Smart Beta ETF Investoren. Der Zusammenhang von Charaktereigenschaften und Portfoliostrategien

Eine Verhaltensanalyse


Bachelorarbeit, 2019

46 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Formelverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Grundlagen zu Investitionsstrategien
2.1 Assetmanagement
2.2 Passives Portfoliomanagement
2.3 Aktives Portfoliomanagement
2.4 Hybrid Form: Smart Beta ETF

3. Grundlagen des Investitionsverhaltens
3.1 Die Neoklassische Kapitalmarkttheorie und ihre Grenzen
3.2 Die Behavioral Finance als Erklärungsansatz für Marktanomalien
3.3 Marktanomalien in der Wertschöpfungskette
3.3.1 Anomalien in der Informationsaufnahme
3.3.2 Anomalien in der Informationsverarbeitung
3.3.3 Anomalien in der Entscheidungsfindung

4. Analyse der Investorentypen
4.1 Charakteristika eines aktiven Investors
4.2 Charakteristika eines passiven Investors
4.3 Charakteristika von Smart Beta ETF Investoren
4.3.1 Innere Charaktereigenschaften eines Smart Beta ETF Investors
4.3.2 Äußerliche Charaktereigenschaften eines Smart Beta ETF Investors
4.3.3. Maßnahmen zur Korrektur von abweichendem Investitionsverhalten

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung der Asset-Allokation

Abbildung 2: Performance von aktiven Anlegern

Abbildung 3: Die Vorteile eines Smart Beta ETFs

Abbildung 4: Aufbau des Verhaltens

Abbildung 5: Darstellung der Investorentypen

Abbildung 6: Risikotoleranzverhältnis eines aktiven Investors

Abbildung 7: Risikotoleranzverhältnis eines passiven Investors

Abbildung 8: Verhaltensaufbau eines SBEI

Formelverzeichnis

Formel 1: CAPM Formel zur Berechnung der erwarteten Rendite

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

„What we believe to be the motives of our conduct are usually but the pretexts for it.”

- Miguel de Unamuno, Spanischer Philosoph von 1864 bis 1936

Die Investitionsvielfalt steigt und ein Produkt hat es den Anlegern besonders angetan. Der Exchange Traded Fund (ETF) erfreut sich bei den privaten, professionellen und institutionellen Anlegern eines starken Ansehens. Das zu verwaltende Vermögen in ETFs ist von 2005 bis 2018 weltweit um mehr als das elffache angestiegen. 2018 betrug das Vermögen 4.685 Mrd. US-Dollar.1 So wie die Beliebtheit von ETF Produkten im Allgemeinen steigt, steigt auch die Beliebtheit der Smart Beta ETFs auf dem Markt. Das unabhängige Forschungs- und Beratungsunternehmen ETFGI berichtete im Dezember 2018 von einem Gesamtvermögenswert von 641 Mrd. US-Dollar in ETFs und Exchange Traded Products (ETP).2 Tendenz steigend. Das steigende Wachstum führt dazu, dass das damals als Trend angesehene Produkt nun eine große Rolle am Markt spielt. Das gestiegene Volumen lässt die Frage aufkommen: Wer investiert eigentlich in ETFs und mit welcher Erwartung tut er dies?

Auf dem Markt kann ein Investor prinzipiell zwischen einem aktiven oder passiven gemanagten Investitionsvehikel unterscheiden. Der ETF gehört zu den passiven Produkten. Schlussfolgernd ist der Smart Beta ETF auch passiver Natur. Auf dem ersten Blick ist dieser nicht viel anders als ein normaler ETF, sein primäreres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Faktorisierung. Durch diese versucht sich der Smart Beta ETF Marktineffizienzen zu eigen zu machen. Die Zielsetzung dieser Ausnutzung ist die Erwirtschaftung von mehr Rendite. Die höhere Rendite geht, laut den vorherrschenden Kapitalmarkttheorien, mit einem höheren Risiko einher.

Die Faktorisierung des Smart Beta ETF, dem primären Unterschiedsfaktor zum normalen ETF, bringt für den Investor gewisse Problematiken mit sich. Zum einen geht er durch diese ein höheres Risiko ein, als bei einem ETF, welcher nach Marktkapitalisierung gewichtet wird. Zum anderen fallen durch die spezifische Gewichtung der Faktoren höhere Gebühren an. Studien zeigen, dass der Smart Beta ETF nicht immer die gehoffte Überrendite erwirtschaftet. Je nach Marktzyklus fällt diese höher oder geringer aus. Schlussfolgernd geht hier der Investor ein höheres Risiko und höhere Gebühren ein, die von der Rendite her nicht immer gerechtfertigt sind.3 Vielen Investoren ist die beeinträchtige Relation zwischen Rendite und Risiko nicht immer bewusst. Diese verschwommene Sicht kann in Zeiten, in denen der Smart Beta ETF eine schlechte Wertentwicklung aufweist, zu schnellen und irrationalen Handlungen bei den Haltern führen. Das kann in Form von Panikverkäufen ausgedrückt werden. Angesichts des großen Volumens, welches in Smart Beta ETFs investiert wird, könnte im Falle eines wie oben geschriebenen Panikzustandes, das gesamte Wirtschaftssystem Schäden davontragen. Schäden die theoretisch durch ein besseres Bewusstsein über die Verhaltensverzerrungen die mit dem Investitionsprodukt miteinhergehen und diese dadurch verhindert oder gemindert werden.

Die Verhaltensökonomie, im weiteren Verlauf Behavioral Finance genannt, beschäftigt sich mit den Verhaltensmustern von Investoren. Sie versucht, mit Hilfe der Psychologie und Wirtschaftswissenschaft, menschliches Verhalten an der Börse zu identifizieren, zu mustern, und zu erklären. Durch dieses generierte Wissen lassen sich Marktprognosen erstellen und im besten Fall Marktzusammenbrüche aufhalten bzw. verhindern.4

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, welche Charaktereigenschaften einem Smart Beta ETF interessierten Investor zugeordnet werden können. Anhand der definierten Charaktereigenschaften können Anomalien im Anlegerverhalten identifiziert, erklärt und Methoden zur Eliminierung dieser genannt werden. Die Analyse des Investorenverhaltens kann für viele Interessengruppen wichtig sein, hier bspw. für private Anleger, Fondmanager oder Finanzberater. Durch das Wissen wie Investoren sich in Bezug auf Risiko verhalten, kann es zu besseren Einschätzungen und Beratungen kommen, welche Investitionsprodukte zu den jeweiligen Interessen passen. Dies kann zu einer gut funktionierenden Gesamtwirtschaft beitragen.

1.2. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich im weiteren Verlauf wie folgt. Zunächst wird ein allgemeines Verständnis von Investitions- und Portfolienstrategien der Privatinvestoren geschaffen. Hier werden die aktiven, passiven sowie hybriden Investitionsalternativen skizziert. In der hybriden Investitionsalternative befindet sich der Smart Beta ETF wieder. Neben den Anlageprodukten wird im dritten Kapitel der Arbeit das Anlageverhalten basierend auf verschiedenen theoretischen Konzepten der Behavioral Finance beleuchtet.

Die Behavioral Finance fungiert als primärer Finanztheorieansatz für die Analyse und Schlussfolgerung. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung zu verstehen, in welchem Maße die Behavioral Finance die neoklassische Markttheorie ablöst, um Marktereignisse zu erläutern. Das vierte Kapitel stellt den Hauptteil der Arbeit dar. Die Investitionsstrategien und die theoretischen Grundlagen der Behavioral Finance werden hier zusammengeführt, um basierend darauf Investitionstypen klassifizieren zu können. Im letzten Abschnitt der Arbeit werden die analysierten Korrelationen zwischen den Verhaltensweisen und den Portfoliostrategien zusammenfassend dargestellt mit besonderer Berücksichtigung des Smart Beta ETF Investors.

2. Grundlagen zu Investitionsstrategien

Um den Kerngedanken „Wie investieren Investoren und worin unterscheidet sich ihr Portfoliomanagementstile?“ des ersten Kapitels nachzuvollziehen, wird im ersten Abschnitt von Kapitel zwei das Assetmanagement grob veranschaulicht und darauf aufbauend die Portfoliomanagementstile skizziert.

2.1 Assetmanagement

Das Assetmanagement, auch gerne Portfoliomanagement genannt, beschäftigt sich mit allen Aspekten rund um das Aufbauen von Vermögen, sowie den langfristigen Erhalt dessen.5 Die Kernelemente sind die Planung, die Ausführung und die Kontrolle des zu verwaltenden Vermögens.6 Ein hervorragend bzw. ein mangelhaft geführtes Management kann über den Erfolg oder Misserfolg des Portfolios entscheiden und verlangt daher eine gute Planung und Ausführung dessen.

Der Investitionsprozess kann für den Investor wie eine Wertschöpfungskette verstanden werden, bestehend aus der Planung bzw. Informationsbeschaffung, gefolgt von der Informationsverarbeitung, hin zur Entscheidungsfindung und Kontrolle der getroffenen Entscheidungen.7 Die Planung legt die Grundrichtung und die Maßstäbe des zu betrachtenden Portfolios fest. Zunächst wird in der Planung ein Anlagenziel für das gesamte Portfolio festgelegt. Das Anlageziel geht mit der Bestimmung eines vergleichbaren oder gewünschten Benchmarks miteinher, dies kann zum Beispiel ein vergleichbarere Marktindex sein.8 Des Weiteren muss sich der Investor in der Planung Gedanken um die Anlagenpolitik machen. Die Kernpunkte hier sind die Fragen um die Verteilung von Vermögen, Renditeerwartungen und die jeweilige Risikotoleranz.9

Die Asset-Allokation kümmert sich um die optimale Verteilung von Vermögen auf Asset- Klassen. Sie bildet einen Teilbereich des Assetmanagements. Dabei versteht sich eine Asset-Klasse als eine Zusammenfassung gleichartiger Vermögensobjekten. Die Objekte werden zum Beispiel nach Art der Finanzinstrumente, nach Region und bzw. oder nach Marktsegment unterschieden und kategorisiert. Neben der Festlegung der Asset-Klasse sind weitere Prämissen vom Anleger festzulegen. Unter anderem die Risikotoleranz, die Renditeerwartung und der Anlagehorizont für das Investieren seines Vermögens.10 11 12 Für die inhaltliche Festlegung dieser Prämissen unterteilt sich die Asset-Allokation in die strategische und taktische Asset-Allokation. Anhand der Abbildung 1 lässt sich erkennen, dass die strategische Asset-Allokation die Grundbausteine für die Zusammensetzung des Portfolios bestimmt. Die taktische Asset-Allokation führt anhand dessen die konkrete Zusammensetzung des Portfolios aus.11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Darstellung der Asset-Allokation12

Die strategische Asset-Allokation legt für den Investor lang- bis mittelfristige Entscheidungen über die Zusammensetzung des Portfolios bzw. der Investitionen fest.13 Die taktische Asset-Allokation beschäftigt sich mit kurz- bis mittelfristigen Anlegerzielen. Der Planungshorizont erstreckt sich von einem Monat bis zu einem Jahr.14

Wurde in der Planung die Prämissen festgelegt, kommt die Ausführung der Planungsschritte. Zunächst muss sich der Investor fragen, nach welcher Portfoliomanagementstrategie er sein Portfolio zusammenstellen möchte. Dabei organisiert das Portfoliomanagement die Investitionen in Asset-Käufe bzw. -Verkäufe, mit der Zielsetzung Rendite zu erwirtschaften.15 Hier stehen ihm allgemein zwei Hauptstrategien zur Auswahl, die aktive oder die passive Portfoliostrategie. Wie bereits genannt, kann der Investor auch das Hybridprodukt der beiden Strategien für sein Portfolio anwenden. Je nach Auswahl werden im nächsten Schritt die Assets bzw. die Asset-Klassen für das jeweilige Portfolio ausgewählt.16

Die Performancemessung dient dem Anleger als Kontrollinstrument. Das Instrument misst die Performance des jeweiligen Portfolios unter bestimmten Gesichtspunkten. Wie die Performance gemessen werden soll, hängt stark davon ab, welche Portfoliostrategie der Anleger verfolgt. Je nach Strategie ist bspw. eine Überperformance oder eine Replizierung eines Index vom Anleger, für sein Portfolio, gewünscht.17 Für welche Strategie sich der Investor entscheidet, liegt unter anderem an der jeweiligen Anlagephilosophie hinsichtlich effizienter Märkte.18

Im Folgenden werden die verschiedenen Portfoliostrategien dargestellt.

2.2 Passives Portfoliomanagement

Der passive Portfoliomanagementstil strebt keine Überperformance gegenüber dem Index an. Dieser Stil imitiert viel mehr einen Benchmark und versucht eine ähnliche Performance zu erzielen. Als ein Benchmark wird ein Vergleichsmaß bezeichnet, an dem sich der Anleger für die Performancemessung orientiert.19 Dieser Investmentstil wird auch „Indexierung“ genannt.20

Für das passive investieren verwendet der Anleger passiv verwaltete Indexfonds. Das populärste Instrument ist der ETF. Durch den Kauf eines ETFs, kauft ein Investor alle Titel eines ausgesuchten Index. Somit rekonstruiert er die Zusammenstellung des Index und verläuft bei jeder Indexbewegung identisch mit diesem mit. Durch seine Zusammensetzung erwirtschaftet er eine zum Index vergleichbare Rendite, die jedoch aufgrund von Gebühren und Transaktionskosten des ETFs geringer ausfällt.21

Als Verfahren wird gerne das „Index Tracking“ verwendet. Dabei wird versucht einen gewählten Index bestmöglich nachzubilden. Das Index Tracking wird in drei Unterkategorien eingeteilt. Diese lauten vollständige Nachbildung, Nachbildung durch die Auswahl von bestimmten Assets aus dem Index und synthetischen Nachbildung durch derivative Finanzinstrumente.22

Für die Performancebemessung wird der Tracking Error herangezogen. Dieses Anlegerinstrument zeigt die Performanceabweichung eines passiven Portfolios zum Benchmark. Bei einem Tracking Error von Null bewegt sich das Portfolio genau entlang des Benchmarks. Je höher der Tracking Error desto stärker ist die Abweichung zum Maßstab.23 Ein passiver Anleger ist stets bestrebt einen Tracking Error nahe Null zu erreichen, da eine Abweichung vom Index für ihn ein höheres Risiko ohne höhere Rendite bedeutet.

Diese starke Verfolgung eines Index geht mit der Finanztheorie einher, welche die Grundidee des passiven Portfoliomanagements darstellt. Gemeint ist die neoklassischen Kapitalmarkttheorie. Die bedeutsamsten Erkenntnisse hieraus sind die Effizienzmarkthypothese und das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Die Effizienzmarkthypothese von Fama geht von einem effizienten Markt aus, in dem sämtliche Informationen des Marktes in den Marktpreis einfließen. Daraus resultiert ein vollkommen transparenter Markt. Informationsvorsprünge für einen gewinnbringenden Vorteil, sind demnach nicht möglich.24 Das CAPM von Sharpe, Lintner und Mossin ist ein Gleichgewichtsmodell und baut auf der Portfoliotheorie von Markowitz auf. Das Modell beschreibt einen linearen Zusammenhang zwischen der Wertpapierrendite und der Risikogröße Beta-Faktor. Dieser lineare Zusammenhang wird mathematisch durch die Wertpapiermarktlinie formuliert.25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Formel 1: CAPM Formel zur Berechnung der erwarteten Rendite

E(Ri) stellt die erwartete Rendite des Wertpapiers dar, die sich zusammensetzt aus dem risikolosen Zinssatz (RFR) addiert mit dem Produkt aus dem Beta-Faktor (ßi) multipliziert mit dem Alpha-Faktor. Der Beta-Faktor, als Risikogröße, ist ein Sensibilitätsmaßstab für das systematische Risiko eines Wertpapiers. Er ist als Verhältnis des durchschnittlichen Kovarianzrisiko eines Wertpapiers zum durchschnittlichen Kovarianzrisiko des Marktes definiert. Das systematische Risiko wird vom gesamten Markt getragen, bspw. eine Naturkatastrophe.26 Der Alpha-Faktor ist die Marktrendite abzüglich des risikolosen Zinssatzes [E(RM)-RFR] und stellt das unsystematische Risiko dar, auch titelspezifisches Risiko bezeichnet, da dieses unternehmensabhängig ist. Hierzu zählen unteranderem Managemententscheidungen. Das unsystematische Risiko wird durch Diversifikation aus dem Portfolio eliminieren. Somit wird es im CAPM nicht weiter betrachtet. Folglich wird ein Investor nur für das erhöhte Eingehen von systematischen Risiko mit einer höheren Rendite belohnt.27

Der passive Investor stimmt mit den Grundansätzen und Prämissen der Effizienzmarkthypothese überein und hat Annahmen und Bedingungen für seine Umgebung gebildet. Es wird ein transparenter Markt vorausgesetzt, in dem alle Marktteilnehmer rational handeln, es keine Transaktionskosten und steuerlichen Abzüge gibt und die Marktpreise zum Marktgleichgewichtspreis gehandelt werden.28

Ein passiver Investor verwendet für die Annahme seiner Kursverläufe die Random-Walk- Hypothese. Hier nach sind Kursverläufe zufälliger Natur. Die Informationen oder Nachrichten, die die Kurse verändern sind unvorhersehbar. Demnach lassen sie sich nicht mit der Fundamentalanalyse, technischen Analyse oder durch das Heranziehen von Spezialwissen prognostizieren.29

Der passive Investitionsansatz ist für viele Anleger eine gute Art eine solide Rendite zu erwirtschaften. Diese Investmentprodukte erfreuen sich daher einer großen Beliebtheit. Diese kann durch die geringeren Managementkosten und der breiteren Diversifikation als beim aktiven Portfoliomanagement begründet sein.30

Jedoch was passiert, wenn jeder Investor nur noch passive Indexfonds halten würde? Mit dieser Frage hat sich Gränitz (2015) in seinem Artikel beschäftigt. Gränitz (2015) nennt hier das „Informationsparadox“ und bezieht sich darauf, dass wenn alle für den Marktpreis relevanten Informationen bereits im Preis vorhanden wären, kein Marktteilnehmer mehr einen Anreiz habe die Informationen selbst zu beschaffen. Schlussendlich wären die Märkte nicht mehr effizient und die Übergewichtung von passiven Marktteilnehmern würden zu Anomalien führen. Die aktiven Investoren können durch die Ausnutzung dieser Anomalien das Gleichgewicht wiederherstellen. Gränitz (2015) kommt zum Ergebnis, dass ein Übergewicht von passiven Investoren schädlich für den Markt wäre und ein Gleichgewicht zwischen aktiven und passiven Investoren herrschen sollte.31

2.3 Aktives Portfoliomanagement

Den Markt zu schlagen, oder besser gesagt eine Performance zu erzielen, die über einem vergleichbaren Marktindex liegt, ist eine Utopie für viele Anleger seit Beginn der Börse. Diese Traumvorstellung ist für Investoren der Leitgedanke für einen aktiven Anlagestil.32 Das aktive Portfoliomanagement differenziert sich dahingehend vom passiven Management, indem es auf eine Outperformance bzw. Überrendite gegenüber einem Benchmark abzielt. In den meisten Fällen werden Indizes als Benchmark herangezogen, allerdings können auch andere Wertpapiere und Fonds verwendet werden. Allgemein ist dies vom Anleger selbst zu bestimmen und in einen sinnvollen Kontext zu bringen.33

Wird bspw. das Portfolio eines aktiven Fondmanagers betrachtet, befinden sich hier klassische Fonds wie Aktienfonds, Immobilienfonds und Rentenfonds.34 Andere Assets können ebenfalls aktive gemanagte werden. Der einzige entscheidende Faktor bei der Titelauswahl ist, die Fähigkeit des Investors zur Identifizierung von Faktoren, die die Rendite bestimmen.35

Dafür werden im Rahmen des aktiven Portfoliomanagements die Methoden der Selektion und Timing, der Fundamentalanalyse und der technischen Analyse verwendet. Bei der Selektion und Timing Methode fokussiert sich der Investor auf die Gewichtung der Assets in seinem Portfolio. Durch die Selektion sollen Assets übergewichtet werden, die eine höhere Rendite erwirtschaften als der Benchmark. Das Timing soll Assetklassen identifizieren, die in der Zukunft eine überdurchschnittliche Rendite einbringen, um diese auch über zu gewichten.36 Die Fundamentalanalyse ist eine Methode, die sich ebenfalls Informationsvorsprünge zu Nutze macht. Hier wird anhand interner und externer Unternehmensdaten ein beizulegender Zeitwert bestimmt, der sich vom Börsenpreis unterscheidet. So geht die Fundamentalanalyse davon aus, dass sich in der Zukunft der Marktpreis eines Wertpapieres an den beizulegenden Zeitwert orientiert. Im Fall eines Marktpreises, der unter dem Zeitwert liegt, würde der Investor in der Zukunft von einem wachsenden Preis partizipieren, so eine Rendite erwirtschaften und vice versa. Die technische Analyse versucht ihren Informationsvorsprung durch die Auswertung von historischen Daten über den Preis und der Rendite zu generieren. Hier liegt der Fokus auf der frühzeitigen Erkennung von Trendverläufen und Wendepunkte der Kurspreise.37

Die Gemeinsamkeit der Methoden Selektion und Timing, Fundamentalanalyse und technischer Analyse ist die Ausnutzung von Marktineffizienzen. Im aktiven Portfoliomanagement vertritt der Anleger die Position, dass die Märkte voll- oder teilweise ineffizient sind und sich durch diese Ineffizienz Gewinne einbringen lassen. Somit wendet er sich von der Effizienzmarkthypothese von Fama ab und versucht genau diese Ineffizienz gewinnbringend zu nutzen. Schlussfolgend ist seine Rendite abhängig davon, inwieweit ein Markt effizient oder ineffizient ist bzw. wie viel Spezialwissen der aktive Investor über diesen Markt verfügt.38

Schaut man sich die empirischen Daten über aktives Portfoliomanagement an, lässt sich erkennen, dass diese Strategie für die meisten Investoren keine Überschussrendite erwirtschaftet. Für viele ist die Strategie viel mehr ein Nullsummenspiel oder sogar ein negatives Summenspiel, wenn neben der erwirtschaften Rendite die Kosten herangezogen werden. Die Kosten für das aktive Management sind beispielsweise Transaktionskosten, Verwaltungskosten sowie steuerliche Abzüge. Darüber hinaus sollte der zeitliche Aufwand zur Informationsbeschaffung in einem adäquaten Verhältnis zur Rendite stehen.39 Abbildung 2 veranschaulicht in den Zeiträumen fünf bzw. zehn Jahren den prozentualen Anteil von aktiven Investoren, die schlechter bzw. besser als der DAX waren. Es lässt sich leicht erkennen, dass nur ein kleiner Anteil von 20% bzw. 31% der Anleger besser waren, die Anderen haben schlechter performt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Performance von aktiven Anlegern40

Wie bereits erwähnt, rentiert sich die aktive Portfoliomanagementstrategie nicht für jeden Investor. Neben den beiden Strategien wird im Folgenden die Hybrid Form des Smart Beta ETF näher betrachtet.

2.4 Hybrid Form: Smart Beta ETF

Die Smart Beta ETFs genießen momentan eine Welle der Begeisterung. Wie der Name es bereits sagt, handelt es sich hier um einen smarten Ansatz einer Beta-Strategie. Der Smart Beta ETF ist ein passiv gehandelter ETF, der durch seine spezifische Faktorgewichtung einen aktiven Charakter aufweist. Die Grundidee des Smart Beta ETFs lässt sich auf das CAPM zurückführen.40 41 Durch den Erklärungsansatz des CAPM, dass sich das Risiko eines Assets anhand der Beta-Variable messen lässt, handelt es sich hier um ein Ein-Faktoren-Model. Neben dem Ein-Faktor-Modell existieren noch Multi­Faktoren-Modelle, zur Bewertung des systematischen Risikos. Der Vorteil hierbei ist eine bessere Analyse der Rendite durch die feinere Faktorstrukturierung.42

Die Erweiterung des Ein-Faktoren-Modell ist das Drei-Faktoren-Modell von Fama und French. Das Drei-Faktoren-Modell führt neben dem Beta-Faktor noch zwei weitere Faktoren zur Schätzung der Wertpapierrendite ein. Die Faktoren lauten Size und Value. Der Size-Effekt wurde von Fama und French untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass Small-Cap Aktien mehr Rendite erzielen als Large-Cap Aktien. Roll (1981) versuchte diesen Effekt zu erklären, mit dem Aspekt, dass Wertpapiere von kleineren Unternehmen weniger gehandelt werden. Dieses geringe Handelsvolumen führt zu einer Unterbewertung des Portfoliorisikos und einer Überschätzung der risikoadjustierten Rendite.43 Der Value-Effekt zeigt, dass Value-Aktien besser performen als Growth- Aktien. Dies soll damit zusammenhängen, dass das Wachstum von Growth-Aktien überschätzt wird und das von Value-Aktien unterschätz wird.44

Weitere Modelle mit Faktoren folgten. Carhart erkannte 1997 eine Schwäche im Erklärungsmodell von Farma und French. Er fügte in die Gleichung des Drei-Faktoren­Modells den Faktor Momentum hinzu. Durch die Erweiterung entstand das Vier- Faktoren-Modell. Der Momentum-Effekt beschreibt Wertpapiere, deren Unternehmen in einer kurzfristigen Zeitspanne, in der Regel 12 Monate, eine solide Wertentwicklung vollzogen haben. Für diese Unternehmen wird die Annahme getroffen, dass sie dieses Wachstum auch in Zukunft fortsetzen. Für „Verlierer-Aktien“ gilt das Prinzip in gleichen Maßen, diese werden voraussichtlich weiter fallen.45

Alle diese Faktoren haben eins gemeinsam: Sie beruhen auf wissenschaftlichen und empirischen Forschungen. Sie stellen einen Erklärungsansatz dar, der den Zusammenhang zwischen dem Überbewerten der Faktoren und einer höheren Wertpapierrendite zu erläutern versucht. Durch die genannten Modelle war es in der Investmentbranche nun möglich für quantifizierbare Marktstrukturen die Risikoprämie systematisch vom Marktportfolio zu trennen. Durch diese Trennung entstand ein handelbares Produkt, welches am Markt an die Anleger vermarktet werden konnte, sogenannte Multi-Faktoren-Modelle. Im Laufe der Zeit gab man diesen Multi-Faktoren- Modellen den Namen Smart Beta Strategien. Die Namensänderung sollte zeitgemäßer und profitabler klingen, um den Investor anzuregen zu investieren.46 47

Aufgrund der Faktorisierung weicht der Smart Beta ETF vom traditionellen ETF ab. Durch die andere Gewichtung innerhalb des ETFs erzielt der Smart Beta ETF einen höheren Tracking Error.

Ein Smart Beta ETF soll die Einfachheit und die Diversifikation eines passiven Produktes mit der Fokussierung auf eine Überrendite vereinen. Die Abbildung 3 veranschaulicht, wie sich der Smart Beta ETF die Synergieeffekte des aktiven und passiven Anlagestils zu Nutze macht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Vorteile eines Smart Beta ETFs 47

Viele dieser Strategien versprechen eine Überrendite und belegen diese durch historische Daten. Jedoch können daraus keine Prognosen konzipiert werden. Ein weiterer Aspekt ist das Konzentrieren auf einen bzw. mehrere Faktoren. Durch die Konzentration auf bestimmte Faktoren steigt das Portfoliorisiko. Verfolgt der Anleger bspw. eine Momentum-Strategie, wird er in seinem Portfolio vermehrt eine Ansammlung von Smart Beta ETFs mit dem Momentum-Effekt auffinden. Sollte der Markt hier einen Rückgang verzeichnen, wird das Portfolio mit der Momentum-Strategie diesen Rückgang stärker spüren als der Vergleichsindex. Dieser Effekt kann auch in die andere Richtung verlaufen und den Anleger zu mehr Rendite verhelfen.48

In Kapitel 2 wurde der Investitionsprozess vorgestellt und anschließend die Portfoliomanagementstrategien eingeführt. Im nächsten Kapitel wird aus der Perspektive der Verhaltensökonomie bzw. Behavioral Finance näher auf die kurz dargestellten Finanzmarkttheorien eingegangen.

[...]


1 Vgl. ETFGI et al. (2019), S. 1.

2 Vgl. Fuhr (2018), S. 1.

3 Vgl. Malkiel (2014), S. 130.

4 Vgl. Daxhammer/Facsar (2017), S. 24.

5 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), Vorwort.

6 Vgl. Jacob (2012), S. 13.

7 Vgl. Jacob (2012), S. 134.

8 Vgl. Fabozzi/Markowitz (2011), S. 4 f.

9 Vgl. Mondello (2015), S. 54.

10 Vgl. Fabozzi/Markowitz (2011), S. 5 f.

11 Vgl. Hockmann (2012), S. 637.

12 Quelle: Hockmann (2012), S. 637.

13 Vg\.Franzen/Schäfer (2018), S. 418.

14 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 419.

15 Vgl. Ohlms (2006), S. 10-12.

16 Vgl. Fabozzi/Markowitz (2011), S. 6 f.

17 Vgl. Lüscher-Marty (2017), S. 136.

18 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 424.

19 Vgl. Lüscher-Marty (2017), S. 159.

20 Vgl. Garz et al. (2002), S. 145.

21 Vgl. Garz et al. (2002), S. 142-150.

22 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 426-429.

23 Vgl. Götte (2010), S. 160.

24 Vgl. Garz et al. (2002), S. 82.

25 Vgl. Garz et al. (2002), S. 65 f.

26 Vgl. Ziemer (2018), S. 140 f.

27 Vgl. Reilly/Brown (2012), S. 216 -219.

28 Vgl. Scheufele/Haas (2008), S. 26.

29 Vgl. Benesch/Ivancsich (2005), S. 14 f.

30 Vgl. Lüscher-Marty (2017), S. 142.

31 Vgl. Gränitz (2015), S. 31 f.

32 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 440.

33 Vgl. Kommer (2018), S. 17.

34 Vgl. Perridon et al. (2017), S. 322 f.

35 Vgl. Gallati (2011), S. 129.

36 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 447.

37 Vgl. Perridon et al. (2017), S. 229-231.

38 Vgl. Will (2012), S. 11.

39 Vgl. Hockmann (2012), S. 683 f

40 Quelle: Hockmann (2012), S. 685.

41 Vgl. Meziani (2014), S. 146 f.

42 Vgl. Franzen/Schäfer (2018), S. 241 f.

43 Vgl. Roll (1981), S. 887.

44 Vgl. Lübbering et al. (2018), S. 12.

45 Vgl. Kula (2017), S. 90.

46 Vgl. Kula (2017), S. 157.

47 Quelle: Stevenson (2017), S. 1.

48 Vgl. Jacobs/Levy (2014), S. 3.

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Smart Beta ETF Investoren. Der Zusammenhang von Charaktereigenschaften und Portfoliostrategien
Untertitel
Eine Verhaltensanalyse
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
46
Katalognummer
V931304
ISBN (eBook)
9783346258779
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Smart Beta, Investition, Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftspsychologie, Aktien, ETF, Assetmanagement, Behavioral Finance, Kapitalmarkttheorie, Investitionen, Anomalien, Finanzmärkte, Portfoliomanagement, Investitionsmanagement, Markttheorien
Arbeit zitieren
Asma El Aoudati (Autor:in), 2019, Smart Beta ETF Investoren. Der Zusammenhang von Charaktereigenschaften und Portfoliostrategien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/931304

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