Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Erstellung eines Interviewleitfadens, Möglichkeiten von Verzerrungen im Interview, Ablauf einer qualitativen Inhaltsanalyse


Einsendeaufgabe, 2020

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. AufgabeB1
1.1 Derqualitative Interviewleitfaden
1.2 Das Konstrukt Unternehmensreputation
1.3 Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens
1.4 Stakeholder
1.5 Fallauswahl
1.6 Ablaufund Durchführung eines qualitativen Interviews

2. AufgabeB2
2.1 Verzerrungen im Interview
2.2 Verzerrungen durch den Interviewer
2.3 Verzerrungen durch den Befragten

3. AufgabeB3
3.1 Qualitative Inhaltsanalyse
3.2 Ablaufder inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse
3.3 Ablaufeinerevaluativen qualitativen Inhaltsanalyse
3.4 Vergleich beider Methoden

4. Anlage

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ablaufschema einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse

Abbildung 2: Ablaufschema einer evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse

1. AufgabeBI

Aufgabenstellung des ersten Teils der Einsendeaufgabe ist die Operationalisierung des Konstrukts Unternehmensreputation anhand des Modells von Mark Eisenegger sowie die Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens. Eingesetzt werden soll der Interviewleitfaden bei der Vertical Media GmbH, einem Fachverlag für die Digitalwirtschaft mit Sitz in Berlin. Die Produkte des Medienhauses setzen sich aus dem Online-Magazin Gründerszene, verschiedenen Netzwerkformaten wie die Spätschicht sowie der Karriereplattform Jobbörse zusammen. Die Vertical Media GmbH hat 65 Beschäftigte.

1.1 Derqualitative Interviewleitfaden

Da die qualitative Forschung sehr vielfältig ist, haben sich unzählige Methoden entwickelt. Insbesondere wenn es um Fragen nach dem Erleben und Verhalten des Menschen geht, stößt die quantitative Forschung an ihre Grenzen. Ein wichtiges Prinzip des qualitativen Forschens ist die Offenheit, um Gegenstände in ihrer spezifischen Erscheinung untersuchen und beschreiben zu können. Daher werden im Gegensatz zur quantitativen Forschung vorab keine Beschreibungskategorien festgelegt wie bspw. Ratingskalen in Fragebögen, sondern offene Verfahren wie das Interview eingesetzt, damit sich die Befragten in ihren eigenen Worten äußern können.1 Das Prinzip der Offenheit bedeutet jedoch keine Beliebigkeit. Im Gegenteil bestehen bei der qualitativen Forschung methodische Regeln und Ablaufpläne. So sind Spielräume für Nachfragen, Vertiefungen oder Umformulierungen nach festen Regeln ausgestaltet, damit die Validität gesichert wird.2 Des Weiteren ist die qualitative Forschung durch eine Ganzheitlichkeit geprägt. So werden die auf den Untersuchungsgegenstand bezogenen subjektiven Perspektiven und die Reflexionen der Forschenden über Emotionen, Handlungen, etc. mit einbezogen.3

Zu den gängigsten Verfahren der qualitativen Forschung zählt das Interview.4 Interviews sind eine effektive Methode der Datenerhebung, um „reichhaltige“ empirische Daten zu Wahrnehmungen, Meinungen oder Einstellungen zu gewinnen. Es existiert eine Bandbreite an Typen qualitativer Interviews. Ein Abgrenzungskriterium schafft der Grad an Strukturiertheit, so dass zwischen voll-, halb- und unstrukturierte Interviews unterschieden werden kann.5

- Bei strukturierten Interviews erfolgt eine Festlegung von Inhalt, Reihenfolge der Fragen, Antwortklassen und Art derAuswertung. Individuelle Variationen sind unerwünscht. Dadurch wird eine gute Vergleichbarkeit der Interviews sichergestellt.6 Dieses Instrument zählt zu den quantitativen Datenerhebungsmethoden.7 8
- Bei unstrukturierten Interviews sind hingegen nur die Themen festgelegt.8 So wird bspw. bei narrativen Interviews ein Erzählanstoß gegeben, damit sich die Befragten frei in eigenen Worten äußern können.9
- Halbstrukturierte Interviews vereinen die Vorteile der strukturierten und unstrukturierten Befragung. Es beruht auf einem Gesprächsleitfaden, in dem Fragen mehr oder weniger ausformuliert festgelegt sind.10

Für tiefgehende, offene Explorationen von Sachverhalten werden insbesondere halb- oder unstrukturierte Interviews verwendet.11 Gegenstand der Arbeit ist die Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens, so dass ein unstrukturiertes oder halbstrukturiertes Interview als Datenerhebungsinstrument in Frage kommt. In der vorliegenden Arbeit wird ein Leitfadeninterview als qualitative Erhebungsmethode ausgewählt. Das Leitfadeninterview ist eine teilstrukturierte Befragung, in der Themen und Fragen vorgegeben werden, um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews zu ermöglichen. Dennoch ist das Interview möglichst offen gestaltet. Ziel ist nämlich ein möglichst offenes Gespräch, in dem die Interviewten ihre Sicht schildern12 und individuellen Sichtweisen der Befragten vertieft erschlossen werden können.13 So ist die Reihenfolge der Fragen nicht festgelegt, so dass auch zu einer später folgenden Frage gesprungen werden kann oder es können weitere Fragen gestellt werden, die nicht im Leitfaden stehen und sich aus der Situation heraus ergeben. Hier zeigt sich ein großer Vorteil des qualitativen Vorgehens. Denn so können neue Aspekte erforscht werden, die bei der Konzeption der Studie noch nicht berücksichtigt wurden.14

Vor Beginn einer Untersuchung sind die relevanten Aspekte des Untersuchungsgegenstands zu identifizieren.15 Das von Mark Eisenegger entwickelte Modell zur Messung der Reputation eines Unternehmens soll mit seinen Dimensionen und Indikatoren als Grundlagefürden Leitfaden dienen.

1.2 Das Konstrukt Unternehmensreputation

Eisenegger hat einen dreidimensionalen Reputationsbegriff entwickelt, der eine kognitive, eine affektive und eine normative Dimension umfasst und kurz im Folgenden dargestellt werden soll:16

Bei der funktionalen Reputation müssen sich die Akteure in einer „kognitiven Welt des Wahren“ bewähren. Die Beurteilung findet in Bezug auf die erfolgreiche Erreichung bestimmter Ziele statt, d.h. wie gut eine Person ihre Leistungsrolle ausübt oder wie gut eine Organisation ihrem Zweck dient. Journalisten z. B. mehren ihre funktionale Reputation durch Erhöhung der Auflagezahlen oder Manager und Unternehmen durch Steigerung der Gewinne.17 Indikatoren dieser Dimension sind Produkt- und Dienstleistungsqualität, Wirtschaftlicher Erfolg, Managementqualität/Kompetenz der Führung, Innovationsfähigkeit und Bedeutung/Marktposition.18

Die soziale Reputation wird in der „normativen Welt des Guten“ daran gemessen, inwiefern gesellschaftliche Normen befolgt und Werte berücksichtigt werden. Manager sollen bspw. soziale und ökologische Standards einbeziehen.19 Indikatoren der sozialen Reputation sind: Soziale Verantwortung, Wohlergehen der Mitarbeiter, Ressourcen und Umweltmanagement.20

Die expressive Reputation wird in der „subjektiven Welt des Schönen“ durch eine emotionale Attraktivität bewertet. Der Reputationsträger äußert gezielt Expressionen, um bei Dritten attraktiv zu erscheinen. Sie entwickelt sich dabei nicht losgelöst von der funktionalen und sozialen Reputation. So kann ein Unternehmen deshalb emotional attraktiver wirken, weil die funktionale Dimension durch Innovation mit faszinierenden Produkten geprägt ist. Ein Unternehmen kann sympathisch erscheinen, weil es ethische Prinzipien überdas Profitinteresse stellt.21 Indikatoren sind Sympathie, Faszination der Marke und Faszination des Unternehmens.22

1.3 Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens

Im Vorfeld der Leitfadenkonzeption werden die für die Forschungsarbeit wesentlichen Themen bestimmt.23 Grundlage für die Formulierung der Fragen bildet ein theoretisches Konstrukt wie Unternehmensreputation, das begrifflich so zerlegt wird, so dass zunächst die Dimensionen des Konstrukts herausgearbeitet und dann Indikatoren gebildet werden.24 In dem vorangegangen Abschnitt sind die drei Dimensionen des Konstrukts Unternehmensreputation mit ihren jeweiligen Indikatoren vorgestellt worden, aus denen die Fragen abgeleitet werden.

Zu Beginn des Interviews werden biografische Grundinformationen wie Alter, Ausbildung, Beruf erfragt, um sich ein Bild überden Interviewten zu machen und individuell auf die Person eingehen zu können. Daran anschließend erfolgen allgemeine Fragen zum Untersuchungsgegenstand. Im Verlaufe des Gesprächs können die allgemeinen durch detaillierte Fragen ergänzt werden.25

Im Leitfadeninterview werden vor allem offene Fragen gestellt.26 Diese unterscheiden sich von geschlossenen Fragen in Bezug auf die explizite Vorgabe der Antwortform. Offene Fragen eignen sich bei der Eröffnung oder ausführlicheren Behandlung eines Themas sowie für die Anregung konkreter Beispiele; geschlossene Fragen im Anschluss an offene Fragen, um Details zu klären.27 Darüber hinaus sollten lange Fragen, unklare Formulierungen, Fremdwörter, doppelte Verneinungen und Suggestivfragen vermieden werden.28 Suggestivfragen legen eine bestimmte Antwort nahe.29 Auf solche Fragen wird es seitens der Interviewten keine ehrliche, sondern eine erwünschte Antwort geben.30 Ferner sollten sich die Fragen nur auf einen Aspekt beziehen und dem Sprachniveau des Interviewten entsprechen.31

Mit zunehmendem Erkenntnisgewinn verändert sich der Interviewleitfaden durch die Aufnahme neuer Fragen oder das Entfallen von Fragen.32 Dadurch dient der Leitfaden bei der Gesprächsführung lediglich als Anhaltspunkt.33 Die Fragen können wörtlich oder stichpunktartig entwickelt werden.34

Da das Interview einen Lernprozess darstellt und im Verlaufe des Gesprächs weitere Gedanken aufkommen, erhalten die Befragten zum Ende des Interviews die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen oderAnmerkungen zu ergänzen.35

In der Literatur wird ein Leitfaden von ca. ein bis zwei Seiten mit etwa acht bis fünfzehn Fragen, die sich in Haupt- und Differenzierungsfragen unterteilen lassen, empfohlen.36

Der für diese Arbeit entwickelte qualitative Interviewleitfaden ist der Einsendeaufgabe angehangen. Die Fragen sind wortwörtlich gestellt und sollen dem Interview eine gewisse Struktur bzw. ein Gerüst für die Datenerhebung und Datenanalyse verleihen.37 Die Hauptfragen werden durch eingerückte Differenzierungsfragen ergänzt, falls das Gespräch ins Stocken gerät oder um zusätzliche Sichtweisen zu generieren.

1.4 Stakeholder

Stakeholder sind Anspruchsgruppen, die von der Nutzung des Untersuchungsgegenstandes betroffen sind sowie Personen, die an der Entwicklung, Umsetzung und Optimierung des Untersuchungsgegenstandes beteiligt sind.38 Die drei wichtigsten Stakeholder der Vertical Media GmbH sind das zuständige Vorstandsmitglied des Mutterunternehmens, fünf Beschäftigte aus den Abteilungen Personal, Redaktion, Sales, Events und Marketing sowie fünf Partner/Kunden aus dem Sales- und Event-Bereich.

1.5 Fallauswahl

Die qualitativen Stichproben von Leitfadeninterviews umfassen meistens 10 bis 20 Befragte.39 Die kleine Fallzahl ergibt sich dabei aus der Zielsetzung, detaillierte und tiefergehende Analysen vorzunehmen.40 Da eine blinde Zufallsauswahl wie sie bei quantitativen Studien durchgeführt wird, zu wenig aussagekräftigen Stichproben führen würde, werden in der qualitativen Forschung bewusst Fälle ausgewählt. Während im quantitativen Ansatz durch die Zusammensetzung der Fälle die Population nachgebildet wird, sollen in der qualitativen Fallauswahl die für den Untersuchungsgegenstand besonders wichtigen Merkmale, üblicherweise drei Merkmale, vorkommen. Aufgrund der theoretischen und empirischen Vorkenntnisse können gezielt besonders aussagekräftige Fälle aufgenommen werden.41

Intern werden die beiden Geschäftsführer, der für die Vertical Media GmbH verantwortliche Vorstand, der Chefredakteur sowie jeweils eine Mitarbeiterin aus den Bereichen Personal, Sales, Events, Marketing und Public Relations befragt. Externe Befragungspersonen sind die drei wichtigsten Key Accounts, die auf der Internetseite der Gründerszene, dem Kernprodukt der Vertical Media GmbH werben, drei Partner, die Gründerszene Events sponsern, sowie drei Start-ups, über die auf der Internetseite der Gründerszene redaktionell berichtet wurde. Mit dieser Auswahl soll eine größtmögliche Repräsentativität der Stichprobe gewährleistet werden.

1.6 Ablauf und Durchführung eines qualitativen Interviews

Zunächst wird der Leitfaden in einem Pretest bzw. Probe-Interview getestet und bei Bedarf überarbeitet.42 Hierbei wird anhand einer kleinen Stichprobe inhaltlich überprüft, ob Fragen verständlich formuliert wurden, Begriffe missverständlich sind, die Fragenreihenfolge sinnvoll ist und die angegebene Interviewlänge realistisch ist.43 An diese Pilotphase schließt sich die eigentliche Hauptuntersuchung, das Interview, an.44

Da das Führen von Interviews wesentliche Kompetenzen, wie das richtige Stellen von Fragen, aktives Zuhören oder ein gewisses Feingefühl für die Interviewten erfordert,45 sollten die Interviewerjnnen vorab geschult und Interviews in Rollenspielen geprobt haben.46

Das qualitative Interview lässt sich in die drei Phasen Eröffnung, Hauptteil und Endphase aufteilen.47

Der Gesprächsbeginn wird mit einem Warming-up eingeleitet, in dem sich die Interviewpartner vorstellen und Smalltalk führen, um eine entspannte Atmosphäre herzustellen. In der Intervieweröffnung wird das Untersuchungsanliegen dargestellt.48 Wichtig ist, Informationen über den Untersuchungsablauf und -zweck sowie über die Aufzeichnung des Interviews zu geben.49

Im Hauptteil werden dann die ausgearbeiteten Fragen gestellt.50 Hauptaufgabe der Interviewerin oder des Interviewers ist es, den Gesprächsablauf zu steuern und weiterführende und vertiefende Fragen zu formulieren, damit die oder der Befragte beim Thema bleibt.51

In der Endphase wird das Ende des Gesprächs angekündigt, sich für die Teilnahme bedankt und den Befragten die Gelegenheit gegeben, weitere Aspekte anzusprechen, die wichtig sind.52 Dem Ende des offiziellen Interviews schließt sich ein informelles Gesprächsende an. In dieser Phase können oftmals noch substanzielle Informationen nachgeliefert werden. Daher sollte auch das Nachgespräch mit Einverständnis der Befragten aufgezeichnet werden.53

Im Anschluss des Interviews werden Gesprächsnotizen bzw. ein Postskriptum angefertigt. Diese enthält Beschreibungen der Interviewten, wie u.a. die äußere Erscheinung, seelische Verfassung etc. und der Räumlichkeiten sowie eine Dokumentation der Gesprächsatmosphäre und Unterbrechungen. Bei der späteren Beurteilung der Validität des Materials stellt das Postskriptum eine Grundlage dar.54

Die Aufzeichnungen werden schließlich für die interpretative Auswertung transkribiert und mittels qualitativer Datenanalyseverfahren ausgewertet. Das Material ist am Ende sorgfältig zu archivieren.55

2. Aufgabe B2

Aufgabe des zweiten Teils ist die Darstellung von Verzerrungen im Interview sowie welche Fehler seitens des Interviewers und seitens des Befragten auftreten können. Zudem werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Grad der Verzerrung so gering wie möglich gehalten werden kann.

2.1 Verzerrungen im Interview

Dank der menschlichen Informationsverarbeitung ist möglich, komplexe Situationen und Sachverhalte zu verstehen, mit Anderen zu kommunizieren sowie vieles mehr. Allerdings ist der Mensch trotz der hervorragende Denkmaschine Gehirn kein „Homo Ratio“, sondern landet immer wieder in Denkfallen, den sogenannten kognitiven Verzerrungen. Die kognitiven Fehlprozesse, die im Menschen ablaufen, tragen dazu bei, dass die Umwelt nicht völlig neutral oder objektiv wahrgenommen und beurteilt werden kann.56 Definiert werden kann der Begriff Verzerrung als „Sammelbegriff für systematische, unbewusste und fehlerhafte Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung.“57

Bei der Erhebung von Interviewmaterial besteht grundsätzlich die Gefahr systematischer Antwortverzerrungen.58 Fehlerhafte Ergebnisse können aufgrund von Verhaltensweisen des Interviewenden wie mangelndes Zuhören oder der Befragungsperson wie Selbstdarstellungsverhalten liegen.59 Oftmals gehen die Verzerrungen aufdas Verhalten des Interviewenden zurück.60

2.2 Verzerrungen durch den Interviewer

Zahlreiche Studien können aufzeigen, dass die Ergebnisse der Befragung durch die Person des Interviewers stark beeinflusst werden kann. So kann das Sprachniveau des Interviewenden einen Intervieweffekt zur Folge haben. In einer Untersuchung sprach ein Teil der Interviewenden Dialekt, der andere Hochdeutsch. Die Frage, ob sich die Befragten besser in Hochdeutsch ausdrücken könnten als im Dialekt, wurde bei rund 60 % der Teilnehmenden mit „Ja“ beantwortet, wenn die Interviewenden hochdeutsch sprach; 10 % bejahten die Frage, wenn Dialekt verwendet wurde. Ebenfalls kann das Geschlecht des Interviewenden eine Verzerrung im Antwortverhalten verursachen. Dabei gilt, dass das Geschlecht vor allem zu berücksichtigen ist, wenn es mit der Frage zusammenhängt. Geht es bspw. um das Sehen pornografischer Inhalte, ist die Interaktion zwischen Männern und Männern höher als wenn Männer von Frauen befragt werden.61 Beim Thema „Männer und Hausarbeit“ werden emanzipierte Männer, die von Frauen befragt werden, ihre Mitarbeit übertreiben; sog. „Machos“ dagegen vermutlich untertreiben. Ferner kann die Hautfarbe der Interviewenden einen Effekt auf die Antworten von Schwarzen und Weißen haben. Neben den manifesten, könne aber ebenfalls latente Merkmale einen Einfluss auf das Antwortverhalten der Befragten nehmen. Ist der Interviewer bzw. die Interviewerin offen und gesprächsbereit, wirkt sich dies auf die Befragten aus. Werden Fragen schnell heruntergelesen, ist das Antwortverhalten der Interviewten ebenfalls entsprechend.62

Zudem sollte das Auswertungsverfahren regelgeleitet sein. Somit ist sicherstellt, dass alle Daten berücksichtigt werden. Da Erinnerungen häufig selektiv sind, bleiben den Interviewenden vor allem diejenigen Informationen in Erinnerung, die mit eigenen Vorannahmen übereinstimmen. Gegensteuern können Forschende dieser Verzerrung, indem auch Gegenbeispiele bei der Auswertung berücksichtigt werden.63

Schließlich kann der Gefahr von Verzerrungen durch ein neutrales Auftreten und eine intensive Schulung des Interviewenden vorgebeugt werden.64 Im besten Fall werden mehrere geschulte Interviewerjnnen eingesetzt, so dass auftretende verzerrende Einflüsse ausgeglichen werden. Zudem kann der Untersuchende während der Durchführung der Interviews anhand von Stichproben der Interviewaufzeichnungen das Verhalten des Interviewers überprüfen und Hinweise geben.65

2.3 Verzerrungen durch den Befragten

Erwartungen über den Zusammenhang einer Antwort können Verzerrungen verursachen, wie es am Beispiel der sozialen Erwünschtheit kurz beschrieben werden soll. Aufgrund dieses Effekts beschreiben sich Personen anders als sie sind, um in einem günstigeren Licht gesehen zu werden. So berichten sie verstärkt über sozial erwünschte Eigenschaften und streiten unerwünschte ab, um sich an der vermuteten Erwartung des Interaktionspartners anzupassen. Vor allem neigen Personen mit geringem Selbstbewusstsein zur sozial erwünschten Selbstdarstellung, um Anerkennung zu erlangen und Missbilligungen zu vermeiden.66 Diese Verzerrung entsteht dort, wo Normen und Werte der Gesellschaft direkt oder indirekt betroffen sind. So erwartet die Gesellschaft einerseits sozial konformes Verhalten und andererseits möchte der Forscher gerade keine angepasste, sondern wahre Einstellung des Menschen ergründen. Wenn die Studierenden befragt werden, ob sie eher Informations- oder Unterhaltungssendungen schauen, werden mehrheitlich Informationssendungen angegeben, weil sie denken, dass das von ihnen erwartet wird. Wird dagegen das tatsächliche Fernsehverhalten untersucht, kann festgestellt werden, dass der Unterhaltungsanteil überwiegt.67 In einer Studie beschrieben sich Frauen als zufriedener, wenn der Interviewer körperbehindert war, nur dann, wenn die Zufriedenheit schriftlich und somit nicht öffentlich abgefragt wurde. Erfolgte die Zufriedenheitseinschätzung mündlich, also öffentlich, fiel die Beschreibung als weniger zufrieden aus. Diese Urteile resultieren aus der sozialen Erwünschtheit, dass wenn es dem Interviewer offensichtlich schlecht ginge, die Befragten nicht sagen könnten, dass es ihnen gut gehe.68

Diese Art der Verzerrung kann teilweise durch die Frageformulierung vermieden werden, indem problematische Handlungen relativiert werden und somit den Befragten es erleichtert, eine sozial nicht erwünschte Antwort zu geben. Des Weiteren helfen Projektionsfragen, bei denen nicht nach dem eigenen Verhalten, sondern nach dem des unmittelbaren sozialen Umfelds fragt.69

3. Aufgabe B3

Im dritten Teil der Einsendeaufgabe sollen die typischen Abläufe der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse sowie der evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse erläutert werden. Anschließend werden die wichtigsten Unterschiede beiderAnalysemethoden herausgestellt.

3.1 Qualitative Inhaltsanalyse

Interviews generieren vorrangig verbale Daten, die durch verschiedene Methoden inhaltlich analysiert und ausgewertet werden können. Eine mögliche Methode ist die Inhaltsanalyse.70 „Die Inhaltsanalyse ist ein systematisches, datenreduzierendes Verfahren zur vergleichenden Analyse von bedeutungshaltigem Material.“71 Die Zielkriterien sind dabei Systematik und Intersubjektivität.72 Das grundlegende Instrument für die Systematisierung der Inhalte sind Kategoriensysteme.73 Die Intersubjektivität des Verstehens eines Textes bezieht sich dabei auf die systematische Prüfung einzelner Textteile unter die herausgearbeiteten Bedeutungskategorien.74 Auswertungsgegenstand ist dabei jede Art von fixierter Kommunikation, wie bspw. Gesprächsprotokolle oder Videoaufnahmen.75

Ursprünglich zählte das qualitativ inhaltsanalytische Verfahren zu den qualitativen Forschungsmethoden, wird aber nun zwischen dem qualitativen und quantitativen Forschungsparadigma verortet, da einzelne Varianten Ähnlichkeiten zur quantitativen oder qualitativen Methodologie aufweisen.76 So beinhaltet die qualitative Inhaltsanalyse die typisch qualitative Flexibilität der Anpassung an unterschiedliche Materialien und die typisch quantitative Systematik des Vorgehens.77

Es gibt verschiedene Varianten der qualitativen Inhaltsanalyse.78 Zwei Varianten sollen im Folgenden vorgestellt und verglichen werden.

3.2 Ablauf der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse

Die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse ist ein siebenstufiges Verfahren, dessen Fokus darauf liegt, das Material systematisch im Hinblick auf einzelne Aspekte zu beschreiben.79 Die Phasen sind in der unteren Grafik dargestellt und werden im Folgenden kurz erläutert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ablaufschema einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Quelle: Kuckartz (2018), S.100)

Eingeleitet wird die Analyse mit einer Auseinandersetzung des Textes, dem sorgfältigen Lesen und Markieren von besonders wichtigen Passagen. Besonderheiten und Auswertungsideen werden in Memos festgehalten. Abschließend wird eine erste kurze Fallzusammenfassung erstellt.80

Die Struktur der Daten wird durch Kategorien erzeugt, die in der zweiten Phase thematisch festgelegt werden.81 Für die Entwicklung der Kategorien - entweder theoriegeleitet am Leitfaden oder induktiv am Material - gibt es unterschiedliche Ansätze.82 Häufig werden Hauptkategorien bereits aus der Forschungsfrage abgeleitet. Durch die intensive Textarbeit lassen sich weitere, unerwartete Themen identifizieren, die die Kategorien ergänzen können. Wichtig ist in dieser Phase, alles Relevante zu erfassen. Um die Themen auf ihre Anwendbarkeit überprüfen zu können, empfiehlt es sich, einen ersten Durchlauf für einen Teil der Daten durchzuführen. Das Testmaterial hängt vom Materialumfang und der Komplexität der Kategorien ab. Für den Probelauf sollten 10% bis 25% des Auswertungsmaterials ausreichend sein.83

In der dritten Phase findet der erste Codierprozess statt. Der Text wird sequenziell durchgegangen und Textstellen der jeweiligen Kategorie zugeordnet. Einer Textstelle können dabei auch mehrere Kategorien zugewiesen werden. Bei dem Kategoriensystem ist zu beachten, dass es in enger Verbindung zur Fragestellung und nicht zu feingliedrig oder zu umfangreich gebildet wird. Zudem sind mehrere Codierende zu empfehlen, damit die Zuordnungen zuverlässiger werden.84

Anschließend werden alle Textstellen, die mit der gleichen Kategorie codiert wurden, zusammengestellt.85

Im fünften Schritt werden die noch allgemein gehaltenen Kategorien weiter ausdifferenziert. Dafür werden die thematischen Kategorien ausgewählt, für die induktiv Subkategorien gebildet werden sollen. Alle codierten Textstellen der Kategorie werden in einer Liste zusammengefasst, um diese dann zu ordnen und zu systematisieren. Nachdem relevante Dimensionen identifiziert wurden, werden die Subkategorien ggf. nochmals zu allgemeineren Subkategorien zusammengefasst. Anschließend werden Definitionen für die einzelnen Subkategorien formuliert und Zitate aus dem Material zugeordnet.86

Das nun ausdifferenzierte Kategoriensystem bildet im sechsten Schritt die Grundlage für die arbeitsreichste Phase - die zweite Codierung.

Ausdifferenzierte Kategorien werden den Textstellen zugeordnet, die bisher der Hauptkategorie zugeordnet waren. Hierbei erfolgt ein erneuter Durchlauf des codierten Materials. Wichtig ist, dass ausreichend viel Material herangezogen wird. Denn werden Subkategorien anhand von zu wenig Material gebildet, müssen diese präzisiert und erweitert werden. Allerdings sollten bei wenig Forschungsmaterial auch nicht zu viele Subkategorien gebildet werden.87 Der letzte Schritt dient der erneuten Analyse der Hauptkategorien und Zusammenhängen von Kategorien. Abschließend werden die Ergebnisse visualisiert.88

3.3 Ablauf einer evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse

Die evaluative qualitative Inhaltsanalyse enthält die gleichen Hauptphasen wie die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse. Ein Unterschied besteht allerdings in der Art der Kategorienbildung, so dass der Ablauf der Phasen von der Codierung bis zur Darstellung der Ergebnisse anders verläuft.89

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der ersten Phase werden die Kategorien bestimmt, die stringent mit der Forschungsfrage Zusammenhängen. Die Kategorien können sich von der Forschungsfrage ableiten oder sich während der Auswertung ergeben. Die Kategorien sollten dabei genau überlegt werden, da Bildung und Codierung einer Kategorie mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden sind.90

Im zweiten Schritt wird das gesamte Material durchgearbeitet, so dass jede - für die fokussierte Kategorie - relevante Textstelle codiert werden kann.91

[...]


1 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 185-191.

2 Vgl. Mayring (2020) S. 4.

3 Vgl. Flick (2006), S. 12-13.

4 Vgl. Mey/Mruck (2020), S. 316-323.

5 Vgl. Willoh (2015), S. 104-105.

6 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 13.

7 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 322.

8 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 14.

9 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 322.

10 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 16.

11 Vgl. Willoh (2015), S. 104-105.

12 Vgl. Prochazka (2020), S.121.

13 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 365.

14 Vgl. Prochazka (2020), S.121.

15 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 225.

16 Vgl. Eisenegger/Imhof (2007), S. 3.

17 Vgl. Ebd., S. 3-4.

18 SRH Studienaufgabe (2020), S. 3.

19 Vgl. Eisenegger/Imhof(2007), S. 4-5.

20 SRH Studienaufgabe (2020), S. 3.

21 Vgl. Eisenegger/Imhof (2007), S. 5.

22 SRH Studienaufgabe (2020), S. 3.

23 Vgl. Wild (2016), S. 60.

24 Vgl. Brosius et al. (2016) S. 95.

25 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 372.

26 Vgl. Ebd., S. 372.

27 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 53-54.

28 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 229.

29 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 49.

30 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 229.

31 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 48.

32 Vgl. Mey/Mruck (2020), S. 328.

33 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 225.

34 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 372.

35 Vgl. Wild (2016), S. 61.

36 Vgl. Ebd., S. 372.

37 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 372.

38 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 983.

39 Vgl. Ebd., S. 373.

40 Vgl. Schreier(2020), S. 20.

41 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 302-303.

42 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 372.

43 Vgl. Steffen/Doppler (2019), S.33.

44 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 226.

45 Vgl. Ebd., S. 230.

46 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 365.

47 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 228.

48 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 366.

49 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 228.

50 Vgl. Ebd., S. 228.

51 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 366.

52 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 228-229.

53 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 366.

54 Vgl. Ebd., S. 367.

55 Vgl. Ebd., S. 367.

56 Vgl. Knorr/Weber (2020), S. 103

57 Bröder/Hilbig (2017), S. 634.

58 Vgl. Wittkowski (1994), S. 41.

59 Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 383.

60 Vgl. Wittkowski (1994), S. 41.

61 Vgl. Brosius et al. (2016), S.127-128.

62 Vgl. Brosius etal. (2016), S.127-128.

63 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 280.

64 Vgl. Steffen/Doppler (2019), S. 33.

65 Vgl. Wittkowski (1994), S. 41.

66 Vgl. Werth (2020), S. 40.

67 Vgl. Brosius etal. (2016), S. 92.

68 Vgl. Werth (2020), S. 40.

69 Vgl. Brosius etal. (2016), S. 93.

70 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 95.

71 Hussy etal. (2013), S. 256.

72 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 99.

73 Vgl. Stamann etal. (2016), S. 13.

74 Vgl. Renner/Jakob (2020), S. 99.

75 Vgl. Mayring (2000).

76 Vgl. Göhner/Krell (2020).

77 Vgl. Hussy etal. (2013), S. 256.

78 Vgl. Göhner/Krell (2020).

79 Vgl. Stamann et al. (2016).

80 Vgl. Kuckartz (2018), S.101.

81 Vgl. Ebd. (2018), S. 101-102.

82 Vgl. Schreier(2014).

83 Vgl. Kuckartz (2018), S. 101-102.

84 Vgl. Ebd., 102-105.

85 Vgl. Ebd., S. 106.

86 Vgl. Ebd., S. 106.

87 Vgl. Ebd., S. 110.

88 Vgl. Ebd., S. 117.

89 Vgl. Kuckartz (2018), S. 124-125.

90 Vgl. Ebd., S. 126.

91 Vgl. Ebd., S. 127.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Erstellung eines Interviewleitfadens, Möglichkeiten von Verzerrungen im Interview, Ablauf einer qualitativen Inhaltsanalyse
Hochschule
SRH Fernhochschule
Veranstaltung
Wissenschaftliches Arbeiten I
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
27
Katalognummer
V925761
ISBN (eBook)
9783346255082
ISBN (Buch)
9783346255099
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interviewleitfaden, Unternehmensreputation, Verzerrungen im Interview, inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse, evaluative qualitative Inhaltsanalyse
Arbeit zitieren
Sina Heller (Autor:in), 2020, Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Erstellung eines Interviewleitfadens, Möglichkeiten von Verzerrungen im Interview, Ablauf einer qualitativen Inhaltsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/925761

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