Antisemitismus im Mediendiskurs - Eine Analyse am Beispiel des „Falles Möllemann“


Hausarbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltliche Gliederung

1. Einleitung

2. Definition und historische Betrachtung des Antisemitismus
2.1. Christlicher Antijudaismus
2.2. Rassenantisemitismus
2.3. Antizionismus
2.4. Antisemitismus nach dem Holocaust

3. Der „Fall Möllemann“ im Mediendiskurs
3.1. Bezugssystem „Projekt 18“
3.2. Der „Fall Karsli“ als Auslöser
3.3. Skandalisierung und Solidarisierung
3.4. Das „Reinigungsritual“

4. Abschlussbemerkung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit den Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden, ist die deutsche Öffentlichkeit besonders sensibilisiert, wenn es um Themen wie Judenhass und Antisemitismus geht. Da Öffentlichkeit in der heutigen Zeit vor allem in den Medien stattfindet, greifen Radio, Fernsehen und Printmedien Geschichten und Äußerungen zu diesem Thema, natürlich nicht ohne eigene wirtschaftlichen Interessen, immer wieder bereitwillig auf. Es stellt sich in dieser Arbeit also weniger die Frage, wieso findet Antisemitismus überhaupt im medialen Diskurs statt, sondern vielmehr die Frage nach dem „wie“. Wie verläuft die mediale Auseinandersetzung zu solchen Themen? Welche Mechanismen dafür spielen eine Rolle? Gibt es immer wiederkehrende Muster? Welche gesellschaftlichen Gruppen nehmen an diesen Diskursen in welcher Art und Weise teil? Und was hat das für Auswirkungen auf den Begriff ‚Antisemitismus’ in der Öffentlichkeit? Fragen, die in dieser Arbeit am Beispiel des „Falles Möllemann“ erörtert werden sollen.

Als wohl bekannteste und spektakulärste Debatte zum Thema „Antisemitismus“ der letzten Jahre, war sie zugleich auch die am meisten in der medialen Öffentlichkeit stattfindende und damit medienpräsenteste aller bisherigen. Gründe für diese Ausweitung des Diskurses von der politischen Ebene auf die „Stammtisch-Ebene“ liegen vor allem in den Rollen der beiden Protagonisten Möllemann und Friedman. Der eine ist ein selbstdarstellerischer Populist im Wahlkampf, der andere diskussionserprobter Talkshow- Moderator. Beide kennen die Mechanismen der Medien und wie sie diese als Sprachrohr für eigene Absichten zu instrumentalisieren haben. Daher ist es auch nicht Anspruch dieser Arbeit, zu klären, ob Möllemann selbst oder seine Aussagen antisemitisch sind, oder zumindest antisemitische Tendenzen aufweisen. Es geht lediglich um einen Rekonstruktionsversuch des medialen Verlaufes des „Falles Möllemann“, um somit Antworten auf oben genannte Fragen zu finden.

2. Definition und historische Betrachtung des Antisemitismus

Bevor mit der eigentlichen Analyse des zu betrachtenden Mediendiskurses begonnen werden kann, gilt es am Anfang erst einmal den Begriff Antisemitismus genauer zu klären. Vor allem, da gerade im „Fall Möllemann“, insbesondere von intellektueller Seite, immer wieder die Frage aufgeworfen wurde, was man unter dem Begriff Antisemitismus denn heute eigentlich zu verstehen habe.

Grundsätzlich umfasst Antisemitismus als Oberbegriff alle Feindschaften gegenüber Juden. Doch um den Begriff Antisemitismus wirklich zu verstehen, muss man ihn in seinem jeweiligen historischen-gesellschaftlichen Kontext betrachten, um die zahlreichen Möglichkeiten der Interpretation und damit auch der Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Denn „Antisemitismus ist ein Moment im gesellschaftlichen Prozess, das nur künstlich zu isolieren ist.“ (Claussen 1987, S. 8). Antisemitismus ist als ein über Jahrhunderte gewachsenes, komplexes Phänomen anzusehen, das nach Motivation und Ausprägung in vier abweichenden Grundtypen unterschieden werden kann (vgl. Benz 2004, S.19):

- Christlicher Antijudaismus
- Rassenantisemitismus
- Antizionismus
- Antisemitismus nach dem Holocaust

2.1. Christlicher Antijudaismus

Der christliche Antijudaismus ist ein religiös motivierter, aber auch kultureller, sozialer und ökonomisch determinierter Antisemitismus, der bis ins 19. Jahrhundert hinein die Grundlage für spätere Formen bildet.

In der christlich-biblischen Tradition nimmt der Jude die ewige Stellung des Sündenbocks ein. Hassgefühle werden von Kirchenoberen immer wieder bewusst geschürt, um eine engere Bindung der Gläubigen an die Kirche zu erreichen. Gerade in Zeiten der Glaubenskrise und der Reformationsbewegung lehrt die Kirche ein Judenbild, das in ihm den Beweis der Existenz des Teufels sieht. Als Vertreter eines „anderen Reiches“ - was sich dem Gläubigen offenkundig schon durch die Auslagerung in Ghettos, spezielle Kleiderordnung und andere Sondergesetzte erschließt - werden Juden so zu Gottesgegnern und Feinden des Christentums erklärt. Als direkter und konkreter Judenhass gipfelt der christlich-motivierte Antijudaismus letztendlich im Kollektiv-Vorwurf des Gottesmordes und beinhaltet die Vorstellung der vererbten Kollektivschuld der Juden. Judenhass wird infolgedessen zu einer von der Kirche funktionalisierten Volkstradition, die sich immer mehr auch in sozialen undökonomischen Bereichen niederschlägt. Eine Zeit, die geprägt ist von Anklagen der Brunnenvergiftungen, Hostienschändungen und Kindesmorden, ist gleichzeitig auch die Zeit der ökonomischen Ausgrenzung, oder besser gesagt Eingrenzung. Während die Juden in den Teilstaaten des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ diskriminierenden Gesetzten und Vorschriften unterlagen, die sie von der Produktion materieller Güter ausschloss, ihnen den Besitz von Grund und Boden versagten und verboten, Gilden und Zünften beizutreten, erfüllten sie notwendigerweise andere ökonomische Funktionen. Wohlhabender Juden widmeten sich dem Kreditwesen, weniger begüterte dem Pferde- und Viehhandel und minderbemittelte konnten sogenannte „Schutz- und Geleitbrief“ kaufen, der ihnen Klein- und Trödelhandel erlaubte (vgl. Heid 2000 a, S. 70). Positionen, durch die sich die Juden zum einen Titel und Freiheiten verschafften, um sich aus der Enge der überlieferten Judenordnungen zu befreien, sie zum anderen aber als „Geldjude“ oder „Wucherjude“ in die Sündenbock-Rolle drängten, in der sie als Handlanger der Absolutisten den Hass der geknechteten Bauern und Bürger auf sich zogen. Die Figur des hoch aufgestiegenen und tief gefallenen Joseph Süß Oppenheimer, auf den sich der ganze Hass der entrechteten württembergischen Stände richtete, diente später im Nationalsozialismus als Vorbild für den wirkungsvollen Propagandafilm „Jud Süß“.

Erst in der Zeit der Aufklärung löste sich durch Emanzipationsbewegungen und zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft die religiöse Bindung an das Judentum. Der offene Judenhass wurde zum Begriff des finstersten Mittelalters, von dem es sich in jeder Hinsicht abzugrenzen galt. Emanzipation war den Juden jedoch nur durch Assimilation vergönnt. Die Loslösung von eigenen religiösen Wurzeln ließ sie in Ansätzen zu gleichberechtigten Bürger werden, tradierte Vorurteile und Intoleranz existierten aber nach wie vor. „Die Geschichte der deutschen Juden seit der Aufklärung ist die Geschichte des allmählichen Hineinwachsens in eine nichtjüdische Gesellschaft, die selbst einem langandauernden Wandlungs- und Modernisierungsprozess unterworfen war.“ (Heid 2000 b, S. 126). Damit wurde ein ideologischer Raum für eine neue Form des Antisemitismus frei. Judenhass verschwand also nicht, er transformierte sich lediglich zum modernen Antisemitismus.

2.2. Rassenantisemitismus

Nach der Französischen Revolution anfangs des 19. Jahrhundert wurde in Deutschland aus nationalistischen Bewegungen heraus ein Kollektiv-Bewusstsein geschaffen, das der Integration der jüdischen Minderheit gegenüberstand. Da eine rein christliche Legitimation des Judenhasses seit der Aufklärung nicht mehr möglich war, wurde aus dem religiös motivierten Antijudaismus ein rassistischer, der anthropologisch und biologistisch argumentierend, bewährte Vorurteile scheinbar wissenschaftlich beweisen konnte. „Letztlich nur mit dem Ziel, ungebrochen den Hass auf die Juden fortsetzen zu können, ohne noch auf die klassischen religiösen Argumente zurückgreifen zu müssen.“ (Thiede / Stinglein 2002, S. 9).

Bedeutend für den Antisemitismus dieser Zeit, sind zwei scheinbar wissenschaftliche Lehren, die per se noch nicht antisemitisch waren, dem modernen Judenhass bis hin zu Auschwitz aber den Boden bereiteten: Rassismus und Sozialdarwinismus. Versteht man „Rassismus […] als Erklärungs- und Rechtfertigungsideologie der welthistorischen materiellen, militärischen und technischen Überlegenheit der Europäer seit ihrer Expansion in Übersee“ (Geiss 1988, S. 15), so lässt sich leicht auch die Ideologie, die hinter den Begriffen „Herrenrasse“ und „Untermenschen“ steht, herleiten. Der Eindruck der Dominanz der eigenen Rasse wirkte durch den erfolgreichen imperialistischen Expansionsdrang nach außen genauso als Ventil innergesellschaftlicher Wiedersprüche und Probleme, wie der Antisemitismus nach innen. Unmittelbar in Verbindung zum Rassismus stand der Sozialdarwinismus, eine sich sukzessiv radikalisierende, extremistisch-eindimensionale Deutung darwinistischer Denkmodelle. Bislang entdeckte Naturgesetzlichkeiten wurden dabei pauschal auf das soziale und politische Leben der Menschheit übertragen. (vgl. Fugmann 1998, S. 39)

Als Wilhelm Marr den Begriff „Antisemitismus“ erstmalig in seinem Buch „Der Sieg des Judentums über das Germanentum“ 1879 benutze, war dieser ideell schon fest im Kulturbürgertum verankert. Gründe für soziale, politische und ökonomische Schwierigkeiten wurden, vor allem im Hinblick auf die immer mehr in Industrie und Bankwesen an Macht Einfluss gewinnenden Juden, bei denen gesucht, die die deutsche Unterschicht mit dem stereotyp vorgetragenen Slogan „Was der Jude glaubt ist einerlei, in der Rasse liegt die Schweinerei“ (vgl. Heid 2000 b, S. 110) versah. Die jüdische Minderheit war mittlerweile „Objekt rhetorischer und realer Aggressionen und Brutalitäten.“ (Heid 2000 b, S. 111) und wurde zum „gesellschaftlichen Abladeplatz““ (Heid 2000 b, S. 111). Rassenantisemitismus als moderne Form des Judenhasses zog sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. Er fungierte als „nationale Klammer - bewusstseinsstiftend und konstitutiv für die politische Kultur in Deutschland“ (Heid 2000 b, S. 112) und führte letztendlich zum Holocaust unter dem Nationalsozialismus.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Antisemitismus im Mediendiskurs - Eine Analyse am Beispiel des „Falles Möllemann“
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V93236
ISBN (eBook)
9783638065818
ISBN (Buch)
9783638952361
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antisemitismus, Mediendiskurs, Möllemann“, Medien, Medienwissenschaft, Printmedien, Politik
Arbeit zitieren
Diplom-Medienwirt Martin Stachel (Autor:in), 2005, Antisemitismus im Mediendiskurs - Eine Analyse am Beispiel des „Falles Möllemann“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93236

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