Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die EU nach Nizza – Ergebnisse und Erwartungen
2.1 Wo steht die Europäische Union?
2.2 Möglichkeiten für Vertiefung und Erweiterung
3. Der Gipfel von Laeken
4. Die Simulation – Ein Konvent für Europa
4.1 Aufbau und thematischer Ansatz
4.2 Durchführung
4.3 Ergebnis
5. Anspruch und Wirklichkeit
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1 Fragebogen und beantwortete Frageraster
8.2 Ablaufplan
8.3 Referentenliste
8.4 Geschäftsordnung
8.5 Feierliche Erklärung von Brühl CIV
1. Einleitung
Diese Hausarbeit hat im wesentlichen zwei Kerninhalte. Zum Einen soll sie die derzeitige Position der Europäischen Union (EU) darstellen, den Reformbedarf
hinsichtlich der aktuell diskutierten Vertiefungs- und Erweiterungsproblematik aufzeigen und die von den politischen Entscheidungsträgern bevorzugten Problemlösungsstrategien skizzieren.
Als Zweites wird die im Rahmen des Hauptseminars durchgeführte Simulation analysiert.
Beide Kerninhalte, zum Einen die politische Wirklichkeit und zum Anderen die politische Simulation, werden hinsichtlich der Frage, welche Ergebnisse „besser“ sind, begutachtet.
Die Frage, welche Ergebnisse „besser“ sind, unterteilt sich in drei Bereiche: Erstens, welche der beiden Positionen erhöht die Handlungsfähigkeit der EU? Zweitens, durch welches implizierte Handeln wird die Transparenz der EU gesteigert? Und abschließend, wo werden die Akteure adäquater beteiligt?
Hierbei ist zu beachten, dass der normative Bezug von der EU als handelnden Akteur ausgeht; d.h. im Vordergrund steht eine Stärkung der EU als politisches System und als politischer Akteur.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, teilt sich diese Hausarbeit in vier Bereiche. Zunächst folgt der Einleitung eine Standortbestimmung der EU nach der Regierungskonferenz von Nizza inklusive einer Aufführung der sich daraus ergebenden Möglichkeiten bezüglich Vertiefung und Erweiterung.
Das dritte Kapitel setzt sich mit dem Gipfel von Laeken im Dezember 2001 auseinander und zeigt auf, inwiefern die Staats- und Regierungschefs den Anforderungen, im Anschluss an die Regierungskonferenz von Nizza, nachgekommen sind.
Das vierte Kapitel spiegelt die Simulation vom 31. Januar und 01. Februar 2002 wieder. In diesem Kapitel geht es im wesentlichen darum, eine analytische Vergleichskomponente zur politischen Wirklichkeit zu entwerfen. Dieser zweite Kerninhalt der Hausarbeit ist für eine Einordnung der politischen Wirklichkeit wesentlich.
Im fünften Kapitel wird dann der eigentliche analytische Vergleich zwischen der Wirklichkeit und der Simulation vollzogen.
Abschließend werden die Kerninhalte der Arbeit kurz zusammengefasst.
Eine Bewertung des Laekener Gipfels hat in der Forschungsliteratur noch nicht in dem Maße stattgefunden wie für den Nizza-Gipfel, der hinsichtlich seiner Inhalte recht einheitlich bewertet wird.
2. Die EU nach Nizza – Ergebnisse und Erwartungen
2.1 Wo steht die Europäische Union?
Die Regierungskonferenz von Nizza hatte als klare Vorgabe, durch eine Überprüfung der Verträge in vier Kernbereichen die EU auf die anstehende(n) Erweiterung(en) vorzubereiten. An Hand dieser Formulierung wird ein Problem deutlich, dass später noch ausführlicher dargestellt wird: Werden die Beitrittskandidaten alle auf einmal aufgenommen oder in mehreren Stufen?[1] Da diesbezüglich noch keine Entscheidung erkennbar ist, wird die offene Formulierung beibehalten.
Die Regierungskonferenz von Nizza sollte über die zukünftige Gestaltung der Kommission hinsichtlich Größe und Zusammensetzung, die Stimmengewichtung im Europäischen Rat, die Ausweitung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit und eine verstärkte Zusammenarbeit beraten.[2] Allerdings konnte auf Grund der Querelen im Vorfeld von diesem Gipfel „nur wenig mehr als ein Minimalkompromiss erwartet werden, d.h. ein Erfolg, der es den Staats- und Regierungschefs gestatten würde, den Weg für die Beitrittsverhandlungen für frei zu erklären.“[3]
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Regierungskonferenz von Nizza kurz dargestellt und erläutert.
Für die künftige Gestaltung der Kommission wurde beschlossen, dass eine mögliche Begrenzung der Zahl der Kommissionsmitglieder zunächst verschoben wird und erst mit dem Beitritt des 27. Staates diskutiert wird. Konkret wird der Artikel 213 EG-V Absatz 1dahingehend geändert, dass für die erste Kommission nach dem 1. Januar 2005 gilt, dass jedes Mitglied nicht mehr mindestens, sondern nur noch ein Staatsangehöriger je Mitgliedstaat angehört. Für die Amtsübernahme der ersten Kommission nach dem Beitritt des 27. Mitgliedstaates wurde festgelegt, dass ab diesem Zeitpunkt die Kommission weniger Mitglieder hat als es Mitgliedstaaten gibt; d.h. die Anzahl der Kommissare liegt unter 27. „Die Mitglieder werden auf der Grundlage einer gleichberechtigten Rotation ausgewählt, deren Einzelheiten vom Rat einstimmig festgelegt werden.“[4]
Ferner wurden dem Kommissionspräsidenten weitere Kompetenzen gegeben und seine Position gestärkt. So sieht der Vertrag von Nizza vor, dass der Präsident vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt wird, er selbst einen Vizepräsident ernennt und für die interne Organisation der Kommission verantwortlich ist.[5]
Auch für die nächsten Bereiche ist das Datum 1. Januar 2005 wesentlich. Zu diesem Zeitpunkt wird die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit geändert. Ferner wurde der gemeinsame Standpunkt der EU, der sich auf die Zahl der Stimmen der Beitrittsländer im Rat bezieht, festgelegt. Danach ergibt sich, dass ein Beschluss, der zur Zeit einen Mindestwert von 71,26% der Stimmen auf sich vereinen muss, nach den Neuaufnahmen einen Mindestwert von 73,4% der Stimmen haben muss. Darüber hinaus kann jeder Mitgliedstaat überprüfen, ob die qualifizierte Mehrheit mindestens 62% der Gesamtbevölkerung entspricht.[6]
Die Bestimmungen für eine verstärkte Zusammenarbeit einiger Mitgliedstaaten wurden in Nizza komplett neugefasst. Vor allem weil die ehemals zehn Voraussetzungen zu Einer zusammengefasst wurden. Wobei die wesentlichen Merkmale, wie z.B. der Grundsatz, dass auf eine verstärkte Zusammenarbeit erst als letztes Mittel zurückgegriffen werden darf, weitgehend beibehalten wurden.[7]
Die Änderungen fallen dagegen dürftig aus. So bedarf es künftig nur der Übereinkunft von acht und nicht wie bisher der Mehrheit der Mitgliedstaaten. Im Zuge der Erweiterung(en) sinkt die notwendige Zahl auf Eindrittel der EU Staaten. In den Politiken der ersten und dritten Säule wurde zudem die Möglichkeit eines Vetos gestrichen. Stattdessen kann ein Mitgliedstaat den Europäischen Rat anrufen. Nach erfolgter Anrufung kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss über Projekte der verstärkten Zusammenarbeit jeglicher Art treffen.[8]
Die unter anderem hier angeführten Reformschritte sollten die EU auf die bevorstehende(n) Erweiterung(en) vorbereiten. Doch letzten Endes „haben in Nizza nationale Interessen auf Kosten des gemeinsamen Europäischen Interesses überwogen.“[9]
„Trotz aller Prognoseschwächen können wir uns jedoch der Frage nach der Zukunftsfähigkeit der EU nicht entziehen.“[10] Daher müssen die Beschlüsse der EU-Staatschefs von Nizza kritisch hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der EU, unter der Maßgabe für mehr Transparenz und Flexibilität, bewertet werden. So zeigte „der elende Streit um eine Neuverteilung der Stimmrechte im Ministerrat“[11], dass nationale Befindlichkeiten nur mühsam im Sinne eines einheitlichen Europas kompensiert werden können. So kommentierte Claude Juncker das Klima der Regierungskonferenz in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 13. Dezember 2000 folgendermaßen: „Wenn Nizza jeden Tag stattfände, wären wir schnell wieder in alten Gefechtslagen – wenn auch ohne scharfe Munition.“[12]
„Angesichts der Kombination von Ambivalenz in den Einstellungen und Komplexität der Materie wird es bei der Konstitutionalisierung der Europäischen Union wie bei allen bisherigen Integrationsschritten auch in hohem Maße auf die Qualität der politischen Führung ankommen.“[13]
„Die Regierungskonferenz [von Nizza] hat eine Erklärung zur Zukunft der Union angenommen, in der sie zu einer eingehenderen und breiter angelegten Diskussion über die künftige Entwicklung der Europäischen Union auffordert.“[14]
Diese Erklärung musste deshalb angehängt werden, weil der Vertrag von Nizza „lediglich die technischen Voraussetzungen für die Mitarbeit der neuen Mitglieder, nicht aber die Handlungsfähigkeit der Union sichert“[15].
In der 23. von der Konferenz angenommen Erklärung werden die Ratsvorsitzenden Schwedens und Belgiens in die Pflicht genommen, in Kooperation mit der Kommission und unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments eine breit „angelegte Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union ..., an der alle interessierten Seiten beteiligt sind“[16], zu forcieren. Dieser Schritt sollte mit dem Gipfel von Laeken, auf dem geeignete Initiativen zur Konkretisierung dieser Debatte festgelegt werden sollten, beendet werden.[17]
Daran anschließend sollen in den Jahren 2002 und 2003 die in Laeken beschlossenen Initiativen ergriffen werden. Zum Abschluss dieses Denkprozesses wird, so die Erklärung, in 2004 vorrangig auf deutsches Drängen hin[18] „erneut eine Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten einberufen“.[19]
In diesem Post-Nizza Prozess sollen vier Themenfelder diskutiert werden. Erstens gilt es, die Frage nach einer genaueren Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten zu klären. Zweitens soll die Stellung der Charta der Grundrecht der EU erörtert werden. Drittens sollen die Verträge hinsichtlich mehr Transparenz vereinfacht werden. Viertens gilt es die Rolle der Nationalparlamente festzulegen.[20]
2.2 Möglichkeiten für Vertiefung und Erweiterung
In der Diskussion um die künftige Entwicklung der EU bilden die Strategien der Erweiterung und Vertiefung die bestimmenden Ausgangspunkte. „Als Zwillingsmotor bildet dieses 'Doppel' den Kern einer kontroversen Debatte über die angemessene Zukunftsstrategie.“[21] Dabei gibt es die verschiedenen integrationspolitischen Strategien und Szenarien für die EU. Eine eher föderale „Gemeinschaftsstrategie.. der Vertiefung vor Erweiterung beurteilt einen Ausbau der EU als unausweichlich und setzt auf die bessere Erweiterungsfähigkeit einer in ihren Grundzügen konsolidierten Union, wohingegen die lineare Erweiterungsstrategie ... der Annahme folgt, dass eine Erweiterung auf der Basis der Vorschriften des bestehenden Vertrages stattfinden kann, d.h. eine Vertiefung keine wirkliche Voraussetzung bildet.“[22]
[...]
[1] Wessels, Wolfgang: Zukunftsfähigkeit? Die Europäische Union á 27, in: Internationale Politik 2/2001, S. 13.
[2] Vgl., http://europa.eu.int/comm/archives/igc2000/geninfo/fact-sheet16/index_de.htm, 30.10.2001.
[3] Kyaw, Dietrich von: Weichenstellung des EU-Gipfels von Nizza, in: Internationale Politik 2/2001, S. 7.
[4] Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 80/01, europa.eu.int/eur lex/de/treaties/dat/nice_treaty_de.pdf, 01.03.2002.
[5] Vgl., http://europa.eu.int/comm/archives/igc2000/geninfo/fact-sheet16/index_de.htm, 30.10.2001.
[6] Vgl. ebd.
[7] Vgl., Vermerk für die Mitglieder der Kommission, Brüssel 18.01.2001, S. 9f.
[8] Vgl., ebd.
[9] Kyaw, Dietrich von: Weichenstellung des EU-Gipfels von Nizza, in: Internationale Politik 2/2001, S. 8.
[10] Wessels, Wolfgang: Zukunftsfähigkeit? Die Europäische Union á 27, in: Internationale Politik 2/2001, S. 14.
[11] Wernicke, Christian: Vertrag zu Lasten eines Dritten, in: Die Zeit, 13.12.2000, Nr. 51.
[12] Die Zeit, 13.12.2000, Nr.51.
[13] Loth, Wilfried: Der Post-Nizza-Prozess und die Römischen Verträge, in: Integration, 1/2001, S. 17f.
[14] Vermerk für die Mitglieder der Kommission, Überblick über den Vertrag von Nizza, Brüssel 18.01.2001, S. 12.
[15] Neuss, Beate: Die Krise als Durchbruch, Die EU zwischen Vertragsreform und Verfassungsentwurf, in: Internationale Politik 1/2002, S. 9.
[16] Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 80/01, europa.eu.int/eur-lex/de/treaties/dat/ nice_treaty_de.pdf, 01.03.2002, S. 85.
[17] Vgl., ebd., S. 85.
[18] Kyaw, Dietrich von: Weichenstellung des EU-Gipfels von Nizza, in: Internationale Politik 2/2001, S. 9.
[19] Vgl., Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 80/01, europa.eu.int/eur-lex/de/treaties/dat/ nice_treaty_de.pdf, 01.03.2002, S. 86.
[20] Vgl., ebd., S. 86.
[21] Umbach, Gaby/Wessels, Wolfgang: Entwicklungsstrategien der Europäischen Union zwischen Erweiterung und Vertiefung, Zur Notwendigkeit begrenzter, aber tragfähiger Reformen, in: Politik im Netz 11/2000, www.politik-im-netz.com, 15.03.2002, S. 5.
[22] Ebd., S. 5.