Betriebe aus dem deutschen Mittelstand hinken der Entwicklung im Bereich von Digitalisierung und Industrie 4.0 deutlich hinterher und drohen langfristig abgehängt zu werden. Profiteure sind die wenigen Akteure, die sich dem technischen Fortschritt nicht verweigern und diesen effektiv den jeweiligen Unternehmenszielen anpassen. Welche Probleme und Aufgaben damit einhergehen und warum viele Betriebe an den wachsenden Herausforderungen scheitern, wird in dieser Seminararbeit skizziert.
Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung sollen die folgenden Kapitel einen Überblick über die aktuelle Lage der Digitalisierung im deutschen Mittelstand, die bestehenden Herausforderungen und Probleme sowie die zentralen Lösungsansätze für eine erfolgreiche Digitalisierung bieten. Abschließend soll außerdem auf das vermeintliche Spannungsverhältnis zwischen Industrie 4.0 und digitalen Plattformen eingegangen werden.
In Bezug auf die möglichen Lösungsansätze soll zudem ein Fokus auf den praxisnahen Einsatz von digitalen Plattformen gelegt werden. Digitale Plattformen dürfen in diesem Zusammenhang jedoch nicht mit den "Big Playern" der internationalen "Plattform-Ökonomie" wie Facebook oder Amazon verwechselt werden. Eine genauere Definition digitaler Plattformen wird daher in Kapitel 3.4 vorgenommen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Digitalisierung im Mittelstand
2.1 Begriffsklärung und historische Perspektive
2.1.1 Geschichte der Digitalisierung
2.2 Status quo der Digitalisierung
2.3 Herausforderungen und Wettbewerb
2.4 Vorstellungen von einer erfolgreichen Digitalisierung
2.5 Problematische Aspekte der Digitalisierung
3. Zentrale Lösungsansätze für Digitalisierung
3.1 Einführung von grundlegenden Software-Lösungen
3.1.1 Beispiele aus der Praxis
3.2 CRM- und ERP-Systeme
3.2.1 Beispiele aus der Praxis
3.3 Industrie 4.0 und smarte Technologien
3.3.1 Beispiele aus der Praxis
3.4 Digitale Plattformen und Plattform-Ökonomie
3.4.1 Beispiele aus der Praxis
4. Zur Wechselbeziehung von Industrie 4.0 und digitalen Plattformen
4.1 Umsetzbarkeit im deutschen Mittelstand
4.2 Industrie 4.0 und digitale Plattformen im Zusammenhang
4.2.1 Abhängigkeit und Reihenfolge
5. Fazit
Literatur
1. Einleitung
Der aktuell stattfindende Wandel von analogen Unternehmensstrukturen hin zu digitalen Formen der Unternehmensführung steht ganz im Zeichen der sogenannten „Industrie 4.0“. Von 3D-Druckern über „Machine-Learning“ und „IoT“ bis hin zu künstlicher Intelligenz wird mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Buzzwords mit dem Themenbereich der Industrie 4.0 verknüpft. Doch die Frage danach, was Digitalisierung und Industrie 4.0 eigentlich bedeuten, bleibt oftmals offen und wird zu selten präzisiert. Unternehmen müssen sich überlegen, welche Abläufe und relevanten Veränderungen mit dem Prozess der Digitalisierung eigentlich einhergehen sollten, und Experten der Unternehmensanalyse stellen sich die Frage, ob dem deutschen Mittelstand eine angemessene Interpretation dieser Veränderungen und Abläufe gelungen ist.
Die letzte Frage sollte besonders im Hinblick auf die aktuellen Ergebnisse unterschiedlicher Institutionen gestellt werden. Demnach deuten die Befunde der letzten Jahre darauf hin, dass die „Digitalisierung“ einem Großteil der deutschen mittelständischen Unternehmen massive Probleme bereitet (vgl. Terpitz, 2019 und Ternès & Schieke, 2018) und diese in den kommenden Jahren noch weiter abgehängt werden könnten. Profiteure sind die wenigen Ausnahmen im Mittelstand, denen der Prozess der Digitalisierung offenbar gut gelungen ist und welche ihre Betriebsabläufe unter Einsatz moderner Technik optimieren sowie neue Geschäftsfelder erschließen konnten (vgl. Herda et al., 2018). Im Hinblick auf diesen Sachverhalt sollen im Rahmen dieser kurzen Arbeit die folgenden Fragestellungen näher betrachtet werden:
„Warum weist der Prozess der Digitalisierung im deutschen Mittelstand hinsichtlich der Interpretation von Digitalisierung und Industrie 4.0 durch die Unternehmen nur wenige nachweisbare und praxisnahe Erfolge auf? Und welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation stehen zur Verfügung?“
Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung sollen die folgenden Kapitel einen Überblick über die aktuelle Lage der Digitalisierung im deutschen Mittelstand, die bestehenden Herausforderungen und Probleme sowie die zentralen Lösungsansätze für eine erfolgreiche Digitalisierung bieten. Abschließend soll außerdem auf das vermeintliche Spannungsverhältnis zwischen Industrie 4.0 und digitalen Plattformen eingegangen werden.
In Bezug auf die möglichen Lösungsansätze soll zudem ein Fokus auf den praxisnahen Einsatz von digitalen Plattformen gelegt werden. Digitale Plattformen dürfen in diesem Zusammenhang jedoch nicht mit den „Big Playern“ der internationalen „Plattform-Ökonomie“ wie Facebook oder Amazon verwechselt werden. Eine genauere Definition digitaler Plattformen wird daher in Kapitel 3.4 vorgenommen.
2. Digitalisierung im Mittelstand
Wie bereits beschrieben, lassen sich im deutschen Mittelstand starke Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmen im Hinblick auf deren Digitalisierungsfortschritt beobachten. Im Allgemeinen ist dabei ein Trend zu eher schlecht vorbereiteten, überstürzten und finanziell gescheiterten Versuchen der Digitalisierung erkennbar (vgl. Terpitz, 2018). Im folgenden Kapitel sollen deshalb Geschichte und Zusammenhang von Mittelstand und Digitalisierung sowie der Status quo beschrieben werden. Anschließend wird auf die Herausforderungen eingegangen, mit denen sich mittelständische Unternehmen im Zusammenhang mit Digitalisierungsprozessen auseinandersetzen müssen, bevor abschließend kritisch die problematischen Aspekte der Digitalisierung analysiert werden.
2.1 Begriffsklärung und historische Perspektive
Der Mittelstand ist in Deutschland ein Begriff, welcher nicht offiziell anhand bestimmter qualitativer oder quantitativer Daten beschrieben wird. Trotzdem versuchen sich unterschiedliche Institutionen, wie auch das „Institut für Mittelstandsforschung Bonn“ (ifm Bonn), an einer Definition. Um für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ein grundlegendes Verständnis sicherzustellen, soll deshalb eine kurze Begriffsdefinition erfolgen.
Der Mittelstand setzt sich, nach den Kriterien des ifm Bonn, aus allen kleinen und mittelgroßen deutschen Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro zusammen (vgl. VÖB, 2014). Eine Definition entlang der Beschäftigtenzahl und des Jahresumsatzes wurde auch durch die EU-Kommission unternommen, unterscheidet sich jedoch bei den konkreten Zahlen von der Definition des ifm Bonn. Da der Fokus für diese Arbeit jedoch auf dem deutschen Mittelstand liegen soll, stellt im Weiteren die Definition des ifm Bonn die Bezugsgrundlage dar.
Der Begriff der Digitalisierung kann, abhängig vom konkreten Zusammenhang, unterschiedliche Bedeutungen haben. Im Allgemeinen beschreibt er jedoch die Umwandlung analoger Daten in ihr digitales und von Computern verwertbares Gegenstück (vgl. Luber & Litzel, 2019). In Bezug auf den Fachbereich der Wirtschaft lässt sich ebenfalls eine Digitalisierung analoger Datensätze zur computergestützten Weiterverarbeitung nachweisen. Der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln soll in diesem Zusammenhang durch verbesserte Kommunikation, digitale Datenverarbeitung und optimierte Betriebsabläufe zu einer Effizienzsteigerung innerhalb der Unternehmen beitragen (vgl. Bendel, 2018). Außerdem eröffnen sich durch den Zugang zum Internet neue Geschäftsmodelle und Vertriebsmöglichkeiten, welche zu einer Diversifizierung der unternehmerischen Tätigkeiten beitragen können (vgl. Lichtblau et al., 2018).
Da auch der Begriff der „Industrie 4.0“ in der folgenden Arbeit eine bedeutende Rolle spielen wird, soll kurz auf seinen Ursprung eingegangen werden. Bei der Verwendung des Begriffes Industrie 4.0 findet ein Rückgriff auf das Konzept der industriellen Revolutionen statt, wobei auf eine bevorstehende vierte Revolution hingewiesen wird. Die erste industrielle Revolution bezeichnet eine Reihe von Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, welche neben einer massiven Produktionssteigerung auch eine Umstrukturierung bestehender Produktionsverhältnisse und Geschäftsformen mit sich gebracht haben (vgl. Raveling, 2019). Die zweite Revolution geht, beginnend mit dem frühen 20. Jahrhundert, mit der Entdeckung und Verwendung einfacher Elektromotoren einher. Die dritte Revolution bezieht sich auf die Weiterentwicklung elektrischer Geräte bis hin zur Entwicklung des Mikrochips und des modernen Computers.
Unter der vierten industriellen Revolution werden, unter Verwendung des Begriffs der Industrie 4.0, die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung von industriellen Warenketten verstanden. Wichtige Begriffe, welche mit dem Wandel zur Industrie 4.0 verbunden werden, sind „Internet of Things“, künstliche Intelligenz, Machine-Learning und automatisierte „Supply-Chains“. Inwiefern möglicherweise auch andere Begriffe und Prozesse in Verbindung mit dem Wandel zur Industrie 4.0 relevant sind, soll in Kapitel 4 dieser Arbeit genauer beleuchtet werden.
2.1.1 Geschichte der Digitalisierung
Die Geschichte der Digitalisierung lässt sich, je nach Auffassung, bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen. Für diese Arbeit soll jedoch die Geschichte der Digitalisierung ab der sogenannten „dritten industriellen Revolution“, die mit der Einführung des modernen Computers einherging, dargestellt werden. Ab der Entwicklung des Mikroprozessors in den frühen 1970er-Jahren ist modernen Computern, Sensoren und Robotern der Einzug in die weltweite Industrie- und Unternehmenslandschaft gelungen (vgl. Raveling, 2019).
Dies führte in den Folgejahren zu einer stetigen Automatisierung vieler Prozesse. Besonders der Anteil der in der Industrie beschäftigten Menschen ist stark zurückgegangen, da sie durch moderne Roboter (zunächst für die einfachen, sich wiederholenden, industriellen Arbeitsprozesse eingesetzt) ersetzt wurden (vgl. Raveling, 2019). Durch eine ständige Weiterentwicklung der neuen Technologien hat sich deren Einsatzbereich zunehmend auch in die komplexeren Bereiche der Geschäftsprozesse von Unternehmen ausbreiten können. Softwarehersteller wie SAP haben bereits in den frühen 1970er-Jahren erste Programme zur Erstellung von Lohnabrechnungen und zur Buchhaltung in Unternehmen entwickelt.
Mit der Verbreitung des kommerziellen Internets in den 1990er-Jahren haben sich auch neue Anwendungsbereiche für den Einsatz computergestützter Programme entwickelt. Unternehmen konnten nun auf fortschrittlichere Software zurückgreifen, welche Kommunikation, Organisation und Ressourcen-Management erheblich vereinfachte. Besonders die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten von Unternehmen zu KundInnen sowie Unternehmen untereinander, durch das Aufkommen von Websites und diversen Software-Lösungen, haben zur Entstehung neuer Geschäftsfelder beigetragen.
2.2 Status quo der Digitalisierung
Die Deutsche Telekom hat im Jahr 2018 eine quantitative Studie zum Status quo der Digitalisierung im deutschen Mittelstand veröffentlicht. Im Rahmen ihrer Methodik erfasst die Studie Informationen zur Produktivität, zu den digitalen Geschäftsmodellen, der IT-Sicherheit und dem Datenschutz im Unternehmen (vgl. Deutsche Telekom, 2018). Neben dem Status quo werden außerdem die finanzielle Kosten-Nutzen-Bilanz der Digitalisierungsmaßnahmen und der aktuelle Kenntnisstand der Belegschaften erfasst.
Zu den zentralen Ergebnissen der Studie zählt, dass lediglich 45 % der Unternehmen des deutschen Mittelstandes ein konkretes Konzept für die Digitalisierung ihrer Geschäftsabläufe vorweisen können und diese bereits als festen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie etabliert haben (vgl. Deutsche Telekom, 2018). 48 % der untersuchten Unternehmen gaben hingegen an, dass sie noch keinen konkreten Plan zur Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen vorweisen können oder lediglich einzelne Projekte verwirklichen konnten. Weitere 7 % der Unternehmen bekannten, dass sie sich bisher noch gar nicht mit dem Themenbereich der Digitalisierung auseinandergesetzt haben (vgl. Deutsche Telekom, 2018).
Im Hinblick auf die Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen geben, je nach spezifischem Geschäftsfeld, etwa 50 % der Unternehmen an, bei ihrem Kundenkontakt, der unternehmensinternen Produktionssteigerung, der Erstellung von Angeboten oder der Umsetzung von Informationssicherheit und Datenschutz auf digitale Hilfsmittel zurückzugreifen (vgl. Deutsche Telekom, 2018). Hier sind jedoch sehr starke Branchenunterschiede zu beobachten. So scheint die Digitalisierung besonders in den Banken- und Versicherungssektor Einzug gefunden zu haben. In Baugewerbe und Handel sind hingegen vergleichsweise geringe Fortschritte zu verzeichnen (vgl. Deutsche Telekom, 2018).
In Bezug auf die unternehmerische Kosten-Nutzen-Rechnung der Digitalisierungsmaßnahmen lässt sich feststellen, dass lediglich 38 % der untersuchten Unternehmen angaben, bereits einen wirtschaftlichen Nutzen aus den eigenen Digitalisierungsmaßnahmen zu ziehen (vgl. Deutsche Telekom, 2018). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Digitalisierungsprozesse vieler mittelständischer Unternehmen nicht ausreichend geplant sind und im Zweifelsfall keinen direkten Praxisbezug aufweisen. Die hohen Kosten, welche im Rahmen des Digitalisierungsprozesses entstehen können, werden auf diese Weise nicht ausgeglichen und eine Digitalisierung daher als nicht lohnenswert empfunden. Dieser Sachverhalt könnte ein möglicher Erklärungsansatz für eine bestehende Digitalisierungs-Verdrossenheit im deutschen Mittelstand sein.
2.3 Herausforderungen und Wettbewerb
Auf dem Weg zu einer erfolgreichen Digitalisierung sehen sich alle Unternehmen mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Einigen gelingt es, den Digitalisierungsprozess schnell und praxisnah umzusetzen. Diese Unternehmen ziehen einen großen Nutzen aus der gesteigerten Effizienz ihrer Geschäftsabläufe und dem Zugang zu den neuen Geschäftsfeldern der digitalen Ökonomie. Da es jedoch einem großen Teil der Akteure im deutschen Mittelstand nicht gelingt, die gestiegenen Herausforderungen zu überwinden, sollen diese im Folgenden kurz dargestellt werden.
Eine der großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung eines Unternehmens sehen viele Geschäftsleute in den bestehenden Unternehmensstrukturen und der teilweise sehr strikten Unternehmenskultur. Diese ständen dem Wandel zu modernen Strukturen und Abläufen häufig im Weg und würden den Digitalisierungsprozess erheblich verlangsamen (vgl. Dämon, 2015). Neben einer gelungenen technischen Umsetzung bedürfen viele Unternehmen also auch einer flexibleren und offeneren Unternehmenskultur, welche Veränderungen und Neuerungen nicht nur zulässt, sondern unterstützt.
Wie bereits die Studie der Deutschen Telekom aufzeigen konnte, ist auch die ausreichende und praxisnahe Planung von Digitalisierungsprozessen von großer Bedeutung (vgl. Deutsche Telekom, 2018). Hierbei sollten verschiedenste Faktoren bedacht werden, welche zu einer erfolgreichen Digitalisierung beitragen. Ein offensichtlicher - jedoch häufig übersehener - Aspekt ist die jeweilige Aufstellung des Unternehmens im Hinblick auf die verfügbaren Ressourcen und Arbeitskräfte. Häufig ließe sich schon vor einer durchgeführten Maßnahme erkennen, dass Ressourcen und Arbeitskräfte nicht ausreichen, um eine erfolgreiche Digitalisierung im angestrebten Umfang zu ermöglichen (vgl. Haude & Toschläger, 2017).
Auch Sinn und Zweck einzelner Digitalisierungsmaßnahmen sollten im Vorhinein ausreichend bedacht werden. So ist beispielsweise die Anschaffung eines 3-D-Druckers zum Selbstzweck kein Garant für eine erfolgreiche Digitalisierung des Unternehmens. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, welche konkreten Ziele mit dem Digitalisierungsprozess verfolgt werden. So könnte es Sinn machen zu überlegen, inwiefern eine Anschaffung zur Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder beitragen könnte. Außerdem sollte bedacht werden, ob die Veränderungen unter Berücksichtigung des eigenen Kundenstamms mit diesem kompatibel sind (vgl. Lütkebohle et al., 2016). Die Investition eines/einer mittelständischen Betreibers/Betreiberin von Seniorenheimen in IoT-fähige Sensoren ist zum Beispiel keine praxisnahe Investition und sollte daher vermieden werden.
2.4 Vorstellungen von einer erfolgreichen Digitalisierung
Nach der Skizzierung der Herausforderungen, welchen mittelständische Unternehmen während des Digitalisierungsprozesses gegenüberstehen, soll nun ein kurzer Überblick darüber vermittelt werden, wie eine erfolgreiche Digitalisierung im Mittelstand aussehen könnte. Dazu wird eine Studie verwendet, welche sich mit Fallbeispielen von deutschen mittelständischen Unternehmen beschäftigt, denen eine erfolgreiche Digitalisierung gelungen ist (vgl. Wrobel et al., 2019).
Am Anfang eines Digitalisierungsprozesses sollte sich jeder Betrieb darüber im Klaren sein, welche akuten Probleme im Unternehmen bestehen und wie entsprechende Digitalisierungsmaßnahmen zur Lösung dieser Probleme beitragen können. Möglicherweise lassen sich schon in diesem Schritt Schwierigkeiten feststellen, welche nicht direkt durch Digitalisierungsmaßnahmen zu beheben sind, dem Prozess der Digitalisierung jedoch im Weg stehen könnten und dementsprechend bereits im Vorhinein gelöst werden müssen. So sollten eine modernisierungsfeindliche Unternehmenskultur, bestehende Kommunikationsprobleme oder eine finanzielle Notlage behoben werden, bevor der Modernisierungsprozess in Angriff genommen wird (vgl. Wrobel et al., 2019).
Im Hinblick auf die genannte finanzielle Notlage sollte sich das Unternehmen außerdem einen Überblick über die zur Verfügung stehenden finanziellen und menschlichen Ressourcen verschaffen. Der Umfang und die konkrete Durchführung von Digitalisierungsmaßnahmen sollten sich an den eigenen Ressourcen orientieren, um ein Scheitern aufgrund von mangelnder Arbeitskraft oder fehlendem Kapital zu vermeiden. Gerade die finanziellen Ressourcen sollten mit einem großzügigen Puffer berechnet werden, um auch auf unerwartete Ausgaben reagieren zu können (vgl. Wrobel et al., 2019). Unternehmen, welche nur geringe Mengen an freiem Kapital zur Verfügung haben, sollten ihren Digitalisierungsprozess dementsprechend ausführlich planen und über einen längeren Zeitraum durchführen.
Um finanzielle Engpässe und Misserfolge zu vermeiden, sollten sich von Anfang an die individuellen Digitalisierungsmaßnahmen an einem konkreten Ziel orientieren, welches darauf ausgelegt ist, neue Geschäftsfelder zu erschließen, bestehende Geschäftsprozesse zu optimieren oder neue KundInnen zu gewinnen. Auf diese Weise garantieren die Maßnahmen auch mittelfristig erste finanzielle Rückläufe und tragen zur Finanzierung weiterer Digitalisierungsmaßnahmen bei.
2.5 Problematische Aspekte der Digitalisierung
Trotz der umfangreichen Möglichkeiten, welche die Digitalisierung im Hinblick auf die Optimierung von Geschäftsprozessen und die Erschließung neuer Geschäftsmodelle mit sich bringt, gibt es besonders bei der praktischen Umsetzung häufig problematische Aspekte. Die Digitalisierung wird aus einer falschen Motivation, mit unrealistischen Vorstellungen oder überstürzt angegangen. Die Menge an Faktoren, welche zu einem potenziellen Scheitern des Digitalisierungsprozesses führen können, ist groß. Deshalb soll im Folgenden ein Blick auf die problematischen Aspekte im Bereich der Digitalisierung geworfen werden.
Digitalisierung ist in der heutigen Wahrnehmung ein Wort, welches mit vielen sogenannten „Buzzwords” in Verbindung gebracht und häufig als Allheilmittel wahrgenommen wird. So heißt es, dass Unternehmen, welche beim Digitalisierungsprozess in Verzug geraten, keine Überlebenschance am Markt hätten (vgl. Haude & Toschläger, 2017). Zwischen 3-D-Druckern, VR-Brillen und IoT-fähigen Robotern verlieren viele UnternehmerInnen jedoch den Blick dafür, was ihr Unternehmen eigentlich benötigt, um den Prozess der Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Die Investition in moderne Technologien erfolgt also häufig aus der Furcht davor, den Anschluss zu den vermeintlich modernen Branchenführern zu verlieren, und wird deshalb nicht ausreichend durchdacht. Auch die Erwartung an die Digitalisierung als Allheilmittel kann auf diese Weise häufig nicht erfüllt werden.
In den meisten Fällen lassen sich in den mittelständischen Unternehmen Organisations- und Kommunikationsprobleme beobachten, welche mit dem Einsatz der richtigen digitalen Hilfsmittel behoben werden könnten. Der nicht ausreichend durchdachte Erwerb technologischer Neuheiten führt trotzdem nur selten zum gewünschten Erfolg (vgl. Haude & Toschläger, 2017). Im schlechtesten Fall kann ein solcher Misserfolg nicht nur die Digitalisierungsverdrossenheit im Mittelstand fördern, sondern sogar das endgültige Scheitern einzelner Unternehmen bedeuten.
Nach der Auffassung einiger ExpertInnen trägt auch die aktuelle Rolle der (Online-) Medien zu einem „Digitalisierungswahn“ sowie zu vielen Ängsten bei. Dieser „Wahn“ äußert sich in einem immensen Druck, den viele mittelständische Unternehmen zu spüren bekommen. So wird in der medialen Berichterstattung häufig von den neuesten Trends der Digitalisierung gesprochen. Crypto-Währungen, Augmented Reality, künstliche Intelligenz und Elektromobilität sind weithin bekannt, während über die vergleichsweise wenig spektakulären digitalen Trends nur selten ausführlich berichtet wird (vgl. Bremm, 2018). Auf diese Weise tragen die Medien dazu bei, ein verzerrtes Bild der Digitalisierung zu kreieren. Mittelständische Unternehmen könnten dadurch vermehrt den Druck verspüren, in die neuesten digitalen Trends investieren zu müssen, um am Markt konkurrenzfähig zu bleiben.
3. Zentrale Lösungsansätze für Digitalisierung
Nachdem in den vorherigen Kapiteln auf den Status quo, die Herausforderungen und die Probleme der Digitalisierung eingegangen wurde, sollen an dieser Stelle digitale Lösungsansätze präsentiert werden. Der Fokus liegt hierbei auf CRM- und ERP-Systemen sowie Technologien der Industrie 4.0 und digitalen Plattformen. Neben einer kurzen Erläuterung dieser einzelnen Aspekte sollen außerdem einige Praxisbeispiele angeführt werden.
3.1 Einführung von grundlegenden Software-Lösungen
Bereits kurz nach Beginn der Verbreitung des kommerziellen Computers in deutschen Unternehmen in den 1970er- und 1980er-Jahren sind die ersten Software-Lösungen für unterschiedliche Teilaspekte der unternehmerischen Geschäftsprozesse auf dem Markt erschienen. Diese grundlegenden Programme waren für die Anwendung in sehr spezifischen Teilbereichen ausgelegt und hatten daher häufig nur wenige Funktionen. So konnte ein Programm zur Rechnungserstellung nicht für die Verarbeitung anderer Daten verwendet werden. Um den gesamten Geschäftsprozess zu digitalisieren, war häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Softwares nötig. Zu den klassischen Einsatzbereichen der Unternehmenssoftware gehörten hierbei Personalwesen, Warenwirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen sowie Marketing und Vertrieb.
Eine Studie aus dem Jahr 2019, welche sich mit den verwendeten Unternehmenssoftwares im deutschen Mittelstand beschäftigt, verweist darauf, dass etwa 65 % der deutschen mittelständischen Unternehmen weiterhin mit eher grundlegenden Software-Lösungen wie Microsoft Excel, Word und Co. arbeiten (vgl. Bahr, 2019). Diesen grundlegenden Software-Lösungen scheint also im deutschen Mittelstand, auch einige Jahrzehnte nach ihrem ursprünglichen Erscheinen, noch eine große Bedeutung zuzukommen.
3.1.1 Beispiele aus der Praxis
Der Softwareanbieter SAP vertreibt bereits seit den frühen 1970er-Jahren Unternehmenssoftware für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche. So lassen sich beispielsweise über das Softwareangebot „HR-Lösungen für den Mittelstand“ Personalplanung und Personalanalyse, Talentmanagement und andere Human Ressources (HR)-Kernfunktionen digitalisieren (vgl. SAP, 2019). Dadurch, dass grundlegende Funktionen wie die Erstellung von Arbeitsplänen, die Erfassung von Arbeitszeit und das Speichern von HR-relevanten Dokumenten digitalisiert werden können, muss weniger Zeit in diesen Bereich investiert werden. Gleichzeitig ist dieser deutlich weniger fehleranfällig. Das sorgt nicht nur für eine zuverlässigere und effizientere Verwaltung der HR, sondern schafft auch freie Ressourcen, welche an anderen Stellen eingesetzt werden können. Wie bereits erwähnt, eignet sich diese Software-Lösung jedoch ausschließlich zur Bewältigung von HR-Aufgaben; für den Einsatz digitaler Anwendungen in anderen Unternehmensbereichen wird weitere Software benötigt.
Auch das Ende der 1980er-Jahre veröffentlichte Office-Paket von Microsoft ist eine grundlegende Software-Lösung zur Erstellung, Bearbeitung und Verwaltung von Dokumenten. Besonders das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel hat aufgrund seiner vielfältigen Einsetzbarkeit in den Bereichen der kaufmännischen Rechnung, statistischen Erfassung und anderen Anwendungen der Wirtschaftsmathematik schnell Einzug in eine Vielzahl von Unternehmen gefunden. Dadurch, dass in Microsoft Excel unterschiedliche Aufgaben bewältigt werden können, eignet es sich - im Unterschied zu vielen anderen grundlegenden Softwares - zum Einsatz in unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Aufgrund seiner sehr simplen, geradlinigen und wenig intuitiven Darstellungs- und Funktionsweise ist es jedoch nicht mit modernen CRM- und ERP-Systemen zu vergleichen.
3.2 CRM- und ERP-Systeme
CRM- und ERP-Systeme stellen eine Weiterentwicklung grundlegender Unternehmenssoftware dar. Im Gegensatz zu eher simplen Softwares verbinden CRM- und ERP-Systeme häufig mehrere Geschäftsprozesse miteinander und werden für eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen genutzt. Auf diese Weise können die unterschiedlichen digitalen Prozesse und Systeme eines Unternehmens mit einer Software überwacht und gesteuert werden.
CRM-Systeme werden hierbei für jegliche Prozesse verwendet, welche mit dem Kontakt zum Kunden zu tun haben. So wird im Regelfall ein umfangreiches Informationsnetz zu jedem einzelnen Kunden geschaffen, welches sich u. a. aus Informationen wie E-Mail- und Telefonverkehr oder auch offenen und vergangenen Bestellungen zusammensetzt. Ziel ist hierbei nicht nur die Bindung der vorhandenen Kunden, sondern auch die Akquise von Neukunden durch ein öffentlichkeitswirksames Auftreten, welches ebenfalls über das CRM-System verwaltet werden kann.
Statistiken, welche sich mit der Kosten-Nutzen-Bilanz von CRM-Systemen beschäftigten, haben befunden, dass CRM-Systeme nicht nur dazu beitragen, die Rate von generierten Leads zu abgeschlossenen Verkäufen zu verbessern (vgl. IBM, 2017). In vielen Unternehmen, welche ein CRM-System in ihre Geschäftsabläufe integriert haben, sind auch die Kosten für die Arbeitskraft um etwa 20 % gesunken und die Return-of-Investment-Rate für die erworbenen CRM-Systeme beläuft sich im Durchschnitt auf etwa 500 % (vgl. IBM, 2017). Trotzdem hat eine 2019 erhobene Studie festgestellt, dass etwa 65 % der deutschen mittelständischen Unternehmen keine CRM-Software nutzen, sondern weiterhin mit grundlegenden Programmen wie Excel arbeiten (vgl. Bahr, 2019).
ERP-Systeme werden bei der Verwaltung von Unternehmensressourcen eingesetzt. Neben den typischen Bereichen der Materialwirtschaft und des Finanz- und Rechnungswesens können moderne ERP-Systeme auch für den Vertrieb, das Personalwesen (Human Resources) und Controlling-Aufgaben verwendet werden. Die unterschiedlichen Geschäftsabläufe werden hierbei über eine gemeinsame Datenbank kombiniert, welche eine einheitliche Planung mehrerer Geschäftsabläufe innerhalb eines Systems ermöglicht.
Trotz der Tatsache, dass ERP-Systeme maßgeblich zu einer Effizienzsteigerung von Unternehmen beitragen können (vgl. Eggert & Eisbrenner, 2008), haben Studien zur Verbreitung von ERP-Systemen im deutschen Mittelstand gezeigt, dass der Einsatz solcher Software in weniger als 50 % der geprüften Unternehmen nachzuweisen ist (vgl. Leyh & Gottwald, 2011). Eine Studie der TU Dresden hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass besonders in mittelständischen Kleinbetrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern das Wissen über und die praktische Erfahrung mit ERP-Systemen mangelhaft ist. So verwenden nur knapp 25 % der betrachteten Kleinbetriebe ein ERP-System (vgl. Leyh & Gottwald, 2011).
Aufgrund der Vielzahl an potenziellen Einsatzmöglichkeiten müssen moderne CRM- und ERP-Systeme häufig aufwendig eingerichtet werden, um die einzelnen Teilprozesse miteinander zu verbinden und dabei die spezifischen Interessen des individuellen Unternehmens zu berücksichtigen. Außerdem kann es zu Problemen kommen, wenn Software-Lösungen von unterschiedlichen Anbietern verwendet werden, welche möglicherweise nicht miteinander kompatibel sind.
3.2.1 Beispiele aus der Praxis
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, welche CRM- und ERP-Systeme vertreiben. Für die Praxisbeispiele soll der Fokus mit Salesforce und SAP jedoch auf die beiden Marktführer der Branche gesetzt werden. Da die Softwares sich im Kern stark ähneln, soll im Weiteren besonders auf die vereinzelten Unterschiede eingegangen werden.
Sowohl SAP als auch Salesforce bieten ihren Kunden eine breite Palette an unterschiedlichen CRM- und ERP-Features, welche in Form von SaaS- und PaaS-Modellen, mit von der Nutzerzahl abhängigen monatlichen Kosten, vertrieben werden. Salesforce legt seinen Fokus hierbei besonders auf die Funktionen, welche zu einer Optimierung des Verkaufsprozesses beitragen, während SAP auf seinem Vorsprung in der Interoperabilität zwischen seinen CRM- und ERP-Systemen aufbaut (vgl. Vizard, 2019). Während der Wandel hin zu cloudbasierten Applikationen in beiden Unternehmen zu beobachten ist, scheint Salesforce mit seinem umfangreichen Angebot, welches vollständig in der Cloud verwendbar ist, eindeutig den Vorteil bei dieser Wende erlangt zu haben (vgl. Tamturk, 2017). Viele der Applikationen von SAP werden weiterhin lediglich als „on-premise”-Lösung angeboten und müssen individuell auf den einzelnen Geräten installiert werden.
Obwohl die konkreten Kosten bei beiden Anbietern stark von den verwendeten Funktionen und der Anzahl der monatlichen Nutzer abhängig sind, ist zu erwähnen, dass sich im Rahmen eines jährlichen Abonnements die monatlichen Kosten pro Nutzer stark unterscheiden. So bietet Salesforce seine grundlegenden Applikationen im CRM-Bereich bereits für etwa 25 $ im Monat an, während sich die Kosten bei SAP für ein ähnliches Softwarepaket auf etwa 55 $ pro Monat belaufen (vgl. Vizard, 2019). Dafür, dass sich die Basis-Pakete der beiden Anbieter nur in geringem Maße unterscheiden, ist der Kostenunterschied sehr auffällig. Möglicherweise ist auch dieser Kostenvorteil einer der Gründe, warum Salesforce seinen Marktanteil seit 2010 verdoppeln konnte, während SAP im selben Zeitraum etwa 15 % seines Marktanteils eingebüßt hat (vgl. Tamturk, 2019).
Im Rahmen des Wandels zu cloudbasierten Applikationen ist es Salesforce darüber hinaus gelungen, eine Vielzahl an Lösungen im Bereich des Machine-Learning und der künstlichen Intelligenz zu entwickeln. Die CRM- und ERP-Lösungen von Salesforce sind deshalb besonders für Unternehmen interessant, welche auf eine ausgiebige Verwaltung und Analyse ihrer (Kunden-) Daten setzen. SAP hingegen hat im selben Zeitraum an seiner Social-Networking-Plattform „SAP-Jam“ gearbeitet, welche Unternehmen im Kontakt mit KundInnen, GeschäftspartnerInnen und MitarbeiterInnen unterstützen soll (vgl. Tamturk, 2019). Für SAP ist dies ein erster Schritt in Richtung cloudbasierter digitaler Plattformen, welche in Zukunft eine Vielzahl unterschiedlicher Applikationen vereinen sollen. Neben Instant-Messaging und Chatroom-Funktionen bietet SAP-Jam unterschiedliche Features zum Projekt- und Auftragsmanagement, zur Verwaltung von Kunden- und Mitarbeiterdaten sowie zum Dokument- und „Content-Sharing“.
Auch im Bereich des Kundensupports lassen sich eindeutige Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern erkennen. Während Salesforce auf eine lückenlose Kundenbetreuung inklusive Business-Beratung setzt, bietet SAP online ein Portal mit umfangreichen Informationen zu den eigenen Produkten und einem 24/7-Kundensupport für nicht-technische Probleme an. Die Bewältigung komplexerer Probleme hingegen kann, im Vergleich zu Salesforce, etwas länger dauern (vgl. Tamturk, 2019).
Bei der Frage, welcher Anbieter am Ende die besseren Produkte vertreibt, kommt es auf die individuellen Voraussetzungen an. Ein Unternehmen, welches bereits die ERP-Applikationen von SAP verwendet, würde vermutlich auch auf ein CRM-System von SAP setzen, da die einzelnen Applikationen gut miteinander kombinierbar sind. Ein Unternehmen, welches sich gerade im Prozess der Digitalisierung befindet und großen Wert auf die Optimierung seines Sales-Teams legt, würde vermutlich auf die Lösungen von Salesforce zurückgreifen. Die Entscheidung für eine konkrete Software-Lösung von SAP, Salesforce oder einem anderen Anbieter muss also individuell, in Hinblick auf die unternehmensinternen Aufgaben und Möglichkeiten, getroffen werden.
3.3 Industrie 4.0 und smarte Technologien
Der Begriff der Industrie 4.0 wird mittlerweile mit einer Vielzahl unterschiedlichster „disruptiver” Technologien in Verbindung gebracht, welche den Anspruch haben, die aktuellen industriellen Betriebsabläufe und Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern und durch neue Formen zu ersetzen. Im Fokus stehen hierbei unter anderem das „Internet of Things“ (IoT), künstliche Intelligenz (KI), Cloud-Computing und Machine-Learning.
Unter dem Begriff „Internet of Things“ wird, besonders in Bezug auf die Industrie 4.0, die Interkonnektivität einer Vielzahl von „smarten“ Computern, Sensoren, Robotern und anderen Maschinen verstanden, welche eigenständig und unter dem Einsatz entsprechender Software Daten miteinander austauschen. Ein Mensch wird bei dieser Form des Datenaustauschs, abseits von der ursprünglichen Programmierung der Software, nicht mehr benötigt (vgl. Laimingas, 2017). Das Endziel einiger Visionäre ist hierbei die Schaffung vollständig automatisierter Lieferketten und Herstellungsprozesse.
Die Begriffe „Machine-Learning“ und „Künstliche Intelligenz“ sind im Bereich der Industrie eng miteinander verknüpft. So weisen beide auf die computergestützte Analyse gewonnener Daten hin. Diese Daten sollen dazu genutzt werden, um durch die Anwendung komplexer Algorithmen Aussagen über zukünftige Daten oder Prozesse treffen zu können (vgl. Klenk, 2017). Auf diese Weise könnte ein Computer die historischen Daten einer Maschine auswerten, um im Falle eines Ausfalls der Maschine bereits eine entsprechende Lösung anzubieten.
„Cloud-Computing“ beschreibt die Bereitstellung von digitaler Infrastruktur und IT-Services durch einen Anbieter. Diese können dann als IaaS (Infrastructure-as-a-Service), PaaS (Platform-as-a-Service) oder SaaS (Software-as-a-Service) nach einem On-Demand-Konzept erworben und genutzt werden. Ein Unternehmen kann auf diese Weise Speicherplatz, Rechenleistung sowie digitale Infrastruktur auslagern und muss keine eigenen Server erwerben, betreiben oder lagern. Häufig können Unternehmen auf diese Weise unnötige Kosten einsparen, da Speicherplatz und Rechenleistung nur in Anspruch genommen und bezahlt werden müssen, wenn sie tatsächlich benötigt werden, während eigene Server laufende Kosten verursachen.
3.3.1 Beispiele aus der Praxis
Microsoft Azure ist das vermutlich bekannteste kommerzielle Beispiel für Cloud-Computing. Microsoft bietet seinen Kunden sowohl IaaS als auch SaaS und PaaS an. Es ist also möglich, Microsoft Azure sowohl als Datenspeicher als auch als Software-Infrastruktur zu nutzen. Darüber hinaus kann die Berechnung anspruchsvoller Aufgaben, beispielsweise in den Bereichen des Machine-Learning oder der graphischen Berechnung, über den On-Demand-Service der leistungsstarken virtuellen Maschinen von Azure genutzt werden (vgl. Microsoft, 2019).
Zu den Angeboten im Bereich der Datenspeicherung gehören eine SQL-Datenbank, ein BLOB-Speicher (Binary-Large-Object), diverse virtuelle und physische Datenträger sowie die Azure Cosmos DB, welche das Erstellen von Anwendungen für Datenbanken erlaubt (vgl. Microsoft, 2019). Über den Datenübertragungsservice kann außerdem das Ein- und Ausgehen von Daten auf die externen und global verteilten Rechenzentren von Microsoft ausgelagert werden.
Die „Bosch IoT Suite“ ist eine digitale Plattform, welche eine Vielzahl unterschiedlicher Cloud-Services und den Erwerb unterschiedlicher Software-Pakete ermöglicht. Der Fokus liegt hierbei auf dem Themenbereich des IoT. So ist es über die IoT Suite den Kunden von Bosch möglich, IoT-Anwendungen zu entwickeln, zu verwalten und in bestehende Software-Frameworks zu implementieren (vgl. Bosch, 2019). Durch die Verwendung von Open-Source-Codes soll eine hohe Flexibilität der Plattform erreicht werden, welche von den Kunden auf den eigenen Anwendungsfall zurechtgeschnitten und umprogrammiert werden kann.
3.4 Digitale Plattformen und Plattform-Ökonomie
In digitalen Plattformen wird häufig eine Form der Weiterentwicklung von CRM- und ERP-Systemen gesehen, welche nicht nur die beiden Bereiche verbindet, sondern die digitale Darstellung der gesamten Geschäftsabläufe eines Unternehmens ermöglicht. Darüber hinaus erlauben digitale Plattformen einerseits die Verwaltung des Kontaktes zwischen Kunden und Unternehmen und andererseits die Darstellung und Verwaltung der Zusammenarbeit von Unternehmen untereinander. Auf diese Weise eignen sich digitale Plattformen besonders für große Unternehmen, welche nicht nur eine Vielzahl an Geschäftsabläufen überwachen und verwalten müssen, sondern auch im Kontakt mit potenziellen Subunternehmen und deren Kunden auf digitale Kommunikations- und Interaktionsweisen setzen möchten.
Ein großer Vorteil von digitalen Plattformen ist die detaillierte und einheitliche Darstellung des gesamten Verkaufsprozesses. Von der Generierung potenzieller Leads über die Verwaltung sämtlicher Kundendaten bis hin zum abgeschlossenen Verkauf werden alle relevanten Daten gespeichert und dem Unternehmen zur Verfügung gestellt, um den Verkaufsprozess nachvollziehen und den Kundenservice optimieren zu können. Über die Darstellung des Verkaufsprozesses in einer modernen Sales-Pipeline gelingt vielen Unternehmen eine deutliche Steigerung ihrer Verkäufe und eine Verbesserung des Lead-Sales-Verhältnisses (vgl. Lazar, 2017).
Durch die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Plattformen entstehen außerdem neue Geschäftsmodelle. So treten digitale Plattformen häufig in zweiseitigen Märkten auf und nehmen nur noch eine Vermittlerfunktion ein, im Rahmen welcher sie ihren Kunden eine digitale Infrastruktur, Software oder andere Dienstleistungen zur Verfügung stellen, welche Transaktionen zwischen externen Anbietern und Kunden erlauben (vgl. Baums et al., 2015). Unternehmen, die eine digitale Plattform in Vermittlerfunktion betreiben, stellen also häufig keine eigenen Produkte her, sondern ermöglichen gegen Provisionszahlungen den Vertrieb von Produkten ihrer Subunternehmen und Partner an den Kunden.
Eine Industrie, welche sich besonders durch die Marktmacht von digitalen Plattformen auszeichnet und sich an deren Geschäftsformen orientiert, kann als Plattform-Ökonomie bezeichnet werden. Im Hinblick auf internationale Großkonzerne wie Amazon, Facebook oder Microsoft sprechen Experten bereits heute von einer Entwicklung hin zu einer Plattform-Ökonomie (vgl. Herda et al., 2018). Für die folgenden Praxisbeispiele soll jedoch das Verständnis von digitalen Plattformen als vereinfachende Software für Geschäftsprozesse verwendet werden.
3.4.1 Beispiele aus der Praxis
Als Beispiele für Anbieter von digitalen Plattformen sollen im Folgenden mit Salesforce, dem Marktführer und großen Innovator des CRM- und ERP-Bereichs, und mit lyke, einem Start-up aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, zwei unterschiedliche Softwareentwickler angeführt werden. Ähnlich wie im Kapitel zu CRM- und ERP-Systemen soll der Fokus primär auf die Unterschiede zwischen den beiden Software-Lösungen gelegt werden.
Die digitale Marketing-Plattform von Salesforce ist eine cloudbasierte Weiterentwicklung und Verbindung der bisherigen CRM- und ERP-Applikationen des Unternehmens, welche nun in einer einheitlichen Software verwendet werden können (vgl. Salesforce, 2019). Neben dem „Journey-Builder”, welcher vor allem der Optimierung von B2C-Abläufen dient, wird mit der „Pardot-Suite” auch der Bereich des B2B abgedeckt. Der Journey-Builder soll hierbei nicht nur zu der Strukturierung einer Sales-Pipeline beitragen, sondern auch den Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden grundlegend umgestalten (vgl. Salesforce, 2019). Über den Zugriff auf eine Vielzahl von Kundendaten kann auf diese Weise zum einen der Kontakt mit den Kunden intensiviert, zum anderen dynamisch auf deren Wünsche eingegangen werden. Die Software-Lösung ist hierbei höchst skalierbar und bezieht alle Abteilungen im Unternehmen in den B2C-Bereich mit ein (vgl. Salesforce, 2019).
Im Bereich des B2B fokussiert Salesforce sich mit seiner Pardot-Suite auf die Automatisierung des Marketingprozesses. Über die Automatisierung von E-Mail-Kampagnen, die Analyse von Verkaufsdaten und unterschiedliche SEO-Tools soll die Kommunikation zu potenziellen Partnerunternehmen und Kunden optimiert und effizient gestaltet werden (vgl. Salesforce, 2019). Inwiefern die Pardot-Suite jedoch auf den Einsatz in B2B-Interaktionen spezialisiert ist, wird nicht ganz deutlich. Die dargestellten Anwendungen erscheinen eher wie eine Erweiterung der B2C-Lösungen, welche sich in gewissem Umfang auch für den B2B-Bereich eignen.
lyke hat mit seiner digitalen Plattform möglicherweise eine konkretere Lösung für den B2B-Bereich entwickelt, welche nicht nur auf CRM-Anwendungen ausgelegt ist, sondern auch den Begriff der Business-Relationship-Management-Anwendungen einführt. Unter BRM-Anwendungen werden solche verstanden, welche den Kontakt zwischen Unternehmen erleichtern und eine effiziente Kommunikation mit Sub- und Partnerunternehmen erlauben. Neben einer digitalen Sales-Pipeline, welche den Verkaufsprozess vom eingehenden Lead bis zum abgeschlossenen Verkauf darstellt, lassen sich deshalb über diverse Tools auch Subunternehmer und Partnerunternehmen aussteuern (vgl. lyke, 2019). Auf diese Weise wird die Auftragssteuerung nicht nur im eigenen Unternehmen digitalisiert und optimiert, sondern es werden auch die Partner- und Subunternehmer in den Digitalisierungsprozess mit einbezogen. In diesem Zusammenhang kann ein Unternehmen, welches die lyke-Plattform nutzt, die CRM-Applikationen auch an seine Subunternehmer weitergeben, die wiederum von den Tools zur Buchhaltung, HR und Warenverwaltung profitieren. Auf diese Weise entsteht ein digitales Büro, welches die Verwendung von analogen Arbeitsmitteln ablöst und zu einer Effizienzsteigerung führen kann (vgl. Lazar, 2017).
Im Bereich der CRM-Anwendungen erlaubt auch die Plattform von lyke die Abwicklung von Geschäftsprozessen in einem geschlossenen Ökosystem. Um qualitativ hochwertige Leads zu generieren und effektiv zu verarbeiten, werden Anfragen aus entsprechenden Portalen automatisch ins System importiert. Anschließend erlauben Applikationen zur Verwaltung von Kunden und Partnern einen übersichtlichen Blick auf relevante Daten und Statistiken. Auch der Abschluss von Verkäufen wird über diverse Anwendungen zur Auftragssteuerung, Digitalisierung von Dienstleistungen und zum Projektmanagement optimiert (vgl. lyke, 2019).
Die Plattform von lyke ist darüber hinaus als White-Label-Lösung erhältlich und kann vom Kunden mit eigenem Branding verwendet werden. Der modulare Aufbau der Plattform erlaubt außerdem, dass diese auf die Anwendungsfälle der einzelnen Kunden zugeschnitten werden kann. So können beispielsweise CRM-Applikationen an Subunternehmer weitergegeben werden, ohne dass das BRM-System zwangsweise vom eigenen Unternehmen verwendet wird (vgl. lyke, 2019). Die möglichen Anwendungsbeispiele sind aufgrund des modularen Aufbaus und der flexiblen Infrastruktur, welche Interoperabilität mit und Integration von externer Software erlaubt, vielfältig.
4. Zur Wechselbeziehung von Industrie 4.0 und digitalen Plattformen
Digitale Plattformen und Industrie 4.0 werden in den Bereichen der Industrie und des Dienstleistungssektors als disruptive Modelle gehandelt. Das bedeutet, dass sich Geschäftsformen und Marktstrukturen grundlegend wandeln, die Art und Weise zu produzieren durch künstliche Intelligenz revolutioniert wird und auch im Vertrieb von Dienstleistungen ein Wandel zu cloudbasierten Pay-On-Demand-Modellen stattfindet. Das verspricht zumindest die Prognose vieler in diesem Bereich tätiger Experten (vgl. Baums et al., 2015). Im Folgenden soll nun betrachtet werden, inwiefern Industrie 4.0 und digitale Plattformen miteinander interagieren, wie wahrscheinlich eine zeitnahe Umsetzung der Konzepte im Hinblick auf den Digitalisierungsfortschritt im deutschen Mittelstand ist und wie genau sich das Wechselverhältnis zwischen beiden Modellen beschreiben lässt.
4.1 Umsetzbarkeit im deutschen Mittelstand
Wie bereits in Kapitel 2.2 festgestellt, weist der deutsche Mittelstand im Hinblick auf den Digitalisierungsfortschritt akuten Nachholbedarf auf. Viele mittelständische Betriebe haben noch grundlegende Organisations- und Kommunikationsprobleme zu lösen, bevor Investitionen in modernste Technik überhaupt positive Ergebnisse liefern können. Gerade die häufig in den (Online-) Medien verbreiteten Vorstellungen von modernen und marktverändernden „disruptiven Technologien“ sind noch weit von der Realität des deutschen Mittelstands entfernt.
Eine Lösung dieser Organisations- und Kommunikationsprobleme könnte durch den Einsatz basaler Anwendungen von digitalen Plattformen erreicht werden. Diese erlauben durch eine Vielzahl nützlicher HR- und Verwaltungsanwendungen eine verbesserte Kommunikation innerhalb der gesamten Unternehmensstruktur und ermöglichen neue und effizientere Formen der Strukturierung. Auf diese Weise könnten digitale Workspaces für einzelne Teams im Unternehmen eingerichtet werden, welche einen zielgerichteten digitalen Datenaustausch ermöglichen. Durch den Wandel hin zur Digitalisierung verringert sich außerdem die Wahrscheinlichkeit des Verlustes von Daten, welcher häufig zu massiven Problemen führen und die Geschäftsprozesse im Unternehmen verlangsamen kann.
Der Einsatz digitaler Plattformen sollte also, auch im Hinblick auf den aktuellen Digitalisierungsstand im deutschen Mittelstand, unter bestimmten Voraussetzungen umsetzbar sein. Wichtig ist hierbei, wie bereits in Kapitel 2.4 erwähnt, dass sich die Unternehmen ihrer verfügbaren Ressourcen bewusst sind, Digitalisierungsmaßnahmen zielgerichtet durchführen und ihre Unternehmenskultur modernisierungsfreundlich gestalten (vgl. Wrobel et al., 2019). Nur auf diese Weise kann die Anwendung von digitalen Plattformen dazu beitragen, dass die Kommunikation und Organisation im Unternehmen verbessert werden. Digitale Plattformen als Allheilmittel zu verstehen und überstürzt in diese zu investieren, kann nicht zielführend sein (vgl. Haude & Toschläger, 2017).
Ein Wandel zur Industrie 4.0 im deutschen Mittelstand ist aktuell, besonders bei Verwendung des populären Verständnisses von Industrie 4.0, in einem Großteil der Betriebe eher unwahrscheinlich. So kann die Verwendung hochmoderner Technologien, wie 3-D-Drucker und KI-gesteuerte Maschinen und Roboter, nur auf der Grundlage effizient strukturierter Unternehmensabläufe zu einer Steigerung des Umsatzes führen. Im Hinblick auf eine Studie aus dem Jahr 2019, welche feststellte, dass weiterhin etwa 65 % der Unternehmen im deutschen Mittelstand auf grundlegende Softwares wie Microsoft Excel und analoge „Zettelwirtschaften“ zurückgreifen (vgl. Bahr, 2019), kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil der Unternehmen nicht auf den Wandel zur Industrie 4.0 vorbereitet ist.
4.2 Industrie 4.0 und digitale Plattformen im Zusammenhang
Aufbauend auf dem dargestellten Sachverhalt lässt sich ein recht eindeutiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Industrie 4.0 und digitalen Plattformen beschreiben. Anknüpfend an die Überlegungen von Ansgar et al. (2015) und Haude & Toschläger (2017) zeigt sich auch eine relativ eindeutige Reihenfolge in Bezug auf die Umsetzbarkeit von Industrie 4.0 und digitalen Plattformen im deutschen Mittelstand.
4.2.1 Abhängigkeit und Reihenfolge
Wie bereits festgestellt, braucht der Wandel zur Industrie 4.0 eine solide Grundlage in den Bereichen der Unternehmensstruktur und unternehmensinternen Kommunikation. Schließlich kann die Entwicklung automatisierter Fabriken und Produktionsketten unter dem Einsatz von „smarten“ Robotern und Maschinen nur gelingen, wenn dahinter ein Unternehmen steht, welches die Programmierung, Organisation und Wartung dieser Geräte und Prozesse garantieren kann. Auch der Erwerb von 3-D-Druckern, Augmented-Reality-Brillen oder ähnlicher moderner Technik macht nur dann Sinn, wenn das Unternehmen für diese einen akuten Bedarf feststellen und einen konkreten Einsatzbereich bestimmen kann. Ohne diese strukturellen Grundlagen sind Digitalisierungsbestrebungen im Hinblick auf den Wandel zur Industrie 4.0 zum Scheitern verurteilt.
Digitale Plattformen können auch in bisher wenig digitalisierten Unternehmen dazu beitragen, dass durch eine Kombination aus CRM-, ERP- und BRM-Anwendungen ein Großteil der Geschäftsabläufe optimiert und besser strukturiert wird. Diese Plattformen erlauben einen Überblick über die gesamten Geschäftsprozesse, von der Generierung von Leads und Warenbeschaffung über interne Abläufe und Kundenbetreuung bis hin zum abgeschlossenen Verkauf sowie den abgerechneten Stunden der Mitarbeiter. Durch die Verwendung digitaler Plattformen kann also eine gute Basis für weiterführende Digitalisierungsmaßnahmen geschaffen werden.
Besonders das Konzept der Industrie 4.0 kann von den flexiblen Software-Infrastrukturen und den damit einhergehenden zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten digitaler Plattformen profitieren. So könnten in Zukunft neben den klassischen Geschäftsprozessen auch die automatisierten Abläufe der modernen Warenkette abgebildet, gespeichert und analysiert werden. Auf diese Weise behielte ein Unternehmen den vollständigen Überblick über die Abläufe in seiner Fabrik, auch wenn dort keine menschlichen Arbeitskräfte eingesetzt würden. Die Anzahl der potenziellen Anwendungsmöglichkeiten von digitalen Plattformen im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 ist beinahe unbegrenzt. Eindeutig ist die Tatsache, dass digitale Plattformen als Grundlage für die Industrie 4.0 zu verstehen sind. Zunächst müsste sich im deutschen Mittelstand also ein Wandel hin zur Verwendung von digitalen Plattformen abzeichnen, bevor über eine Realisierung der Industrie 4.0 nachzudenken ist.
5. Fazit
Abschließend lässt sich feststellen, dass der Prozess der Digitalisierung im deutschen Mittelstand noch viel Nachholbedarf aufweist. Die Digitalisierungsversuche der meisten Unternehmen geschehen lediglich als Antwort auf den aktuellen Marktdruck, welcher durch die futuristischen Digitalisierungsvorstellungen in den (Online-) Medien befeuert wird. Diese Versuche werden häufig nicht ausreichend geplant und sind, primär aufgrund fehlender konkreter Ziele, von Beginn an zum finanziellen Misserfolg verurteilt. Häufig kommen außerdem grundlegende Organisations- und Kommunikationsprobleme hinzu, welche zunächst gelöst werden müssten, bevor der Prozess der Digitalisierung begonnen werden kann. Es wird deutlich, dass die Investition in moderne Technik kein Allheilmittel ist und der Prozess der Digitalisierung nur auf Grundlage eines gut strukturierten und effektiv kommunizierenden Unternehmens gelingen kann.
Die im Mittelstand weit verbreitete Vorstellung von Digitalisierung und Industrie 4.0 ist also häufig als praxisfern zu beurteilen und führt im Umkehrschluss zu gescheiterten Digitalisierungsversuchen. Digitale Plattformen, welche durch die Zusammenführung von CRM- und ERP-Systemen eine deutliche Effizienzsteigerung und eine bessere Strukturierung des Unternehmens erreichen können, bieten die Möglichkeit, eine gut organisierte Grundlage für einen erfolgreichen Digitalisierungsprozess zu schaffen. Der Wandel hin zu digitalen Plattformen kann also durchaus als erster Schritt in Richtung einer Industrie 4.0 verstanden werden.
Da aktuell eine Vielzahl unterschiedlicher Softwareentwickler an einer schnell voranschreitenden Verbesserung und Modernisierung ihrer digitalen Plattformen arbeitet, hat sich nicht nur die Technologie hinter diesen Plattformen verbessert, sondern durch den Konkurrenzkampf sind auch die Preise merklich gesunken. Digitale Plattformen eignen sich also immer besser zur Effizienzsteigerung in Unternehmen und sind mittlerweile auch für kleine mittelständische Betriebe erwerbbar.
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- Arbeit zitieren
- Alexander Wacht (Autor:in), 2020, Digitalisierung im deutschen Mittelstand. Aufgaben, Herausforderungen und Probleme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/932873