Aktuelle öffentliche Debatten moderner Gesellschaften in Politik, Wirtschaft, und Philosophie verweisen immer wieder auf bekannte soziale Phänomene: Politik- bzw. Parteienverdrossenheit, gebrochene Wahlversprechen, staatliche Immobilität und Problemlösungsunfähigkeit im Zeitalter der „Globalisierung“. Als Lösungen werden oft mehr Ehrlichkeit von Politikern, die Entkrustung des Parteienstaates, sowie Kompetenzverschiebungen und Ausschussbildungen im institutionellen Gefüge politischer Systeme gefordert.
Die Gemeinsamkeit fast aller dieser Forderungen besteht darin, dass sie sich hauptsächlich am Selbstverständnis des jeweiligen politischen Systems orientieren, also grundlegende politische Strukturen, Prozesse, und Inhalte kaum in Frage stellen, wenngleich genau jene als Hauptursache für die genannten Probleme identifiziert werden können. Neben dieser Kommunikationsschwelle scheint es allerdings auch einen Bildungsrückstand und/oder ein Unverständnis in Politik und Öffentlichkeit darüber zu geben, was die Sozialwissenschaften bereits seit vielen Jahren als (Teil der) Ursache für die zuvor skizzierten Probleme ausmacht: Den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft.
In den westlichen Demokratien der OECD vollzieht sich eine sozioökonomische Wandlung, die prinzipielles und vor allem politisches Umdenken erfordert. Spezifisches Fachwissen, in erster Linie auf wissenschaftlicher Basis, diffundiert zunehmend in alle gesellschaftlichen Teilbereiche und löst den Materialismus des Industriezeitalters als Berufsgrundlage ab. Die Wissensgesellschaft muss zudem mit nie da gewesenen Risiken und Ungewissheiten von existenzieller Natur fertig werden, die, entgegen einiger Annahmen, durch die fortlaufende Akkumulation von Wissen und die Detailreformierung politischer Systeme nicht einfach ausgeräumt werden können. Wenn die betreffenden politischen Systeme ihre Steuerungsfähigkeit und Responsivität unter diesen veränderten Umständen unter Beweis stellen müssen, ihre Institutionen und Mechanismen aber im Kern denen der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts entsprechen, dann ergeben sich grundlegende Missverhältnisse.
Folglich stellt sich die Frage: Welche Rolle sollte Politik unter den veränderten Umständen der Wissensgesellschaft einnehmen, um an Problemlösungsfähigkeit und Legitimität zu gewinnen und wie ließe sich diese Rolle verwirklichen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Merkmale der Wissensgesellschaft
- Wissenspluralismus
- Wissenschaft und Expertise
- Wissensökonomie
- Risiko
- Problemdiagnose: Das Dilemma von Politik im Kontext der Wissensgesellschaft
- Politik und Risiko
- Politik und Wissenspluralismus
- Politik und Wissensökonomie
- Politik und Wissenschaftssystem
- Lösungsansätze und Ausblick
- Lernen
- Aufgaben der Politik
- Politische Vermittlung im Wissenspluralismus
- Realisierungschancen
- Legitimität des Wissens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle von Politik in Wissensgesellschaften und untersucht, wie sich das politische System in Zeiten des Wandels von der Industrie- zur Wissensgesellschaft neu orientieren muss, um an Problemlösungsfähigkeit und Legitimität zu gewinnen. Die Arbeit analysiert die wichtigsten Merkmale der Wissensgesellschaft und beleuchtet deren Auswirkungen auf das politische System. Insbesondere werden die Herausforderungen, die sich aus dem Wissenspluralismus, der Wissensökonomie und dem Umgang mit Risiken ergeben, untersucht.
- Die Entstehung der Wissensgesellschaft und ihre Charakteristika
- Die Herausforderungen des Wissenspluralismus und der Wissensökonomie für das politische System
- Die Rolle von Politik im Umgang mit Risiken in der Wissensgesellschaft
- Lösungsansätze für die Anpassung des politischen Systems an die veränderten Bedingungen der Wissensgesellschaft
- Die Frage nach der Legitimität von Wissen in der Wissensgesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und erläutert den Hintergrund der Fragestellung, die sich aus dem Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ergibt.
Kapitel 2 analysiert die wichtigsten Merkmale der Wissensgesellschaft, darunter Wissenspluralismus, die Bedeutung von Wissenschaft und Expertise, die Wissensökonomie und die Herausforderung durch neue Risiken.
Kapitel 3 beleuchtet die Problematik von Politik im Kontext der Wissensgesellschaft und untersucht, wie sich die genannten Merkmale auf das politische System auswirken.
Kapitel 4 geht auf Lösungsansätze für die Anpassung des politischen Systems an die veränderten Bedingungen der Wissensgesellschaft ein und diskutiert deren Realisierungschancen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der Wissensgesellschaft, darunter Wissenspluralismus, Wissensökonomie, Risiko, politische Steuerung, Legitimität und die Anpassung des politischen Systems an die neuen Herausforderungen der Wissensgesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Patrick Sumpf (Autor:in), 2006, Die Rolle von Politik in Wissensgesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92927