Kommunikation in der Großgruppe - Zur Steuerung des Unterrichts durch die Lehrperson unter besonderer Berücksichtigung des Sprecherwechsels


Seminararbeit, 2008

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schulklasse als Großgruppe

3. Steuerungsprogramme und Steuerungsmechanismen
3.1 Der Sprecherwechsel im Allgemeinen
3.2 Der Sprecherwechsel im Unterricht

4. Zusammenfassung der Unterrichtsstunde

5. Analysevorhaben
5.1 Der erste Textausschnitt
5.1.1 Paraphrase
5.1.2 Die Analyse
5.2 Der zweite Textausschnitt
5.2.1 Paraphrase
5.2.2 Die Analyse
5.3 Der dritte Textausschnitt
5.3.1 Paraphrase
5.3.2 Die Analyse

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

In der Institution Schule sollen bestimmte Sachverhalte vermittelt und so die Lernziele erreicht werden. „Gerade diese bewußte Planung und Steuerung der Lernakte stellt sich dem Lehrer als Hauptaufgabe“ (Bachmair 1977:232).

In meiner Hausarbeit zu dem Proseminar „Kommunikation in Gruppen“ soll es um das Thema der Gesprächssteuerung bzw. Gesprächslenkung im Schulunterricht gehen.

Die grundlegende Frage soll sein, wie der Lehrer, besonders durch Sprecherwechsel, die Kommunikation zwischen sich und der Gruppe steuert.

Um dieser Frage nachzugehen, verwende ich ein Transkript aus dem Grammatikunterricht einer 5. Klasse der Gesamtschule. An drei Ausschnitten dieses Transkripts werde ich mich analytisch mit der oben genannten Kernfrage auseinandersetzen. Zu Beginn werde ich allerdings erst auf die Schulklasse als Großgruppe, Steuerungsmechanismen und bestimmte Steuerungsprogramme des Lehrers, den Sprecherwechsel im Allgemeinen und auf die Besonderheit des Sprecherwechsels im Unterricht eingehen.

2. Die Schulklasse als Großgruppe

Zuerst einmal kann man bei einer Schulklasse von einer formellen Gruppe sprechen, da es sich nicht um einen spontanen, nicht geplanten Zusammenschluss von Personen handelt (vgl. Zoll/Lippert 1979: ?). Eine Schulklasse ist planmäßig geschaffen und unterliegt einem umfangreichen Regelsystem. Die formelle Gruppe definiert sich zudem durch das gemeinsame Gruppenziel und gemeinsame Normen (vgl. www.uni-saarland.de).

Außerdem besteht die Schulklasse aus vielen Teilnehmern, die [fast] alle dasselbe Ziel verfolgen, nämlich zu lernen. Da die Schulklasse aber aus so vielen Personen besteht, bilden sich schnell Untergruppen. Einzelne Schüler werden ausgegrenzt, was die Interaktion zwischen allen Schülern erschwert (vgl. www.uni-saarland.de). So könnte man die Schulklasse allgemein eher als eine Sekundärgruppe bezeichnen, innerhalb der sich Primärgruppen bilden können, da in ihr weniger enge, direkte wechselseitige Beziehungen bestehen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl, ist die Schulklasse außerdem als Großgruppe einzuordnen.

3. Steuerungsprogramme und Steuerungsmechanismen

Steuerungsmaßnahmen basieren auf der Unterrichtsplanung des Lehrers, der sich von didaktischen und pädagogischen Prinzipien leiten lässt (vgl. Bachmair 1977: 243). Sie entstehen also nicht zufällig, sondern geplant. Didaktik und Methodik enthalten Regeln, wie der Unterricht im Idealfall aufzubauen ist, und bieten dem Lehrer Leitlinien für beinahe alle pädagogischen Maßnahmen, an die er sich halten kann. Diese beziehen sich „(…) auch auf die Vorstellungen eines Lehrers, unter welchen Bedingungen er Lob oder Tadel verteilen soll, wann die Verwendung schwieriger bzw. leichter Übungsaufgaben gerechtfertigt ist u.ä.“ (vgl. Bahmair 1977 : 243).

Es gibt eine Vielzahl von Steuerungsmechanismen, die im Schulunterricht zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel Befehle, Aufforderungen, Hilfestellungen, Lehrerfragen oder das Aufrufen der einzelnen Schüler. Ich möchte mich bei meiner Arbeit vor allem auf den Sprecherwechsel im Unterricht konzentrieren.

3.1 Der Sprecherwechsel im Allgemeinen

„Sprechwechsel ist die Übersetzung des englischsprachigen „turn-taking““ (Boettcher 1997: 264). Es geht dabei um die Verteilung der Redebeiträge in einem Gespräch. „(…) die Übersetzung von „turn-taking“ als „Sprech(er)wechsel“ betont mehr die beziehungsneutrale Technik als den durchaus symbolträchtigen und konfliktanfälligen Vorgang des „Sich-das-Wort-Gebens“ bzw. „Nehmens“ (Boettcher 1997: 264).

Der Sprecherwechsel läuft nach bestimmten Regeln ab. Dabei gibt es zwei Grundverfahren: Fremdwahl und Selbstwahl.

„Fremdwahl kann direkt durch (vorgegebene oder gewählte) Diskussionsleiter erfolgen oder durch direkte Turnübernahmeaufforderung des Sprechers an eine andere Person (…); sie kann aber auch indirekt erfolgen, sei es durch entsprechende thematische Steuerungen, sei es nonverbal“ (Boettcher 1997:265).

Der Sprecher wählt also einen Teilnehmer aus, der dann redeberechtigt ist. Selbstwahl besteht, wenn vom Sprecher kein Teilnehmer ausgewählt worden ist oder wenn keine Diskussionsleitung etabliert ist (vgl. Boettcher 1997: 266). So hat der, der als erstes das Wort ergreift das Vorrecht zu sprechen.

Nach Boettcher erfolgen Sprecherwechsel in verschiedenen Varianten:

- Es entstehen Schweigephasen, die als unangenehm gelten, da sie als Zeichen mangelnden Kooperationsinteresses oder schlechter Qualität des vorherigen Beitrags gedeutet werden könnten. Doch oft bemühen sich beide Seiten um `Reparatur`. Wichtig ist, dass man zwischen Pausen und Schweigen unterscheidet. So sind Pausen immer turn-interne Phasen des Nichtredens. Das Schweigen liegt zwischen zwei turns.
- Sprecherwechsel mit sofortigem Anschluss oder nur kurzen Redeverzögerungen.
- Sprecherwechsel mit Überlappungen
- Sprecherwechsel durch Unterbrechungen. Diese könnten als aggressiv gewertet werden.

(vgl. Boettcher 1997: 266)

3.2 Der Sprecherwechsel im Unterricht

„Jedem, der die Schule in seiner Biographie hat, ist klar, dass die Verteilung der Redebeiträge („turns“) im Unterricht anders aussieht als in einem Gespräch mit Freunden“ (Mazeland 1983: 77). Bei einer Großgruppe, wie bei einer Schulklasse, ist es üblich, dass es eine Gesprächsleitung gibt, nämlich den Lehrer. Durch das Drannehmen der einzelnen Schüler verteilt er die Redebeiträge. So könnte man eher von „turn-giving“ als „turn-taking“ sprechen, denn auch in Sprechpausen dürfen die Schüler nicht selbstständig das Wort ergreifen (vgl. Boettcher 1997: 268). Die Turnübergabe wird also vom Lehrer formell durch das Melden der Schüler und das darauf folgende Drannehmen geregelt. Dies hat pädagogische, evaluative und sozialisatorische Zwecke (vgl. Boettcher 1997: 268f.).

Sollten sich einmal keine Schüler auf eine Frage oder einen Impuls des Lehrers melden, fällt der Turn automatisch wieder an den Lehrer zurück, der dann seine Ausgangsinformationen vertiefen, die Schüler auf ihre Nichtbeteiligung ansprechen oder die Schülermeldungen provozieren kann (vgl. Boettcher 1997: 269). Man sieht hierbei schon die übergeordnete Stellung des Lehrers, die aber noch deutlicher wird, wenn es um Turnunterbrechungen geht. Lehrer dürfen Schülerturns unterbrechen, denn diese gelten vorrangig als Offenlegung eines bestimmten Lernzustandes, auf den der Lehrer dann unmittelbar pädagogisch reagieren darf (vgl. Boettcher 1997: 271). Selbstwahl ist den Schülern nicht gestattet und auch der Lehrer sollte nicht unterbrochen werden. Dennoch kommt es vor, dass Schüler den Lehrer unterbrechen und dieser es zulässt, wenn sie selber gute Lösungen oder Vorschläge einbringen, da diese sowohl den Lernerfolg des Schülers als auch den Lehrerfolg des Lehrers zeigen (vgl. Boettcher 1997: 271).

4. Zusammenfassung der Unterrichtsstunde

Im Folgenden beschäftige ich mich mit dem Transkript einer Grammatikstunde eines fünften Schuljahres einer Gesamtschule. Um einen Überblick über den Gesamtverlauf der Unterrichtstunde zu geben, möchte ich den Unterrichtsverlauf in Unterrichtsphasen gliedern und beziehe mich dabei auf die Einteilung von Boettcher (1999).

„Die vom Lehrer verwendeten Satzbeispiele werden kursiv (mit fortlaufender Nummerierung) an der Stelle aufgeführt, wo sie vom Lehrer eingebracht worden sind“ (Boettcher 1999: 194). Die Zeilennummern des Transkripts der Unterrichtsstunde sind in den eckigen Klammern zu finden (vgl. Boettcher: 194).

1. Die Eröffnung [1-16]

- Erläuterung zur Aufnahmesituation
- Begrüßung

2. Besprechung der Hausaufgaben [17-150]

- Vorübung: Wortartbestimmung am Beispielsatz aus der letzten Stunde [17-65]

(1) Wegen seines Geburtstages kaufte gestern mein Großvater mit seinem letzten Geld in der Stadt meinem kleinen Bruder fürsorglich einen neuen Lederball

- Satzgliedbestimmung anhand desselben Beispielsatzes [65-150]

3. Einführung des heutigen Themas: Präpositionales Objekt [150-313]

- Vorbereitung der ‚Regelhefte’ [157-179]
- Begriffliche/terminologische Verknüpfung mit bereits bekannten Objekt-Arten [179-195]
- Aufschreiben/Abschreiben von drei Beispielsätzen [196-226]
(2) Martina verliebt sich in der Disco
(3) Martina verliebt sich in den Ferien
(4) Martina verliebt sich in Peter
- Satzgliedbestimmung zu diesen Beispielsätzen [227-313]

4. Merkmale von Präpositionalobjekten in Abgrenzung von präpositionalen Adverbialen [314-464]

- Schülerinnen/Schüler vermuten Merkmale [314-333]
- Spezifische Fragewörter als erste Möglichkeit der Bestimmung von Präpositionalobjekten [334-345]
- Probleme der Verwechslung von Präpositionalobjekten und präpositionalen Adverbialen [345-373]
- Spezifische Ersatzwörter als Möglichkeit der Bestimmung von Präpositionalobjekten [374-464]

5. Übungsphase zu vier neuen Beispielsätzen (Partnerarbeit) [465-503]

- Arbeitsauftrag und Aufschreiben/Abschreiben von vier neuen Beispielsätzen [465-498]:

(5) Martina wartete auf dem Bahnsteig

(6) Martina wartete auf den Jungen

(7) Martina träumt von Zeit zu Zeit

(8) Martina träumt von Peter

- Partnerarbeit: Bestimmung des je letzten Satzglieds; Frage- und Ersatzprobe dazu [499-503]

6. Überprüfung der Ergebnisse [503-703]

- Besprechung der vier Übungssätze
- Dabei: Schüler-Rückfrage (zur Verwechselbarkeit von Präpositionalobjekt und präpositionalen Adverbialen) [614-703]:
- Zur Erfragbarkeit von Präpositionalobjekten
- Zur Nutzung des ‚logischen Verstandes’
- Zur Assoziationsprobe

7. Diktieren eines Merktextes zum Präpositionalobjekt [704-794]

8. Beendigung der Stunde [794-798]

(vgl. Boettcher 1999: 195 ff)

5. Analysevorhaben

Im Folgenden möchte ich einige Sequenzen des Transkripts der Grammatikstunde unter dem Gesichtspunkt der Steuerungsmechanismen, besonders des Sprecherwechsels, analysieren um kenntlich zu machen, inwieweit die Lehrperson den Unterricht lenkt. Hierzu habe ich drei Gesprächsabschnitte ausgewählt. Das Transkript ist im Anhang dieser Arbeit aufzufinden.

5.1 Der erste Textausschnitt

5.1.1 Paraphrase

Als erstes möchte ich die fokale Einheit von Zeile 30 bis 41 näher beleuchten. In dieser fokalen Einheit sagt der Lehrer, dass er anhand des Beispielsatzes von der letzten Woche noch einige Wortarten besprechen möchte. Er erteilt einem Schüler der Klasse das Wort, der damit beginnt die Wortarten zu definieren, dabei jedoch einen Fehler macht. Er wird vom Lehrer unterbrochen. Eine SchülerIn ruft die richtige Antwort in die Klasse, woraufhin der Lehrer Marc das Wort erteilt, der dann seine Antwort gibt. Der Lehrer wiederholt die Antwort und erteilt einem anderen Schüler das Wort.

5.1.2 Die Analyse

In der Äußerung des Lehrers von 30 bis 32 wird deutlich, dass er sehr planungsorientiert und auf sich bezogen ist. Dies verdeutlicht er zum einen durch den Gebrauch von Gliederungssignalen wie in 30 durch „erst“ und in 31 durch „eben“, zum anderen zeigt sich die ´Auf sich Bezogenheit´ durch das Wort „ich“ in 30. In 32 gibt der Lehrer zuerst eine indirekte Aufforderung in Form einer Frage, nimmt dann aber einen SchülerIn (das Geschlecht ist unklar) direkt dran, der/die die Wortarten vorstellen soll. Der Sprechwechsel findet also durch das Drannehmen des Schülers/der Schülerin durch den Lehrer statt. In 35 und 36 stellt der/die SchülerIn die Wortarten vor. Dabei wirkt er/sie unsicher, was durch den mehrfachen Gebrauch von „eh“ deutlich wird. Er/Sie wird dann in 36 vom Lehrer während des Sprechaktes unterbrochen. Der Lehrer will damit offensichtlich deutlich machen, dass das Wort „seines“ falsch klassifiziert wurde. Ein anderer SchülerIn gibt daraufhin, ohne dass er/sie vom Lehrer das Rederecht erhalten hat, die richtige Korrektur. Dies ist eine Form von Selbstwahl und normalerweise im Schulunterricht nicht erwünscht. In 38 erteilt der Lehrer Marc das Wort. Es stellt sich die Frage, ob Marc derjenige war, der die richtige Lösung in die Klasse gerufen hat, denn dann könnte die Aussage des Lehrers in 38 als eine milde Form der Sanktion gesehen werden. Dies bleibt allerdings eine Vermutung, da aus dem Transkript die Intonation leider nicht hervorgeht. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Marc von Anfang an das Wort hatte, er also der Schüler ist, der den Fehler gemacht hat, der Reinruf vom Lehrer ignoriert wird und Marc noch einmal das Wort bekommt um sich selbst zu korrigieren. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass der Reinruf von irgendeinem SchülerIn kam und dass Marc sich gemeldet hat, vom Lehrer drangenommen wurde und dann die richtige Antwort gegeben hat. In 40 wiederholt der Lehrer die richtige Antwort noch einmal, was als positive Hörrückmeldung gesehen werden kann. Danach fordert er in 42 Tom auf weiterzumachen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Kommunikation in der Großgruppe - Zur Steuerung des Unterrichts durch die Lehrperson unter besonderer Berücksichtigung des Sprecherwechsels
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Kommunikation in Gruppen
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
29
Katalognummer
V92631
ISBN (eBook)
9783638062190
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Großgruppe, Steuerung, Unterrichts, Lehrperson, Berücksichtigung, Sprecherwechsels, Kommunikation, Gruppen
Arbeit zitieren
Anne Nickel (Autor:in), 2008, Kommunikation in der Großgruppe - Zur Steuerung des Unterrichts durch die Lehrperson unter besonderer Berücksichtigung des Sprecherwechsels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92631

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