Öffentlichkeit in der Komödie am Beispiel von 'The Rivals' und 'Minna von Barnhelm'


Seminararbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Formen der Öffentlichkeit
2.1 Repräsentative Öffentlichkeit
2.2 Literarische Öffentlichkeit
2.3 Bürgerliche Öffentlichkeit

3. Öffentlichkeit im Drama am Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel von „The Rivals“ und „Minna von Barnhelm“

4. Der Übergang von der repräsentativen zur bürgerlichen Öffentlichkeit

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit versucht die von Jürgen Habermas in „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ analysierten, dargestellten und definierten Formen von Öffentlichkeit an Beispiel der beiden Dramen „The Rivals“ von Richard B. Sheridan und „Minna von Barnhelm“ von Gotthold Ephraim Lessing darzulegen und zu untersuchen. Es wird analysiert wie die Änderung von Normen der Gesellschaft und Formen der Öffentlichkeit, während der Zeit der Aufklärung in England und Deutschland, in den zeitgenössischen Dramen bereits sichtbar werden. Hierzu werden drei der vier Formen der Öffentlichkeit, die Habermas definiert, kurz erläutert, um sie anschließend an den eingangs benannten Komödien zu veranschaulichen. An dieser Stelle muss jedoch deutlich gemacht werden, dass die an der Komödie angewandten Formen der Öffentlichkeit, repräsentative, literarische und bürgerliche Öffentlichkeit, sich allein auf die in der Komödie agierenden Figuren beziehen. Das Publikum, als Komödienrezensent, wird allenfalls marginal berücksichtigt. Ist demnach von der literarischen Öffentlichkeit die Rede, so ist hier nicht das reale Publikum gemeint, das nunmehr Zugang zu Literatur und Kultur hat, sondern die fiktive in der Komödie handelnde, bürgerliche Figur, die sich literarisch bildet, obwohl es ihrer Position als unschicklich entspricht. Somit repräsentiert sie das reale Publikum, speziell den niederen Bürger, der sich in selbiger Situation befindet.

Wie erwähnt, beschäftigt sich diese Untersuchung mit den Formen der literarischen, der repräsentativen und der bürgerlichen Öffentlichkeit. Die vierte von Habermas definierte Form der Öffentlichkeit, die politische Öffentlichkeit, wird hier nicht behandelt, da in den ausgesuchten Dramen die Instanz des Staates und die damit verbundene politische Instanz keine Rolle spielt, sondern die Komödien auf der Ebene der Familie und des gesellschaftlichen Lebens verortet sind. Auch die literarische Öffentlichkeit wird weitestgehend nicht betrachtet werden. Da sie jedoch, historisch gesehen, den Übergang von der repräsentativen zur bürgerlichen Öffentlichkeit markiert erklärt, bezieht die Arbeit sie in die geschichtliche Darstellung mit ein.

Die Entscheidung für die beiden Komödien Sheridans und Lessings erfolgt aus zweierlei Gründen. Erstens werden beide Stücke Ende des 18. Jahrhunderts verfasst und veröffentlicht (Minna von Barnhelm 1767/ The Rivals1775) und fallen damit in eben die Zeit, in der Habermas die Herausbildung moderner Gesellschaftsformen ansiedelt, wie aus den einzelnen Definitionen hervorgehen wird. Aufgrund dessen eignen sich diese beiden Werke, um aufzuzeigen wie die Veränderung in der Gesellschaft in der Literatur dargestellt wird, bzw. ob und welche Auswirkungen die Veränderung der Gesellschaft auf die Literatur hat. Zweitens werden die beiden ausgewählten Werke in zwei unterschiedlichen europäischen Ländern verfasst, die, getrennt durch das Meer, nur bedingt Einfluss aufeinander haben. Zudem befinden sich diese Länder zu jener Zeit in sehr unterschiedlichen Situationen. Dieser Aspekt unterstützt zudem den Vergleich, der die Veränderung der Gesellschaft in der Literatur umfasst, zwischen den beiden Komödien. Denn während Sheridan eine auf Komik zielende Liebesgeschichte in einem gerade friedlichen England schreibt, endet in Deutschland gerade der siebenjährige Krieg, der auch Bestandteil von Lessings Komödie ist und dieser dadurch einen hohen zeitgebundenen Charakter verleiht. Wenn nun die Figuren dieser in unterschiedlichen Situationen und Ländern sowie von sich einander unbekannten Autoren geschriebenen Komödien ähnliche Verhaltenszüge aufweisen, dann ist dies ein Beweis für die Auswirkung der gesellschaftlichen Veränderung auf die Literatur.

2. Formen der Öffentlichkeit

2.1 Repräsentative Öffentlichkeit

Die Darstellung des eigenen Habitus, des eigenen Standes, des eigenen Charakters, ja der gesamten Persönlichkeit und Person, die öffentliche Darstellung dessen was man ist, ist es was den Bereich der repräsentativen Öffentlichkeit definiert. Sie gibt vor ein unsichtbares Sein durch die öffentlich anwesende Person sichtbar zu machen. Habermas schränkt die Aufgabe der repräsentativen Öffentlichkeit dahingehend ein, dass sie lediglich durch eine Person das repräsentiert, was die Person selbst ist. Unter ihre Zuständigkeit fällt jedoch nicht die Repräsentation einer Nation oder eines bestimmten Mandanten. Ein Kaiser repräsentiert also im Rahmen der repräsentativen Öffentlichkeit nicht die Macht eines Volkes, sondern seine Macht vor dem Volk. Die repräsentative Öffentlichkeit verleiht der Autorität des Kaisers eine Aura, eine bestimmte Präsenz:

Die Entfaltung der repräsentativen Öffentlichkeit ist an Attribute der Person geknüpft: an Insignien (Abzeichen, Waffen), Habitus (Kleidung, Haartracht), Gestus (Grußform, Gebärde), und Rhetorik (Form der Anrede, förmliche Rede überhaupt), mit einem Wort – an einen strengen Kodex >>edlen<< Verhaltens.[1]

Die repräsentative Öffentlichkeit erstreckt sich also weniger auf den sozialen Bereich, sondern sie konstituiert sich vielmehr als Statusmerkmal. So ist, laut Habermas, der Status des Grundherrn, auf welcher Stufe auch immer, an sich „gegenüber den Kriterien >>öffentlich<< und >>privat<< neutral; aber sein Inhaber repräsentiert ihn öffentlich: er zeigt sich, stellt sich dar als die Verkörperung einer wie immer >>höheren<< Gewalt.“[2]

Die repräsentative Öffentlichkeit dient also der Darstellung des Standes und des Status, wobei gerade die Erwähnung des „strengen Kodexes edlen Verhaltens“ impliziert, dass eine Person, die ihren Status bewusst öffentlich repräsentiert, sich an einen Tugendkatalog zu halten hat. Repräsentieren heißt nicht nur darstellen, es bedeutet ebenso beeindrucken. Wer seine Position in der Gesellschaft behaupten möchte, bzw. eine solche einzunehmen beabsichtigt, muss Menschen führen, überzeugen und beeindrucken können, da die gesellschaftliche Position einzig von der Gesellschaft vergeben wird. Der Edelmann, so sagt Habermas, ist Autorität indem er sie darstellt. Er zeigt und verkörpert sie in seiner ausgebildeten Persönlichkeit, wodurch er zu einer öffentlichen Person wird:

„Je ausgebildeter seine Bewegungen, je sonorer seine Stimme, je gehaltener und gemessener sein ganzes Wesen ist, desto vollkommener ist er und alles übrige, was er an und um sich hat, Fähigkeit, Talent, Reichtum, alles scheinen nur Zugaben zu sein.“[3]

Das heißt, dass der Großteil unserer repräsentativen Wirkung aus der Rhetorik und der Gestik hervorgeht. Die Erfüllung des Tugend-Kodex weist der Person ihren gesellschaftlichen Stand zu. Die optischen Merkmale dienen lediglich der Verstärkung.

Die Repräsentation braucht die Öffentlichkeit. Um sich zu repräsentieren ist ein Publikum, eine Gesellschaft erforderlich, vor welcher man sich repräsentieren kann. Es gibt keine Repräsentation, die Privatsache wäre. Die Aufgabe der Repräsentation ist es ein unsichtbares Sein durch die öffentlich anwesende Person, die dieses Sein zu repräsentieren sucht, sichtbar zu machen. Weiterhin schreibt Habermas, dass „etwas Totes, etwas Minderwertiges oder Wertloses, etwas Niedriges“ nicht repräsentiert werden kann, da ihm die gesteigerte Art des Seins fehlt, „die einer Heraushebung in das öffentliche Sein, einer Existenz fähig ist. Worte wie Größe, Hoheit, Majestät, Ruhm, Würde und Ehre suchen die Besonderheit repräsentationsfähigen Seins zu treffen.“[4]

Dies ist dann letztendlich auch das entscheidende Indiz, in dem sich die repräsentative Öffentlichkeit von der literarischen Öffentlichkeit unterscheidet. Während es die Aufgabe der repräsentativen Öffentlichkeit ist Ansehen und Status in der Gesellschaft zu vertreten, beschäftigt sich die literarische Öffentlichkeit weniger mit dem Stand, als mit dem gemeinsamen Miteinander im Gespräch. Obwohl diese Gespräche zunächst noch in, in sich geschlossenen, Kreisen von Personen gleichen Standes stattfinden, bildet sich doch allmählich ein Zugang für eine breitere Öffentlichkeit zu Literatur, Kunst, Bildung und Kultur.

2.2 Literarische Öffentlichkeit

Die Entwicklung der bürgerlichen Öffentlichkeit ist an die Entstehung neuer Kommunikationsmöglichkeiten, wie des öffentlich zugänglichen Postverkehrs, neuer Drucktechniken und die Entstehung eines Zeitungswesens am Ende des 17. Jahrhunderts, gebunden. Als Adressaten der anfänglich noch herrschaftlich reglementierten Zeitung gelten der Hof und die gebildeten Stände. Diese haben Zugang zu den Informationen über Politik, Verwaltung und Wirtschaft, neben Kritiken, Rezensionen und anderem. Damit macht Habermas deutlich, dass die literarische Öffentlichkeit keineswegs eine bürgerliche Innovation darstellt:

Die literarische Öffentlichkeit ist freilich keine autochthon bürgerliche; sie wahrt eine gewisse Kontinuität zu der repräsentativen Öffentlichkeit des fürstlichen Hofes. Die Kunst des öffentlichen Räsonnements erlernt die bürgerliche Avantgarde des gebildeten Standes in Kommunikation mit der >>eleganten Welt<<, einer höfisch - adeligen Gesellschaft, die freilich, im Maße der Verselbstständigung des modernen Staatsapparates gegenüber der persönlichen Sphäre des Monarchen, nun ihrerseits vom Hof sich immer mehr löste und in der Stadt ein Gegengewicht bildete.[5]

Die literarische Öffentlichkeit bildet sich folglich nach Habermas aus dem niederen, wenngleich gebildeten, Bürgertum, das sich die Kultur und die diskursive Praxis der adeligen Gesellschaft zu Eigen macht und sich im Prozess bürgerlicher Emanzipation von den Wurzeln der Unterdrückung und Ungleichheit löst. In ihrer diskursiven Praxis werden nun Themen offen verhandelt, die zuvor einer privilegierten Minderheit vorbehalten sind. Dies verleiht der Kultur einen Warencharakter, da Kunst, Musik und Literatur im 18. Jahrhundert, deren Rezeption zunächst auf eine kirchliche und höfische Öffentlichkeit beschränkt war, nun einem breiten Publikum zugänglich sind und somit durch ihre Verbürgerlichung profaniert werden. Dennoch nimmt selbstverständlich noch nicht das gesamte Bürgertum an diesem neuen öffentlichen Diskurs teil, sondern lediglich ein geringer Anteil. Die an dem Diskurs Partizipierenden sehen sich jedoch nicht als eine Fraktion des Bürgertums, sondern formulieren einen Vertretungsanspruch für das gesamte, wenn auch gesellschaftlich momentan eher gering teilnehmende Publikum. Die literarische Öffentlichkeit sieht sich als institutionalisiertes Sprachrohr der Interessen des Bürgertums, als die neue Gestalt der bürgerlichen Repräsentation. Daraus resultiert einerseits eine prinzipielle Offenheit der Institutionen und andererseits ein Bildungsauftrag gegenüber den ungebildeten und an den Institutionen der Öffentlichkeit nicht teilnehmenden Teilen des Bürgertums, der bei Habermas nicht weiter erläutert wird.

[...]


[1] Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Frankfurt am Main: 1990, S .61f.

[2] Ebd., S. 60.

[3] Ebd., S. 68.

[4] Ebd., S. 61.

[5] Ebd., S. 89.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Öffentlichkeit in der Komödie am Beispiel von 'The Rivals' und 'Minna von Barnhelm'
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V93309
ISBN (eBook)
9783640097944
ISBN (Buch)
9783640113408
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Komödie, Beispiel, Rivals, Minna, Barnhelm
Arbeit zitieren
Nicolas Hacker (Autor:in), 2006, Öffentlichkeit in der Komödie am Beispiel von 'The Rivals' und 'Minna von Barnhelm', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93309

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