Das Motiv der Apokalypse in Christoph Ransmayers Roman "Die Letzte Welt"


Seminararbeit, 2007

22 Seiten, Note: 2,5

Helen Lorentz (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Roman „Die Letzte Welt“
2.1 „Die Andere Bibliothek“
2.2 Inhalt
2.3 Interpretation
2.3.1 „Metamorphosen“ und „Die Letzte Welt“:
2.3.2 Pythagoras
2.3.3 Apokalypse und „Die Letzte Welt“
2.3.3.1 Apokalypse
2.3.3.2 Die Äonen in den „Metamorphosen“
2.3.3.2.1 Das eiserne Zeitalter
2.3.3.2.2 Die Apokalypse bei Ovid
2.3.3.2.3 „Deucalion und Pyrrha“
2.3.3.2.4 Das steinerne Zeitalter
2.3.3.2.5 Das römische Imperium
2.3.3.2.6 Die Verwandlung zu Stein
2.3.3.2.7 Die Natur
2.3.3.2.8 Auflösung und Dunkelheit

3 Fazit

Endnoten

Literaturverzeichnis

1 Einleitung:

Der Roman „Die Letzte Welt“ von Christoph Ransmayr beeindruckte Feuilletonisten und Literaturwissenschaftler gleichermaßen. Die Reaktionen darauf hängen sowohl mit seiner literarischen Vorlage, den „Metamorphosen“ von Ovid, als auch mit der poetischen Sprache des Romans, zusammen. Diese Arbeit fokussiert „Die Letzte Welt“ generell und im Hinblick auf das Motiv der Apokalypse. Da der Roman eng mit den „Metamorphosen“ verbunden ist, sind diese beiden Bücher die Hauptquellen der Seminararbeit. Weil der historische Dichter Ovid in „Die Letzte Welt“ auch als Protagonist Naso auftritt, wird diese namentliche Unterscheidung beibehalten, um Verwechslungen auszuschließen. Der Aufbau der Arbeit orientiert sich am Verlauf des von Ransmayr beschriebenen Weltuntergangs. So folgt auf eine allgemeine Einführung in den Roman die Darstellung der eisernen Welt, an welche die Beschreibung der steinernen Welt anschließt, die sich unmerklich auflöst.

2 Der Roman „Die Letzte Welt“:

In dem Roman „Die Letzte Welt“ von Christoph Ransmayr geht es um Cotta, der seine Heimat Rom verlässt, um am Schwarzen Meer nach dem dorthin verbannten Dichter Naso und dessen „Metamorphosen“ zu forschen. Obwohl Cotta den Dichter nicht findet, gerät er in Tomi in eine Welt, in der sich Nasos Werk immer mehr realisiert. „Die Letzte Welt“ erschien 1988 in Nördlingen als vierundvierzigster Band der Reihe „Die Andere Bibliothek“.

2.1 „Die Andere Bibliothek“:

„Die Andere Bibliothek“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger und des Buchkünstlers und Verlegers Franz Greno. Seit Januar 1985 veröffentlichen die beiden jeden Monat ein Buch, für dessen Auswahl und Herausgabe Enzensberger zuständig ist und um dessen Druck sich Greno zunächst noch in seiner Nördlinger Werkstatt kümmerte. Er druckte dort mit einer Schnellpresse und stattete die Bücher mit ledernem Rückschild und Lesebändchen aus. Darüber hinaus erschienen von jedem Werk luxuriöse Vorzugsausgaben. Im Oktober 1989 übernahm der Eichborn-Verlag „Die Andere Bibliothek“, die aber weiterhin von Enzensberger und Greno betreut wird. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Werke im Offsetdruck hergestellt, auf den 1997 der Druck im Computersatz folgte.

2.2 Inhalt:

Cotta ist noch ein Schüler, als er den Dichter Ovidius Publius Naso zum ersten Mal sieht. Anlässlich des hundertjährigen Bestehens seiner Schule hält der Ehrengast Naso eine Lesung im Festsaal. Cotta ist beeindruckt von der Ausstrahlung des Dichters und beginnt, ihn zu bewundern. Jahre später ist Naso weiterhin eine Berühmtheit in den intellektuellen Kreisen Roms. Er hat jedoch an Beliebtheit eingebüßt, da sich das Gerücht hält, er schreibe an einem Schlüsselroman, der diverse römische Bürger diskreditiere. Bei Lesungen trägt er Ausschnitte aus diesem Werk, den „Metamorphosen“, vor, heizt damit aber die Gerüchteküche noch mehr an. Nachdem Naso anlässlich der Eröffnung eines Stadions eine aufrührerische Rede hält und davor die obligatorische Verbeugung vorm Imperator nicht vollzieht, beginnen die Beamten dieses und zurückliegende Vergehen in Akten einzutragen. Sie interpretieren eine Handbewegung des Kaisers darin als Verbannungsurteil für Naso. Kurz vor seiner Abreise ins Exil, verbrennt Naso seine „Metamorphosen“, von denen ansonsten nur private unvollständige Abschriften im Freundeskreis im Umlauf sind. In der Hafenstadt Tomi wird Naso wiederum zum Ausgestoßenen und zieht ins verlassene Gebirgsdorf Trachila. Der Gelehrte Pythagoras, der ebenfalls dorthin verbannt wurde, schließt sich ihm an und wird zu seinem Knecht. Nach einigen Jahren des Exils kommt in Rom das Gerücht von Nasos Tod auf. Um Aufruhr zu vermeiden, legalisiert der Staat die Verehrung des Dichters. Cotta beschließt, die Wahrheit über das Leben und Werk seines Idols herauszufinden und fährt trotz Ausreiseverbot nach Tomi. Er erkundigt sich bei den Einwohnern nach dem Verbannten und wird von ihnen nach Trachila geschickt, wo er in Nasos Haus auf Pythagoras trifft. Nasos Knecht wirkt zunächst verwirrt, bringt Cotta aber, nachdem er dessen Anliegen gehört hat, in einen verwilderten Garten, der vor dem Haus liegt. Zwischen den Pflanzen befinden sich Steine unterschiedlicher Größe und Beschaffenheit, auf denen teilweise die Schlussverse der „Metamorphosen“ eingraviert sind. Cotta liest die Inschriften und legt sich dann im Haus schlafen. Nachdem er mehrfach von Alpträumen heimgesucht wird, flieht er in den frühen Morgenstunden. Auf dem Weg zurück, begegnen ihm verkleidete Bewohner Tomis, die ausgelassen Karneval feiern. Einige Tage nach dieser Nacht lernt Cotta die Prostituierte Echo kennen und verbringt seine Zeit mit ihr. Sie kannte Naso und erzählt Cotta Geschichten aus den „Metamorphosen“. Nach Echos Verschwinden erfährt er von der Weberin Arachne weitere Erzählungen. Als die Gegend von starken Unwettern verwüstet wird und immer ungewöhnlichere Dinge in Tomi passieren, macht sich Cotta ein weiteres Mal auf den beschwerlichen Weg nach Trachila. Er will dort Naso finden, der ihm der Schlüssel zu den Geschehnissen zu sein scheint. Auch diesmal bleibt ihm der Dichter verborgen. Deshalb beschließt Cotta, sich mit den Ereignissen abzufinden und kehrt in die Stadt zurück. Dort versucht er, Nasos Geschichten zu sortieren und die „Metamorphosen“ wieder herzustellen. Irgendwann realisiert er, dass Nasos Werk in Tomi Wirklichkeit geworden ist und dass er sich inmitten Nasos Welt befindet. Ab diesem Zeitpunkt interessiert ihn nur noch seine eigene Rolle darin.

2.3 Interpretation:

In den 15 Kapiteln des Romans wechseln die Schauplätze zwischen der Metropole Rom, der Hafenstadt Tomi und dem Gebirgsdorf Trachila. Tomi und Trachila gehören zum Machtbereich Roms, befinden sich aber am Rand des Staatsgebiet. Obwohl Ransmayr die Verbannung Ovids aus Rom um 8 n. Chr. thematisiert, ist „Die Letzte Welt“ kein historischer Roman. Der Autor durchsetzt die antike Szenerie mit modernen Elementen und lässt dadurch die Zeiten miteinander verschmelzen. Die Erzählzeit umfasst 319 Seiten. Die erzählte Zeit beträgt etwa ein Jahr und lässt sich anhand des Wechsels der Jahreszeiten rekonstruieren. So beginnt der Roman mit Cottas Schiffsreise im April und endet mit seiner Wanderung nach Trachila im selben Monat des nächsten Jahres. Der Handlungsverlauf ist anachronistisch und wird von Retrospektiven unterbrochen, die ab Nasos Rede in der Schule bis zu seiner Verbannung etwa zwei Jahrzehnte umfassen. Darüber hinaus unterbrechen Binnentexte die Handlung. Das sind fiktionale Texte, wie die Beschreibung des Spielfilms „Ceyx und Alcyone“ oder die Untergangsvision von „Deucalion und Pyrrha“. Sie beinhalten die „Metamorphosen“ auf unterschiedliche Weise. Die Geschehensdarbietung erfolgt abwechselnd aus der Sicht des Erzählers und aus Cottas Perspektive. Auch Erzählerbericht und Personenrede in Form von erlebter Rede fluktuieren. Zwei Handlungsstränge laufen parallel zueinander. Zum einen ist das die zielgerichtete Erzählung vom suchenden Cotta und zum anderen sind es Ovids „Metamorphosen“, die darin eingewebt sind. Auf der zweiten Ebene ist aber keine eigene Handlung zu finden und auch die Vermischung der beiden Ebenen bleibt statisch und ergibt keine Handlung. So sucht Cotta noch bis zum Ende die „Metamorphosen“, obwohl er sich längst in ihrer Welt bewegt.

2.3.1 „Metamorphosen“ und „Die Letzte Welt“:

Die „Metamorphosen“ von Publius Ovidius Naso sind ein zentrales Thema innerhalb der letzten Welt. Ransmayr gibt sie außerdem explizit als Vorlage für seinen Roman an, den er schrieb, nachdem er von Enzensberger damit beauftragt worden war, die „Metamorphosen“ für „Die Andere Bibliothek“ in deutsche Prosa zu übertragen. Ovid verarbeitete in seinem Werk etwa 250 Verwandlungssagen aus der griechischen und italienischen Mythologie, die durch das wiederkehrende Thema der Verwandlung (griech. metamorphosis) miteinander verbunden sind. Das Epos beginnt mit der Darstellung der Erschaffung der Welt und endet mit der Beschreibung vom Tod und der Vergöttlichung Julius Caesars. Ransmayr entwendete dem phantastischen Sagengeflecht 35 Figuren, die er veränderte und in der Letzten Welt neu arrangierte. Um dem Ovid-unkundigen Leser einen Vergleich zu ermöglichen, stellte er sie im Rahmen eines ovidischen Repertoires ihrer antiken Vorlage gegenüber. Direkt aus den „Metamorphosen“ übernommene Passagen, sind in Ransmayrs Buch kursiv gedruckt. Überdies lässt der Schriftsteller den Dichter Naso auftreten, der bis auf wenige Ausnahmen identisch mit Ovid zu sein scheint. Nasos Hauptwerk sind die „Metamorphosen“, die dem Original ebenfalls zu gleichen scheinen, aber von den Figuren der letzten Welt unterschiedlich wahrgenommen und gedeutet werden.

2.3.2 Pythagoras:

„Keinem bleibt seine äußre Gestalt, die Verwandlerin aller / Dinge, Natur, sie lässt aus dem Einen das Andere werden“[i] ist die zentrale Aussage der „Metamorphosen“ und steht dort im letzten Buch. Darin verehrt Ovid Pythagoras, der das um 500 v. Chr. erkannt hat. Ransmayr übernimmt die Feststellung wörtlich in seinen Roman, wo Cotta sie auf einem Stofffetzen in Trachila sieht. Nasos Knecht wohnt dort und versucht alles zu bewahren, was Naso von sich gibt, indem er steinerne Kegel und Stoffbänder mit Äußerungen Nasos zu Denkmälern verwebt. Er glaubt in seinem Herrn seine Entsprechung und dadurch Harmonie gefunden zu haben. Ransmayr bezieht sich damit wiederum auf den historischen Pythagoras, der ein Zahlenmodell entwickelte, dass die Ordnung und Harmonie des Universums unterstrich. Aber obwohl „Der Satz des Pythagoras“, der auch der Berechnung eines Kegels dient, nach ihm benannt wurde, haben ihn seine Schüler erstellt. Obgleich der historische Pythagoras etwa 500 Jahre vor Ovid lebte, führt Ransmayr sie in seinem Roman zusammen. Die beiden haben ein ähnliches Schicksal, denn sowie Ovid von Kaiser Augustus verbannt wurde, verließ Pythagoras seine Heimat, weil er sich ihrem Gebieter nicht unterordnen wollte. Obwohl Ransmayrs Pythagoras zunächst noch eine optimistische Sicht auf die Zukunft der Welt hat, so ist seine Maxime die Veränderung, und ihm deshalb klar, dass der „Untergang“[ii] in Tomi schon sichtbar ist. Es ist für ihn eine Zerstörung der Zeit (vgl. Ransmayr, S.189), die auch den Rest der Welt erfassen wird.

2.3.3 Apokalypse und „Die Letzte Welt“:

Sowie Ovid in seinem Werk die ewige Veränderung aller Dinge proklamiert, ist auch „Die Letzte Welt“ dem Prozess der Metamorphose unterworfen. Das wird insbesondere in Tomi und Trachila sichtbar, in denen die Verwandlungen ähnlichen Prinzipien folgen, wie jene, die Ovid beschreibt. Menschen verwandeln sich hier allmählich oder sofort in Steine oder in Natur und lösen sich auf. Aber im Gegensatz zu Ovid, der davon ausgeht, dass nichts in der Welt wirklich zugrunde geht (vgl. Ovidius, S. 569), ist bei Ransmayr die Verwandlung in Natur als Finalerfahrung des Menschen angelegt und impliziert damit den Untergang der Menschheit.

[...]


[i] Ovidius Naso, Publius: Metamorphosen. Hrsg. von Erich Rösch. 9. Auflage. München: Heimeran 1980.

[ii] Ransmayr, Christoph: Die letzte Welt. Nördlingen: Greno 1988 ( = Die andere Bibliothek).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Motiv der Apokalypse in Christoph Ransmayers Roman "Die Letzte Welt"
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V92924
ISBN (eBook)
9783638067270
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motiv, Apokalypse, Christoph, Ransmayers, Roman, Letzte, Welt
Arbeit zitieren
Helen Lorentz (Autor:in), 2007, Das Motiv der Apokalypse in Christoph Ransmayers Roman "Die Letzte Welt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92924

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