Die Entscheidung "Recht auf Vergessen I". Unionsgrundrechte als Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht


Hausarbeit, 2020

28 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. „Recht auf Vergessen I“ im Schatten von „Vergessen II“?

B. Bisheriger Meinungsstand
I. Unionsrechtlich voll determinierter Bereich
II. Spielraumbereich
1. Trennungsthese des BVerfG
a) Darstellung
b) Rechtsliteratur
2. Kumulationsthese des EuGH
a) Darstellung
b) Rechtsliteratur
3. Alternative Lösungsansätze

C. Die Entscheidung „Recht auf Vergessen I“
I. Sachverhalt
II. Neue verfassungsprozessuale Akzente durch das BVerfG
1. Rechtlicher Hintergrund
2. Abstrakte Darstellung
a) Abkehr des Ersten Senates von der Trennungsthese
b) Auslegung nationaler Grundrechte im Lichte der GRCh
c) Ausnahmen vom Vorrang nationaler Grundrechte
3. Abgrenzungskriterien des BVerfG
4. Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt
5. Zusammenfassung
III. Kritische Analyse und Stellungnahme
1. Kritikpunkte und Folgeschwierigkeiten
a) Gefahr eines Aushebelns der Kumulationstheorie
b) Abgrenzungsschwierigkeiten
c) Fehlende Bereitschaft zum Vorabentscheidungsverfahren
d) Zwischenergebnis
2. Chancen von „Recht auf Vergessen I“
a) Gleichgewicht in der europäischen Grundrechtelandschaft
b) Deutsche Stimme im europäischen Grundrechtedialog

D. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

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A. „Recht auf Vergessen I“ im Schatten von „Vergessen II“?

Seit der Begründung des Europäischen Gerichtshofes 1957 und verstärkt seit der rechtsverbindlichen Aufnahme der EU-Grundrechtecharta in europäisches Primärrecht durch den Lissabonner Vertrag 20091 (vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV) hat es zwischen den gewichtigen gerichtlichen Grundrechtsgaranten innerhalb der Europäischen Union einen regelrechten Ping-Pong-Kampf um die Kernfragen der vertikalen Machtverteilung gegeben: Während der unionale Grundrechtsschutz anfangs lediglich die Unmittelbarkeit2 und den Vorrang3 des Gemeinschaftsrechts zur Etablierung eines integrativen und einheitlichen Binnenmarktes absichern sollte, rückten im Laufe der Zeit verstärkt menschenrechtliche Aspekte und somit auch die Bedeutung des EuGH in den Vordergrund.4 Dies bewegte das Bundesverfassungsgericht zum Erlass des „Solange-I“-Vorbehalts5, welcher später durch die berühmte „Solange-II“-Rechtsprechung6 abgemildert wurde.7 Die Entscheidungen „Europäischer Haftbefehl“8 und „Lissabon“9 verdeutlichten dann aber wieder die Angst Karlsruhes vor wachsendem Einflussverlust angesichts eines immer dominanter werdenden EuGH.10 Die 2013 vom EuGH erlassene Rechtsprechung zu „Åkerberg Fransson“11 sowie die darauf folgende Reaktion des BVerfG im Urteil zur Antiterrordatei12 markieren schließlich die wohl absehbare Kumulation dieser sich immer weiter zuspitzenden Lage in der Beziehung von GRCh und nationalem Grundgesetz.13

Doch zum Ende des Grundgesetz-Jubiläumsjahres 2019 könnte Karlsruhe nun mit den beiden Entscheidungen „Recht auf Vergessen I“ und „Recht auf Vergessen II“ eine neue Ära des verfassungsprozessualen Grundrechts-schutzes14 eingeläutet haben. Bislang widmete die Literatur vor allem der zweiten Entscheidung aufgrund ihres paukenschlagähnlichen15 Charakters große Beachtung.16 Dies ist sicherlich gerechtfertigt, jedoch darf daneben die Bedeutung von „Recht auf Vergessen I“ in dieser „Novemberrevolution“17 nicht etwa in Vergessenheit geraten.

Ob und inwiefern auch diesem Urteil eine revolutionäre Rolle zugeschrieben werden kann, wird in dieser Arbeit eingehender untersucht. Hierfür wird zunächst der bisherige Meinungsstand zur Grundrechtsbindung in der EU genauer dargestellt und anschließend aufgezeigt, wo das BVerfG in „Recht auf Vergessen I“ neue Akzente setzt. Im Rahmen einer kritischen Darstellung ihrer Risiken und Chancen wird abschließend eine eigene Stellungnahme zu der Entscheidung vom 6.11.2019 getroffen.

B. Bisheriger Meinungsstand

Um das gegenständliche Urteil und die darin enthaltenen Neuerungen besser nachvollziehen zu können, ist zunächst eine Darstellung der vormaligen Grundrechtsdogmatik in der EU vonnöten.

Die für diese Arbeit relevante Problematik lässt sich bei der Frage verorten, wann Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung und dem Vollzug von unionsrechtlichen Normen überhaupt an die Grundrechte der Charta gebunden sind.18 Die GRCh selbst hat das Problem in Art. 51 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GRCh erkannt19 und ordnet eine mitgliedstaatliche Bindung „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“ an. Entscheidungserheblich und teilweise höchst umstritten ist also, was unter dem Begriff der „Durchführung“ genau zu verstehen ist.20

I. Unionsrechtlich voll determinierter Bereich

Vergleichsweise einfach war und ist21 dies im unionsrechtlich voll vereinheitlichten Bereich zu beantworten: Wo nämlich die Mitgliedsstaaten eine eindeutige, zwingende Anweisung des Unionsgesetzgebers durchführen – sogenannte “agency situation“22 – gelten wegen des Vorrangs des Unionsrechts23 ausschließlich und unumstritten24 die Grundrechte der Charta.25 Nach der „Solange-II“-Rechtsprechung, an der das BVerfG bis zu „Recht auf Vergessen II“ weiterhin festgehalten hat26, treten die nationalen Grundrechte so lange hinter den unionsrechtlichen zurück, wie der Grundrechtsschutz auf Unionsebene einen unverzichtbaren Mindeststandard gewährleisten kann.27 Daher war aus prozessrechtlicher Sicht bislang allein der EuGH zuständiges Verfassungsgericht für die Überprüfung solcher Rechtsakte.28

II. Spielraumbereich

Wesentlich schwieriger und weitaus umstrittener gestaltete sich hingegen bis dato die Lage im unionsrechtlich nicht voll determinierten Bereich, wenn also der Unionsgesetzgeber den Mitgliedsstaaten Spielräume bei der Umsetzung von EU-Recht belässt.29

1. Trennungsthese des BVerfG

a) Darstellung

Das BVerfG wählte hier bisher einen vergleichsweise engen Ansatz, indem es eine strikte Trennung der jeweiligen Grundrechtssphären postulierte.30 31 Mache demnach das Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber zwingende Angaben, seien allein die Chartagrundrechte anwendbar, stehe den Mitgliedsstaaten jedoch ein Umsetzungsspielraum zu, sollen ausschließlich die nationalen Grundrechte maßstäblich sein.32 Bereits die „Solange“-Rechtsprechungen zeugten von dieser Karlsruher Vorstellung.33 Aus prozessualer Sicht oblag daher im zwingenden Bereich die verfassungsrechtliche Zuständigkeit dem EuGH und der Fachgerichtsbarkeit, während im Spielraumbereich das BVerfG verantwortlich war.34

b) Rechtsliteratur

Diese Auffassung des BVerfG wird zum Teil von der Literatur geteilt: Nur so könne die Grundrechtecharta ihrem ursprünglichen Zweck gerecht werden, dort grundrechtlichen Schutz zu gewährleisten, wo die nationalen Grundrechte wegen des unionalen Anwendungsvorranges keine Geltung beanspruchen können.35 Daneben könne jedoch auch die befürchtete Unitarisierung des Unionsrechts verhindert werden.36 Ferner fände die Trennungsthese nicht nur im Wortlaut, sondern auch in der Entstehungsgeschichte, dem Telos und der Systematik von Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh ihre Stütze37: Im Grundrechtekonvent hätte man bewusst den engeren Begriff der „Durchführung“ gewählt, um die in früherer Rechtsprechung zu den Grundrechten als allgemeine Rechtsgrundsätze teilweise verwendete38 und von mancher Seite als zu offen kritisierte39 Terminologie des „Anwendungsbereichs“ zu vermeiden.40 Aus diesem Grund könne von einer restriktiven Deutung des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh ausgegangen werden.41 Die redundanten Formulierungen in den weiteren Absätzen des Art. 51 GRCh würden diesen Eindruck verstärken.42 Auch die Betonung der gemeinsamen mitgliedsstaatlichen Verfassungsüberlieferungen in Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 4 GRCh, die unionale Pflicht zur Achtung der nationalen Identität in Art. 4 Abs. 2 EUV sowie das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 EUV sprächen für eine angemessene Berücksichtigung nationaler Grundrechte.43

Jedoch gibt es auch viele Stimmen, welche die strikte Trennung der Grundrechtssphären kritisch betrachten. So bestünde das Risiko, dass die Legitimität des Unionsrechts untergraben würde, wenn sich die Mitgliedsstaaten im gestaltungsoffenen Bereich über dessen Geltung hinwegsetzen könnten.44 Des Weiteren sei wegen der zunehmenden Verflechtung und Überschneidung unionsrechtlicher und nationaler Regelungsbereiche mittlerweile oftmals keine klare Trennung der Sphären mehr möglich.45

2. Kumulationsthese des EuGH

a) Darstellung

Demgegenüber verfolgt der EuGH eine sehr weitgehende Interpretation des Durchführungsbegriffes in Art.46 51 Abs. 1 S. 1 GRCh. Besonders deutlich wurde dies in seinem „Åkerberg Fransson“-Urteil, als er den Geltungsbereich der GRCh mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung dahingehend ausgeweitet hat, dass „keine Fallgestaltungen denkbar [seien], die vom Unionsrecht erfasst würden, ohne dass diese Grundrechte anwendbar wären“47. Jedoch machte Luxemburg den nationalen Verfassungsgerichten in dieser Entscheidung insofern Zugeständnisse, als es die Möglichkeit einer parallelen Anwendbarkeit der mitgliedsstaatlichen Grundrechte im Sinne der Kumulationsthese erstmals explizit48 anerkannte – allerdings nur, soweit weder das Schutzniveau der Charta noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt würden.49 Nachdem das BVerfG daraufhin in seinem Urteil zur „Antiterrordatei“ demonstrativ feststellte, dass aufgrund des Kooperationsverhältnisses der beiden Gerichte die Entscheidung „Åkerberg Fransson“ nicht in einer Weise verstanden werden dürfe, dass „jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrecht oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses“50 für die mitgliedsstaatliche Bindung an die GRCh genüge sowie mit einer ultra-vires -Kontrolle drohte51, ruderte der EuGH in der Folgezeit ein wenig zurück.52 So sei für die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte nun mehr als bloß ein mittelbarer oder benachbarter Zusammenhang zwischen der betreffenden nationalen Maßnahme und dem Unionsrechtsakt vonnöten.53 Zudem wurden im Laufe der Zeit54 in ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht abschließende55 Beurteilungskriterien zur Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte entwickelt. Demnach seien sowohl der Zweck der in Frage stehenden nationalen Regelung als auch ihr Charakter, die von ihr verfolgten Ziele sowie die mögliche Existenz einer spezifischen unionsrechtlichen Regelung zu ergründen.56

Entscheidungserheblich für die (Un-)Anwendbarkeit der GRCh sei daher die sekundärrechtliche Auslegung.57

b) Rechtsliteratur

Auch diverse Stimmen der Literatur teilen diese These der überlappenden Grundrechtssphären. So hätte zwar der Gerichtshof in Bezug auf die Grundrechte aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen tatsächlich manchmal vom „Anwendungsbereich“ gesprochen, jedoch ebenso oft vom Begriff der „Durchführung“58 ; hieraus könne man also nicht ohne Weiteres auf eine restriktive Auslegung des Art. 51 Abs. 1 GRCh schließen.59 Zudem könne sich die These des EuGH gemäß Art. 52 Abs. 7 GRCh auf die vorherigen Erläuterungen des Präsidiums zu Art. 51 GRCh stützen, wo ausdrücklich vom „Anwendungsbereich“ gesprochen wurde.60 Auch ein Blick auf andere, wesentlich weiter gefasste Sprachfassungen61 zu Art. 51 Abs. 1 GRCh ließe darauf schließen, dass unter „Durchführung“ auch die Begrifflichkeit der „Anwendung“ zu subsumieren sei.62 Entgegen den Vertretern der Trennungsthese könne sich außerdem der Zweck der Chartagrundrechte eben nicht bei einer bloßen Beschränkung auf den voll determinierten Bereich verwirklichen, da ein gewährter Spielraumbereich schlussendlich auch nur das Resultat unionsrechtlicher Vorgaben sei.63

Jedoch begegnet auch der Ansatz des EuGH umfassender literarischer Kritik. So sei beispielsweise das vom EuGH entwickelte Kriterienbündel zu unscharf formuliert und sorge für Rechtsunsicherheit.64

Eine oft geteilte Befürchtung ist auch, dass der weit ausdifferenzierte, nationale Grundrechtsschutz auf ein unionales Durchschnittsniveau abgesenkt werden könnte65, was eher Risiken als Mehrwert für die Union berge.66 Denn ein Folgeproblem der vom EuGH postulierten „bedingten Doppelgeltung“67 von nationalen und unionalen Grundrechten sei die Frage nach ihrer parallelen Anwendbarkeit68 und damit auch nach der prozessualen Zuständigkeit der Grundrechtsgerichte. Da Art. 51 Abs. 1 GRCh jedoch kein Kollisions-, sondern nur ein Geltungsprinzip anordne69, finde eine Schwerpunktverlagerung der Diskussion weg von der prinzipiellen Geltung der GRCh nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 hin zu Art. 53 GRCh und damit den Möglichkeiten einer parallelen Anwendbarkeit statt.70 Als besonders problematisch würden sich hier sogenannte „mehrpolige Grundrechtsverhältnisse“ darstellen71, also wenn ein „Mehr“ an Grundrechtsschutz auf der einen Seite ein „Weniger“ an Schutz auf der anderen Seite bedeute.72 In seinem „Melloni“-Urteil stellte der EuGH nämlich fest, dass trotz der Gewährleistungen des Art. 53 GRCh weiterhin der Vorrang des Unionsrechts zu beachten sei.73 Eine nicht unbeachtliche Zahl an Literaturstimmen geht nun aber davon aus, dass Art. 53 GRCh eigentlich ein Günstigkeitsprinzip beinhalte.74 Bei mehrpoligen Grundrechtskonstellationen käme dieses jedoch als „Kollisionsregel“ nicht in Frage: Wenn sich nämlich die Gewichtung nationaler und unionaler Standards unterschiedlich gestalte und nach dem Günstigkeitsprinzip de facto strengere nationale Grundrechte anzuwenden seien, würden hierdurch der Anwendungsvorrang und die Einheitlichkeit des Unionsrechts untergraben.75 Daher käme es zu einer alleinigen Anwendbarkeit der GRCh im Überschneidungsbereich und mithin einer europaweiten Unitarisierung der Grundrechte76. Dies könne schließlich die Vielfalt77 und Ausdifferenziertheit78 nationaler Grundrechte erodieren. Durch die damit einhergehende Entmachtung des BVerfG erfahre diese materielle Unitarisierung zudem noch einmal eine prozessuale Verstärkung.79 Eine solche Zentralisierung des Grundrechtsschutzes stehe in hartem Kontrast zum europäischen Föderalismus und somit zu den eigentlichen Zielen der Union.80

3. Alternative Lösungsansätze

Da viele Literaturstimmen inzwischen anerkennen, dass ein Verbleib bei der Trennungsthese wegen der zunehmenden Verflechtung der nationalen und unionalen Regelungsbereiche praktisch immer unmöglicher wird81, wurden mittlerweile eine Vielzahl weiterer Lösungsansätze im Spielraumbereich entwickelt. Mithilfe eines „Reverse-Solange“-Vorbehalts82 sollen die Mitgliedsstaaten zum Beispiel an einen übergreifenden grundrechtlichen Mindeststandard gebunden werden. Zudem wurden verschiedenartige Ansätze für eine stärkere Karlsruher Grundrechtskontrolle83 oder für eine Ablehnung der Prämisse des Anwendungsvorrangs der GRCh84 entwickelt.

C. Die Entscheidung „Recht auf Vergessen I“

Es zeigt sich also, dass es vor „Recht auf Vergessen I“ eine Fülle an divergierenden Meinungen und Entscheidungen gab, die eine einheitliche Marschrichtung nur schwerlich erkennen lassen. Einen Wendepunkt in dieser grundrechtlichen Gemengelage85 im Spielraumbereich stellt nun die Entscheidung vom 6.11.2019 dar.

I. Sachverhalt

Inhaltlich geht es in dem Urteil um das Löschungsinteresse des Beschwerdeführers gegenüber der kontinuierlichen Auffindbarkeit von reputationsschädigenden Berichten im Online-Archiv eines Presseverlages. Konkret hatte der Beschwerdeführer im Jahr 1981 auf einer Hochseeyacht zwei Menschen erschossen und einen weiteren schwer verletzt, worüber in der Folgezeit unter anderem durch den SPIEGEL eingehend berichtet wurde. Die hierzu veröffentlichten Artikel waren dann seit 1999 auch online verfügbar. Gestützt auf §§ 823, 1004 BGB analog, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG machte der Beschwerdeführer einen Unterlassungsanspruch gegen die Spiegel-Online-GmbH geltend, im Online-Archiv nicht mehr über die Straftat unter Nennung seines Familiennamens zu berichten. Während die Instanzgerichte der Klage noch stattgaben, hob der BGH die Urteile zugunsten der Spiegel-Online-GmbH auf. Das BVerfG räumte schließlich dem allgemeinen Persönlichkeitsinteresse des Beschwerdeführers Vorrang vor dem Meinungs- und Presseinteresse der Beklagten ein.

Während der Erste Senat hierzu aus datenschutzrechtlicher Sicht sicherlich überzeugende und vielschichtige Abwägungsparameter86 zum maßgeblichen „Recht auf Vergessenwerden“ ausgearbeitet hat87, sind für diese Arbeit vor allem seine prozessrechtlichen Neuerungen zum Prüfungsmaßstab der Unionsgrundrechte von Bedeutung.

II. Neue verfassungsprozessuale Akzente durch das BVerfG

1. Rechtlicher Hintergrund

Bereits in seiner Sachverhaltsschilderung stellt der Erste Senat fest, dass im rechtlichen Hintergrund des Verfahrens unionsrechtliche Vorschriften stehen.88 So galt zur Zeit des zu beurteilenden Geschehens noch die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (DSRL), welche den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten postulierte. Maßgeblich war hier das in Art. 9 DSRL verankerte „Medienprivileg“. Dieses ermöglichte es den Mitgliedsstaaten, notwendige Abweichungen zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken zu treffen, um der Freiheit der Meinungsäußerung ausreichend Gewicht zu verleihen. Auch die mittlerweile in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gewährt in Art. 85 eine Öffnungsklausel zur Regelung des Medienprivilegs und gesteht den Mitgliedsstaaten diesbezüglich einen weitreichenden Umsetzungsspielraum zu.89 Die Entscheidung des BVerfG erging folglich im Kontext nicht voll determinierten Unionsrechts90, was den wesentlichen Unterschied zur Parallelentscheidung „Recht auf Vergessen II“ darstellt. Des Weiteren wägt das Urteil zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsinteresse des Beschwerdeführers einerseits und dem Medien- und Presseinteresse der Beklagten andererseits ab und ist daher im Bereich mehrpoliger Grundrechtsverhältnisse zu verorten.91

[...]


1 Thym, JZ 2015, 53 (55); Jarass, NVwZ 2012, 457 (457); Huber, NJW 2011, 2385 (2385); Hwang, EuR 2014, 400 (400).

2 Vgl. EuGH 26/62 – van Gend & Loos.

3 Vgl. EuGH 6/64 – Costa/E.N.E.L.

4 Franzius, ZaöRV 2015, 383 (384); Kingreen, JA 2014, 295 (296); sehr ausführlich Kingreen, EuR 2010, 338 (351, 353 f.) sowie Drechsler, S. 17 ff.; vgl. zum Integrationsgedanken auch Kirchhof, NVwZ 2014, 1537 (1537).

5 BVerfGE 37, 271.

6 BVerfGE 73, 339.

7 Masing, JZ 2015, 477 (478).

8 BVerfGE 113, 273.

9 BVerfGE 123, 267.

10 Safferling, NStZ 2014, 545 (546 f.).

11 EuGH C-617/10 – Åkerberg Fransson.

12 BVerfGE 133, 277.

13 Vgl. Kämmerer/Kotzur, NVwZ 2020, 177 (178); auch Thym, NVwZ 2013, 889 (889).

14 So Wendel, JZ 2020, 157 (157); vom Begriff einer „neuen Prüfungsära“ spricht auch Kühling, NJW 2020, 275 (280).

15 Mit dieser Bezeichnung Karpenstein/Kottmann, EuZW 2020, 185 (186); Kämmerer/Kotzur, NVwZ 2020, 177 (177).

16 So bei Kämmerer/Kotzur, NVwZ 2020, 177 (177); Kühling, NJW 2019, 275 (277); Michl, VerfBlog v. 27.11.2019.

17 So der Begriff bei Kühling, NJW 2020, 275.

18 Masing, JZ 2015, 477 (481); auf die Bindung an die GRCh bei der Beschränkung von Grundfreiheiten wird aufgrund der thematischen Fragestellung dieser Arbeit nicht eingegangen.

19 Masing, JZ 2015, 477 (481).

20 Pache in Frankfurter Kommentar, Art. 51 GRCh Rn. 19; Kingreen, JZ 2013, 801 (802); vgl. auch Hwang, EuR 2014, 400 (401).

21 Die Entscheidung „Recht auf Vergessen II“, deren Gegenstand der voll vereinheitlichte Bereich war, beinhaltet lediglich verfassungsprozessuale Neuerungen zur Prüfungskompetenz und stellt nicht die generelle Anwendbarkeit des Unionsrechts in Frage, vgl. nur Kämmerer/Kotzur, NVwZ 2020, 177 (179).

22 So der Begriff u. A. bei Kühling in v. Bogdandy/Bast, 657 (680); v. Bogdandy/Kottmann u.a., ZaöRV 2012, 45 (55); Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 8.

23 Kingreen, JA 2014, 295 (301); Jarass, EuR 29 (37); siehe hierzu bereits oben A.

24 Vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 12.

25 Vgl. EuGH 5/88, Rn. 19 – Wachauf; Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 11; Masing, JZ 2015, 477 (481); Thym, DÖV 2014, 941 (944); Bäcker, EuR 2015, 389 (392).

26 Vgl. BVerfGE 118, 79 (94 f.) Rn. 69; Hwang, EuR 2014, 400 (411 f.).

27 BVerfGE 73, 339 (386) Rn. 132; vgl. nur bspw. Bäcker, EuR 2015, 389 (390 f.); Herdegen, EuropaR, § 10 Rn. 29.

28 So nur Bäcker, EuR 2015, 389 (391); Kingreen, JZ 2013, 801 (808).

29 Bäcker, EuR 2015, 389 (392).

30 Auch „Abgrenzungsthese“ genannt, so Hwang, EuR 2014, 400 (406); unter dem Begriff der „Alternativitätsthese“Kingreen, u. A. in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 12.

31 Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 Rn. 43.

32 BVerfGE 118, 79 (95 f.) Rn. 69 f.; BVerfGE 125, 260 (306 f.) Rnrn. 181 f.; BVerfGE 113, 273 (300) Rn. 80; Franzius, ZaöRV 2015, 383 (388); Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Karpenstein/Kottmann, EuZW 2020, 185 (186).

33 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Thym, JZ 2015, 53 (55).

34 Thym, JZ 2015, 53 (55); von einem „doppelten Kontrollverzicht“ sprechend Wendel, JZ 2020, 157 (159).

35 Masing, JZ 2015, 477 (481); Kingreen, JZ 2013, 801 (803); Ziegenhorn, NVwZ 2010, 803 (807).

36 Masing, JZ 2015, 477 (482); Huber, NJW 2011, 2385 (2387).

37 Masing, JZ 2015, 477 (481).

38 Jeweils in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht EuGH C-260/89, Rn. 43 – ERT; EuGH C-309/96 Rn. 13 – Annibaldi; EuGH C-299/95, Rn. 15 – Kremzow.

39 So nur Huber, NJW 2011, 2385 (2386).

40 Masing, JZ 2015, 477 (481); siehe auch Ziegenhorn, NVwZ 2010, 803 (808); differenzierter hierzu Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rnrn. 38, 41; Thym, NVwZ 2013, 889 (890); Huber, NJW 2011, 2385 (2387); Kingreen, JZ 2013, 801 (803).

41 Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 Rn. 37; Bäcker, NVwZ 2013, 889 (890).

42 Masing, JZ 2015, 477 (481 f.); Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 Rn, 37.

43 Huber, NJW 2011, 2385 (2386).

44 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Bäcker, EuR 2015, 389 (403).

45 Siehe nur Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 15; Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Thym, JZ 2015, 53 (57); Franzius, DÖV 2008, 933 (935); vorsichtig-realistischer Kingreen, JA 2014, 295 (304); Kingreen, JZ 2013, 801 (809).

46 Auch als „Vorrangthese“ bezeichnet, so Hwang, EuR 2014, 400 (406); unter der Bezeichnung der „Verbindungsthese“Franzius, ZaöRV 2015, 383 (388).

47 EuGH C‑617/10, Rn. 21 – Åkerberg Fransson.

48 Kingreen, JZ 2013, 801 (804).

49 EuGH C-617/10, Rn. 29 – Åkerberg Fransson; diese Aussage wurde auch noch einmal im Urteil EuGH C‑399/11, Rn. 60 – Melloni bestätigt, welches am selben Tag erging.

50 BVerfGE 133, 277 (316) Rn. 91.

51 BVerfGE 133, 277 (316) Rn. 91.

52 Thym, DÖV 2014, 941 (944 f.); Karpenstein/Kottmann, EuZW 2020, 185 (186).

53 EuGH C-198/13, Rn. 34 – Hernández; C-206/13, Rn. 24 – Siragusa; EuGH C-562/12 Rn. 62 – Liivimaa Lihaveis; EuGH C-218/15 Rn. 14 – Paoletti u.a.; EuGH C-177/17 Rn. 19 – Demarchi Gino; EuGH; vgl. bereits EuGH C‑299/95 Rn. 16 – Kremzow.

54 In eine solche Richtung ging schon die Rechtssache EuGH C-309/96 – Annibaldi, auf welche sich die Ausführungen des Gerichtshofes beziehen; vgl. Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 46.

55 Thym, DÖV 2014, 941 (944); Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 47.

56 EuGH C- 265/13 Rn. 32 ff. – Torralbo Marcos; EuGH C-406/15 Rn. 50 – Milkova; EuGH C-87/12 Rn. 41 – Ymeraga; EuGH C-206/13 Rn. 25 – Siragusa; EuGH C-198/13 Rn. 37 – Hernández; EuGH C-177/17 Rn. 20 – Demarchi Gino.

57 Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 9.

58 Siehe EuGH C-5/88 Rn. 19 – Wachauf; EuGH C-292/97 Rn. 37 – Karlsson; EuGH C-540/03 Rn. 105 – Parlament / Rat; EuGH C-117/06 Rn. 78 – Möllendorf.

59 Jarass, NVwZ 2012, 457 (459).

60 Pache in Frankfurter Kommentar, Art. 51 GRCh Rn. 31; Franzius, ZaöRV 2015, 383 (390 f.); Jarass, NVwZ 2012, 457 (459); kritischer hierzu Masing, JZ 2015, 477 (482).

61 Beispielsweise die englische Bezeichnung “implementing“ oder der französische Begriff „mettent en œuvre“, die sich am ehesten mit „ausführen“ übersetzen lassen; vgl. noch ausführlicher bei Streinz/Michl in Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 6.

62 Jarass, NVwZ 2012, 457 (459).

63 Bäcker, EuR 2014, 389 (403); Wendel, JZ 2020, 157 (160).

64 Bäcker, EuR 2015, 389 (392 f., 399); Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 Rn. 15; differenzierter-realistischer Schwerdfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 52; ebenfalls positiver Thym, DÖV 2014, 941 (944 f.).

65 Kirchhof, NVwZ 2014, 1537 (1538); differenzierter auch Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 14; Bäcker, EuR 2015, 389 (399 f.).

66 Kingreen, EuR 2010, 338 (363).

67 So der teilweise in der Literatur verwendete Begriff, bspw. bei Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 53; Thym, JZ 2015, 53 (55).

68 Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 53.

69 Kirchhof, NVwZ 2014, 1537 (1538); vgl. auch Klein, DÖV 2018, 605 (606).

70 Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 53 GRCh Rn. 1; Franzius, ZaöRV 2015, 383 (394); Hwang, EuR 2014, 400 (408).

71 Schwerdtfeger in Meyer/Hölscheidt, Art. 51 GRCh Rn. 54; Bäcker, EuR 2015, 389 (397); Buchholtz, DÖV 2014, 837 (841).

72 BVerfGE 128, 326 (371) Rn. 93; Masing, JZ 2015, 477 (484); kritisch zum Begriff der „mehrpoligen Rechtsverhältnisse“Kingreen, JZ 2013, 801 (808).

73 EuGH C-399/11, Rn. 60 – Melloni.

74 Dies ist höchst umstritten. Für ein Günstigkeitsprinzip bspw. Jarass, Art. 53 GRCh Rn. 28; Streinz/Michl in Streinz, Art. 53 Rn. 3; Franzius, ZaöRV 2015, 383 (395 f.); für die Annahme einer Geltungserhaltungsregel bspw. Lindner, EuR 2007, 161 (168 f.); ebenso mittlerweile Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 53 Rn. 7; beachte aber noch Kingreen, JZ 2013, 801 (807 ff.).

75 Buchholtz, DÖV 2014, 837 (841); Franzius, ZaöRV 2015, 383 (395); Jarass, EuR 2013, 29 (39).

76 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (841); Bäcker, EuR 2015, 389 (399 f.); Kingreen, JZ 2013, 801 (808).

77 Kirchhof, NVwZ 2014, 1537 (1539 f.).

78 Masing, JZ 2015, 477 (487); Voßkuhle, JZ 2016, 161 (164).

79 Bäcker, EuR 2015, 389 (402); Thym, JZ 2015, 53 (56); Kingreen, JZ 2013, 801 (809 f.).

80 Voßkuhle, JZ 2016, 161 (164); Masing, JZ 2015, 477 (487).

81 So nur Franzius, ZaöRV 2015, 383 (391 f.); Thym, JZ 2015, 53 (55); Klein, DÖV 2018, 605 (612); Masing, JZ 2015, 477 (485), der dies nur als den „zweitbesten Weg“ sieht.

82 v. Bogdandy/Kottmann u.a., ZaöRV 2012, 45 (66 ff.); kritisch hierzu bspw. Streinz/Michl in Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 24; mit der Idee einer Modifikation der Solange-Doktrin i. S. e. horizontalen Solange-Prinzips Frenzius, ZaöRV 2015, 383 (406 ff.).

83 Buchholtz, DÖV 2017, 837 (844 f.) mit der Idee der „Europäisierung“ des Grundrechtsschutzes; Bäcker, EuR 2015, 389 (404 ff.); Kingreen, JZ 2013, 801 (808); von einem „Fusionsmodell“ sprechend Thym, JZ 2015, 55 (57); dem kritisch gegenüberstehend Voßkuhle, JZ 2016, 161 (164).

84 Kirchhof, NVwZ 2014, 1537 (1540 ff.); für eine zumindest restriktivere Auslegung des Art. 53 GRCh Klein, DÖV 2018, 605 (609 f.); sowie Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1437).

85 So ein gerne gewählter Begriff, bspw. bei Buchholtz, DÖV 2017, 837 (839); Thym, JZ 2015, 53 (53); Kingreen, JZ 2013, 801 (804); Thym, NVwZ 2013, 889 (892, 896).

86 Siehe hierzu BVerfG NJW 2020, 300 (310 ff.) Rnrn. 114 ff.

87 Sehr positiv hierzu bspw. Kühling, NJW 2020, 275 (279); siehe auch Milker, VerfBlog v. 29.11.2019; Muckel, JA 2020, 233 (237).

88 BVerfG BeckRS 2019, 29201, Rn. 11 f.

89 Dazu nur Buchner/Tinnefeld in Kühling/Buchner, Art. 85 DS-GVO Rn. 1.

90 BVerfG NJW 2020, 300 (301) Rn. 39.

91 Vgl. Kleinlein, VerfBlog v. 1.12.2019; Wendel, JZ 2020, 157 (157); siehe zur Problematik der mehrpoligen Rechtsverhältnisse oben bei B. II. 2. b).

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Entscheidung "Recht auf Vergessen I". Unionsgrundrechte als Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht
Hochschule
Universität Regensburg
Note
14
Autor
Jahr
2020
Seiten
28
Katalognummer
V931723
ISBN (eBook)
9783346250391
ISBN (Buch)
9783346250407
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Recht auf Vergessen I, Unionsgrundrechte, EuGH, BVerfG, Recht auf Vergessen II, Art. 51 GRCh
Arbeit zitieren
Isabella Sternecker (Autor:in), 2020, Die Entscheidung "Recht auf Vergessen I". Unionsgrundrechte als Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/931723

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