Vor zwei Jahren wählte das Time Magazin die Nutzer des Internets als „Person of the year“ und bekräftigte damit eindeutig den gestiegenen Stellenwert des aktiven Medienrezipienten im 21. Jahrhundert. Vor allem im Internet zeigt sich das enorme Potential crossmedialer Strukturen – der aktive Prosument steht im Fokus von Werbewirtschaft, Medienredaktionen und nicht zuletzt seiner selbst. Das Netz als „Enabeling Technology“ lädt jeden Menschen dazu ein, sich zu jeder erdenklichen Zeit und unter der Umgehung der eigentlichen „Besitzer“ einer Website an eine unbestimmte und breite Öffentlichkeit zu wenden. Im Web 2.0 sind selbst Laien nicht nur Rezipienten, sondern in wachsender Zahl auch Kommunikatoren.
Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt: Meinungen werden über Blogs bzw. Foren publiziert, ausgetauscht und weiterverbreitet. Bilder, Musik und Videos, zum Teil in Eigenregie erstellt, vervielfältigen sich via „Peer to Peer“. Schnellerer Zugangswege und die daraus resultierenden multimedialen Anwendungen ermöglichen einen weitesgehend autonomen Rezipienten, der sich frei von Programmplanung im Netz bewegen kann.
II.II Publikumsforschung und Web 2.0 – wie Hase und Igel
Dies macht es für Medienredaktionen wie Werbewirtschaft gerade im Internet immer schwieriger, Rezipienten handhabbar zu machen. Die Dynamik, mit der sich der aktive Nutzer im World Wide Web bewegt, läuft der empirischen Spurenermittlung auf und davon. Klassische Nutzungsmuster wie bei den Massenmedien Radio, Fernsehen und Zeitung werden im Internet Tag für Tag aus den Angeln gehoben. Die Autonomität der User legt die Gestaltungskontrolle in unübersichtlich viele Hände. Konventionelle Institutionen scheinen somit die Kontrolle über den aktiven Nutzer zu verlieren.
Eine Studie von Universal McCann über Bloggen im Internet beschrieb dieses Phänomen im vergangenen Jahr gleich in der Überschrift seiner Untersuchung mit den Worten „We are all media owners now“. Diese Entwicklung vom passiven Mediennutzer zum autonomen Entscheider, welcher sich sein personalisiertes Medienportfolio unabhängig von Zeit und Ort zusammenstellt, bedeutet auch für den Journalismus neue Herausforderungen. Auf die aktuell in der Öffentlichkeit immer wieder angeheizte Debatte zwischen klassischen Journalisten auf der einen und „Bürgerjournalisten“ (Bloggern) auf der anderen Seite soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- I.I Audience Control vs. Audience Autonomy
- I.II Lean forward - Massenmedium Internet
- II Das Internet - Stunde Null in der Medienrezeption
- II.I Das World Wide Web als Enabeling Technology
- II.II Publikumsforschung und Web 2.0 – wie Hase und Igel
- III Internetnutzung in Deutschland
- III.I Vom Komplementär zum werbewirksamen Massenmedium
- III.II ARD/ZDF-Online Forschung
- III.III Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung
- III.IV Surfverhalten der Prosumenten – hoher Werbestimulus
- IV Empirische Reichweitenforschung im Internet
- IV.I Arbeitsgemeinschaft Online (AGOF)
- IV.I.II Die Messmethode - Das Drei-Säulen-Modell
- IV.II MMXI Switzerland/Public Data
- IV.III Neue Internetforschung Schweiz (NIS)
- IV.IV ARD/ZDF- Online Nutzer Typologie
- V. Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Autor analysiert die wachsende Bedeutung des Internets in Deutschland und die damit verbundenen Folgen für Medien und Werbewirtschaft. Er untersucht, wie die veränderte Mediennutzung und die „lean forward“-Mentalität der Internetnutzer die traditionellen Methoden der Publikumsforschung in Frage stellen. Der Text beleuchtet die Herausforderungen, die die dynamische Entwicklung des Internets für die empirische Reichweitenforschung mit sich bringt.
- Die Entwicklung des Internets vom Komplementär- zum Massenmedium
- Die „lean forward“-Mentalität der Internetnutzung im Vergleich zu den traditionellen Medien
- Die Herausforderungen für die Publikumsforschung im Zeitalter des Web 2.0
- Die Bedeutung empirischer Reichweitenforschung für die Werbewirtschaft und Medienredaktionen
- Die Chancen einer kumulierten Reichweiten- und Rezipientenforschung im Internet
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die beiden Denkmuster der Publikumsforschung: „Audience Control“ und „Audience Autonomy“. Der Autor stellt die „lean forward“-Mentalität der Internetnutzung im Vergleich zu den traditionellen Medien gegenüber und zeigt die wachsende Bedeutung des Internets für die Werbewirtschaft und Medienredaktionen auf.
Kapitel II beschäftigt sich mit dem Internet als „Enabeling Technology“ und der wachsenden Autonomie der Internetnutzer. Der Autor analysiert, wie das Web 2.0 die traditionellen Methoden der Publikumsforschung in Frage stellt und neue Herausforderungen für Medien und Werbewirtschaft schafft.
Kapitel III untersucht die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland und die damit verbundenen Folgen für die Werbewirtschaft. Der Autor präsentiert verschiedene Ansätze der empirischen Reichweitenforschung und analysiert die verschiedenen Methoden, die zur Messung des Surfverhaltens der Prosumenten eingesetzt werden.
Kapitel IV beleuchtet die Bedeutung empirischer Reichweitenforschung im Internet. Der Autor stellt verschiedene Methoden und Ansätze der aktuellen Reichweitenforschung vor und analysiert deren Stärken und Schwächen.
Schlüsselwörter
Publikumsforschung, Internet, Massenmedium, Web 2.0, „lean forward“-Mentalität, Reichweitenforschung, Werbewirtschaft, Medienredaktionen, Prosumenten, empirische Daten, neue Nutzungsmuster, dynamische Medienlandschaft.
- Arbeit zitieren
- Timo Gramer (Autor:in), 2008, Wer vermisst das Internet?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93293