Herausforderung der Schuleingangsphase für Kinder und Lehrer

Fallanalyse und Bewältigungsstrategien eines Anfangsunterrichts (1. Klasse)


Seminararbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Falldarstellung

3. Analyse des Falls
3.1 Perspektive von Tim
3.2 Perspektive der Lehrkraft

4. Interpretation

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Fall mit dem sich im Rahmen dieser Arbeit befasst wird, ist mir im August 2018 während meiner Unterrichtshospitation im Chemnitzer Schulmodell, im Bereich des Anfangsunterrichts, begegnet. Dabei wurde mir bewusst, dass der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule eine außerordentliche Herausforderung für viele Kinder darstellt. In der Literatur wird die Besonderheit dieser Lebensphase bestätigt und umfangreich behandelt. Knauf (2009) liefert folgende Erklärung:

„Der Anfangsunterricht […] stellt die zerbrechlichste und zugleich folgenreichste Konstellation schulischen Lernens dar. Der Anfangsunterricht entscheidet oft über die Stabilisierung subjektiver Lerninteressen und Lernstile, über die Querverbindungen zwischen individueller Bedürfnisstruktur und schulischen Lernhandlungen und damit über die Grade der Störanfälligkeit schulbezogener Lernmotive.“ (Knauf, 2009, S. 17)

Ferner stellt der Anfangsunterricht auch für Lehrer besondere Anforderungen und Herausforderungen, auf die sich die pädagogischen Fachkräfte vorbereiten müssen.

Im nachfolgend dokumentierten Fall geht es insbesondere um die sozial-emotionale und personelle Komponente des Anfangsunterrichts. Um eine objektive Sicht auf den Fall zu erlangen und pädagogisch korrekte Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln, ist eine Fallanalyse notwendig. Dazu müssen die einzelnen Perspektiven – die des Schülers und die der Lehrperson – betrachtet werden. Nur so können auf professionelle Art und Weise die Ursachen der Handlungen nachvollzogen und pädagogische Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten oder sogar Fördermaßnahmen herangezogen werden.

Zu Beginn wird der Fall ausschließlich dokumentiert und in seinen Einzelheiten vorgestellt. Anschließend erfolgt die intensive Analyse aus beiden Perspektiven. Es werden die Handlungsweisen und das Verhalten unter Augenschein genommen und mögliche Ursachen herangezogen. Nachfolgend findet die Interpretation des Falls statt. In dieser werden die Erkenntnisse aus der Analyse näher betrachtet und Konsequenzen für ein professionelles pädagogisches Handeln ebenso wie Lösungsmöglichkeiten für den speziellen Fall, mit Hilfe von Fachliteratur, vorgestellt. Im letzten Kapitel werden die vorangegangenen Kapitel der Arbeit zusammengefasst und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert.

2. Falldarstellung

Der in dieser Arbeit zu analysierende Fall handelt von einem Jungen (Tim) einer ersten Klasse. Das Verhalten des Jungen konnte immer wieder, über den Zeitraum der ersten vier Schulwochen meines Blockpraktikums, beobachtet werden. Es stellte sich die Frage, wie man als Lehrkraft bestmöglich auf das Verhalten des Schülers reagieren kann und ihn in seiner Schulanfangsphase unterstützen kann, weshalb im Anschluss eine ausführliche Analyse des Sachverhaltes erfolgen soll.

Die spezielle Situation ereignete sich am zweiten Schultag, einem Dienstag, zu Beginn der ersten Unterrichtsstunde (8:00 Uhr). Am Tag zuvor hatten die Kinder Schulanfang und somit den ersten richtigen Tag in ihrer neuen Umgebung ‚Schule‘. Einige Wochen zuvor wurde bereits ein Kennlerntag veranstaltet, sodass sich (bis auf eine Schülerin) alle Kinder bereits einmal gesehen bzw. kennengelernt haben. Darüber hinaus kannten sich schon einige Schüler der Klasse durch ihre Wohnsituation oder aus dem Kindergarten. Für Andere jedoch war es eine ganz und gar neue Personengruppe - so auch für Tim.

Alle Kinder wurden liebevoll von der Lehrerin begrüßt und in Empfang genommen. Als die Lehrerin Tim begrüßte, erwiderte er dies und grüßte sie mit leisem Ton zurück. Währenddessen schaute er sich im Zimmer um. Nachdem Tim im Klassenzimmer angekommen war suchte er sich selbstständig einen Platz am Rand, setzte sich auf seinen Stuhl und beobachtete sein Umfeld. Als die Klasse 1a vollzählig war, begann die aller erste Unterrichtsstunde. Die Lehrkraft erklärte zunächst den Tagesablauf. An erster Stelle stand der „Morgenkreis“. Dazu versammelte sich die gesamte Lerngruppe in einem Sitzkreis. Tim jedoch, blieb an seinem Platz am Tisch sitzen. Nach freundlicher Aufforderung der Lehrkraft, dass Tim sich doch bitte auch mit in den Sitzkreis setzen solle, schüttelte dieser den Kopf, weigerte sich und blieb mit verschränkten Armen und herabgesetzten Kopf auf seinem Stuhl sitzen. Die Lehrkraft akzeptierte seine Antwort und sagte: „Das ist okay, dann schau uns ruhig von deinem Platz aus zu und wenn du bereit bist, setzt du dich einfach mit zu uns in den Kreis.“. Innerhalb des Morgenkreises erhielten die Schüler die Aufgabe, den gestrigen Tag Revue passieren zu lassen und zu berichten wie sie den Tag empfunden haben. Der Erzählstein wurde reihum weitergegeben und auch Tim, der immer noch an seinem Platz saß, wurde gefragt ob er etwas erzählen möchte. Wie zu erwarten, verneinte er die Frage und der Redestein wurde weitergereicht. Während die anderen Kinder der Klasse von ihren Erlebnissen erzählten, hörte Tim aufmerksam zu und erfreute sich an den Erzählungen. Am Ende des Morgenkreises erfolgte ein Wahrnehmungsspiel. Hierzu griffen sich alle an den Händen und - wie bei dem Spiel ‚Stille Post‘ - wurde durch Händedrücken der Impuls reihum weitergegeben. Beim ersten Versuch schaute Tim weiterhin von seinem Platz aus zu. Die Lehrkraft fragte Tim anschließend noch einmal, ob er nicht doch Lust habe einmal mitzumachen. Tim nickte, setzte sich neben die Lehrerin in den Morgenkreis und spielte mit.

Nach ein paar Tagen hatte sich Tim bereits mit anderen Jungs der Klasse angefreundet, wirkte entspannter und angekommen. Dennoch gab es ab und zu wiederkehrende Situationen, in denen er sich selbst ausschloss. Es waren überwiegend solche, in denen die gesamte Klasse zusammenkam und etwas gemeinsam machte, z. B. im Morgenkreis oder im Sportunterricht. Er benötigte häufig Zeit, um das Geschehen zunächst von außen zu beobachten, ehe er sich am gemeinsamen Klassengeschehen beteiligte. Die Lehrer reagierten jedes Mal verständnisvoll und gaben Tim diese Zeit und Möglichkeit zum Beobachten. Im Laufe der vier Wochen des Blockpraktikums, verbesserte sich die Problematik erheblich. Tim benötigte immer weniger Beobachtungszeit und integrierte sich immer besser in das Klassengeschehen. Es ist hinzuzufügen, dass Tim einen Zwillingsbruder hat, welcher jedoch in einer anderen Schule eingeschult wurde.

3. Analyse des Falls

Nachfolgend wir der eben beschriebene Fall analysiert, um die Ursachen und die Handlungsweisen ergründen zu können. Dazu wird sich sowohl mit der Perspektive von Tim als auch mit der Perspektive der Lehrperson befasst.

3.1 Perspektive von Tim

Tim kommt zum zweiten Mal in sein neues Umfeld – das Klassenzimmer. Sein Verhalten zeigt zwar keine Angst, jedoch Unsicherheit und eine gewisse Distanz gegenüber der neuen Situation und den noch unbekannten Personen. Des Weiteren wird an seiner Begrüßung ersichtlich, dass er abgelenkt von all den neuen Eindrücken ist. Bei der Suche nach einem Sitzplatz ist sein vorsichtiges, beobachtendes Verhalten weiterhin sichtbar. Er sucht sich einen Platz an der Wand, um sich wohlmöglich einen guten Überblick auf das Gesamtgeschehen in der Klasse zu verschaffen. Knauf (2009, S. 23) spricht im Hinblick der Einschulung von einem Übergang eines Lebensbereiches in einen Neuen. Hierbei hebt er die außerordentliche Herausforderung der ersten Schulwochen für die Schulanfänger hervor. Die Konfrontation mit bisher unbekannten Personen, Handlungsformen, Räumen, Tagesabläufen, Anforderungen und Erwartungen stellt eine Umstellung dar, die jedes Kind unterschiedlich verarbeitet (Knauf, 2009, S. 23).

Als die Lehrkraft alle Kinder dazu auffordert in einem Sitzkreis zusammenzukommen, zieht sich Tim zurück und rührt sich keineswegs von seinem Platz. Die Situation des Zusammenkommens in einer großen Gruppe überfordert Tim. Das Gefühl der Geborgenheit, welches er bisher durch seine gewohnte Umgebung (Kindergarten, Eltern, Geschwister) gewann, ist in diesem Moment nicht vorhanden. Er fühlt sich unsicher und sucht durch das Sitzenbleiben am Tisch in gewissem Maße Halt und Sicherheit. Weißenfels (2015, S. 22 ff.) erklärt, dass die Familie die erste Sozialisationsinstanz darstellt. Mit dem Eintritt in die Schule ändere sich der Status des Kindes. Die Autorin spricht dabei von so genannten Statuspassagen, in denen sich das soziale Bedingungsgefüge verändere, was wiederum nachhaltig auf die Identitätsentwicklung einwirkt. Die Lehrkraft unterstützt ihn, indem sie ihm erlaubt von seinem Platz aus zuzusehen. Was Tim zu beruhigen scheint, denn als die Gesprächsrunde startet und die Schulanfänger anfangen zu erzählen, zeigt er Anteilnahme, lächelt und kommt langsam aus seiner zurückhaltenden Haltung heraus. Zu erkennen ist sein Bedürfnis nach Sicherheit und Akzeptanz. Weißenfels (2015, S.39) spricht davon, dass sich emotionale Befindlichkeiten in Bedürfnissen widerspiegeln. Diese wiederum seien folgendermaßen hierarchisch angeordnet: physische Sicherheit, Bedürfnis nach Liebe, Zuwendung und Zuneigung, Bedürfnisse nach persönlicher Autonomie sowie Anerkennung durch Zweite, Bedürfnis nach Selbsterkennung und zuletzt das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Weiterhin zählt die Autorin personale Kompetenzen als ein allgemeines Ziel sozialer Lernprozesse. Solche Kompetenzen zeigen sich durch ein angemessenes Selbstverstehen sowie positivem Selbstwertgefühl, welches sich durch kontrolliertes expressives Verhalten äußert (Weißenfels, 2015, S. 50). Im Falle von Tim ist anzunehmen, dass seine personalen Kompetenzen zunächst einmal weiter ausgebildet werden müssen, da sein Verhalten eher als introvertiert einzuschätzen ist. Trotz der von der Lehrperson gegebenen Sicherheit, benötigt er in der ersten Erzählrunde noch Zeit, um ebenfalls einen Beitrag zu leisten. Bei dem nachfolgenden Wahrnehmungsspiel traut sich Tim noch nicht aus seiner Sicherheitszone heraus. Er möchte erst beobachten und der Gruppe zuschauen. Als die Lehrkraft erneut fragt ob Tim nun doch mitmachen möchte, willigt er ein und setzt sich mit in den Sitzkreis. Dabei zeigt er Freude und das anfänglich zurückhaltende Verhalten ist unverkennbar zurückgegangen. Tims Unsicherheit innerhalb der Gruppenaktivitäten oder gar deren Verweigerung verstehen Großmann und Wieland-Neckenich (2006, S. 72 ff.) als typische Kennzeichen der ersten Gruppenentwicklungsphase „ Voranschluss und Orientierung “. Die Autoren erklären dieses Verhalten als einen Schutz vor zu großer Nähe sowie dem seelischen Kontakt zu anderen Gruppenmitgliedern. Sie plädieren dafür, dass von der Lehrkraft Distanz gewährt wird, damit sich das Kind in Ruhe orientieren kann und keine Überforderung durch Informationsüberschuss entsteht.

Dass sich Tim nach und nach in seinem neuen Umfeld wohl und sicherer fühlt, ist daran zu erkennen, dass er neue Freundschaften schließt und sich in der Pause an Spielen (insbesondere Fußball) beteiligt. Sein zurückhaltendes, beobachtendes Verhalten kommt zwar weiterhin gelegentlich zum Vorschein, dauert jedoch nicht mehr so lange an. Tim integriert sich mit zunehmender Zeit schneller und partizipiert sich immer mehr an Gruppenaktionen.

Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Tim, hat das Fehlen seines Zwillingsbruders. Mit ihm hat er unentwegt eine Bezugsperson an seiner Seite und damit die nötige Sicherheit, um exploratives Verhalten zu zeigen. Lengning und Lüpschen (2012, S. 12) sprechen von einer wechselseitigen Beziehung zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten: „Fühlt sich ein Kind sicher und wohl, kann es seine Umwelt frei explorieren. Erfährt es jedoch Unsicherheit, wird das Explorationsverhalten eingestellt und das Kind zeigt vermehrtes Bindungsverhalten.“ (Lengning & Lüpschen, 2012, S. 12). Indem die Geschwister beide unterschiedliche Schulen besuchen, werden sie voneinander getrennt, was die besagte Sicherheit zunächst brüchig werden lässt oder gar auflöst. Daraus resultiert eine hohe emotionale Belastung für die Jungen, welche zunächst einmal mit individuellen Bewältigungsmechanismen verarbeitet werden muss.

3.2 Perspektive der Lehrkraft

Mit der liebevollen und persönlichen Begrüßung jeden Kindes, versucht die Lehrkraft jedem Einzelnen Wertschätzung zu zeigen und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Nach Knauf (2009, S. 28 f.) ist es besonders in den ersten Schulwochen wichtig, den Kindern zu zeigen, dass sie, ungeachtet ihrer Leistungen, akzeptiert und wertgeschätzt werden. Es steigere deren Ich-Kompetenz und fördert somit die Ausbildung verschiedener Selbstkonzepte. Weiterhin führt eine angemessene sozial-emotionale Atmosphäre zur Identifikation mit der Schule und begünstigt demzufolge das Lernen (Knauf, 2009, S. 34f.). Besonders hebt der Autor in diesem Zusammenhang eine kultivierte Beziehung zwischen Lehrer und Lerner hervor. Daneben bewirke u. A. das Schaffen von Orientierung und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder eine positive Atmosphäre und damit eine gelungene Lernumgebung. Mit der Präsentation des Tagesablaufes macht die Lehrerin das Vorgehen transparent, sodass sich die Schüler besser orientieren können. Meyer (2011, S. 25ff.) spricht hierbei von einer klaren Unterrichtsstrukturierung und setzt dies als ein Merkmal guten Unterrichts. Mit dem ersten Punkt des Tages - der Morgenkreis - versucht die Lehrerin einen fließenden Übergang zwischen der Alltagswelt der Schüler und der Schule zu schaffen, die Lerner zu aktivieren und eine erste kommunikative Interaktion herzustellen. Heinzel (2003, S. 105) bezeichnet den Morgenkreis ebenfalls als eine Schnittstelle zwischen dem Kinderalltag und der Institution Schule. Die Methode stiftet zur Kommunikation an, wobei die Interaktionen und Beteiligungen der Schüler vordergründlich sind (Heinzel, 2016, S. 97). Überdies lernen die Kinder in natürlicher Weise, anderen zuzuhören und ihre Gefühle zu erleben - allgemein kann von einer Schulung des sozialen Miteinander gesprochen werden (Hacker, 2008, S. 145). Als die Lehrkraft bemerkt, dass Tim an seinem Platz sitzen bleibt, spricht sie ihn persönlich an und bitten ihn freundlich darum, sich der Gruppe anzuschließen. Ihr Bemühen nach einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung wird in ihrer Antwort auf Tims Verneinung deutlich. Sie zwingt ihn nicht dazu sich in den Morgenkreis zu setzen, sondern respektiert seine Lage und gibt ihm die Distanz die er gerade benötigt. Gleichermaßen schenkt sie ihm (unbewusst) Vertrauen, dass er bald dazu bereit sein wird, mit an der Gruppenaktion aktiv teilzunehmen. Dieses Akzeptieren des Kindes in seiner Individualität ist, nach Knauf (2009, S. 35), insbesondere im Anfangsunterricht von elementarer Bedeutung: „Nur so kann eine stabile, positive Lernhaltung aufgebaut werden, die über die Schulzeit hinaus wirksam bleiben kann.“ (Knauf, 2009, S. 35). Ähnlich argumentieren Maras und Ametsbichler: „Kinder, die Wertschätzung und Vertrauen erfahren, weisen eine größere Lern- und Leistungsbereitschaft aus.“ (Maras & Ametsbichler, 2012, S. 14). Mit dem abschließenden Spiel (Stille Post durch Händedrücken) aktiviert die Lehrkraft die Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder und schafft im selben Zuge eine Aufgabe, die nur in Gemeinschaft gelöst werden kann. Solche Gemeinschaftssituationen bilden eine Grundlage für ein positives Klima wechselseitiger Akzeptanz, Anerkennung von Verschiedenheit in der Arbeitsgruppe sowie dem Aufbau von Solidarität (Knauf, 2009, S. 35). Am Ende erreicht sie mit ihrem Vorgehen sogar Tim, welcher sich schlussendlich dazu überwindet am Spiel teilzunehmen.

4. Interpretation

Aus den im vorherigen Kapitel beschriebenen Ursachen und Gründen des Verhaltens von Tim, lassen sich Konsequenzen für ein professionelles pädagogisches Handeln ebenso wie Lösungsmöglichkeiten für den speziellen Fall herleiten. Im dokumentierten Beispiel handelt die Lehrperson bereits pädagogisch sehr wertvoll und erzielt damit ein positives Ergebnis. Im Großen und Ganzen geht es nachfolgend um Methoden sowie Handlungs- und Verhaltensweisen seitens der Lehrperson, die den Schuleintritt, in Bezug auf den dokumentierten Fall ‚Tim‘, erleichtern und unterstützen. Dabei ist der Ausgangspunkt aller Überlegungen die schulische Gesamtatmosphäre: „Das heißt, in der Schule und in der Klasse herrscht eine Atmosphäre, die die Kinder als gerecht erleben.“ (Weißenfels, 2015, S. 55).

Wie sich im bisherigen Text bereits manifestierte, ist die Stärkung der Ich-Kompetenz ebenso wie die Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenz, neben der Förderung der kommunikativen Kompetenz, der Stärkung der Handlungs- und Planungskompetenz und dem Stimulieren der Sachkompetenz, eine fundamentale Aufgabe des Anfangsunterrichts (Knauf, 2009, S. 28). Die Stärkung der Ich-Kompetenz wird dabei oftmals als Ausgangspunkt des Anfangsunterrichts und Basis für zukünftige erfolgreiche Lernprozesse gesehen (Hellmich, 2010, S. 92 f.; Knauf, 2009, S. 28 f.). Ein funktionierendes und positives Selbstkonzept sei die Voraussetzung, um die Herausforderungen des Alltags meistern zu können. Es beinhaltet die „Einschätzung, Beschreibung und Bewertung eigener Stärken und Schwächen im akademischen wie auch im nicht akademischen Bereich“ (Hellmich, 2010, S. 93). Insbesondere in den ersten Schulmonaten findet eine Umstrukturierung der Identität des Kindes statt und das bisherige Selbstkonzept wandelt sich (Hacker, 2018, S. 154; Knauf, 2009, S. 28 f.). Knörzer und Grass (1992, S. 146) sprechen diesbezüglich von der Institution Schule als Prüfstelle eigener Leistungsfähigkeit und als Ort sozialer Vergleichsprozesse. Die Basis für eine positive Entwicklung des Selbstbildes ist, nach Weißenfels (2015, S. 46), die physische und psychische Geborgenheit. Folglich ist es, insbesondere in dieser Anfangszeit, wichtig den schulischen Bedürfnissen der Schulanfänger nachzukommen und allen Kindern Wertschätzung und Akzeptanz zu zeigen (Knauf, 2009, S. 29, Weißenfels, 2015, S. 39). Anderenfalls können innere Konflikte entstehen, welche zu Unsicherheit, Lernschwierigkeiten oder im schlimmsten Falle zur Schulphobie führen (Knörzer & Grass, 1992, S. 149). Mit der persönlichen Begrüßung jeden Kindes bringt die Lehrerin eben diese Wertschätzung den Schülern entgegen und sorgt damit für eine Wohlfühlatmosphäre. Hacker betont ebenfalls die Relevanz der Präsenz des Lehrers und des engen Kontaktes zwischen Lehrer und Schüler: „Gerade am Anfang sollte sich der Lehrer vermehrt um Einzelkontakte zu den Schülern bemühen, nicht nur, weil diese der häuslichen Situation ähnlicher sind, sondern weil sie mehr als alle gemeinsamen Verrichtungen die psychische Situation des Anfängers stabilisieren.“ (Hacker, 2008, S. 138). Ein allmählicher Wechsel der Lebensbereiche (Familie und Schule) ist während des Übergangs besonders wichtig und sollte zwingend von der Lehrperson durch Gespräche und Offenheit unterstützt werden (Hacker, 2008, S. 138). Weiterhin können im Unterricht Entspannungsübungen und Stilleerfahrungen eingeführt werden, um sich selbst bewusst zu werden. Die Schulanfänger schließen dazu ihre Augen und konzentrieren sich auf ihr Inneres - sie nehmen ihren Körper, ihre Gedanken und ihre Gefühle war. Besonders eignen sich solche Übungen nach intensiven Aktivitätsphasen oder am Ende des Schultages (Hacker, 2008, S.155; Knauf, 2009, S. 29). Weiterhin plädieren beide Autoren (Hacker, 2008, S.155; Knauf, 2009, S. 29) für Ich-Erfahrungen im Sinne von Selbstäußerungen. Hierzu eignen sich vielerlei Methoden, z. B. Ich-Bücher, Ich-Karton, Selbstporträts, etc.

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Herausforderung der Schuleingangsphase für Kinder und Lehrer
Untertitel
Fallanalyse und Bewältigungsstrategien eines Anfangsunterrichts (1. Klasse)
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V925135
ISBN (eBook)
9783346246646
ISBN (Buch)
9783346246653
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anfangsunterricht, Fallanalyse, Grundschule, Übergänge gestalten, Herausforderung
Arbeit zitieren
Nina Zschätzsch (Autor:in), 2019, Herausforderung der Schuleingangsphase für Kinder und Lehrer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/925135

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