Zur psychoanalytischen Theorie des Neides

Destruktive Neiddynamik und konstruktive Bewältigung


Diplomarbeit, 2006

115 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. EINLEITUNG

2. ZUR PHÄNOMENOLOGIE DES NEIDES

3. DEFINITION DES BEGRIFFES „NEID“ – Überschneidungen, Abgrenzung, Polarisation –

4. ZUR PSYCHOANALYTISCHEN THEORIE DES NEIDES VON SIGMUND FREUD UND MELANIE KLEIN
4.1. Die Bedeutung des Neides in der klassischen psychoanalytischen Tradition von Sigmund Freud
4.2. Die Bedeutung des Neides in der Theorie von Melanie Klein
4.3. Kritische Betrachtung der den Theorien inhärenten Destruktivität unter Berücksichtigung spezifischer Abwehrformationen

5. PSYCHOANALYTISCHE GRUNDANNAHMEN UND BESTIMMUNGSMERKMALE DES NEIDES
5.1. Subjekt, Objekt, Gegenstand und Ziel des Neides
5.2. Der Neid im Kontext der Triebe
5.3. Der Neid im Kontext der Emotionen und Affekte
5.4. Zum topischen Aspekt des Neides
5.5. Zum strukturellen Aspekt des Neides
5.6. Zur Genetik und Wirksamkeit des Neides in verschiedenen Entwicklungsphasen

6. ZUR DESTRUKTIVEN PSYCHODYNAMIK DES NEIDES
6.1. Destruktive Dynamik der Neidabwehr
6.2. Die Abwehr des Neides in der kleinianischen Tradition
6.3. Selbstschädigende Neiddynamik depressiver Persönlichkeiten
6.4. Fremdschädigende Neiddynamik
6.5. Fallbeispiel zum feindseligen Neid
6.6. Psychodynamische Merkmale und interpersonelle Beziehungsmuster
6.7. Destruktive Neiddynamik innerhalb einer psychoanalytischen Behandlung

7. ZUR KONSTRUKTIVEN NEIDBEWÄLTIGUNG
7.1. Zur optimalen Affektregulierung im Kontext der horizontalen und vertikalen Neidebenen
7.2. Neidbewältigung innerhalb einer psychoanalytischen Behandlung oder als therapeutisches Ziel
7.3. Reife Abwehr des Neides
7.4. Der Neid als nützlicher Entwicklungsfaktor
7.5. Zur unbewussten oder bewussten Situationsdeutung des Neides
7.6. Konstruktive Neidbewältigung im Rahmen individueller Entwicklungsmöglichkeiten und ausgewählter externer Modalitäten

8. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

LITERATUR

1. Einleitung

„Die gelbe Gefahr: Neid“ lautet der Titel eines Radiovortrages des Redakteurs Alfred Paffenholz (2002), der anlässlich seines Todes 2004 in der Reihe „Religion und Gesellschaft“ des Senders Nordwestradio nochmals ausgestrahlt wurde. Dieser Vortrag, der verschiedene Perspektiven des Neidphänomens beleuchtete und sich inhaltlich aus einem Konglomerat sehr unterschiedlicher theoretischer Ausrichtun-gen zusammensetzte, faszinierte aufgrund der vielseitig besprochenen Erscheinungs-formen des Neides und Umgangsweisen damit; er inspirierte mich zu einer thema-tisch vertiefenden Auseinandersetzung, in deren Folge ich auch meinen eigenen Neid nicht ausschloss, den ich bis dahin kaum kannte. So eröffneten sich eine Reihe von Fragen, die ich zunächst mir selbst stellte: Warum interessiert mich der Neid so sehr, obwohl ich nur sehr selten ein derartiges Gefühl wahrgenommen habe? Bin ich dennoch kompetent genug, mich dieses Themas anzunehmen, oder ist es sogar eine besonders gute Voraussetzung? Sind möglicherweise doch einige meiner Hand-lungen neidmotiviert, und ist nur meine Wahrnehmung nicht genügend geschärft?

Obwohl ich immer davon ausging, genau zu wissen, was unter „Neid“ zu verstehen ist, war ich mir dem plötzlich nicht mehr so sicher. In dem Vortrag hieß es unter anderem, dass jeder Mensch in gewisser Weise neidisch sei, sich aber kaum jemand dies eingestehe, sondern häufig nur der Neid der anderen wahrgenommen werde. Auf den ersten Blick schien der eigene Neid für ein Individuum (oder ein Kollektiv) also gar kein Problem darzustellen, doch warum sollte ich dann darüber eine Arbeit abfassen, wenn sich das allgemeine Interesse nur auf den Neid der anderen richtet, um ihn dort bekämpfen zu wollen, und mir daraus auch in beruflicher Hinsicht keinerlei Vorteile entstehen? Obwohl mir ein Bedienen eher gesellschaftlicher Interessen fern lag, erkannte ich schnell eine erste Abwehrhaltung, die mich von einer Auseinandersetzung mit dem individuellen oder gar meinem eigenen Neid abhielt. Dass dies jedoch nicht nur ein mir eigenes Phänomen ist, erkannte ich, als ich in „Neid und Eifersucht“ von Verena Kast (2003) las, dass auch innerhalb einer Therapie der Umgang mit dem Neid ein sehr schwieriges Problem darstellt, da er von Therapeuten ebenfalls gerne verdrängt wird (S. 121). Meine ambivalent abwehrende, aber auch interessiert forschende Haltung gegenüber diesem Thema zeigte sich ebenso bei der Betrachtung einer spezifischen Neidproblematik: dem lustvollen Schüren von Neid. Bereits im Grundstudium beschäftigte mich z.B. die Frage, ob das übliche Schreiben von Ansichtskarten nur mit positiven Absichten des Gedenkens oder auch mit der bewussten oder unbewussten Absicht, Neid erregen zu wollen, verbunden sein kann. Die traurige Folge war, dass ich, bis dahin eifrige Kartenschreiberin und erfreute Empfängerin von Urlaubsgrüßen, mich fortan mit dem Schreiben zurückhielt und erhaltene Grüße auf diese Eigenschaft hin unter-suchte. Mein besonderes Interesse gilt nun jedoch der zerstörerischen Kraft des Neides, die zwar auf Güter oder Attribute einer Person bzw. auf die beneidete Person selbst gerichtet ist und häufig ihr Ziel auch erreicht, wie es viele historische Beispiele belegen, doch in letzter Instanz nicht selten den Neider selbst zerstört. Von dieser Perspektive aus soll ein Blick auf das positive Potential des Neides gerichtet werden, welches der Neid tatsächlich in sich zu bergen scheint, sowie auf die Möglichkeiten einer konstruktiven Neidbewältigung, deren Ausschöpfung nach meinem Ermessen noch lange nicht erreicht ist.

Um vom Verständnis einer destruktiven Neiddynamik zu einer konstruktiven Neid-bewältigung vorzudringen, welches sowohl die intrapsychische als auch die interpersonelle Ebene einschließen soll, sehe ich die Psychoanalyse – unabhängig von schulenbedingten Modifikationen oder Erweiterungen – als sehr geeignetes theoretisches und methodisches Instrumentarium an, da sie der unbewussten Dynamik einen wesentlichen Platz einräumt. Das Erhellen unbewusster Prozesse wird als maßgeblicher Faktor für subjektive Veränderungsprozesse angesehen, welches dann seine entsprechende Wirksamkeit auch auf interpersoneller Ebene entfalten kann. Alfred Lorenzer (1974) unterscheidet drei Analyseebenen der psychoanalytischen Erkenntnis: 1. die subjektive Struktur, 2. die Sozialisation und 3. die objektiven, politisch-ökonomischen Bedingungen. Während sich die psycho-analytische Methode zum Verständnis der ersten beiden Ebenen als adäquates Instrument erweise, entziehe sich die dritte Ebene einem stringenten psycho-logischen Zugriff. Die gesellschaftliche Ebene könne nur in Verbindung mit der ersten psychologischen Ebene zu „abstrakten Vermutungen“ führen, die zweite Ebene der Sozialisation habe keine eigene Analysemethode, sie könne jedoch mit den Begriffen der ersten und dritten Ebene beschrieben werden (S. 218). Ausgehend davon, dass die Ebenen der Sozialisation und Gesellschaft sich für ein Individuum in der Regel als vorgegeben und nur schwer veränderbar darstellen, werden sich meine Ausführungen besonders auf die subjektiven Strukturen des Individuums richten, obwohl nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass deren Ausbildung, Entwicklung und Veränderung auch durch die individuelle Sozialisation, den gegebenen gesell-schaftlichen Bedingungen oder durch therapeutische Prozesse geprägt werden.

Mit meiner theoretischen Arbeit zum Neid verfolge ich nicht die Absicht, neue Daten zu präsentieren. Meine Intension zielt auf eine Sensibilisierung, die bisher in der psychoanalytischen Forschung gewonnenen Erkenntnisse des destruktiven Neides auf mögliche ergänzende, theoretische und empirische Forschungsgebiete auszudehnen, um sie verstärkt für den Bereich der persönlichen Entwicklung nutzbar zu machen. Damit verbunden sehe ich das wünschenswerte Ziel einer Transforma-tion der Erkenntnisse in praktische Anwendungsfelder innerhalb und außerhalb der Psychoanalyse.

Entsprechend der Aufgabenstellung werde ich nach der Vorstellung einiger ausgewählter phänomenologischer Beispiele und Merkmale (Kap. 2) den Neid definieren und das zu bearbeitende Thema abgrenzen (Kap. 3). Im weiteren Verlauf soll über eine kurze Darstellung der Theorien zum Neid von Sigmund Freud und Melanie Klein (Kap. 4) sowie für das Thema relevante, psychoanalytische Grund-annahmen (Kap. 5) eine Annäherung an die Schwerpunkte ‚destruktive Dynamik’ (Kap. 6) und ‚konstruktive Bewältigung’ (Kap. 7) erfolgen. Abschließend werde ich im Rahmen einer Zusammenfassung eine persönliche Einschätzung vornehmen und zu den mir wichtig erscheinenden Fragen Stellung beziehen (Kap. 8).

2. Zur Phänomenologie des Neides

Die Betrachtung des Neidphänomens in all seinen Dimensionen führt zu einem sehr komplexen Thema, welches den Menschen schon seit Anbeginn aller geschichtlicher Epochen und in allen Kulturen beschäftigt hat, wie es Schoeck (1966) und de la Mora (1987) in ihren großen Monographien zum Neid nachweisen. Diese beiden häufig rezipierten Werke bieten innerhalb des psychologisch-psychoanalytisch abgesteckten Rahmens dieser Arbeit jedoch keinen ausreichenden Erkenntnisgehalt, da sie das psychische Phänomen des Neides nicht ausreichend erhellen. Während Schoeck den Neid vorwiegend aus soziologischer, ethnologischer und mytho-logischer Sicht behandelt, bewegt sich de la Mora zwischen Soziologie und philosophischer Staatstheorie. Als besonders kritisch anzusehen ist deren gesell-schaftstheoretischer und politischer Ansatz, in dessen Rahmen sie die Unmöglichkeit einer egalitären Gesellschaft aufzuzeigen versuchen. Gegenüber ihren Gegnern, den Sozialisten, nehmen beide eine polemisierende Haltung ein, indem sie deren Position durch Zuschreibung von Neid als unberechtigt ausweisen und diskreditieren (vgl. Vogel, 1992). Ungeachtet dieser Kritik besticht jedoch Schoecks (1966) Werk durch eine Fülle historischen Materials, welches die Wirksamkeit und Missbilligung des Neides in allen Kulturen und Epochen aufzeigen soll; de la Mora (1987) gibt einen umfassenden Überblick über das Spektrum der Philosophen, die sich, beginnend mit den Vorsokratikern bis hin zu den Zeitgenossen, mit dem Thema Neid beschäftigt haben. Einige ausgewählte phänomenologische Aspekte sollen nun in aller Kürze betrachtet werden.

Bevor in unserem Kulturkreis mit Beginn des Christentums der Neid geächtet wurde, wachte in der griechischen Religion der Neid der Götter „darüber, daß der Mensch sich nichts Göttliches anmaße“ (Brockhaus, 1955, S. 316). Der griechische Histo-riker und „Vater der Geschichtswissenschaft“ Herodot (484-425 v. Chr.) geht davon aus, dass der Neid sich im Menschen von Anbeginn an offenbart. Mit dem Neid der Götter sowie der Hybris des menschlichen Handelns, aus Übermut, Stolz oder Selbstüberhebung, begründet er sogar eine geschichtliche Kausalität, indem er annimmt, dass der göttliche Neid der Wiederherstellung gebotener Rangunterschiede diene. De la Mora (1987) schreibt dazu, „der Mensch muß seine eigene Gering-fügigkeit anerkennen, so wie die Götter ihren Vorrang durchsetzen müssen“ (S. 17). Die Griechen, je archaischer und gläubiger sie waren, fürchteten deshalb weniger den Neid unter ihresgleichen, auch nicht den Neid unter den Gottheiten selbst, sondern vor allem die auf sie gerichtete göttliche Missgunst und Rache, die ein sofortiges Unglück mit sich brachte; bei Herodot heißt es z.B.: „Die Rache des Himmels fiel auf Krösus als Strafe für seine Hybris, sich für den glücklichsten der Sterblichen zu halten“ (zitiert nach de la Mora, 1987, S. 17). Nicht nur die Griechen, sondern auch die Römer, waren im Falle ihres Emporkommens darauf bedacht, den Neid der Götter nicht zu reizen und versuchten, deren Zorn durch Sühnewerke, wie z.B. Opfergaben, Gebete, Askese, Wallfahrten oder Akte der Selbsterniedrigung, zu beschwichtigen. De la Mora (1987) folgert trefflich: „Der Neid ist demnach keine Schwäche der Unsterblichen. Er ist ihre Kraft und Überlegenheit in Aktion“ (S. 17).

Sokrates (469-399 v. Chr.) beschreibt den Neid als „ein schmerzhaftes Gefühl (lype), das weder durch das Unglück der Freunde, noch durch das Wohl der Feinde her-vorgerufen wird, sondern durch das Glück der Freunde….[und erklärt,] der Neid ist kein Laster des weisen Mannes (phrónimos), sondern des dummen“ (Xenophon, zit. nach de la Mora, 1987, S. 18). Dass diesen Aussagen eine heftige Kritik folgte, ist verständlich, denn zum ersten Mal hieß es, dass nicht die Feinde, sondern Freunde beneidet werden, und keinesfalls durften die neidenden Tugendwächter und Götter der Dummheit bezichtigt werden.

Platon (427-347 v. Chr.) ordnet die Leidenschaften und deshalb auch den Neid nicht mehr den Göttern, sondern ausschließlich den Menschen zu, welches mit einem theoretischen Ende der neidischen und rachsüchtigen Verfolgung durch die Nemesis verknüpft ist. Er betrachtet den allgemein verbreiteten und nicht absonderlichen Neid als eine Mischform aus Freude und Schmerz, betont jedoch – im Gegensatz zu Sokrates –, dass der „Neid (phthónos) das Vergnügen (hedóne) an fremdem Unglück [ist]“ (zit. nach de la Mora, 1987, S. 19). Diese Auslegung entspricht eher der heutigen Schadenfreude, weil Rache- und Vergeltungswünsche gegenüber einer beneideten Person manchmal sogar ohne eigene Aktivität befriedigt werden und diese dann nicht weiter beneidet werden muss. Aufgrund einer neuen Definition von Freundschaft, die später ebenfalls Aristoteles übernimmt, liegt die Gewichtung des Neides nun auch nicht mehr auf den Freunden, denn gemäß Platon „entsteht zwischen Ähnlichem (homoiótes) notwendigerweise Neid, Zwietracht und Feind-seligkeit, während Freundschaft unter eher Verschiedenen aufkommt“ (zit. nach de la Mora, 1987, S. 20). Dieser Auffassung widerspricht nicht nur de la Mora, sondern auch Platon selbst, wenn er andererseits behauptet, dass üblicherweise der Durch-schnittsmensch bzw. das gemeine Volk eine Minderheit der Weisen und Besten beneide; Weise dagegen seien mit Wesentlicherem als dem Neid beschäftigt, der nicht nur antisozial, sondern auch erkenntnishemmend sei (S. 20f). Wie bereits seine Vorgänger, so rät auch Platon aus einer eher elitär geprägten Perspektive und seinem Wissen, dass „etwas erfolgreich Vollbrachtes (eupratto) erst Rivalität, dann Neid zu erregen pflegt“ (zit. nach de la Mora, 1987, S. 20), den destruktiven Attacken nei-discher Personen, die allgegenwärtig aber oft unsichtbar sind, auszuweichen (S.22). De la Mora (1987) zufolge, ist Platon jedoch der erste, „der den Bereich der Ethik verlässt und den Neid aus epistomologischer [sic] Sicht betrachtet. Wenn die Betrachtung auch nur oberflächlich ist, macht sie doch das verdüsternde und schädliche Wesen des Neidgefühls deutlich“ (S.21).

Aristoteles (384-322), der drei mögliche Eigenheiten der Seele unterscheidet, Fähig-keiten, Gewohnheiten und Leidenschaften, betrachtet den Neid „als eine Krankheit der Seele (pathos), die deswegen nur im Körper verspürt wird und zum Ausdruck kommt“ (zit. nach de la Mora, 1987, S. 22). Auch für ihn ist „der Neid der Kummer über fremdes Wohl“ und „die Freude an fremdem Missgeschick“, denn beide Empfindungen stehen in Beziehung zueinander und entspringen derselben geistigen Haltung (S. 22). Platon unterscheidet jedoch erstmalig zwischen dem Neid und dem Unwillen, womit ein neidisches Begehren gegenüber jenen gemeint ist, die ein verdientes Gut besitzen und jenen, die dieses nicht verdient haben (S. 23). Dieses Unterscheidungsmerkmal – im Sinne eines gerechtfertigten und ungerechtfertigten Neides – wird von vielen Autoren auch heute noch häufig hervorgehoben. So gut wie alles, was Glück verspricht, kann Aristoteles zufolge den Neid auf den Plan rufen, unabhängig davon, ob sich jemand rechtmäßig etwas erworben oder nur durch Zufall Glück gehabt hat. Anfällig für diese Empfindung sind seiner Ansicht nach vor allem aber diejenigen, die den Ruhm lieben, welches nach de la Mora „tatsächlich fast die ganze Menschheit einschließt“ (S. 23). Obwohl auch Schoeck (1966) von einer Universalität des Neidphänomens ausgeht, sehe ich entsprechende Hypothesen noch nicht als ausreichend bewiesen an, denn es scheint in mehreren Ländern – unab-hängig von Reichtum oder Armut – erhebliche Unterschiede des Neidaufkommens zu geben. Die Philosophin und Politikwissenschaftlerin Antje Schrupp (2006) behauptet z.B., dass die Menschen in Russland noch viel neidischer seien als in Deutschland, dagegen existiere jedoch kaum Neid in Brasilien, dort gebe es nicht einmal ein Wort dafür, so wie es auch in der portugiesischen Sprache kein Wort für den Neid gebe (S. 3). Die maßgeblichen griechischen Denker sahen sich vermutlich jedoch sehr häufig neidischen Angriffen ausgesetzt, und übereinstimmend hielten sie es für angeraten, den Neid aus moralischen Gründen zu bekämpfen.

Auch in der Genesis der christlichen Religion offenbart sich der Neid von Anbeginn an, er wird dem Menschen durch den Teufel, symbolisiert durch die Schlange, ein-gegeben. Im Paradies verführt die Schlange Eva, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, die sie ebenfalls ihrem Gefährten Adam reicht (Genesis 3, 1-6). Trotz Gottes ausdrücklichem Verbot und seiner Warnung, dass sie in diesem Falle sterben würden (Genesis 2, 17), bezweifelten sie letzteres aufgrund der Einflüsterung der Schlange, sondern glaubten eher, dass Gott ihnen das Beste vorenthalten wollte. Im alttestamentarischen Buch der Weisheit Salomons (1999, Vers 2,24f) heißt es: „Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, Und den erleiden die, welche zu ihm gehören“ (S. 45) sowie „Der ‚Neid des Teufels’ dürfte der Neid auf den mit ewigem Leben bedachten Menschen sein….und der Mensch in seiner Dummheit macht sich sogar zum Agenten seines eigenen Todes…ein Akt nicht zu überbietender Blindheit und Torheit“ (S. 48). Diese Sünde, auch als Erbsünde bezeichnet (in Genesis 3 kommt das Wort „Sünde“ allerdings nicht vor), führt zur Vertreibung aus dem Paradies (Genesis 3, 22-24). Ihr neidisches Begehren, neue Erkenntnisse erlangen und sein zu wollen wie Gott, führte zu härtesten Bestrafungen mit fortwährenden Auswirkungen für die gesamte Mensch-heit: Verlust der Unschuld, Angst, Scham, Mühsal, Schmerzen, Sterblichkeit und Feindschaft (Genesis 3, 7-19), auch der neidbedingte Brudermord ihres Nach-kommen Kain ist eine Folge davon (Genesis 4). Im Unterschied zu den antiken Göttern, die menschliche Züge aufweisen und deshalb fehlbar sind, steht der christliche Gott für das absolut Gute, dementsprechend urteilt er gerecht und ohne Neidmotive, weniger gefürchtet wird er jedoch nicht. Seit dem 6. Jahrhundert zählt der Neid gemäß Papst Gregor I zu den sieben Todsünden, welche, sofern sie nicht aufrichtig bereut und gesühnt werden, und wenn nicht an eine Vergebung aus Gnade durch den Tod Jesu geglaubt wird, zur Verdammnis eines elenden Todes in der Hölle führen. In einem Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom stellt Michelangelo gleichzeitig die Ursache und die Wirkung in einem Bild dar (Abb. 1): Die Schlange reicht Eva die verbotene Frucht – auf der anderen Seite des Blickfeldes werden Adam und Eva von einem Engel mit gezücktem Schwert vertrieben, sie entfernen sich schmerzerfüllt, gebeugt und sichtbar gealtert aus dem irdischen Paradies.

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Das teuflische Treiben des Neides wurde über Jahrhunderte hinweg immer wieder gerne von Künstlern aufgegriffen, symbolisiert und sinn-bildlich dargestellt. Ein Fresko des italienischen Malers und Baumeisters Giotto (Abb. 2) mit dem Namen „Invidia“ (der lateinische Ausdruck für den Neid in Einheit mit dem neidischen, schielenden Blick und vergleichbar der Scheel-sucht im Mittelalter) zeigt eine alte, verhärmt aussehende Frau, die in einem Türrahmen von Feuerzungen umzingelt steht, welches vermut-lich auf die zerstörerische Kraft des Neides hinweisen soll. Aus ihrem Mund tritt anstelle der Zunge eine Schlange, die sich mit ihrem Gift gegen ihre eigenen Augen richtet; durch ihre vortastende Hand wird deutlich, dass ihr Sehvermögen bereits eingeschränkt ist. Diese Darstellung erinnert an verschiedene Redewendungen, z.B. „mit Blindheit geschla-gen sein“ oder „mit Schlangenzungen sprechen“, beide haben einen biblischen Ursprung. Im Brief des Jakobus (3, 6) heißt es beispielsweise: „Und die Zunge ist auch ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unseren Gliedern: sie befleckt den ganzen Leib, sie setzt des Lebens Kreis in Flammen und ist selbst von der Hölle entzündet“.

Auffallend ist, dass zur Personifikation des Neides vorzugsweise ältere Frauen und nur sehr selten Männer herangezogen wurden, so auch bei der Invidia-Darstellung des Nürnberger Malers Georg Pencz, mit der er die ärgsten destruktiven Aus-wirkungen des Neides und auch die Selbstzerfleischung versinnbildlicht (Abb. 3). Diese Frau wird zudem als ein Mischwesen dargestellt, da sie mit tierischen Merkmalen ausgestattet ist: Ihre Flügel erinnern an nachtaktive Fledermäuse, die damals als blind galten, dem entsprechend scheinen ebenso Invidias Augen blind zu sein, welches im übertragenen Sinne auch als eine Seelenblindheit oder als Hinweis auf das Unbewusste verstanden werden könnte; ihre Hörner lassen an eine Verbindung mit dem Teufel (dem „Gehörnten“) denken. Weitere Tiere, die nichts Gutes verheißen, umgeben sie oder machen sich an ihrem Körper zu schaffen (Schlange, Laus oder Spinne und Skorpion). Interessant ist besonders die Darstellung ihrer Brüste: Während ein Parasit die rechte Brust bereits entleert zu haben scheint, tropft aus der linken Milch heraus; es scheint, als ob sie die Milch als etwas Gutes nicht zurückhalten kann. Die Destruktion, die Invidia aktiv vollzieht, zeigt sich auf zweierlei Weise: Einerseits zerfleischt sie sich selbst, indem sie so stark in ihre linke Hand beißt, dass ihr Blut herabtropft, andererseits tritt sie mit ihrem rechten Fuß auf zwei sich reichende Hände, die symbolisch für ein friedliches Miteinander der Menschen stehen.

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Als letztes Beispiel für den destruktiven Neid soll eine surrealistische Darstellung neuerer Zeit des spanischen Malers Salvador Dali herangezogen werden, die er, wie für den Neid üblich, in einem gelben Farbton gestaltet (Abb. 4). Gemäß der antiken Temperamentenlehre weisen die Farben gelb oder grün auf ein Gallenleiden hin, und die Galle galt damals auch als der organische Sitz des Neides. Der Psychologe und Gruppenanaly-tiker Rolf Haubl, der sich um-fassend mit dem Neid ausein-andersetzte, führt dazu aus: „Neidische Menschen leiden demnach an einer Vergiftung und sind deshalb…eher metaphorisch als medizinisch, auch für ihre Mitmenschen giftig“ (2002a, S. 61). Dominierend in Dalis Dar-stellung ist vor allem jedoch der riesige Kopf mit den unter-schiedlich großen Augenhöhlen und dem typisch zur Seite schie-lenden Blick[1]. Im Kontrast dazu wirkt der Körper verkümmert, durchlöchert oder zerfressen. Die nach außen gerichtete Destruktivität zeigt sich sehr deutlich durch die roten, gefährlich anmutenden Reptilienköpfe, die besonders als Fortsätze der Arme und eines Auges, bezahnt und mit langer Zunge, vermutlich auch Gift speien. Der schwarze Vogel im Hintergrund, der mich an einen aasfressenden Geier erinnert, symbolisiert jedoch ein bereits nahendes Ende. Eine dem völlig entgegengesetzte Deutung könnte aber auch heißen, dass es sich um die Darstellung der Abwehr von einer neidischen Person (symbolisiert durch den Vogel) handelt, denn auch die Symbole der Abwehr sind Symbole des Körpers, der Augen und Hände (Kast, 2003). Besondere Beachtung verdienen nochmals die neidischen Augen, denn in vielen Werken wird der Neid – häufig in Verbindung mit Hexen, Zauberern etc. – im Zusammenhang mit dem „bösen Blick“ behandelt (Beland, 1999; Cohen, 1988; Freud, 1919; Haubl, 2002a; Kast, 2003; Krüger, 1989; Schoeck, 1966; Segal, 1974). Bereits 1612 bemerkt Bacon, dass „das Auge in dem Akt des Neides etwas heraussendet oder ausstrahlen lässt…[und dass] der Zeitpunkt, in dem der Stich oder Stoß eines neidischen Auges am heftigsten verletzt, derjenige ist, wo der Beneidete in Glanz und Größe erblickt wird“ (1979, S. 31). Auch Freud führt aus, dass dieser sehr gefürchtete Blick einer Person auf seine geheime Absicht schließen lässt, „daß sein Neid eine besondere Stärke erreichen und dann auch diese Stärke in Wirkung umsetzen wird“ (1919, S. 253). Psychoanalytisch gesehen, besitzt das Auge phallische Eigenschaften des Strahlens, Eindringens und Durchdringens, das Auge kann jedoch sowohl eine männliche als auch eine weibliche Genitalbedeutung haben (Abraham, 1999a, Vogt, 1990). Wichtig ist hier, dass das Auge in der Lage ist, seelische Zustände zu übermitteln: extrem – im positiven Sinn – besonders bei der Entstehung von Liebe aber auch – im negativen – bei der Entstehung von neidbe-dingtem Hass. Dazu bemerkt Bacon: „Es ist bekannt, daß unter den Leidenschaften keine dermaßen fesselt oder bezaubert wie Liebe und Neid….ebenso hat man beobachtet, dass Liebe und Neid am Menschen zehren, was andere Leidenschaften nicht tun, weil sie nicht so anhaltend sind“ (1979, S. 31ff). Der Neid ist seiner Ansicht nach jedoch der „heftigste und anhaltendste…verwerflichste und niedrigste Affekt, weshalb er auch als persönliche Eigenschaft des Teufels gilt, welcher ‚der Neidhardt, der zur Nachtzeit Unkraut unter den Weizen sät’ genannt wird“ (S. 37).

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Vieles spricht dafür, dass der destruktive Neid in das Umfeld des „Maßlosen (ápeiros), des Sinnlosen (anóetos) und des Irrationalen (álogos) gehört“, wie es der Pythagoreer Philolaos (5. Jhd. v. Chr.; zit. nach de la Mora, 1987, S. 14) in seinen Ausführungen zum „Lob der Zahl“ erklärt. Die große Angst vor neidischen An-griffen veranlasste viele Philosophen und antike Zeitgenossen besonders den Mächtigen und Reichen zu empfehlen, sich abzuschotten; so rät Pindar (522-470 v. Chr.) z.B., „den Schlägen des Neides lässt sich wehren, lebt man zurückgezogen, fern von verderblicher Hoffahrt“, und Hispasos (5. Jhd. v. Chr.) geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er empfiehlt: „Nichts tun, um das mich irgendwer benei-den könnte“ (zit. nach de la Mora, 1987, S. 12). Obwohl ich den alten Philosophen allen Respekt erweise, kann diese Art der Neidabwehr heute nicht mehr als empfehlenswert gelten und vermutlich auch nur noch sehr eingeschränkt gelingen, da wir über vielfältige Möglichkeiten verfügen, Informationen auch über eine große Distanz hinweg auszutauschen. Zur angestrebten Richtung dieser Arbeit, nämlich wie die neidenden Personen selbst ihren Neid zügeln und gar für sich nutzen könnten, verlieren die Weisen der Antike so gut wie kein Wort. Doch ich denke, dass die vorgestellten philosophischen und kunsthistorischen Darstellungen des Neides bereits die verschiedenen Richtungen der Destruktivität erkennen lassen, nämlich vertikal: Autoritäten bestrafen Untergebene, die Aufsteigen wollen – Unterlegene beneiden Überlegene um ihre Privilegien, und horizontal: die Destruktivität richtet sich entweder nach außen gegen eine beneidete Person, die meist aus dem sozialen Umfeld kommt – oder nach innen gegen die neidende Person selbst.

3. Definition des Begriffes „Neid“ – Überschneidungen, Abgrenzung, Polarisation –

In der Alltagssprache ist das Wort „Neid“ dauernd präsent, und jeder weiß spontan, was damit gemeint ist, sei es die Erinnerung an eine bestimmte Situation, in der man selber neidisch war, sei es, dass man mit dem Neid der anderen konfrontiert war. Fühlt dabei aber jeder Mensch das gleiche? Der Neid ist ebenfalls kein philoso-phischer Begriff, der erst einmal mit Inhalt gefüllt werden müsste, wie es die vielen literarischen Abhandlungen über den Neid belegen. Die Durchsicht der psycholo-gischen, psychoanalytischen und therapeutischen Fachliteratur zeigt jedoch die oft bemängelte Tatsache, dass der Neid im Vergleich zu anderen Affekten nur selten thematisiert wird, dass eine präzise Definition fehlt und der Begriff in verschiedener Weise und Absicht verwendet wird, indem mal der eine und mal der andere Aspekt stärker betont wird (Kast, 2003; Seidler, 2001b; Vogel, 1992 u.a.). Dement-sprechend kommt Vogel (1992) in seiner Arbeit über den Neid zu dem Ergebnis, dass der „vorwissenschaftliche“ und „wertbehaftete“ Begriff Neid fallengelassen und begrifflich neu gefasst werden sollte, da „das Bedeutungsfeld des Begriffes so weit und konfus ist“ (S. 65) und schlägt vor, ihn durch den Begriff der Selbstwert-bedrohung zu ersetzen, „ein Begriff, der denselben psychischen Sachverhalt enger und schärfer faßt als ‚Neid’“ (S. 66). Ich halte dies eher für problematisch, da nicht nur der Begriff der Selbstwertbedrohung ein vieldeutiger ist, sondern weil meines Erachtens dem psychischen Phänomen des Neides in seiner ganzen Vielseitigkeit so nicht genügend Rechnung getragen werden kann. Obwohl ich sicher bin, auch mit meiner Arbeit nur einen kleinen Ausschnitt beleuchten zu können, möchte ich dennoch den Rahmen zwischen Selbstzerstörung und Selbstentwicklung aufspannen.

Melanie Klein, die seit den dreißiger Jahren den Neid studierte und als Begründerin der Objektbeziehungstheorie der englischen Schule gilt, leistete mit ihrer 1957 erschienenen grundlegenden Arbeit „Neid und Dankbarkeit“ einen wesentlichen psychoanalytischen Beitrag zur Theorie des Neides, deren Konzeption auf ihren Lehrer Karl Abraham zurückweist. Sie definiert den Neid als „das ärgerliche Gefühl, daß eine andere Person etwas Wünschenswertes besitzt und genießt, wobei der neidische Impuls darin besteht, es wegzunehmen oder zu verderben“ (1957a, S. 243, Übers.: M. v. Niederhoeffer) bzw. als „das wütende Gefühl, daß eine andere Person etwas Begehrenswertes besitzt und sich daran erfreut – der neidische Impuls besteht darin, dieses Objekt der Begierde zu rauben oder zu zerstören“ (1957b, S. 289f, Übers.: E. Vorspohl).

Entsprechende bzw. mehr oder weniger abgewandelte Definitionen, wie sie in vielen Abhandlungen zum Neid der kleinianischen Schule zu finden sind, geben schon einen Hinweis auf die wichtigen Säulen eines eher destruktiven Ansatzes des Neides – Ärger/Wut, Wegnehmen/Rauben und Verderben/Zerstören –, welche ich im Rahmen meiner Arbeit nicht nur zu besprechen beabsichtige, sondern mit der ebenfalls implizierten Säule Wünschen/Begehren und den damit eng verbundenen Möglichkeiten einer konstruktiven Bewältigung zu ergänzen versuche. Auf den Ansatz, dass ein neidisches Begehren unter bestimmten günstigen Voraussetzungen auch individuelle persönliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen kann, machten bereits einige Autoren verschiedener psychoanalytischer Schulrichtungen aufmerk-sam (Beland, 1999; Dunde, 1989; Haubl, 2002a; Kast, 2003; Krüger, 1989; Sandell 1993; Schultz-Hencke, 1940 u. a.). Deutlich davon abzugrenzen ist jedoch ein Begehren in Verbindung mit einem neidischen „Habenwollen“, welches nicht als positiver Ent-wicklungsschritt angesehen werden kann, so wie es bereits in einem der zehn Gebote des Alten Testamentes niedergeschrieben ist: „Du sollst nicht Begehren deines Nächsten Haus….Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat“ (Genesis 2, 20).

Sehr interessant erscheinen die Ausschnitte in den oben genannten Definitionen Kleins „und sich daran erfreut“ oder „genießt“. Es stellt sich die Frage, ob der Neid tatsächlich nur auf ein begehrenswertes Gut im engeren Sinne oder auch auf das damit verbundene Hochgefühl des Besitzers gerichtet ist. Nach Haubl (1998) resultiert der Neid aufgrund eines Vergleiches mit einer anderen Person und dem Erleben, dass sie weniger des begehrten Gutes besitzt als die andere Person. Dabei könne es sich „um alles mögliche [sic] handeln: Besitz, Ansehen, Fähigkeiten, Beziehungen, Erlebnisse; es gibt prinzipiell nichts, was sich nicht beneiden läßt“ (S. 17). Ob sich das Beneiden auch auf das Erleben eines positiven Hochgefühls erstreckt, wird nicht explizit herausgearbeitet aber an einer Stelle erwähnt: „…alle beneidenswerten Güter sind lediglich die äußeren Manifestationen dessen, was er wirklich beneidet: nämlich einen gefühlten positiven inneren Zustand – wie eben Selbstwert“ (S. 29). Lohmer (2000) äußert sich zu diesem Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Element der Gier, indem er annimmt, es gehe weniger „um den beneideten Besitz eines bestimmten Attributes (etwas, was z.B. schön, reich, berühmt oder mächtig macht)…, sondern um das dem Beneideten unterstellte erhöhte Selbstgefühl, das ‚Hochgefühl’, das in der Sicht des Neiders durch die Erfahrung mit dem beneideten Attribut entsteht“ (S. 483). Auch Frankel & Sherick (1977), die den Neid und dessen ontogenetische Entwicklung mittels direkter Beobachtung an ein- bis fünfjährigen Kindern beobachteten und untersuchten, definieren den Neid „…as the wish to experience the good feelings that one imagines are being felt by another person due to the possession of a valued attribute or thing“ (S. 277). Diese Annahmen stützen die positive Funktion des feindseligen Neides, die das eigene Selbstwertgefühl verbessern, schützen oder infolge einer Bedrohung verteidigen soll, es ist eine Auffassung, die ebenfalls von den mit der Alltagstheorie des Neides befassten amerikanischen Sozialpsychologen Silver und Sabini (1978) vertreten wird.

In Abgrenzung zur Eifersucht wird Neid durch den Besitz eines anderen ausgelöst, während es bei der Eifersucht darum geht, einen Besitz durch eine andere Person zu verlieren (Klein, 1957a; Kutter, 1998 u. a.). Dass Eifersucht und Neid jedoch nicht immer präzise auseinander gehalten werden können, da sie nicht selten gemeinsam erlebt werden, beschreibt Haubl (2002a) folgendermaßen: „Zum Beispiel kann der Eifersüchtige seinen Rivalen um das beneiden, was seine Frau als so begehrenswert erlebt, daß sie ihren Mann verlassen will. Oder…angenommen, der Eifersüchtige bewundert seinen Rivalen, dann kann er ihr die Nähe zu ihm neiden“ (S. 31).

Ein weiteres oft genanntes Unterscheidungsmerkmal des Neides zur Eifersucht ist, dass der Neid sich in einer Zweierbeziehung entwickelt, zwischen der neidischen und der beneideten Person, während bei der Eifersucht ein personales Dreieck vorausgesetzt wird, die eifersüchtige und die geliebte Person sowie der Rivale (Frankel & Sherick, 1977; Haubl, 2002a; Klein, 1957b; Kutter, 1998; Pollmann, 2001; Spielmann, 1971). Ariane Schorn (2003) ist der Auffassung, dass es sich beim Neid ebenfalls um ein personales Dreieck handeln müsse, „da man auch auf eine Sache oder eine Leidenschaft eifersüchtig sein kann“ (S. 267). Plausibler erscheint mir jedoch zunächst die trianguläre personale Eigenschaft als wesentliches Merkmal der Eifersucht, wie sie z.B. von Pollmann (2001) beschrieben wird: „Alles dreht sich um den realen oder bislang bloß phantasierten Verlust eines für uns wichtigen Menschen an einen dritten. Auf den Besitz von Wertgegenständen oder Talenten sind wir dagegen nicht ‚eifersüchtig’“ (S.41). Diesen Besitz können wir aber beneiden, welches meines Erachtens auch Personen nicht ausschließen muss, obwohl in diesem Zusammenhang das Wort „Besitz“ nicht günstig gewählt ist. Es ist also denkbar, dass zunächst eine geliebte Person eifersüchtig bewacht wird, um sie nicht an einen Rivalen zu verlieren; ist sie aber verloren, dann kann der frühere Rivale um die immer noch geliebte Person beneidet werden; der Übergang dürfte mit einer starken Vermischung von Eifersucht und Neid einhergehen. Andererseits wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der primitivere Neid auch schon in dem komplexeren Gefühlsphänomen der Eifersucht enthalten ist (Klein, 1957a; Pollmann, 2001 u. a.). Deutlich wird jedoch, dass der Neid ebenfalls in einer Dreierbeziehung auftreten kann, wenn der Neidinhalt einer Person entspricht. Darüber hinaus kommt dem Neid immer auch eine triangulierende Funktion zu, weil er mit einem Gefühl der Abhängigkeit von einem begehrten Gut und dem Wahrnehmen desselben einhergeht (Hering, 1999) oder wie Sopena (1988, S. 161) es ausdrückt „mit dem Eindringen eines Dritten“ auftaucht.[2]

Nicht haltbar kann es sein, und da stimme ich mit Ariane Schorn überein, dass Eifersucht und Neid in der Form polarisierend gegenübergestellt werden, wie es z.B. bei Joseph (1994) oder Heenen-Wolff (1998) zum Ausdruck komme: Joseph hebe hervor, dass die Eifersucht einen Sinn und einen Grund habe, da sie auf Liebe beruhe, deshalb sei sie tolerierbar und verzeihbar, während der Neid dagegen primär auf Hass beruhe und sinnlos sei, für ihn könne es keine „mildernden Umstände“ geben; Heenen-Wolff gehe sogar noch ein Stück weiter, indem sie behaupte, Eifersucht ziele auf die Erhaltung des Objektes bzw. der Objektbeziehung, Neid dagegen auf seine Zerstörung (2003, S. 267). Diese Annahmen gehen konform mit der Auffassung Kleins (1957b), sie schreibt über die Eifersucht, „daß die Liebe zu »dem Guten« existiert und das Liebesobjekt nicht – wie es beim Neid der Fall wäre – beschädigt und zerstört wird“ (S.291). Unter triebtheoretischem Gesichtspunkt werden von Vertretern der kleinianischen Schule die Eifersucht dem Lebens- und der Neid dem Todestrieb zugeordnet.[3] Doch abgesehen davon, dass die Existenz eines Todestriebes bisher nicht nachgewiesen ist (Vogt, 2001; vgl. auch Gillespie, 1971), deshalb heftig umstritten bzw. von einigen Psychoanalytikern angenommen (Garma, 1971; Green, 1999; Klein, 2001; Rosenfeld, 1971 u. a.) oder anderen abgelehnt wird (Kernberg, 1981; Kohut, 1981; Limentani, 1990; Zepf u. Gattig, 1982 u. a.), erscheint es mir wenig plausibel, dass die Eifersucht grundsätzlich geringere destruktive Auswirkungen haben soll als der Neid. Diese Aussage zu hinterfragen und zu untersuchen, erscheint mir zwar reizvoll, kann aber im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Vermutlich unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass der Neid gegenüber der Eifersucht eher negativiert, geächtet und tabuisiert wird (Heenen-Wolff, 1998; Kast, 2003; Kettner, 1993 u. a.).

Die häufig festgestellte begriffliche Vermischung des Neides mit verwandten Ge-fühlen wie Eifersucht, Missgunst, Rivalität, Ressentiment, Gier oder Begehren ist in mehrfacher Hinsicht problematisch, da dies nicht nur die Literaturarbeit erschwert, sondern auch die vieldeutigen Verwendungen des Neidbegriffes begünstigt. Ein Ersetzen des Begriffes mit dem der Selbstwertbedrohung, wie es Vogel (1992) vorgeschlagen hat, würde jedoch zu einer noch ungenaueren Auslegung des Neidbegriffes führen und nicht, wie er annimmt, den Neid schärfer fassen, da die Selbstwertbedrohung dann ebenso gut mit anderen Begriffen gleichgesetzt werden könnte (wie z.B. mit dem der Eifersucht). Neid kann nur die Folge einer Selbstwertbedrohung sein, ebenso wie der Neid auch aufgrund eines „Minderwertigkeitsgefühls“ auf den Plan gerufen werden kann, wie es bereits 1926 von Adler (2003) postuliert wird (vgl. auch Kutter, 1998; Pollmann, 2001). Es bleibt dagegen anzuerkennen, dass es zum Wesen des Neides gehört, sich meist mit weiteren Phänomenen zu verbinden, mit Gefühlen oder Affekten unterschiedlicher Art und Intensität, z. B. Angst, Hilflosigkeit, Zurücksetzung, Ohnmacht, Trauer, Ärger, Feindseligkeit, Rivalität, Missgunst, Mitleidlosigkeit, Schadenfreude, Ressentiment, Geiz, Gier, Wut, Hass oder Rache (vgl. Kast, 2003; Kernberg, 2006; Kettner, 1993), welches einerseits zwar auf die ungeheure Komplexität des Neides hinweist, andererseits aber auch zu einer Differenzierung anregt.

Nach Durchsicht der einschlägigen psychoanalytischen Literatur bin ich zu der Auffassung gelangt, dass die meisten mit dem Neid auftretenden bzw. alternierenden Emotionen auch mit Hilfe einer übergeordneten Differenzierung erfasst werden können, die sich aufgrund der gegensätzlichen Pole des Neides ergeben:

- intrapsychische – interpersonelle Neiddynamik,
- eigene Neidregungen verdrängen – Neid der anderen wahrnehmen/unterstellen,
- defensiver Rückzug – offensiver Angriff,
- ängstliche Neidvermeidung – lustvolle und provokative Neiderregung,
- sanktionierter Neid – gerechtfertigter Neid,
- unbewusste – bewusste Neiddynamik,
- destruktive – konstruktive Bewältigung.

Eine erfolgreiche Überwindung einer destruktiven Neidbewältigung zu Gunsten einer konstruktiven kann selbstverständlich nicht ohne eine entsprechende emotionale Modifikation möglich sein. Lässt sich aber ein solcher Erfolg oder Teilerfolg auch an der Qualität einer entsprechenden Modifikation abmessen? Sicher ist, dass das Ausmaß der Destruktivität des Neides hochgradig mit verschiedenen aggressiven Gefühlen und Affekten korreliert, z.B. vom Ärger über Wut und Hass bis hin zur Rache (Kernberg, 2000), sollte es dann nicht auch eine entsprechende Abstufung auf der Seite der konstruktiven Bewältigung des Neides geben? Nach meinem Wissen gibt es dazu bisher noch keine Untersuchungen und auch nur eine sehr unzureichende Forschung. Da ich einem solchen Anspruch hier ebenfalls nicht genügen kann, werde ich lediglich – mehr oder weniger simplifizierend – diesen hier aufgeworfenen Gedanken in Kapitel 7.6. noch einmal aufnehmen.

Um mit Hilfe der psychoanalytischen Erkenntnisse zu vertiefenden Einsichten des Neides zu gelangen, ist es notwendig, dieses zweigleisig über die wichtigsten aber leider konträren Theorien zum Neid von Sigmund Freud und Melanie Klein anzugehen; sie entstammen verschiedenen psychoanalytischen Traditionen, gehen von einer unterschiedlichen Genese des Neides aus und richten deshalb die Schwerpunkte verschieden aus. Obwohl viele Psychoanalytiker diese Theorien als unvereinbar ansehen, meines Erachtens manchmal auch wenig Bereitschaft zu einer Annäherung zeigen, vertreten sie meist dennoch die gemeinsame Auffassung, dass eine angemessene Bewältigung der krank machenden Eigenschaft des Neides erstrebenswert ist und verbinden dies gleichermaßen mit einer persönlichen Reifung des Individuums. Eine besondere Herausforderung und noch zu leistende psychoanalytische Aufgabe sehe ich darin, eine verstärkte Aufmerksamkeit auf den Bau oder das Sichtbarmachen einer „Brücke“ zu lenken, die sich in meiner Vorstellung nicht nur zwischen der freudianischen und kleinianischen Schule, sondern auch zwischen dem destruktiven Neid und einer individuellen, realistischen Entwicklungsmöglichkeit spannen lässt, um dem neidischen Begehren aus der Sackgasse einer häufig nicht bewusst steuerbaren Dynamik zu einer bewussten Handhabung in Richtung Selbstverwirklichung zu verhelfen. Eine damit verbundene und verbesserte psychoanalytische Transparenz könnte sich sowohl für das einzelne Individuum als hilfreich erweisen, als auch in praktischen Anwendungsfeldern von Nutzen sein, z.B. um Wege von einer neidbedingten „Wut“ zur „Liebe“, vom „Rauben“ zum „Erwerben“, vom „Zerstören“ zum „Konstruieren“ oder von den „Begrenzungen“ zu den „Möglichkeiten“ zu erkennen oder gegebenenfalls aufzeigen zu können.

4. Zur psychoanalytischen Theorie des Neides von Sigmund Freud und Melanie Klein

4.1. Die Bedeutung des Neides in der klassischen psychoanalytischen Tradition von Sigmund Freud

Freuds Theorie zum Neid befasst sich explizit mit dem weiblichen Neid auf den männlichen Penis, den er erstmalig 1905a in den „Drei Abhandlungen zur Sexual-theorie“ formuliert: „Wenn das kleine Mädchen…das anders gestaltete Genitale des Knaben erblickt…ist [es] sofort bereit, es anzuerkennen, und es unterliegt dem Penisneide, der in dem für die Folge wichtigen Wunsch, auch ein Bub zu sein, gipfelt“ (S. 96). An dieser These hält Freud bis zum Ende seines Wirkens nicht nur fest, sondern er wird sie immer weiter ausbauen und zu einem bedeutsamen Bestandteil der psychosexuellen Entwicklung der Frau machen. Wichtig ist, zu berücksichtigen, dass Freud lediglich den Anspruch verfolgte, einen Teilbereich der Psychogenese des Neides zu erforschen und aufzuklären, nämlich den postulierten stärkeren weiblichen Neid gegenüber dem männlichen; 1932 behauptet er in seiner Arbeit über „Die Weiblichkeit“ ausdrücklich, aber auch – und das ist bemerkenswert – „als ein Beispiel männlicher Ungerechtigkeit“,

…daß Neid und Eifersucht im Seelenleben der Frauen eine noch größere Rolle spielen als bei Männern. Nicht daß diese Eigenschaften bei Männern vermißt würden oder daß sie bei Frauen keine andere Wurzel hätten als den Penisneid, aber wir sind geneigt, das Mehr bei den Frauen diesem letzteren Einfluß zuzuschreiben. (S. 134)

Freud geht von der Annahme aus, dass es im kindlichen Erleben nur ein Geschlecht gibt, den Phallus, und mit dem Gewahrwerden des anatomischen Unterschiedes wird von Jungen und Mädchen eine jeweils geschlechtsspezifische psychosexuelle Entwicklung eingeleitet, die schließlich, früher oder später, in den Ödipuskomplex einmündet. Der weibliche Penisneid, der mit dem Kastrationskomplex eng verknüpft ist, wird vom Mädchen „durch den Anblick des anderen Genitales eröffnet. Es merkt sofort den Unterschied und…auch seine Bedeutung. Es fühlt sich schwer beeinträchtigt, äußert oft, es möchte ‚auch so etwas haben’ und verfällt nun dem Penisneid“ (S. 133f). Die Mutter, die kastriert erscheint, wird mit Geringschätzung und Groll belegt, da sie das Mädchen nicht mit einem Penis versehen hat. Ein Junge dagegen empfindet beim Anblick eines Mädchens gar keinen Neid, sondern nur Kastrationsangst. Ich zitiere Freud, wie er diesen Vorgang erklärt, der mit beträcht-lichen Auswirkungen für das Mädchen verbunden ist:

…nun fällt uns im Verhältnis des Ödipuskomplexes zum Kastrationskomplex ein Unterschied zwischen den Geschlechtern auf, der wahrscheinlich folgenschwer ist. Der Ödipuskomplex des Knaben, in dem er die Mutter begehrt und seinen Vater als Rivalen beseitigen möchte, entwickelt sich natürlich aus der Phase seiner phallischen Sexualität.[4] Die Kastrationsdrohung zwingt ihn aber, diese Einstellung aufzugeben. Unter dem Eindruck der Gefahr, den Penis zu verlieren, wird der Ödipuskomplex verlassen, verdrängt, im normalsten Falle gründlich zerstört, und als sein Erbe ein strenges Über-Ich eingesetzt.[5] Was beim Mädchen geschieht, ist beinahe das Gegenteil. Der Kastrationskomplex bereitet den Ödipuskomplex vor anstatt ihn zu zerstören, durch den Einfluß des Penisneides wird das Mädchen aus der Mutterbindung vertrieben und läuft in die Ödipussituation wie in einen Hafen ein. Mit dem Wegfall der Kastrationsangst entfällt das Hauptmotiv, das den Knaben gedrängt hatte, den Ödipuskomplex zu überwinden. Das Mädchen verbleibt in ihm unbestimmt lange, baut ihn nur spät und dann unvollkommen ab. Die Bildung des Über-Ichs muß unter diesen Verhältnissen leiden, es kann nicht die Stärke und die Unab-hängigkeit erreichen, die ihm seine kulturelle Bedeutung verleihen und – Feministen hören es nicht gerne, wenn man auf die Auswirkungen dieses Moments für den durchschnittlichen weiblichen Charakter hinweist. (1932, S. 138f)

Freud geht insgesamt von drei Entwicklungsrichtungen der Frau aus, einer „Sexual-hemmung oder Neurose“, einer „Charakterveränderung im Sinne des Männlichkeits-komplexes“ oder einer Entwicklung der „normalen Weiblichkeit“ (1932, S. 135). Die mir wichtig erscheinenden Aussagen Freuds sollen ebenfalls zitiert werden: Eine Sexualhemmung oder Neurose entsteht, wenn

…das kleine Mädchen, welches bisher männlich gelebt hatte, sich durch Erregung seiner Klitoris Lust zu verschaffen wußte und diese Betätigung mit seinen oft aktiven Sexualwünschen, die der Mutter galten, in Beziehung brachte, sich durch den Einfluß des Penisneides den Genuß seiner phallischen Sexualität verderben läßt. Durch den Vergleich mit dem so viel besser ausgestatteten Knaben in seiner Selbstliebe gekränkt, verzichtet es auf die masturbatorische Befriedigung an der Klitoris, verwirft seine Liebe zur Mutter und verdrängt dabei nicht selten ein gutes Stück seiner Sexualstrebungen…Ihre Liebe hatte der phallischen Mutter gegolten; mit der Entdeckung, daß die Mutter kastriert ist, wird es möglich, sie als Liebesobjekt fallen zu lassen, so daß die lange angesammelten Motive zur Feindseligkeit die Oberhand gewinnen. Das heißt also, daß durch die Entdeckung der Penislosigkeit das Weib dem Mädchen ebenso entwertet wird wie dem Knaben und später vielleicht dem Manne. (135f)

Zu einer Charakterveränderung im Sinne eines Männlichkeitskomplexes kann es kommen, wenn das Mädchen sich weigert, die Tatsache der Penislosigkeit anzu-erkennen und

in trotziger Auflehnung seine bisherige Männlichkeit noch übertreibt, an seiner klitoridischen Betätigung festhält und seine Zuflucht zu einer Identifizierung mit der phallischen Mutter oder dem Vater nimmt….Wir können uns nichts anderes vorstellen als einen konstitutionellen Faktor, ein größeres Ausmaß von Aktivität, wie es sonst für das Männchen charakteristisch ist. Das Wesentliche des Vorgangs ist doch, daß an dieser Stelle der Entwicklung der Passivitätsschub vermieden wird, der die Wendung zur Weiblichkeit eröffnet. Als die äußerste Leistung dieses Männlichkeitskomplexes erscheint uns die Beeinflussung der Objektwahl im Sinne einer mani-festen Homosexualität. (S. 139)

Um eine normale weibliche Entwicklung zu erreichen, ist es Freud zufolge erforderlich, dass 1. während dieses Prozesses nicht allzu viel durch Verdrängung[6] verloren geht, welches vom Unbewussten[7] her seine störenden Wirkungen entfaltet, 2. die Hinwendung zum Vater mit der Aufgabe der aktiven Masturbation und vorwiegend mit Hilfe passiver Triebregungen vollzogen wird und 3. der Wunsch nach einem Penis, der auch als ursprünglicher Antrieb angesehen wird, sich dem Vater zuzuwenden, in einen äquivalenten Wunsch nach einem Kind[8] ersetzt werden kann (1932, S. 137f).

Äußerst problematisch bleibt jedoch, dass eine normale weibliche Entwicklung niemals oder bestenfalls nur sehr bedingt wirklich neid- und eifersuchtsfrei ver-laufen kann, denn Freud sagt auch: „Das Glück ist groß, wenn dieser Kinderwunsch später einmal seine reale Erfüllung findet, ganz besonders aber, wenn das Kind ein Knäblein ist, das den ersehnten Penis mitbringt“ (S. 137) sowie, dass der Eintritt in die Situation des Ödipuskomplexes, gerade, weil dieser mit einer Übertragung des „Kind-Penis-Wunsches“ auf den Vater einhergeht, die Feindseligkeit gegenüber der Mutter noch verstärkt, „denn sie wird zur Rivalin, die vom Vater all das erhält, was das Mädchen von ihm begehrt“ (S. 138). Anknüpfend an diese Vorgeschichte hebt Freud zudem ausdrücklich hervor, dass

die Entfaltung der Weiblichkeit der Störung durch die Resterscheinungen der männlichen Vorzeit ausgesetzt bleibt. Regressionen zu den Fixierungen jener präödipalen Phasen ereignen sich sehr häufig; in manchen Lebensphasen kommt es zu einem wiederholten Alternieren von Zeiten, in denen die Männlichkeit oder die Weiblichkeit die Oberhand gewonnen hat. Ein Stück dessen, was wir Männer das „Rätsel des Weibes“ heißen, leitet sich vielleicht von diesem Ausdruck der Bisexualität im weiblichen Leben ab. (1932, S. 140)

Das weibliche Sexualleben wird durch seine Triebkraft, der Libido[9], also wahlweise in den Dienst der männlichen oder weiblichen Sexualfunktion gestellt, aber Freud behauptet, „daß der Libido mehr Zwang angetan wurde, wenn sie in den Dienst der weiblichen Funktion gepreßt ist“ (S. 141), welches er besonders im Zusammenhang mit der häufig vorkommenden weiblichen Frigidität beobachtete.[10] Darüber hinaus schreibt Freud besonders den reiferen Frauen einen stärkeren Narzissmus[11] zu, der einen großen Einfluss auf ihre Objektwahl ausübt, weil es ihnen ein stärkeres Bedürfnis ist, geliebt zu werden als zu lieben, und ebenfalls „an der körperlichen Eitelkeit des Weibes ist noch die Wirkung des Penisneides mitbeteiligt, da sie ihre Reize als späte Entschädigung für die ursprüngliche sexuelle Minderwertigkeit um so höher einschätzen muß“ (S. 142). Auch die Scham[12] sei eine typisch weibliche Eigenschaft, sie weist auf die ursprüngliche Absicht zurück, das defekte weibliche Genital zu verdecken (Schambehaarung, Flechten, Weben etc.). Weil Freud im weiblichen Seelenleben ein Überwiegen des Neides annimmt, will er der Frau auch „nur wenig Sinn für Gerechtigkeit zuerkennen…denn die Gerechtigkeitsforderung[13] ist eine Verarbeitung des Neids….Wir sagen auch von den Frauen aus, daß ihre sozialen Interessen schwächer und ihre Fähigkeit zur Triebsublimierung[14] geringer sind als die der Männer“ (1932, S. 144).

Die Gerechtigkeitsforderung als eine Verarbeitung des Neides beginnt bereits in der „Kinderstube“ unter Geschwistern gegenüber den Eltern. Hier siedelt Freud (1921) den anfänglichen Neid an. Sobald ein zweites Kind geboren wird, möchte das ältere das jüngere Geschwisterkind verdrängen, es „von den Eltern fernhalten und es aller Anrechte berauben“ (S. 133), um die Liebe der Eltern weiterhin allein genießen zu können. Da diese feindselige Einstellung, ohne eigenen Schaden zu nehmen, nicht aufrecht erhalten werden kann, entsteht als Reaktionsbildung die Forderung nach einer gerechten Gleichbehandlung, denn „wenn man schon selbst nicht der Bevor-zugte sein kann, so soll doch wenigstens keiner von allen bevorzugt werden“ (S. 133).

Um die Gerechtigkeitsforderung durchsetzen zu können, identifizieren sich die Kinder mit anderen Kindern und entwickeln ein Gemeinschaftsgefühl, welches zunächst innerhalb der Familie und später besonders in der Schule zum Ausdruck kommt. Als Beispiel einer positiven (konstruktiven) Neidverarbeitung nennt Freud den Zusammenhalt von jungen verliebten Mädchen, wenn es um die Verehrung ihrer Idole geht: „…allein angesichts ihrer Anzahl und der damit verbundenen Unmög-lichkeit, das Ziel ihrer Verliebtheit zu erreichen, verzichten sie darauf, und anstatt sich gegenseitig die Haare auszuraufen, handeln sie als einheitliche Masse, huldigen dem Gefeierten in gemeinsamen Aktionen“ (S. 133), d.h., sie sind froh, wenn sie auch nur einen kleineren, geteilten Teil z.B. des „Lockenschmucks“ eines Sängers erhalten. Doch Freud führt ebenfalls Beispiele einer destruktiven Neidverarbeitung an, obwohl er sie nicht als solche bezeichnet: „Die Angst dieser Armen [hier: Syphilitiker] entspricht ihrem heftigen Sträuben gegen den unbewußten Wunsch, ihre Infektion auf die anderen auszubreiten, denn warum sollten sie allein infiziert und von so vielem ausgeschlossen sein und die anderen nicht“ und zitiert eine Anekdote Salomonis: „Wenn der einen Frau das Kind gestorben ist, soll auch die andere kein lebendes haben“ (1921, S. 134).[15] Gelingt aufgrund übermäßiger Neid-gefühle die Transformation vom anfänglichen Geschwisterneid zu einer geschwister-lichen Gemeinschaftsfähigkeit nicht ausreichend gut, so wird das Kind bestrebt sein, regressiv seinen ursprünglichen Egozentrismus wieder herzustellen. Freud konzipiert den Geschwisterneid als einen narzisstischen Affekt, den er bereits 1917 in seinen Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse auf den primären Narzissmus zurückführt:

Das Kind liebt eben sich selbst zuerst und lernt erst später andere lieben, von seinem Ich etwas an andere opfern. Auch die Personen, die es von Anfang an zu lieben scheint, liebt es zuerst darum, weil es sie braucht, sie nicht entbehren kann, also wiederum aus egoistischen Motiven. Erst später macht sich die Liebesregung vom Egoismus unabhängig. Es hat tatsächlich am Egoismus lieben gelernt (S. 208).

Im Vergleich der Einstellung eines Kindes gegenüber seinen Geschwistern und den Eltern ergibt sich regelmäßig der Unterschied, dass die Eltern zunächst geliebt und die rivalisierenden Geschwister gehasst werden. Die Feindseligkeit gegenüber Ge-schwistern, die oft jahrelang anhält (manchmal lebenslang), kann durch eine spätere, zärtlichere Phase überlagert werden, jedoch nie ganz verschwinden. Freud unter-scheidet einige psychosoziale Merkmale aufgrund des Altersunterschiedes zwischen den Geschwistern:

- Am leichtesten kann man sie bei Kindern von 2 ½ bis 4 und 5 Jahren beobachten, wenn ein neues Geschwisterchen dazu kommt. Das hat meist einen sehr unerfreulichen Empfang. Äußerungen wie „ich mag es nicht, der Storch soll es wieder mitnehmen“, sind recht gewöhnlich. In der Folge wird jede Gelegenheit benützt, um den Ankömmling herabzusetzen, und selbst Versuche ihn zu schädigen, direkte Attentate, sind nichts Unerhörtes.
- Ist die Altersdifferenz geringer, so findet das Kind beim Erwachen intensiverer Seelentätigkeit den Konkurrenten bereits vor und richtet sich mit ihm ein.
- Ist sie größer, so kann das neue Kind von Anfang an als ein interessantes Objekt, als eine Art von lebender Puppe, gewisse Sympathien erwecken,
- und bei einem Altersunterschied von acht Jahren und mehr können bereits, besonders bei den Mädchen, vorsorgliche, mütterliche Regungen ins Spiel treten. (1917, S. 208f)

Dass die feindseligen Einstellungen unter Geschwistern häufig lange latent erhalten bleiben, zeigt sich oft in den Träumen von Erwachsenen, die einem uneinge-schränkten Egoismus folgend, Beseitigungswünsche gegen jüngere oder ältere Geschwister zum Inhalt haben. Doch der rivalisierende Geschwisterneid ist nicht die einzige Quelle unbewusster Todeswünsche, die deutlich oder entstellt im Traum zum Vorschein kommen können, denn die ganze Familie kann zum Schauplatz des Neides werden: Kinder beneiden und hassen auch ihre Eltern, ganz besonders auf gleichgeschlechtlicher Linie (Töchter die Mütter, Söhne die Väter), und ebenfalls Mütter oder Väter ihre Kinder (Freud, 1917, S. 206ff).

4.2. Die Bedeutung des Neides in der Theorie von Melanie Klein

Melanie Kleins Werk zum Neid basiert auf den primären Neid von Jungen und Mädchen, der sich auf den Inhalt der mütterlichen Brust konzentriert. Besser als Hanna Segal (1974) vermag ich die Grundgedanken dieses Ansatzes nicht zu-sammenzufassen:

Sobald der Säugling sich der Brust als einer Quelle des Lebens und guter Erfahrung bewußt wird, entsteht Neid. Die reale Befriedigung, die er an der Brust erlebt, verstärkt durch die in früher Kindheit so mächtige Idealisierung, gibt ihm das Gefühl, daß die Brust die Quelle allen Behagens körperlicher wie seelischer Art sei, ein unerschöpfliches Reservoir an Nahrung, Wärme, Liebe, Verständnis und Wissen. Die genußvolle Erfahrung der Befriedigung, die dieses wundervolle Objekt dem Kind bereiten kann, vermehrt seine Liebe und steigert das Verlangen, die Brust zu besitzen, zu verwahren und zu beschützen; aber dieselbe Erfahrung weckt in ihm den Wunsch, selbst die Quelle solcher Vollkommenheit zu sein. Es empfindet schmerzliche Neidgefühle und in ihrem Gefolge den Wunsch, Objekteigenschaften, die ihm so schmerzliche Gefühle bereiten können, zu verderben. (S. 61f)

Die zunächst als gut erlebte Brust muss zerstört werden, weil sie nicht immer zur Verfügung steht, durch das beim Säugling ein Gewahrwerden von Getrenntheit ausgelöst wird. Dass diese Situation für den Säugling unerträglich ist, erklärt Klein (1957b) damit, weil der Säugling „im pränatalen Stadium Teil der Mutter war. Die gute Brust wird aufgenommen und zu einem Teil des Ichs, und der Säugling, der zu Anfang im Inneren der Mutter gewesen ist, besitzt die Mutter nun in seinem eigenen Inneren“ (S. 286f); deshalb entstehe eine Sehnsucht nach einer Wiederherstellung des pränatalen Zustandes und eine damit verbundene Idealisierung. Durch die Geburt, die ja nicht immer ohne Komplikationen verläuft, aber auch durch eine anschließende unzureichende Versorgung, würden beim Säugling große Ängste ausgelöst, die in der Auffassung von Klein auf „die doppelgesichtige Beziehung zur Mutter…[und] die gute und böse Brust“ (1957b, S. 287) zurückgeführt werden müssten. Um diese Ängste, die vom Säugling als Verfolgungs- und Todesängste empfunden werden, zu bewältigen, ist es erforderlich, dass er bereits in diesem frühen Stadium, Spaltungsprozesse[16] in „gute und böse Objekte“ sowie in „gute und böse Triebregungen“ vornehmen kann. Dieser Vorgang wird als eine „normale“ Form der Spaltung angesehen, denn er führt zum Bewahren des guten Objekts und befähigt den Säugling später, beide Aspekte zu vereinen. Die primäre Spaltung könne jedoch nur gelingen, „wenn der Säugling über eine hinreichende Liebes-fähigkeit sowie über ein relativ starkes Ich verfügt“ (1957b, S. 305).

Da in den ersten Lebensmonaten starke „paranoide“ Angstgefühle dominieren, die der Säugling aufgrund der ersten neidischen Objektbeziehung (meist zur Mutter) entwickelt, nennt Klein (1946) diese Phase die paranoid-schizoide Position[17]. Die Hauptangst bestehe darin, dass mittels bestimmter postulierter (Neid)Phantasien und einer „Zersplitterung des destruktiven Impulses“ die innere Welt des Subjekts durch das Subjekt selbst gefährdet wird und der „spezifischen Reaktion des Ichs, in Stücke zu zerfallen oder sich selbst zu spalten, [welches] für sämtliche schizophrene Prozesse eine außerordentlich wichtige Rolle“ (S. 13) spiele. Das heißt soviel, dass eine normale Form der Spaltung beim Vorherrschen schizophrener Störungen misslingen muss (Klein, 1957b, S. 305). Die paranoid-schizoide Position entwickelt sich besonders durch den Prozess der projektiven Identifizierung, die zu einer Vermischung mit dem „guten“ Objekt und einer damit verbundenen geringeren Realitätswahrnehmung führt.[18] Sofern die paranoid-schizoide Position nicht durch die „depressive Position“ abgelöst werden kann, ist das Entstehen einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur vorprogrammiert, denn

eine sehr tiefe Spaltung zwischen den beiden Aspekten des Objekts zeigt, daß nicht das gute und das böse, sondern vielmehr ein idealisiertes und ein extrem böses Objekt voneinander getrennt gehalten werden. Eine derart tiefe und strikte Spaltung gibt zu erkennen, daß destruktive Impulse, Neid und Verfolgungsangst sehr stark sind und Idealisierung in erster Linie zur Abwehr dieser Gefühle dient. (1957b, S. 306)

Wird der Säugling dagegen nicht von exzessivem Neid beherrscht, werden auch die Verfolgungsängste nicht diese Intensität erreichen. Die paranoiden und schizoiden Mechanismen können dann im Rahmen eines normalen Spaltungsprozesses gemil-dert werden und zur depressiven Position führen:

Ein sichere Identifizierung mit einem guten und ganzen Objekt ist die Folge; sie verleiht dem Ich Stärke und ermöglicht es ihm, seine Identität sowie das Gefühl, selber gut zu sein, zu bewahren, so daß es für die Gefahr, sich unterschiedslos mit einer Vielzahl verschiedenartiger Objekte zu identifizieren – wie es für ein schwaches Ich charakteristisch wäre, weniger anfällig ist. Zudem vermittelt die umfassende Identifizierung mit einem guten Objekt das Gefühl, daß auch das eigene Selbst gut ist. (Klein, 1957b, S. 306)

Der Neid in der depressiven Position erhält eine andere Qualität, da depressive Ängste und Schuldgefühle dominieren, die dem Neid die Stärke nehmen. Allerdings kann die paranoid-schizoide Position nie völlig von der depressiven aufgehoben werden, da schizoide Mechanismen, wenn auch in modifizierter und milderer Form, aktiv bleiben, wodurch die frühen Angstsituationen immer wieder durchlebt werden. Üben andererseits die depressiven Ängste einen zu starken Druck aus, so kann die depressive Position nicht ausreichend durchgearbeitet werden und es ist möglich, dass der Säugling auf die paranoid-schizoide Position regrediert (Klein, 1946, S. 27). Die Ängste sowie die Spaltungsprozesse des Objekts und des Selbst sind zwar erst nur phantasiegeprägt, aber sie werden später zu realen Folgen abgeschnittener Gefühle oder Denkvorgänge (1946, S. 14).[19] „Das Durcharbeiten der paranoiden und der depressiven Position erstreckt sich über die ersten Jahre der Kindheit und spielt für die infantile Neurose eine ganz wesentliche Rolle“ (1946, S. 27).

…der Mensch [wird] ständig zwischen beiden Positionen hin und her pendeln. Daher können Probleme, die in späteren Phasen auftauchen wie zum Beispiel der Ödipuskomplex, ebenso gut in einem paranoid-schizoiden wie in einem depressiven System von Bezügen, Ängsten und Ab-wehrhaltungen bewältigt, neurotische Abwehrmechanismen ebenso gut von einer paranoid-schizoiden wie von einer manisch-depressiven Persönlichkeit entwickelt werden. Die Art und Weise, in der Objektbeziehungen in die depressive Position integriert werden, bleibt grundlegend für die Persönlichkeitsstruktur. (Segal, 1974, S. 13f)

[...]


[1] Auf die mimische Ausdrucksform des Neides, die besonders am Blick erkennbar ist, aber auch auf den physiologischen Ausdruck einer Neidregung, der sich aufgrund einer veränderten Blutzirkulation an einer gelben oder blassen Gesichtsfarbe zeigt, wies auch Adler (2003) hin.

[2] Vgl. Kap. 5.1. „Subjekt, Objekt, Gegenstand und Ziel des Neides“.

[3] Vgl. Kap. 5.2. „Der Neid im Kontext der Triebe“.

[4] Vgl. Kap. 5.6. „Zur Genetik und Wirksamkeit des Neides in verschiedenen Entwicklungsphasen“.

[5] Vgl. Kap. 5.5. „Zum strukturellen Aspekt des Neides“.

[6] Vgl. Kap. 6.1. „Destruktive Dynamik der Neidabwehr“.

[7] Vgl. Kap. 5.4. „Zum topischen Aspekt des Neides“.

[8] Das frühere Spiel mit Puppen in der phallischen Phase verknüpft Freud ebenfalls mit einem Kinder-wunsch, allerdings noch nicht als Ausdruck der Weiblichkeit, sondern mit der aktiven Rolle einer Mutteridentifizierung. „Erst mit dem Einmünden des Peniswunsches wird das Puppenkind ein Kind vom Vater und von da an das stärkste weibliche Wunschziel“ (1932, S. 137).

[9] Vgl. Kap. 5.2. „Der Neid im Kontext der Triebe“.

[10] Abraham (1999b) unterscheidet aufgrund unterschiedlicher Einstellungs- und Reaktionsweisen zwischen dem Wunscherfüllungs- und Rachetypus, die beide jedoch auch nebeneinander in Erscheinung treten können. Entweder äußere sich stark affektbetontes aber unbewusstes „Begehren nach Übernahme der männlichen Rolle bzw.…Phantasie vom Besitz eines männlichen Organs… [oder] die unbewußte Ablehnung der weiblichen Rolle und das verdrängte Begehren nach Rache an dem bevorzugten Mann“ (S. 78).

[11] Vgl. Kap. 6.1. „Destruktive Dynamik der Neidabwehr“.

[12] Vgl. Kap. 5.3. „Der Neid im Kontext der Emotionen und Affekte“.

[13] Vgl. Kap. 7.4. „Der Neid als nützlicher Entwicklungsfaktor“ und Kap. 7.6. „Konstruktive Neid-bewältigung im Rahmen individueller Entwicklungsmöglichkeiten und ausgewählter externer Modalitäten“.

[14] Vgl. Kap. 7.3. „Reife Abwehr des Neides“.

[15] Schoeck (1982) berichtet hierzu eine wahre Begebenheit: Eine „alternde Jungfer“ habe 1953 in München den Säugling einer Freundin spazieren gefahren und plötzlich den Kinderwagen mit dem Kind in die Isar gestoßen. „Die Untersuchung, an der auch Ernst Kretschmer als Gutachter teilnahm, ergab, daß die Täterin plötzlich vom Neid auf das im Kind symbolisierte Glück ihrer Freundin überwältigt worden war“ (S. 123).

[16] Vgl. Kap. 6.2. „Die Abwehr des Neides in der kleinianischen Tradition“.

[17] Melanie Klein wählt den Terminus „Position“, um zu betonen, „daß das beschriebene Phänomen nicht einfach ein vorübergehendes ‚Stadium’ oder eine ‚Phase’ ist…sondern ihr Positionsbegriff schließt einen bestimmten Zusammenhang von Objektbeziehungen, Ängsten und Abwehrhaltungen ein, die das ganze Leben hindurch andauern“ (Segal, 1974, S. 13).

[18] Die Vermischung entsteht aufgrund einer Verwirrung zwischen dem Selbst und dem Objekt, abge-spaltene Selbstanteile werden auf das Objekt projiziert und als Repräsentant des Selbst erlebt (vgl. Kap. 6.2.).

[19] Die frühen Kleinianer sehen alle Erfahrungen des Lebens in unbewusste Phantasien eingehen. Erst später nimmt Bion in seiner Theorie über die Entwicklung des Denkens an, dass es bereits einen Zustand vor der Entstehung unbewusster Phantasien gibt (vgl. Schoenhals, 1997).

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Zur psychoanalytischen Theorie des Neides
Untertitel
Destruktive Neiddynamik und konstruktive Bewältigung
Hochschule
Universität Bremen  (Institut für Psychologie und Sozialforschung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
115
Katalognummer
V92728
ISBN (eBook)
9783638057677
ISBN (Buch)
9783640876433
Dateigröße
1328 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Bei einer zusammenfassenden Würdigung dieser theoretischen Untersuchung ist die Breite der historischen, phänomenologischen, psychologischen und gesellschaftstheoretischen Perspektiven bei der Darstellung des Neides hervorzuheben. Besonders verdienstvoll ist die Analyse des Neides auch unter entwicklungsfördernden Vorzeichen, die von den destruktiven Seiten, welche im öffentlichen Bewusstsein einen dominanten Stellenwert einnehmen, doch erheblich abweichen."
Schlagworte
Theorie, Neid, Psychoanalyse, Destruktivität, Dynamik, Abwehrmechanismen, Triebe, Emotionen, Affekte, Topik, Struktur, Genetik, Entwicklung, Reife, Beziehungsmuster, Therapie, Freud, Melanie Klein, Elias, Kernberg, Philosophie, Religion, Kunst
Arbeit zitieren
Helga Hollmann (Autor:in), 2006, Zur psychoanalytischen Theorie des Neides, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92728

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