Die mittelalterlichen Darstellungen der Eroberung Livlands beeinflussten bis ins 20. Jahrhundert hinein die Forschungsinteressen und -erzeugnisse deutschbaltischer Historiker, die nationale Traditionszusammenhänge zwischen dem Mittelalter und der Moderne zu erkennen glaubten.
Ziel der Arbeit ist es, die zentralen Motive in der livländischen Kreuzzugsgeschichtsschreibung zu charakterisieren sowie ihre Funktion nachzuvollziehen. Darauf aufbauend soll untersucht werden, wie deutschbaltische Historiker im 20. Jahrhundert Elemente mittelalterlicher Kreuzzugschroniken als Argument für die deutsche Herrschaft im Baltikum und gegen die politisch-staatliche Emanzipation der Letten und Esten nutzten. Im Zentrum der Betrachtung steht hierbei das Werk Reinhard Wittrams (1902-1973), einer der profiliertesten deutschbaltischen "Ostforscher", der ab 1938 Professor in Riga und von 1955 an bis zu seiner Emeritierung Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Göttingen war.
Untersucht werden zunächst zwei Chroniken des mittelalterlichen Livlands. Dabei handelt es sich zum einen um die lateinische "Livländische Chronik" (nach 1180) des Priesters Heinrich von Lettland, der selbst an Missionsreisen der deutschen Kreuzritter teilgenommen hatte. Als zweiter Text wird die "Livländische Reimchronik" (nach 1290) herangezogen, die von einem Bruder des Deutschen Ordens in mittelhochdeutscher Sprache verfasst worden war. Die livländische Chronik des Hermann von Wartberge aus dem 14. Jahrhundert wird nicht miteinbezogen, da die vorliegende Untersuchung sich auf die frühen Chroniken der livländischen Eroberung fokussiert. Im Folgekapitel wird anhand ausgewählter Publikationen Wittrams, erschienen in den 1930er und 1940er Jahren, das Fortwirken der mittelalterlichen Geschichtsschreibung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Chroniken des Deutschordens im mittelalterlichen Livland
- Historische Entwicklungen im 12. und 13. Jahrhundert
- Gattung der Deutschordenschronik
- Autoren und Werke
- Motive der Kreuzzugsgeschichtsschreibung
- Herrschaftslegitimierende Denkmuster
- Zivilisierungsmotiv
- Christianisierungsmotiv
- Konzepte altlivländischer Geschichte des deutschbaltischen Historikers Reinhard Wittram
- Historische Entwicklungen im 20. Jahrhundert
- Politische Instrumentalisierung
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Legitimation der Ostkolonisation Livlands im Mittelalter und der Verwendung von Motiven der Kreuzzugsgeschichtsschreibung im deutschbaltischen Geschichtsbild. Ziel ist es, die zentralen Motive der livländischen Kreuzzugsgeschichtsschreibung zu charakterisieren und deren Funktion zu analysieren. Weiterhin soll untersucht werden, wie deutschbaltische Historiker im 20. Jahrhundert Elemente mittelalterlicher Kreuzzugschroniken als Argument für die deutsche Herrschaft im Baltikum nutzten.
- Kreuzzugsgeschichtsschreibung als Legitimationsinstrument
- Die Rolle des Deutschen Ordens in der Christianisierung und Eroberung Livlands
- Die Verwendung von Geschichtsbildern zur Durchsetzung politischer Ziele
- Der Einfluss von Reinhard Wittrams Werk auf das deutschbaltische Geschichtsbild
- Die Bedeutung der livländischen Chroniken für die Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einleitung in das Thema und stellt den historischen Kontext der livländischen Kreuzzugsgeschichtsschreibung dar. Im zweiten Kapitel werden die historischen Hintergründe für die Niederlassung des Deutschen Ordens in Livland beleuchtet. Die Entstehung einer deutschen Ostsiedlung im Mittelalter und der Verlauf der Eroberung Livlands werden ebenso beschrieben wie die Quellengattung der Deutschordenschronik und deren Charakteristika. Das dritte Kapitel analysiert die Motive der Kreuzzugsgeschichtsschreibung, insbesondere die herrschaftslegitimierenden Denkmuster, das Zivilisierungsmotiv und das Christianisierungsmotiv. Das vierte Kapitel beleuchtet die Konzepte altlivländischer Geschichte des deutschbaltischen Historikers Reinhard Wittram. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie Wittram Elemente mittelalterlicher Kreuzzugschroniken im 20. Jahrhundert zur Durchsetzung politischer Ziele nutzte.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Livland, Ostkolonisation, Kreuzzugsgeschichtsschreibung, Deutschordenschroniken, Reinhard Wittram, deutschbaltische Geschichtsschreibung, Politische Instrumentalisierung, Herrschaftslegitimation, Christianisierung, Zivilisation.
- Quote paper
- Amélie Dannenmann (Author), 2019, Legitimation der Ostkolonisation Livlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/932107