des Kosovo-Konfliktes sowohl in der deutschen öffentlichen Meinung, als auch in Politik und Wirtschaft vor allem durch die 1989 einsetzende jugoslawische Unterdrückungspolitik und die Verbrechen an den Kosovo-Albanern nach dem Beginn der NATO-Luftangriffe geprägt ist. Aus diesem Blickwinkel heraus wird der Belgrader Führung „die alleinige Schuld am Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zugewiesen“[1]. Die Entwicklung des Konflikts erscheint in diesem Licht demnach als eine sukzessive Abfolge einseitig ausgehender Gewalt und verbrecherischer Agitationen, die zwangsläufig zur Intervention der NATO führen mussten, um weiteres Unheil zu verhindern.[2]

Es ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, weshalb die Darstellungen des Kosovo-Krieges sowohl in den deutschen Medien, als auch in vielen wissenschaftlichen Beiträgen insofern einseitig und eindimensional waren, als dass sie im Großen und Ganzen dem außenpolitischen Credo der Bundesregierung, das stets die Verhinderung einer „humanitären Katastrophe“ zum Kern hatte, blind gefolgt sind.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich in dieser Arbeit keineswegs die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen Serbiens im Kosovo in Frage stelle. Es geht mir vielmehr darum eine völlig unvoreingenommene und wissenschaftlich korrekte Antwort auf die Frage zu finden, weshalb sich die Bundesrepublik Deutschland letztlich am Kosovokrieg beteiligt hat. Ich möchte dabei prüfen ob es zutrifft, dass Deutschlands Handeln immer nur unter internationalem Druck zustande kam und humanitäre Argumente hierbei lediglich vorgeschoben wurden, um machtpolitische Interessen als tatsächlichen Beteiligungsgrund zu kaschieren.

Bevor ich nun ausführlicher auf die Wahl der Methode eingehen möchte, noch ein paar kurze Anmerkungen zur verwendeten Literatur: Für einen ersten Überblick zum methodischen Aufbau der Arbeit als Einzelfallanalyse hat mir Ulrich von Alemanns Buch „Politikwissenschaftliche Methoden – Grundriss für Studium und Forschung“ sehr weitergeholfen. Ein besonderes Augenmerk auf Einzelfallanalysen richtet John Gerring in seinem Aufsatz „What is a Case Study and what is it good for?“, während sich Stephen van Evera in seinen Ausarbeitungen unter dem Titel „What are Case Studies? How should they be performed?“ zur Möglichkeit des Testens von Theorien mit Hilfe von Fallstudien äußert.

Für eine kompakte Zusammenfassung zur Außenpolitik des vereinigten Deutschlands kann ich Gregor Schöllgens Buch „Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland - von den Anfängen bis zur Gegenwart“ empfehlen.

Zur Provinz, Bevölkerung und Geschichte des Kosovo seien an dieser Stelle kurz Heinz Loquai, Matthias Rüb und Paul J.J. Welfens genannt, die sowohl die Ursachen, als auch die Wege in den Krieg sowie diesen an für sich hervorragend darstellen und analysieren.

Für das Kapitel zur Erklärung des Akteursverhaltens anhand der außenpolitischen Theorieschulen konnte ich schließlich Zeitschriftenartikel von Christian Hacke zur Deutschlands Außenpolitik im Bezug auf den Kosovokonflikt, Karsten D. Voigts Aufsatz „Bündnistreue als Emanzipation“ sowie Gregor Schöllgens Buch „Deutschlands Außenpolitik in der Ära Schröder“ heranziehen.

2. Zur Wahl der Methode

Definitionen von Wissenschaft gibt es zu genüge. Für den Politologen Ulrich von Alemann gehört jedoch die Wahrheitssuche zu den ehrwürdigsten: „ Wahrheit sucht auch der meditierende Mönch“, so Alemann, „aber zur wissenschaftlichen Erkenntnis wird sie erst durch nachvollziehbare Methodik“. Sie ist, also wenn man so will, das Handwerkzeug, das beherrscht und folglich erlernt werden sollte.[3]

Ausgangspunkt grundsätzlicher theoretischer und methodische Forschungsansätze sind dabei in den meisten Fällen immer noch die „klassischen drei Paradigmen als Grundmuster für den Erkenntnis- und Forschungsprozess“: Der normativ-ontologische Ansatz, der „eine Orientierung an überzeitlichen Werten mit sinnverstehender (‚hermeneutischer’) Forschung und einem praktisch philosophischen Erkenntnisinteresse verknüpft“, der kritisch-dialektische Ansatz, „der historisch-ganzheitliche, gesellschaftliche Analysen mit dialektisch-historischen Methoden und einem emanzipatorischen Erkenntnisinteresse verbindet“ und der empirisch-analytische Ansatz, „der einen an der strikten empirischen Erfahrung orientierten Erkenntnisbegriff mit einem eher technischen und szientistischen Erkenntnisinteresse“ kombiniert.[4]

Trotz einer sich an natur-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsanätzen stetig weiterentwickelnden Methodenvielfalt, haben sich hierbei zwei gegenüberstehende Politikforschungsleitbilder herausgebildet: die quantitative und die qualitative Forschung.

Quantitative Forschungsansätze haben ihre Wurzeln vor allem im natur- aber auch im sozialwissenschaftlichen Bereich. Ziel dieses Leitbildes ist die Konstruktion von Theorien und mit deren Hilfe die Erklärung von Sachverhalten. Man unterscheidet in der quantitativen Forschung zwischen induktiven Ansätzen (einer Denkweise, deren gewonnene Erkenntnisse oft über die konkret untersuchten Fälle hinausreichen), deduktiven (falsifizierbaren) Erklärungsstrategien, dem „kritischen Rationalismus“, der in erster Linie auf die Grundlagen menschlichen Erkennens an für sich abzielt und dem „Behavioralismus“, der Politikwissenschaft als empirische und theoretische Gesetzeswissenschaft definiert[5]. Als direkt anwendbare Methoden der quantitativen Forschung sind Experimente, Beobachtungen, Befragungen und Simulationen zu nennen.[6]

Qualitative Forschungsansätze schöpfen zwar auch aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich, sie konzentrieren sich dabei, in Abgrenzung zur quantitativen Politikforschung, allerdings nicht auf eine Kombination mit Natur-, sondern auf eine solche mit Geisteswissenschaften. Dabei geht es nun weniger um das Erklären von Sachverhalten, sondern vielmehr um das Verstehen dieser. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, der sich als „Begreifen, Erfassen oder Erkennen von Sinn“[7] darstellen lässt. Man unterscheidet in der qualitativen Forschung zwischen qualitativ empirischer Sozialforschung und der Hermeneutik, der „Kunstlehre des Verstehens“[8]. Zu den Methoden dieses Forschungsansatzes gehören neben Beobachtungen und narrativen Interviews auch die Einzelfallanalyse und die Textinterpretation[9], auf die ich mich in dieser Arbeit konzentrieren werde.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass ich mich zwangsläufig auf den qualitativen Forschungsweg begeben werde. Die Arbeit konzentriert sich methodisch vielmehr auf das von v. Alemann dargestellte Leitbild der „kritisch-empirischen Forschung“, das für einen Methodenpluralismus plädiert[10]. Schließlich möchte ich dem Leser nicht nur zu „verstehen“ geben, wie die Bundesrepublik Deutschland im Kosovokonflikt gehandelt hat, sondern vor dem Hintergrund meiner eingangs genannten These, auch widerlegen bzw. falsifizieren, dass es lediglich humanitäre Gründe waren, die die BRD dazu bewogen hat, sich an diesem Krieg zu beteiligen.

Es soll selbstverständlich aber auch nicht verschwiegen werden, dass qualitative Ansätze, insbesondere im sechsten Kapitel, einen Methodenschwerpunkt bilden. Dies trifft insbesondere für die „klassische Inhaltsanalyse“ von Dokumenten, wie den Protokollen der entscheidenden Bundestagssondersitzung vom 16. Oktober 1998, mit denen sich Heinz Loquai in seinem Buch „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg“ beschäftigt, zu. Gleiches gilt für den hermeneutischen Schwerpunkt, den ich in Kapitel 6b insofern setze, als dass ich den Sinn der Ausführungen des ehemaligen Frankfurter SPD-Bundestagsabgeordneten und Schröder-Vertrauten Karsten D. Voigt zum Kosovokrieg erfasse und die Informationen sowohl in die zuvor aus sozialkonstruktivistischer Sicht genannten Zusammenhänge, als auch in das bisher aus Realismussicht erworbene Wissen einordne. Mit Hilfe des dabei vorhandenen Vorverständnisses und des bereits vorhandenen Kontextwissens zur Außenpolitik des vereinigten Deutschland und zur Geschichte des Kosovokonfliktes lässt sich der hermeneutische Zirkel als Erkenntnisinstrument schließen.[11] Damit leistet die Wahl meiner Methoden letztlich den entscheidenden Beitrag zur Beantwortung meiner Fragestellung und Belegung meiner These.

Bereits erwähnt habe ich, dass es sich bei meiner Arbeit um eine Einzelfallanalyse handelt, die John Gerring als „an in-depth study of a single unit (a relatively bounded phenomenon) where the scholar’s aim is to elucidate features of a larger class of similar phenomena“[12] definiert.

[...]


[1] LOQUAI, Heinz: Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg: Die zeit von Ende November 1997 bis März 1999. Baden-Baden 2000. S. 11.

[2] Vgl.: Ebenda.

[3] Vgl.: ALEMANN, Ulrich von: Politikwissenschaftliche Methoden. Grundriss für Studium und Forschung. Westdeutscher Verlag. Bonn 1995. S. 11.

[4] Vgl.: Ebenda. S. 22.

[5] Vgl.: Ebenda. S: 40ff.

[6] Vgl.: Ebenda. S. 65.

[7] Ebenda. S. 51.

[8] Ebenda. S. 50.

[9] Vgl.: Ebenda. S. 65.

[10] Vgl.: Ebenda. S. 64ff.

[11] Vgl.: KALINA, Ondrej, KÖPPL, Stefan, KRANEPOHL, Uwe, LANG, Rüdiger, STERN, Jürgen und STRASSNER, Alexander: Grundkurs Politikwissenschaft: Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 2003. S. 112f.

[12] GERRING, John: What is a Case Study and what is it good for? In: American Political Science Review 98:2. S. 341.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Deutschlands Außenpolitik und der Kosovokonflikt
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Politikwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V92423
ISBN (eBook)
9783638061476
ISBN (Buch)
9783638951555
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschlands, Außenpolitik, Kosovokonflikt
Arbeit zitieren
Raoul Giebenhain (Autor:in), 2007, Deutschlands Außenpolitik und der Kosovokonflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92423

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