Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer. Chancen und Risiken am Beispiel der Volksrepublik China


Bachelorarbeit, 2020

152 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1 Standortfaktoren
2.1.1 Grundlagen und Definitionen
2.1.2 Standortfaktorensystematik
2.2 Produktions- und Standortverlagerung
2.2.1 Grundlagen und Definitionen
2.2.2 Mögliche Chancen und Risiken einer Produktionsverlagerung
2.2.3 Exkurs zur Corona-Pandemie
2.3 Hoch- und Niedrigkostenland
2.3.1 Grundlagen und Definitionen
2.3.2 Aktuelle globale Lohnsatzunterschiede
2.4 PESTEL-Analyse
2.4.1 Grundlagen
2.4.2 Spezifische Inhalte der PESTEL- Analyse
2.4.2.1 Baustein politische Faktoren
2.4.2.2 Baustein wirtschaftliche Faktoren
2.4.2.3 Baustein sozio-kulturelle Faktoren
2.4.2.4 Baustein technologische Faktoren
2.4.2.5 Baustein ökologische Faktoren
2.4.2.6 Baustein rechtliche Faktoren
2.4.2.7 Zusammenfassung der spezifischen Inhalte der PESTEL-Analyse

3. Durchführung der PESTEL-Analyse am Beispiel der Volksrepublik China
3.1 Anwendung der PESTEL-Analyse auf die Volksrepublik China
3.1.1 Politische Einflussfaktoren
3.1.2 Wirtschaftliche Einflussfaktoren
3.1.3 Sozio-kulturelle Einflussfaktoren
3.1.4 Technologische Einflussfaktoren
3.1.5 Ökologische Einflussfaktoren
3.1.6 Rechtliche Einflussfaktoren
3.2 Potenzialanalyse der Volksrepublik China
3.2.1 Potenzialanalyse der politischen Einflussfaktoren
3.2.2 Potenzialanalyse der wirtschaftlichen Einflussfaktoren
3.2.3 Potenzialanalyse der sozio-kulturellen Einflussfaktoren
3.2.4 Potenzialanalyse der technologischen Einflussfaktoren
3.2.5 Potenzialanalyse der ökologischen Einflussfaktoren
3.2.6 Potenzialanalyse der rechtlichen Einflussfaktoren

4. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Standortfaktorensystematik nach Kinkel (Quelle: Kinkel, 2009, S. 61)

Abbildung 2.2: Verlagerungsmotive aus Unternehmenssicht (2007) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Ziegler, 2008, S. 14)

Abbildung 2.3: Verlagerungsmotive deutscher Unternehmen (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kaus, 2019, S. 27)

Abbildung 2.4: Verlagerungsbedenken deutscher Unternehmen (2014 - 2016) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kaus, 2019, S. 28)

Abbildung 2.5: Einkaufsmanagerindex von Deutschland und China (Eigene Darstellung in Anlehnung an: National Bureau of Statistics of China, 2020; Markit, BME, & IEconomics, 2020)

Abbildung 2.6: Durchschnittliches Jahreseinkommen pro Kopf aus dem Jahr 2018 (weltweit) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Organisation for economic co-operation and develop, 2019; Organisation for Economic Co-operation and Develop, 2019)

Abbildung 2.7: Mögliche Analysefaktoren der einzelnen Bausteine der PESTEL-Analyse (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Oehlrich, 2019, S. 102 ff.)

Abbildung 2.8: Aufbau des Fragile State Index (Eigene Darstellung in Anlehnung an: The Fund for Peace, 2020)

Abbildung 2.9: Aufbau des Bertelsmann Transformation Index: (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bertelsmannstiftung, 2020)

Abbildung 2.10: Aufbau des Global Competitivness Report (Eigene Darstellung in Anlehnung an: World Economic Forum, 2019)

Abbildung 2.11: Inhalte des Enabling Digitalization Index (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Acredia & Euler Hermes, 2019)

Abbildung 2.12: Zusammenfassung der spezifischen Inhalte der PESTEL-Analyse (Eigene Darstellung in Anlehnung an Kapitel 2.4.2)

Abbildung 3.1: Trendlinie der politischen Indikatoren des FSI (Eigene Darstellung in Anlehnung an The Fund for Peace, 2020)

Abbildung 3.2: Bertelsmann Transformation Index (Eigene Darstellung in Anlehnung an Bertelsmannstiftung, 2020)

Abbildung 3.3: Nominales BIP der Volksrepublik China in Milliarden US-Dollar (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020)

Abbildung 3.4: Wachstumsraten des realen BIPs der Volksrepublik China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020)

Abbildung 3.5: Die Länder mit dem größten BIP (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020)

Abbildung 3.6: Entwicklung des BIPs pro Kopf der Volksrepublik China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.7: Länder mit dem größten BIP pro Kopf (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.8: Chinesische Staatsverschuldung in Relation zum BIP (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.9: Entwicklung des BNEs von China und Deutschland (Eigene Darstellung in Anlehnung an The World Bank, 2020)

Abbildung 3.10: Private Konsumausgaben pro Kopf in der Volksrepublik China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.11: Relative Verteilung der chinesischen Erwerbstätigen auf die Wirtschaftssektoren (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.12: Arbeitslosenquote der Volksrepublik China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020)

Abbildung 3.13: Verbrauchervertrauen der chinesischen Bevölkerung (Eigene Darstellung in Anlehnung an OECD, 2020)

Abbildung 3.14: Preisniveaustabilität in China und Deutschland (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020; Statista, 2020)

Abbildung 3.15: Verlauf des Leitzinsniveaus in China und Deutschland (Eigene Darstellung in Anlehnung an Triami Media BV & HomeFinance, 2020; Statista, 2020)

Abbildung 3.16: Wechselkursentwicklung des chinesischen Renminbis gegenüber dem Euro (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020)

Abbildung 3.17: Durchschnittliches Jahresgehalt eines chinesischen Arbeitnehmers (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.18: China: Entwicklung der Reallöhne gegenüber dem Vorjahr (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2018)

Abbildung 3.19: Anteil der staatlichen Bildungsausgaben am BIP in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an The World Bank, 2017; Statista, 2019)

Abbildung 3.20: Anzahl der Studierenden und Absolventen in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an National Bureau of Statistics of China, 2020)

Abbildung 3.21: Entwicklung des Alphabetisierungsgrads der chinesischen Bevölkerung (Eigene Darstellung in Anlehnung an The World Bank, 2018)

Abbildung 3.22: Entwicklung der Bevölkerungsanzahl in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.23: Altersstruktur der chinesischen Bevölkerung (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.24: Ost-West Disparitäten in China (Quelle: Kreus & von der Ruhren, 2008, S. 418)

Abbildung 3.25: Entwicklung des Urbanisierungsgrads in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.26: Entscheidungsfaktoren der chinesischen Bevölkerung bei der Arbeitgeberwahl (Eigene Darstellung in Anlehnung an Strathmann, 2013)

Abbildung 3.27: Wichtige Bereiche des Lebens der chinesischen Bevölkerung (Eigene Darstellung in Anlehnung an Strathmann, 2013)

Abbildung 3.28: Netzabdeckung in China zweier Mobilfunknetzanbieter (Eigene Darstellung in Anlehnung an nPerf SAS, 2020)

Abbildung 3.29: EDI von China und Deutschland im Vergleich (Eigene Darstellung in Anlehnung an Acredia & Euler Hermes, 2019)

Abbildung 3.30: Aggregierter LPI von Deutschland und China (Eigene Darstellung in Anlehnung an The World Bank, o. J.)

Abbildung 3.31: GCR-Infrastruktur von China (Eigene Darstellung in Anlehnung an World Economic Forum, 2019)

Abbildung 3.32: Chinas Entwicklung des Straßennetzes (Eigene Darstellung in Anlehnung an National Bureau of Statistics of China, 2019)

Abbildung 3.33: Straßendichte in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an National Bureau of Statistics of China, 2019)

Abbildung 3.34: Frachtaufkommen im Straßengüterverkehr in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Ministry of Transport of China, 2020)

Abbildung 3.35: Entwicklung des Schienennetzes und der Inlandwasserwege (Eigene Darstellung in Anlehnung an National Bureau of Statistics of China, 2019)

Abbildung 3.36: Investitionen in den Tief- und Infrastrukturbau Chinas (Eigene Darstellung in Anlehnung an GTAI, 2018)

Abbildung 3.37: Landkarte China (Quelle: Google, 2020)

Abbildung 3.38: Durchschnittstemperaturen in Shanghai (Eigene Darstellung in Anlehnung an climate-data.org, 2019)

Abbildung 3.39: Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Stickstoffdioxid-Belastung in China (Quelle: National Aeronautics and Space Administration, 2020)

Abbildung 3.40: Entwicklung der Umweltschutzgesetze in China (Eigene Darstellung in Anlehnung an Conrad, 2018, S. 72)

Abbildung 3.41: Primärenergieverbrauch in China nach Energieträgern (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2019)

Abbildung 3.42: Die zehn Länder mit dem höchsten Kohlenstoffdioxidemissionen weltweit (Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2018)

Abkürzungsverzeichnis

BIP Bruttoinlandsprodukt

BIP/Kopf Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

BNE Bruttonationaleinkommen

BTI Bertelsmann Transformation Index

bzw. beziehungsweise

CJV Cooperative Joint Venture

CNY Renminbi Yuan

CO2 Kohlenstoffdioxid

d.h. das heißt

EDI Enabling Digitalization Index

EJV Equity-Joint Venture

EMI Einkaufsmanagerindex

et al. et alii, et aliae, et alia

etc. et cetera

EZB Europäische Zentralbank

f. folgend

ff. fortfolgend

FSI Fragile States Index

GCR Global Competitivness Report

IMF International Monetary Fund

KPCH Kommunistische Partei China

kWh Kilowattstunde

LPI Logistics Performance Index

o. A. ohne Autor

o. J. ohne Jahr

OECD Organization for Economic Co-operation and Development

S. Seite

SCS Social Credit System

u. a. unter anderem / unter anderm

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

vgl. vergleiche

WFOE Wholly Foreign Owned Enterprise

WTO World Trade Organization

z.B. zum Beispiel

1. Einleitung

Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Produktionsstandorts hat eine herausragende Bedeutung für den Unternehmenserfolg in einer global agierenden Weltwirtschaft. Der Standort eines Unternehmens hat großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Standortverlagerungen sind mit hohen Zeit- und Kapitalkosten verbunden und damit in der Regel nicht revidierbar. Insofern stellt die Wahl des richtigen Produktionsstandortes eine wichtige strategische Unternehmensaufgabe dar, mit der sich immer mehr Unternehmen auseinandersetzen müssen. Durch die zunehmende Globalisierung und Digitalisierung der Märkte stehen Unternehmen zunehmend in einer verschärften Wettbewerbssituation. Um am Markt langfristig erfolgreich zu sein müssen die Produktionskosten im weltweiten Markt konkurrenzfähig bleiben. Um die globale Unternehmenspräsenz auszubauen und zugleich von Kostenvorteilen anderer Länder zu profitieren, haben bereits viele Unternehmen des sekundären Sektors ihre Produktion ins Ausland verlagert. Als Produktionsstandort verliert Deutschland, bei der Produktion standardisierter und arbeitsintensiver Produkte und Güter immer mehr an Bedeutung. Wie eine Langzeitstudie der deutschen Industrie- und Handelskammer zeigt, ist die Anzahl der deutschen produzierenden Unternehmen, die Investitionen ins Ausland planen, auf das höchste Niveau seit dem Befragungsbeginn im Jahr 1995 angestiegen (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V, 2018, S. 5 ff.). Mit einer gegenläufigen Entwicklung ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Immer mehr Unternehmen müssen unter Abwägung von Chancen und Risiken eine strategische Entscheidung hinsichtlich einer Produktionsverlagerung ins Ausland treffen. Durch die Covid-19-Pandiemie ist es zu einem in der jüngsten Vergangenheit nie dagewesenen Einbruch der Weltwirtschaft gekommen. Unternehmen müssen ihre strategische Ausrichtung überdenken, um Kosten zu senken. Aus diesem Grund gewinnt das Thema der Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer für viele Unternehmen noch mehr an Bedeutung.

Der Fokus dieser Bachelorarbeit liegt auf der Analyse der makroökonomischen Gegebenheiten der Volksrepublik China. Die Volksrepublik China stellt nach der Marktöffnung in den 1980er Jahren eines der relevantesten Verlagerungsländer dar. Das Ziel dieser Bachelorarbeit besteht darin, dass weitere Potenzial der Volksrepublik China als Produktionsstandort für Unternehmen des sekundären Sektors mit Hauptsitz in Deutschland zu ermitteln. Die Arbeit konzentriert sich auf die Aspekte der Verlagerung von Produktionsstandorten. Zusätzlich baut die Arbeit auf makroökonomischen Faktoren auf.

Das Potenzial der Volksrepublik China als Entwicklungsstandort wird in dieser Arbeit nicht analysiert. Ebenso wird eine mikroökonomische Spezialisierung auf Branchen beziehungsweise bestimmte Regionen nicht thematisiert. Auch die Sonderwirtschaftszonen der Volksrepublik China werden nicht berücksichtigt, da sich das Geschäftsumfeld in diesen Zonen (z.B. Hongkong) stark von dem politischen und wirtschaftlichen Geschehen Chinas unterscheidet.

Der Aufbau der Arbeit gliedert sich in zwei Aufgabenbereiche. Zu Beginn wird ein theoretischer Aufgabenteil bearbeitet. Dieser führt in das Thema ein. Die Bedeutung des Unternehmensstandorts wird anhand vorliegender Literatur analysiert. Die entscheidenden Standortfaktoren, die bei der Standortwahl eines Unternehmens berücksichtigt werden sollten, werden aufgezeigt. Das Thema Produktionsverlagerung wird im Anschluss auf Basis vorhandener Literatur erläutert. Um relevante Chancen und Risiken der Produktionsverlagerung zu erarbeiten, werden zwei praxisorientierte Studien verwendet. Der theoretische Teil endet mit der Vorstellung der makroökonomischen Analysemöglichkeit der PESTEL-Analyse. Abschließend wird eine detaillierte Beschreibung der in dieser Arbeit verwendeten Indikatoren und deren Auswirkungen auf ein verlagerungswilliges Produktionsunternehmen gegeben. Diese Beschreibung ist notwendig, da bislang keine festgelegten makroökonomischen Indikatoren zur Ermittlung des Produktionspotenzials eines Landes vorliegen. Die Untersuchungsindikatoren werden somit von den Verfassern der wissenschaftlichen Arbeit ausgewählt.

Anhand von Statistiken, vorliegender Literatur und aktuellen Berichten wird im zweiten Teil der Arbeit die Volksrepublik China auf Basis der vorgestellten Indikatoren analysiert. Eine Datenbasis wird aufgebaut, deren anschließende Auswertung sich auf den zuvor erarbeiteten theoretischen Teil stützt. Abschließend wird aus den ermittelten Ergebnissen ein Fazit getroffen, das das Potenzial der Volksrepublik Chinas als Produktionsland darlegt.

Bei dieser Bachelorarbeit handelt es sich um eine Partnerarbeit. Die Autoren der jeweiligen Kapitel sind den Überschriften zu entnehmen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in dieser Bachelorarbeit lediglich die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies soll keine Benachteiligung des weiblichen oder diversen Geschlechts implizieren, sondern als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

2. Grundlagen

Dieses Kapitel der Bachelorarbeit befasst sich mit den theoretischen Grundlagen, die für das Verständnis der wissenschaftlichen Arbeit notwendig sind. Zunächst wird in Kapitel 2.1 aufgezeigt, welche Faktoren bei der Wahl des Unternehmensstandortes berücksichtigt werden können. Das Kapitel 2.2 befasst sich mit der Standortverlagerung der Produktion. Neben Definitionen werden Motive und mögliche Risiken einer Produktionsverlagerung für Unternehmen dargestellt. Anschließend werden in Kapitel 2.3 Hochkostenländer von Niedrigkostenländern abgegrenzt. Das Kapitel 2 endet mit der Abgrenzung von mikroökonomischen und makroökonomischen Standortbewertungsverfahren, die eine Entscheidungsgrundlage für eine Produktionsstandortverlagerung bilden. Der Fokus wird dabei auf die makroökonomische Analysemethode der PESTEL-Analyse gelegt (vgl. Kapitel 2.4).

2.1 Standortfaktoren

2.1.1 Grundlagen und Definitionen

Jedes produzierende Unternehmen benötigt einen Ort, an dem die angebotenen Produkte hergestellt werden. Dieser geographische Ort wird Produktionsstandort genannt (vgl. Autschbach, 1997, S. 7). Die Auswahl des Standorts ist dabei von großer Relevanz für Unternehmen und mitbestimmend über den Erfolg bzw. Misserfolg einer unternehmerischen Tätigkeit. Dabei stellt die Wahl des Produktionsstandortes keine leichte Entscheidung für Unternehmen dar. Hintergrund sind zum einen die personelle als auch die kapitalmäßige Bindung von Produktionsfaktoren (z.B. hohe Investitionen in Immobilien, Anlagen, Personalaufbau). Die Entscheidung für einen Standort gilt als eine langfristige Investition, die nur kapitalintensiv umkehrbar ist (vgl. Autschbach, 1997, S. 7 f.). Kein Produktionsstandort ist dabei mit einem anderen identisch. Jeder Standort verfügt über ein spezielles Umfeld. Aus diesem ergeben sich für das Unternehmen verschiedene Vor- und Nachteile, da jeder Standort sogenannte Standortfaktoren in einem unterschiedlichen Maße erfüllt (vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 60).

Kulke zeigt in seinem Buch „Wirtschaftsgeographie“ mehrere Definitionen von Standortfaktoren auf, welche wie folgt, aufgezeigt werden (vgl. Kulke, 2013, S. 38):

„Standortfaktoren sind also solche Merkmale eines geographischen Ortes, die ihn für die Durchführung einer industriellen Produktion attraktiv machen.“ (Behrens, 1971)

„Auf jeden Punkt der Erdoberfläche wirkt eine Vielzahl verschiedenster Einflussgrößen – physische, ökonomische, politische, kulturelle usw. -, die die Entwicklung des zu gründenden Betriebs entscheidend positiv oder negativ steuern. Solche Einflußgrößen [sic] nennt man Standortfaktoren.“ (Brücher, 1982)

„Daher wird jede Einflußgröße [sic], die auf die Erfolgssituation des Unternehmens standortspezifisch (d.h. interlokal, von Standort zu Standort verschieden) einwirkt, als Standortfaktor bezeichnet.“ (Hansmann, 1974)

„Standortfaktor: Ein seiner Art nach, scharf abgegrenzter Vorteil, der für wirtschaftliche Tätigkeiten dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht.“ (Weber,1909)

Auf Grundlage dieser Definitionen lassen sich Standortfaktoren im Sinne dieser Arbeit definieren als Aspekte, die vom Unternehmen bei der Standortwahl berücksichtigt werden sollten. Standortfaktoren ergeben sich dabei aus den Gegebenheiten vor Ort und beeinflussen den Erfolg einer unternehmerischen Tätigkeit und somit die Standortentscheidung.

Neben verschiedenen Definitionen gibt es ebenso viele verschiedene Möglichkeiten, Standortfaktoren zu untergliedern. Der gesamtheitliche Zusammenhang aller Standortfaktoren wird als Standortfaktorensystematik bezeichnet (vgl. Kinkel, 2009, S. 61 f.). So unterteilt Kulke die Standortfaktoren in interne Merkmale (z.B. Prozesse und Prozessinnovation des Unternehmens), externe Verpflichtungen (z.B. Transport- und Kommunikationsinfrastruktur) und die Unternehmensphilosophie (z.B. Unternehmensziele) (vgl. Kulke, 2013, S. 40), während Haaker die Faktoren in quantitative, qualitative und subjektive Einflussfaktoren unterteilt (vgl. Haaker, 2015, S. 60 ff.). Auch die Unterteilung in harte und weiche Standortfaktoren gilt als wissenschaftlich anerkannt. Harte Standortfaktoren nehmen einen messbaren Einfluss auf den Kapitalwert eines Standortes ein, hingegen erweisen sich weiche Faktoren als nicht messbar (vgl. Haaker, 2015, S. 62). Sie nehmen Einfluss mit Hilfe von indirekten Effekten auf Unternehmen und Angestellte (vgl. Kulke, 2013, S. 37).

2.1.2 Standortfaktorensystematik

Aufgrund der Vollständigkeit wird in dieser Arbeit jedoch die Gliederungsart von Steffen Kinkel als Grundlage gewählt und detaillierter in Betracht genommen. In seinem Buch „Erfolgsfaktor Standortplanung - In- und ausländische Standorte richtig bewerten“ befasst sich Kinkel bereits im Jahr 2004 mit Standortfaktoren im Allgemeinen, deren Unterteilung und Relevanz. Kinkels Standortfaktorensystematik baut auf der Industriestandorttheorie von Alfred Weber1 und dem Standortmodell nach Behrens2 auf (vgl. Kinkel, 2009, S. 57 f.). Die Grundbausteine der Standortfaktorensystematik nach Kinkel sind in der folgenden Abbildung 2.1 dargestellt (Kinkel, 2009, S. 61):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 . 1 : Standortfaktorensystematik nach Kinkel (Quelle: Kinkel, 2009, S. 61)

In Kinkels Systematik werden die Standortfaktoren in vier Bereiche unterteilt, welche die Standortwahl maßgeblich beeinflussen und somit vor der Auswahl des Standorts untersucht werden sollten (vgl. Kinkel, 2009, S. 61):

- Produktionsfaktoren (Input)
- Marktfaktoren
- Performancefaktoren (Output)
- Netzwerkbedarf

Bei den Kategorien Produktionsfaktoren, Marktfaktoren und Performancefaktoren wird zusätzlich zwischen quantitativen und qualitativen Standortfaktoren unterschieden (vgl. Kinkel, 2009, S. 61 f.). „Damit wird systematisch unterstützt, dass quantitative Faktoren auch durch quantitative Bewertungsinstrumente […] evaluiert werden können“ (Kinkel, 2009, S. 62). Auch nach Kinkel nehmen quantitative Standortfaktoren einen konkret messbaren Einfluss auf den Kapitalwert eines Unternehmens. Zum Beispiel sind die Arbeitszeiten, die Lieferantendichte, die Höhe der Gewerbesteuer, die Personalkosten oder die Transportkosten diesem Unterteilungspunkt zuzuordnen. Qualitative Standortfaktoren charakterisieren sich dadurch, dass ihre Beiträge zum Unternehmenserfolg nicht quantifizierbar sind, da eine direkte Messung nicht möglich ist (vgl. Kinkel, 2009, S. 62). Die Qualifikation der Arbeitskräfte vor Ort, politische und rechtliche Faktoren oder die Mentalität sind zum Beispiel Faktoren, die diesem Unterteilungspunkt zugeordnet werden. Bei der Ermittlung des Einflusses auf den Kapitalwert dieser Faktoren kann zum Beispiel eine Nutzwertanalyse durchgeführt werden (vgl. Haaker, 2015, S. 62).

Im Folgenden werden die vier Bereiche der Standortfaktorensystematik nach Kinkel genauer erläutert und die Bestandteile aufgezeigt.

Produktionsfaktoren:

Als Produktionsfaktoren werden allgemein alle Faktoren bezeichnet, welche für die Produktion notwendig sind. Diese sind somit für die Produktion und damit auch für den Erfolg der unternehmerischen Tätigkeit unverzichtbar. Unter den klassischen Produktionsfaktoren der Volkswirtschaft versteht Adam Smith die Faktoren Arbeit, Kapital und gegebenenfalls Boden (vgl. Gonschorrek, 2006, S. 14 ff.). Hinzugefügt wurde im Laufe der Zeit der Faktor des technischen Wissens (vgl. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft, 2011; vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 63). Neben der Betrachtung aus volkswirtschaftlicher Sicht kann man Produktionsfaktoren auch aus der betriebswirtschaftlichen Sicht untergliedern. Nach Eric Gutenberg beinhaltet diese die Elementarfaktoren (Arbeitsleistung, Betriebsmittel, Werkstoffe), Dispositivfaktoren (Leitung, Planung, Organisation, Kontrolle) und Zusatzfaktoren (Leistungen vom Staat, Banken, Versicherungen) (vgl. Gutenberg, 1960, S. 2 ff.). Mit dem Wandel der Zeit wurden die klassischen Produktionsfaktoren der Volkswirtschaft weiterentwickelt. Eine unter Wirtschaftswissenschaftlern angesehene Untergliederung ist durch folgende Produktionsfaktoren gegeben (vgl. Kulke, 2013, S. 36 f.):

- Humanvermögen: bezieht sich auf die verfügbare Anzahl, die Qualität und die Kosten des Personals
- Materielle Ressourcen: umfassen die Quantität und somit die Zugänglichkeit natürlicher Ressourcen, welche für die Produktion von Nöten sind
- Wissensressourcen: zeigen den Fundus eines Landes an wissenschaftlichem, technischem und marktmäßigem Wissen, das Güter und Dienstleistungen betrifft
- Kapitalressourcen: umfassen die erhältliche Menge und die dafür aufzuwendenden Kosten des Kapitals, das von der Finanzwirtschaft zur Verfügung gestellt wird
- Infrastruktur: befasst sich mit der möglichen Art, der Qualität und den Benutzungskosten der Infrastruktur an einem Standort

Kinkel zählt inhaltlich dieselben Bestandteile zu den Produktionsfaktoren hinzu. Diese werden von Kinkel als Input des Unternehmens bezeichnet (vgl. Kinkel & Zanker, 2007, S. 154 f.). Neben gesamtwirtschaftlichen Indikatoren (z.B. Bruttoinlandsprodukt eines Landes, Staatsverschuldung, Inflation, etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)), verschiedenen Auflagen und Verfahren (z.B. Gewerbeeinschränkungen, Umweltschutzauflagen, etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) oder Abgaben und Incentives (z.B. Steuern, Subventionen, Umweltabgaben etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) sollten die Verfügbarkeit und die Kosten der Produktionsfaktoren am gewünschten Standort besonders gründlich analysiert werden, da diese den Unternehmenserfolg auf quantitativer Seite am stärksten beeinflussen. Die Untersuchung erfolgt dabei mit quantitativen Bewertungsinstrumenten, wie zum Beispiel der statischen und dynamischen Investitionsrechnung, die zu quantitativen Ergebnissen führt. Durch die Zuhilfenahme von qualitativen Bewertungsinstrumenten, wie der Nutzwertanalyse oder dem Checklistenverfahren, sollte die Soziokultur (z.B. Mentalität, Arbeitsmoral, Wertesystem etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) und die Geospezifik (z.B. Kima, Rohstoffvorkommen, geographische Lage etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) in Kinkels Meinung betrachtet werden. Größeres Augenmerk bei der qualitativen Bewertung eines Standorts sollte jedoch auf die Infrastruktur (z.B. Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Universitäten, Technologiezentren etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)), sowie auf politische und rechtliche Faktoren wie auf die politische Stabilität oder die Rechtssicherheit gelegt werden. Die Qualität der Produktionsfaktoren (z.B. Personalqualität und -qualifikation, Kapitalverfügbarkeit, Lieferantenqualität etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) sollte das Zentrum der qualitativen Analyse bilden und genaustens betrachtet werden, da diese den Unternehmenserfolg auf qualitativer Seite am stärksten beeinflusst (vgl. Kinkel, 2009, S. 36 ff.).

Marktfaktoren:

Neben den Produktionsfaktoren zählen die Marktfaktoren zu den klassischen Standortfaktoren, welche bereits in der Industriestandorttheorie von Alfred Weber berücksichtigt werden. Nach Weber soll ein Unternehmensstandort dort errichtet werden, wo sich der Markt befindet. Also an dem räumlichen Ort, wo sich die Konsumenten der Produkte befinden (vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 61). Kinkel führt diesen Gedankengang von Weber weiter. So sollten bei der Standortwahl eines Unternehmens besonders Absatzpotenziale und vorliegende Handelshemmnisse aufgedeckt werden, um bei der Entscheidung berücksichtigt zu werden. Bei der Ermittlung dieser quantitativen Marktfaktoren können Kennzahlen, wie zum Beispiel das Marktvolumen, das Marktwachstum, die Kaufkraft und das Preisniveau (vgl. Beyer, o. J., S. 8) zur Ermittlung des Absatzpotenzials beziehungsweise vorliegende Marktschranken, Eintrittsbarrieren und Zölle (vgl. Beyer, o. J., S. 8) zur Aufdeckung der Handelshemmnisse zur Hilfe genommen werden. Zusätzlich zu diesen beiden quantitativ zu ermittelnden Größen bilden die Marktattraktivität und die am Standort vorliegende Konkurrenzsituation qualitative Marktfaktoren. Ein geeigneter Standort würde dabei zum Beispiel eine geringe Entfernung zu wichtigen Märkten, ein hohes Qualitätsniveau der Produkte oder, im besten Fall, einen hohen Bekanntheitsgrad der Unternehmensmarke aufweisen. Zusätzlich sollte die Anzahl der direkten Wettbewerber gering sein (vgl. Kinkel & Zanker, 2007, S. 155 f.; vgl. Kinkel, 2009, S. 61 f.).

Performancefaktoren:

Unter dem Gliederungspunkt der Performancefaktoren werden in Kinkels Standortsystematik Indikatoren geführt, die zur Analyse der zu erwartenden internen Leistungsstärke eines Unternehmens an einem bestimmten Standort verwendet werden. Anhand dieser wird der zu erwartende Output des Unternehmens an dem Standort ermittelt. Neben den prognostizierten Durchlaufzeiten und der Prozessgüte (z.B. erreichbare Prozessqualität, Termintreue etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)), gelten besonders die Produktkosten (z.B. zu erwartende Stückkosten, Herstellkosten, Transportkosten etc. (vgl. Beyer, o. J., S. 8)) als wichtige quantitative Indikatoren für die Standortwahl. Zu den qualitativen Indikatoren zählen nach Kinkel die zu erreichende Produktqualität, die Flexibilität des Unternehmens bei Produktanpassungen und die zu erwartende Innovationsfähigkeit an dem spezifischen Standort „X“ (vgl. Kinkel, 2009, S. 62; vgl. Kinkel & Zanker, 2007, S. 156 f.).

Bei den Performancefaktoren handelt es sich um individuelle, von Unternehmen zu Unternehmen verschiedene Faktoren, die sowohl das Unternehmen als auch den Unternehmensstandort auf mikroökonomischer Ebene betrachten (vgl. Kinkel, 2009, S. 61). Da in dieser Arbeit weder ein bestimmtes Musterunternehmen noch ein spezifischer Standort auf mikroökonomischer Basis analysiert wird, sind die Performancefaktoren in dieser wissenschaftlichen Arbeit nicht weiter von Relevanz. Bei einer Einzelfallstandortentscheidung eines Unternehmens sollten diese jedoch berücksichtigt werden.

Netzwerkbedarf:

Der vierte Gliederungspunkt, der nach Kinkel bei der Standortwahl eines Unternehmens von Relevanz ist, wird als Netzwerkbedarf bezeichnet. Bei der Standortwahl entscheidend sind dabei besonders die bestehenden und die benötigten Kooperationen mit anderen Unternehmen bzw. Wirtschaftsakteuren. So gilt es zunächst die bestehenden Netzwerke aufzudecken und weiterführend das Potenzial des neuen Standorts auf das Bestehenbleiben der Kooperation zu untersuchen. Der Aufbau von Netzwerken als auch der Verzicht auf potenzialausgeschöpfte Netzwerke sind mit Kosten verbunden. Beide Kostenfaktoren sollten sowohl für den Ist- als auch für den Analysestandort dementsprechend gegeneinander abgewogen werden, um bei der Standortwahl die Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Die Besonderheit dieses Gliederungspunktes zeigt sich dadurch, dass sowohl die Produktionsfaktoren, die Marktfaktoren und auch die Performancefaktoren in Abhängigkeit zu dem Netzwerkbedarf stehen. Netzwerke und die damit verbundenen Kooperationen beeinflussen somit alle Standortfaktoren und bilden damit ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Standortwahl (vgl. Kinkel, 2009, S. 61 f.; vgl. Kinkel & Zanker, 2007, S. 157 f.).

Es zeigt sich, dass Kinkel in seiner Standortfaktorensystematik sowohl interne (z.B. Performancefaktoren) und externe Merkmale (z.B. Produktionsfaktoren, Marktfaktoren), quantitative, qualitative (siehe Abbildung 2.1) und auch harte (z.B. Herstellkosten) und weiche (z.B. Soziokultur) Standortfaktoren berücksichtigt, sodass diese Standortsystematik als eine der ausführlichsten und detailliertesten angenommen werden kann. Neben den klassischen Standort-, Produktions-, und Marktfaktoren werden mit Hilfe der Performancefaktoren und des Netzwerksbedarf zusätzliche entscheidende Faktoren berücksichtigt, die in den Standortsystematiken von Weber und Behrens weniger Beachtung finden.

Bei der Standortwahl eines Unternehmens müssen viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, um den bestmöglichen Standort auszuwählen. Die Relevanz der einzelnen Standortfaktoren kann dabei von Branche zu Branche variieren (vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 63; vgl. Dowling & Drumm, 2002, S. 248). Standortfaktoren sind dynamisch, sodass sich die Anforderungen an einen Standort im Laufe der Zeit verändern (vgl. Autschbach, 1997, S. 7; vgl. Dowling & Drumm, 2002, S. 248). Oftmals sind Standortfaktoren an einem bestimmten Standort nur endlich verfügbar, wodurch dieser die benötigte Kapazität der Standortfaktoren nicht weiter erfüllt. Ein neuer Standort wird benötigt, um die Wirtschaftlichkeit einer unternehmerischen Tätigkeit fortlaufend zu maximieren (vgl. Kulke, 2013, S. 101 ff.).

2.2 Produktions- und Standortverlagerung

2.2.1 Grundlagen und Definitionen

Wächst ein Unternehmen steigen neben dem Bedarf der benötigten Produktionsfaktoren auch die Anforderungen an den Produktionsstandort. Zumeist sind bei Gründung eines Unternehmens die Dimensionen des möglichen Wachstums nicht vorhersehbar, sodass ein Standort bei stetigem Wachstum an seine Grenze gerät. Um die Wirtschaftlichkeit der unternehmerischen Tätigkeit weiter auszubauen, sind die Unternehmen zum Handeln gezwungen. Es wird dabei zwischen zwei wirtschaftlich sinnvollen Handlungsmöglichkeiten unterschieden, der Produktions- und Standortverlagerung und der -ausgliederung (vgl. Ziegler, 2008).

Der Begriff der Produktions- und Standortverlagerung bezeichnet eine strategische Umgestaltung eines Unternehmens. Bei dieser wird die Produktion an dem bisherigen Standort eingestellt und an einem neuen Standort im In- oder Ausland fortgesetzt. Als Synonym einer solchen Umstrukturierung werden oftmals die Begriffe Offshoring oder Outsourcing verwendet. Der Unterschied beider Begriffe ist jedoch von Relevanz. So handelt es sich beim Offshoring um eine geographische Verlagerung, während es sich beim Outsourcing um eine Verlagerung unternehmerischer Funktionen handelt (vgl. Peters, Reinhardt, & Seidel, 2006, S. 41). Aus rechtlicher Sicht gehört bei einer Verlagerung die neue Niederlassung weiterhin zum im Inland angesiedelten Unternehmen (vgl. Ziegler, 2008, S. 4). Diese Merkmale einer Produktions- und Standortverlagerung finden sich in vielen Beschreibungen verschiedener Ökonomen wieder (vgl. Deuster, 2006, S. 5 f.).

Die Produktions- und Standortausgliederung hingegen bezeichnet die „Abgabe von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Fremdfirmen, auch wenn diese vom Ursprungsunternehmen gegründet wurden. Ein zeitlich befristeter Vertrag verpflichtet letztere zur Erbringung ausgewählter Produktionen oder Dienstleistungen.“ (Ziegler, 2008, S. 4).

Der gravierendste Unterschied besteht somit in den rechtlichen Befugnissen. Während bei der Verlagerung alle Unternehmensaufgaben und -strukturen weiterhin Teil des Unternehmens bleiben und somit weiterhin derselben Führungsebene unterliegen, werden diese bei der Ausgliederung an Fremdfirmen übertragen.

Die Make-or-Buy-Analyse dient als bewährtes Entscheidungsinstrument, um die wirtschaftlich sinnvollere Handlungsmöglichkeiten aus der Unternehmenssicht zu ermitteln. Kurzgefasst: Ein Unternehmen überprüft unter Zuhilfenahme dieser Analyse, ob sich die Eigenproduktion oder die Fremdproduktion als wirtschaftlicher herausstellt. Erweist sich die Eigenproduktion als wirtschaftlicher wird das Unternehmen eine Produktionsverlagerung der -ausgliederung vorziehen. Eine Produktionsausgliederung kommt somit in Betracht, wenn sich die Fremdfertigung als wirtschaftlich sinnvoller erweist (vgl. Irle, 2011, S. 1; vgl. Schneider & Zieringer, 1991).

Hat ein Unternehmen sich nach gründlicher Analyse dazu entschieden eine Standortverlagerung vorzunehmen, verfolgt es mit dieser strategischen Entscheidung verschiedene Ziele. Eine unterschiedliche Gliederung dieser Ziele ist möglich. So nennt Hardock fünf wesentliche Ziele einer Standortverlagerung (vgl. Hardock, 2000, S. 27 ff.):

- Kostenorientierte Ziele
- Absatzorientierte Ziele
- Beschaffungsorientierte Ziele
- Wettbewerbsstrategische Ziele
- Persönliche Ziele der Entscheidungsträger

Das kostenorientierte Ziel befasst sich mit Kosteneinsparungen, die durch die Nutzung günstigerer Bedingungen im Ausland (z.B. niedrigere Personal-, Energie- sowie Umweltschutzkosten, geringere Steuerbelastung, etc. (vgl. Hardock, 2000, S. 27 f.)) gegenüber dem Ausgangsland erzielt werden. Verlagert ein Unternehmen die Fertigung, um neue Absatzmärkte zu erschließen, steht das absatzorientierte Ziel im Zentrum der Verlagerung. Stehen im Gegenzug die Ressourcen im Fokus der Verlagerung, d.h. erhofft sich das Unternehmen durch die Verlagerung einen schnelleren und kostengünstigeren Zugriff auf die benötigten Ressourcen, wird das beschaffungsorientierte Ziel verfolgt. Das wettbewerbsorientierte Ziel besagt, dass sich Unternehmen durch die Verlagerung der Produktion Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz erhoffen. Als fünftes Ziel nennt Hardock die persönlichen Ziele der Entscheidungsträger. Zusammenfassend besagt dieser Gliederungspunkt, dass die methodischen Analysen und somit die theoretischen Ergebnisse nicht ausreichen, um eine Produktionsverlagerungsentscheidung zu treffen. Die persönliche Präferenz der Geschäftsleitung für eine Produktionsverlagerung ins Ausland muss gegeben sein (vgl. Hardock, 2000, S. 27 ff.).

Durch die Gliederung in Sach- und Leistungsziele, soziale Ziele, Human- und Wertziele ist eine weitere Unterteilungsmöglichkeit gegeben. Neben den quantitativen betriebswirtschaftlichen Wertzielen werden in dieser Unterteilungsmöglichkeit auch nicht direkt messbare qualitative Ziele, wie zum Beispiel eine hohe Qualität des Produktionsprogramms im Gliederungspunkt der Sach- und Leistungsziele aufgegriffen. Auch die Verbesserung der weichen Standortfaktoren, wie eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit bzw. ein gut funktionierendes Unternehmensgefüge stellt eines der Ziele einer Produktions- und Standortverlagerung in dieser Gliederung dar (vgl. Haaker, 2015, S. 52 f.).

Die Zielgliederungen zeigen, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, die Ziele von Produktionsverlagerungen zu definieren und in eine bestimmte strategische Richtung auszulegen. Wichtig ist, dass sich Unternehmen, die eine Produktionsverlagerung ins Ausland durchführen, Ziele setzten, die durch die Verlagerung erreicht werden sollen. Konkrete Ziele ermöglichen dabei eine gezielte Ergebniskontrolle (vgl. Meyer, 1994, S. 134 f.).

Neben den Zielen sollten einem Unternehmen zusätzlich mögliche Chancen und Risiken einer Standortverlagerung ins Ausland bewusst sein, um bei dem aufwendigen Umsetzungsprozess der Verlagerung nicht von unerwarteten Geschehnissen überrascht zu werden.

2.2.2 Mögliche Chancen und Risiken einer Produktionsverlagerung

Unternehmen, die die Produktion ins Ausland verlagern, sehen in diesem strategischen Beschluss verschiedene Chancen. Diesbezüglich hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2007 eine Betriebsrätebefragung durchgeführt. Bei dieser Umfrage wurden 2.070 Unternehmen nach den Motiven ihrer Produktionsverlagerung befragt (vgl. Hans Böckler Stiftung, 2008, S. 9). Die Ergebnisse der Befragung sind in Prozentangaben aufgeführt. Die Auswertung der Betriebsrätebefragung ist in der nachfolgenden Abbildung 2.2 graphisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2 : Verlagerungsmotive aus Unternehmenssicht (2007) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Ziegler, 2008, S. 14)

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass der Hauptgrund für Unternehmen die Produktion ins Ausland zu verlagern, in der Einsparung von Kosten lag. Für 58,4 Prozent der befragten Unternehmen war dies ein relevanter Auslagerungsaspekt. Nahezu gleichbedeutend war das Motiv der Konzentration auf die betriebliche Kernkompetenz des Unternehmens (53 %). Die Erschließung neuer Märkte galt für 43,7 Prozent der Unternehmen als mit auschlaggebend die Verlagerung durchzuführen. Die Produktion aufgrund eines wichtigen Kunden zu verlagern, nannten 28,3 % als wichtigen Grund. Es handelt sich somit um das am wenigsten relevante Verlagerungsmotiv.

Eine weitere Datenerhebung hat das statistische Bundesamt im Zeitraum von 2014 bis 2016 vorgenommen. Um die Verlagerungsmotive und -bedenken der Unternehmen widerspiegeln zu können, wurden 1133 Unternehmen befragt, die bereits eine Standortverlagerung durchgeführt haben. Dazu wurden den Unternehmen verschiedene Motive vorgegeben. Die Aufgabe der Unternehmen bestand darin, die gegebenen Gründe in für sich eher wichtige und eher weniger wichtige Motive zu unterteilen (vgl. Kaus, 2019, S. 27). Abbildung 2.3 veranschaulicht die erhobenen Daten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3 : Verlagerungsmotive deutscher Unternehmen (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kaus, 2019, S. 27)

Als wichtigstes Motiv für die Unternehmen gilt die Verringerung der Lohnkosten. 84,4% aller befragten Unternehmen empfanden diesen Punkt als eher wichtig. Gefolgt werden die Lohnkosten von anderen Kostenvorteilen (62,1%). Als weiterer wichtiger Punkt sind strategische Entscheidungen durch das Gruppenoberhaupt (58,2%) zu nennen. Das Gruppenoberhaupt stellt dabei in der Regel die Muttergesellschaft eines Unternehmens dar. Die Konzentration auf die Haupttätigkeit im Inland wird von 36,5% als eher wichtig und von 42,4% als eher weniger wichtig empfunden. Die Motive, Zugang zu Rohstoffen (71,5%), höhere Qualität oder neue Produkte auf den Markt zu bringen (69,4%) sowie den Zugang zu spezialisiertem Fachwissen und Technologien (68,9%) zu ermöglichen, sind den Unternehmen eher nicht wichtig. Das strategische Motiv der Sicherung von Rohstoffen stellt im verarbeitenden Gewerbe eher eine Ausnahme dar. Weitere Motive für ein Unternehmen ihren Standort ins Ausland zu verlagern sind der Abbildung 2.3 zu entnehmen.

Auch wenn die Unternehmensbefragungen der beiden Institute nicht identisch sind, so sind sie in vielen Punkten ähnlich. Folglich lassen sich aus den Ergebnissen wichtige Erkenntnisse ziehen. Es zeigt sich, dass, einem wichtigen Kunden zu folgen als Motiv für eine Produktionsverlagerung nur dann von Wichtigkeit ist, wenn es sich um einen Schlüsselkunden handelt. Dieser ist in der Regel für einen großen Anteil des Unternehmensumsatzes verantwortlich und für die Geschäftsbeziehung unverzichtbar. Besonders bei leicht zu fertigenden Produkten kann die Produktionsverlagerung von dem Kunden gefordert werden, wenn die bestehende Geschäftsbeziehung aufrechterhalten werden soll (vgl. Kinkel, 2009, S. 30 ff.). Die Erschließung neuer Absatzmärkte verliert an Bedeutung im Entscheidungsprozess einer Produktionsverlagerung. Zwar erhöhen Unternehmen durch die Verlagerung ins Ausland die Marktpräsenz und steigern somit die Absatzzahlen, jedoch spielen heute räumliche Distanzen durch die fortschreitende Globalisierung eine geringere Rolle als im Jahr 2007. Die Kunden werden gezielt manipuliert, sodass diese den Hersteller wahrnehmen, als wenn dieser physisch vor Ort wäre (vgl. Hardock, 2000, S. 28). Warum sich ein Unternehmen auf die Haupttätigkeit im Inland konzentrieren möchte, hat im Verlauf der Jahre ebenfalls an Bedeutung verloren. So sahen 2007 53 % der Unternehmen diesen Aspekt als relevant an, 2016 nur noch 36,5 % (-16,5 %). Wenn, dann wird die Produktion ins Ausland verlagert, um sich im Inland nur noch mit der Entwicklung neuer innovativer Produkte bzw. mit der Verbesserung der bereits bestehenden Produkte zu befassen. Das Motiv mit der mit am Abstand höchsten Bedeutung im Entscheidungsprozess einer Produktionsverlagerung ins Ausland sind Kosteneinsparungen. Steigender Kostendruck gilt für immer mehr Unternehmen als Herausforderung, die es zu meistern gilt (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, 2014; vgl. Statista, 2015). Da die Personalkosten einen großen Teil der Unternehmensaufwände bilden, sehen Unternehmen in diesem Kostenfaktor ein besonders großes Einsparungspotenzial. Auch Kinkel stützt die erarbeiteten Ergebnisse, dass die Reduktion von Personalkosten das Motiv mit dem höchsten Stellenwert für eine Produktions- und Standortverlagerung ins Ausland ist (vgl. Kinkel, 2009, S. 31 f.). Steuern, Abgaben und Subventionen werden von den Unternehmen als eher weniger wichtig für die Produktions- und Standortverlagerung angesehen (vgl. Kinkel, 2009, S. 30).

Neben den genannten Chancen wurden die Unternehmen in dieser Umfrage auch bezüglich ihrer Bedenken einer Produktionsverlagerung befragt. Dabei wird ebenfalls zwischen eher wichtigen und eher weniger wichtigen Aspekten aus Sicht der Unternehmen unterschieden. Die Ergebnisse werden in der nachfolgenden Abbildung 2.4 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.4 : Verlagerungsbedenken deutscher Unternehmen (2014 - 2016) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Kaus, 2019, S. 28)

Es zeigt sich, dass der Großteil der Unternehmen größere Bedenken hinsichtlich rechtlicher und administrativer Hindernisse (59%) hat. Auch die politische Situation im Ausland kristallisiert sich bei einem großen Teil der Unternehmen (52,3%) als ein Risikofaktor. 38,8 Prozent empfinden die politische Sicherheit im Ausland eher weniger wichtig für sie und ihr Unternehmen. Dass die Kosten der Produktionsverlagerung den Nutzen übersteigen halten 39,7 Prozent der Unternehmen für einen Risikofaktor. Besonders große Unternehmen kalkulieren das Kosten-Nutzen-Verhältnis detailliert durch, sodass die Bedenken durch eine genaue Analyse der Ausgangs- und Zielsituation beseitigt werden. Bezüglich der Faktoren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten (75,3%) und die Schwierigkeit im Ausland geeignete Zulieferer zu finden (65,7%), sind sich die Unternehmen darüber einig, dass diese Aspekte als eher weniger wichtig einzustufen sind. Weitere Bedenken, die von Unternehmen geäußert wurden, sind in der Abbildung 2.4 aufgelistet.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Unternehmen unterschiedlichste Chancen und Risiken in einer Produktionsverlagerung ins Ausland sehen. Während gewisse Motive bzw. Bedenken von einigen Unternehmen als wichtig eingeschätzt werden, stellen sich diese Beweggründe für andere Unternehmen als weniger wichtig heraus. Dennoch lässt sich besonders das Potenzial von geringeren Löhnen im Ausland als ein für die meisten Unternehmen ausschlaggebendes Motiv identifizieren.

2.2.3 Exkurs zur Corona-Pandemie

Der SARS-CoV-2 Erreger gehört zur Gruppe der Coronaviren und die offizielle Bezeichnung der Erkrankung wird COVID-19 genannt. Erstmalig wurde ein Coronavirus in den 1960er Jahren entdeckt. Mit dem neu entdeckten SARS-CoV-2 sind nun sieben humanpathogene Coronaviren bekannt. Unter anderem können die Coronaviren zur Erkrankung an MERS und SARS führen und somit auch tödlich verlaufen. Laut RKI wird angenommen, dass der SARS-CoV-2 Erreger von Fledermäusen abstammt und Anfang Dezember auf einem Markt in Wuhan (China) ihren Ursprung genommen hat (vgl. Robert Koch Institut, 2020). Bei der Ausbreitung des Coronavirus handelt es sich um eine Pandemie und ist somit weltweit auftretend. Auswirkungen der Corona-Pandemie bekommen unter anderem das politische und wirtschaftliche System und das Gesundheitswesen zu spüren (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, o. J.).

Weiter zeigt das Coronavirus die Kehrseite der Globalisierung auf. Die globale Produktion wird durch das Coronavirus geschwächt, denn es entstehen weltweite Lieferengpässe und die Produktion läuft nur schleppend aufgrund fehlender Mitarbeiter und Schutzkleidung voran. Allein in China befanden sich nach Berichten der „New York Times“ Mitte Februar 750 Millionen Menschen in Quarantäne. Dadurch fehlt es massiv an Arbeitern für die Produktion von Exportgütern. Zusätzlich ist, durch den Zusammenbruch von Lieferketten ein logistischer Albtraum entstanden. Beispielsweise sind durch verzögerte Lieferzeiten „Just-in-time“ -Lieferungen nicht mehr möglich. Unternehmen, welche ihre Lagerkosten so gering wie möglich halten wollen, sind auf die permanente Lieferung von Produktionsteilen angewiesen. Werden nun Bauteile in China aufgrund des Coronavirus nicht mehr produziert und nicht mehr verschifft (um den Virus nicht weltweit zu verbreiten), leiden vermehrt die Unternehmen und somit die globale Wirtschaft unter diesen Folgen (vgl. Neuhaus, 2020).

Um die Auswirkungen des Coronavirus zu verdeutlich, kann der Einkaufsmanagerindex (EMI) für den industriellen Bereich hinzugezogen werden. Der EMI ist ein Indikator zur Wirtschaftsentwicklung eines Landes. Er setzt sich aus den Indikatoren Produktion, Auftragseingang, Beschäftigung, Lieferzeiten und Lagerbestand zusammen (vgl. Rudnicka, 2020). Das nachfolgende Kurvendiagramm zeigt den Verlauf des EMI am Beispiel von Deutschland und China.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.5: Einkaufsmanagerindex von Deutschland und China (Eigene Darstellung in Anlehnung an: National Bureau of Statistics of China, 2020; Markit, BME, & IEconomics, 2020)

Sichtbar aus dem Kurvendiagramm wird, dass das Coronavirus in China für einen Einbruch des EMI von Januar 2020 bis März 2020 verantwortlich war. In Deutschland hingegen wurden die Auswirkungen des Coronavirus erst bemerkbar, als sich China bereits auf dem Weg der Erholung befand.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen das Coronavirus im Einzelnen für Unternehmen hat, konnte durch eine Umfrage des deutschen Industrie- und Handelskammertages ermittelt werden. Im Folgenden werden die wahrgenommenen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie von deutschen Unternehmen aufgelistet (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag, 2020):

- weniger Nachfrage
- Stornierung von Aufträgen durch Kunden
- niedrigere Investitionsausgaben
- Stillstand der geschäftlichen Tätigkeit (komplett oder zu großen Teilen)
- logistische Engpässe bei Zulieferprodukten
- ausfallende /fehlende Mitarbeiter
- fehlende Waren und Dienstleistungen
- unterbrochene Absatzwege
- drohende Insolvenz
- Eigenkapitalrückgang
- Liquiditätsengpässe
- Verschlechterung der Branchenratings
- zunehmende Forderungsausfälle
- erschwerter Fremdkapitalbezug / hohe Fremdkapitalbelastung

2.3 Hoch- und Niedrigkostenland

2.3.1 Grundlagen und Definitionen

Wie in Unterkapitel 2.1 beschrieben, erfüllt ein Standort Standortfaktoren in unterschiedlichem Maße. In der mikroökonomischen Sichtweise eignen sich einige Produktionsstandorte besser als andere. Aus makroökonomischer Sichtweise gibt es Länder mit gewissen Merkmalen, in denen sich die Produktion als besonders wirtschaftlich erweist. Von besonderem Interesse für Unternehmen sind dabei Länder, die sich durch geringe Personal- bzw. Arbeitskosten auszeichnen (vgl. Abbildung 2.2; vgl. Abbildung 2.3)

Eine Möglichkeit wirtschaftlich attraktive von wirtschaftlich weniger attraktiven Produktionsländern zu unterteilen, besteht in der Aufteilung in Hochkostenländer und Niedrigkostenländer. Diese Kategorisierung wird auf Basis der allgemeinen Höhe der Produktionskosten getroffen. Die Produktionskosten fallen bei Hochkostenländern im Gegensatz zu Niedrigkostenländern deutlich höher aus. Zusätzlich sind die allgemeinen Unterhaltungskosten der Bevölkerung im Vergleich zum Niedrigkostenland höher. Die Zuteilung der Länder zum Hoch- oder Niedrigkostenland kann dabei über verschiedenste Indikatoren erfolgen. Der größte Unterschied zwischen einem Hoch- und Niedrigkostenland liegt jedoch in den Arbeitskosten (vgl. Lockström, 2007, S. 1 f.). Abgeleitet aus diesem Aspekt, wird oftmals zwischen Hochlohnländern und Niedriglohnländern unterschiedenen. Da der Fokus der Arbeit auf der Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer liegt, wird dieser Zusammenhang im Weiteren erläutert.

Die hohen Produktionskosten entstehen vor allem durch hohe Lohn- und Lohnnebenkosten. Werden allein die Arbeitskosten betrachtet, so wird zwischen Hochlohn- und Niedriglohnländern unterscheiden. Mit dem Begriff Hochlohnland werden einerseits hohe Gehälter und Löhne für Arbeitnehmer verbunden und andererseits ein daraus resultierender Wohlstand (vgl. Blum & Ludwig, 2006, S. 263 f.). Die Hochlohnländer können nach Blum und Ludwig definiert werden als Länder „die relativ reichlich mit Kapital ausgestattet sind, hochproduktiv wirtschaften, darauf gegründet hohe Arbeitseinkommen erzielen und damit ihren Wohlstand sichern.“ (Blum & Ludwig, 2006, S. 263). Es ist nicht klar definiert, ob ein Land dem Hochlohnland oder dem Niedriglohnland zugeordnet wird. Als Indikator, der zur Einteilung der Länder genutzt wird, bietet sich das Durchschnittseinkommen pro Jahr bzw. pro Monat an. In dieser Arbeit werden jedoch die Arbeitskosten pro Stunde als ausschlaggebender Indikator verwendet. Dieser Indikator setzt sich aus den Arbeitsgrundkosten (z.B. Löhne) und den Arbeitsnebenkosten (z.B. Sozialversicherungsaufwände des Arbeitsgebers, vermögenswirksame Leistungen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Fahrtkostenzuschüsse etc.) zusammen und berücksichtigt somit sämtliche Lohn- und Lohnzusatzkosten eines Unternehmens (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016). Auch für die Autoren Jürgens und Krzywdzinski ist dieser Indikator der ausschlaggebende. So handelt es sich nach diesen beiden Autoren um ein Niedriglohnland, wenn die Arbeitskosten mindestens 50 Prozent unter denen von Deutschland liegen (vgl. Jürgens & Krzywdzinski, 2010, S. 28).

Diese Definition wird für den weiteren Verlauf der Arbeit als richtig angesehen. Die durchschnittlichen Arbeitskosten pro Kopf eines deutschen Arbeitnehmers des verarbeitenden Gewerbes des Jahres 2018 betrugen 41 Euro (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., 2019, S. 68). Nach Anwendung der Definition nach Jürgens und Krzywdzinski handelt es sich bei Ländern mit einem Arbeitskostensatz von weniger als 21,50 € um ein Niedriglohnland. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei diesem Wert um einen dynamischen Wert handelt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2020). Steigen demnach die Arbeitskosten pro Stunde in Deutschland, steigt auch der maximale Zuteilungsgrenzwert des Niedriglohnlandes.

Neben der Unterteilung in Niedrig- und Hochkostenländer lassen sich Länder auch in Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer unterteilen. Diese Kategorisierungsmöglichkeit berücksichtigt neben den Arbeitskosten weitere Faktoren wie dem Wirtschaftswachstum pro Jahr, der Arbeitslosenrate etc. (vgl. Deutscher Bundestag, 2005; vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016).

2.3.2 Aktuelle globale Lohnsatzunterschiede

Die nachfolgende Abbildung 2.6 zeigt die weltweiten Disparitäten der durchschnittlichen Jahreseinkommen pro Kopf. Diese wird in dieser Bachelorarbeit lediglich genutzt, um einen Überblick der Einkommensunterschiede zwischen den Ländern zu geben. Die Grafik vernachlässigt die Arbeitsnebenkosten und bezieht somit nicht alle betrieblichen Lohnaufwände ein. Die Datenbasis wurde auf den erhobenen Daten des Jahres 2018 der Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) aufgebaut. Sie veranschaulicht die durchschnittlichen Jahreseinkommen pro Kopf der einzelnen Länder. Diese sind in Euro angegeben. Die Farbintensität ist so gewählt, dass die Länder mit einem hohen durchschnittlichen Einkommen pro Kopf in einem dunkleren Grünton eingefärbt sind. Entsprechend weisen Länder, welche hellgrün eingefärbt sind, ein geringeres durchschnittlichen Jahreseinkommen pro Kopf auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 . 6 : Durchschnittliches Jahreseinkommen pro Kopf aus dem Jahr 2018 (weltweit) (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Organisation for economic co-operation and develop, 2019; Organisation for Economic Co-operation and Develop, 2019)

Aus der Grafik wird deutlich, dass besonders Australien und Neuseeland, die west- und nördlichen europäischen Länder, die Nordamerikanischen Länder ausgeschlossen Mexiko und Japan im Vergleich hohe Jahreseinkommen pro Kopf aufweisen. Die ost-europäischen Länder, zum Großteil die süd-amerikanischen Länder, sowie China und Saudi-Arabien weisen mittlere durchschnittliche Jahreseinkommen pro Kopf auf. Überwiegend niedrige durchschnittliche Jahreseinkommen pro Kopf erzielt die Bevölkerung des afrikanischen und die des asiatischen Kontinentes.

Das Land mit dem höchsten durchschnittlichen Jahreseinkommen pro Kopf ist Lichtenstein mit einer Summe von 80.700,72 €. Zum Vergleich verdient der Durchschnitt der Deutschen 38.548,29 € im Jahr. China weist ein durchschnittliches Jahreseinkommen pro Kopf von 7.743,88 € auf. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 330 € pro Kopf bildet Niger das Schlusslicht der Liste.

Es wird deutlich, dass global betrachtet starke Ungleichheiten in Bezug auf das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Kopf bestehen. In diesen sehen viele Unternehmen die Chance, durch niedrigere, zu zahlende Gehälter die Personalkosten zu senken (vgl. Kapitel 2.2.2). Dennoch lässt sich aus dieser Grafik nicht das optimale Produktionsland ermitteln, da neben den Personalnebenkosten viele weitere Faktoren bei der Wahl des Produktionslandes berücksichtigt werden müssen. Eine Analysemöglichkeit, welche das Gesamtpotenzial eines Landes als Produktionsstandort ermittelt, wird im folgenden Kapitel vorgestellt.

2.4 PESTEL-Analyse

2.4.1 Grundlagen

Um einen Standort hinsichtlich einer möglichen Produktionsverlagerung bewerten zu können, ist es notwendig eine ausführliche Standortanalyse durchzuführen. Da auch eine Produktionsverlagerung mit hohen Kosten verbunden ist und ein wesentliches Ziel in dem Erzielen von Gewinnen liegt, sollte das Kosten – Nutzen Verhältnis einer Produktionsverlagerung genaustens bestimmt werden (vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 60 ff.). Zunächst müssen für den bestehenden Standort die Ist-Faktoren ermittelt werden. Da eine Produktionsverlagerung in der Regel mindestens eins der in Kapitel 2.2.1 erwähnten Ziele verfolgt, sollten zusätzlich die für das Erreichen der Ziele notwendigen Standortfaktoren ermittelt und definiert werden. Hierbei kann auf die Standortfaktorensystematiken zurückgegriffen werden (vgl. Abbildung 2.1).

Um den Ist-Zustand eines Standorts bewerten zu können, kann man Check- und Fragelisten sowie Nutzwertanalysen zur Hilfe ziehen. Bei den Check- und Fragelisten werden Unternehmen am zu bewertenden Standort befragt. Inhalte dieser Listen gliedern sich in (vgl. Kinkel & Zanker, 2007, S. 176 ff.):

- Laufende Kosten und Erträge
- Fertigungskosten
- Weitere Herstellkosten
- Umsatzerlöse
- Optimierungspotenziale an bestehenden Standorten
- Einmalkosten
- Investitionskosten
- Schließungskosten
- Aufbau- und Anlaufkosten
- Qualitative Faktoren
- Qualitative Produktionsfaktoren
- Qualitative Marktfaktoren
- Qualitative Performancefaktoren
- Netzwerkfaktoren

Bei der Durchführung einer standortspezifischen Nutzwertanalyse wird zwischen der Makrostandortanalyse und der Meso- und Mikrostandortanalyse unterschieden. Die Meso- und Mikrostandortanalyse ist eine standortspezifische Nutzwertanalyse und für diese Arbeit nicht weiter relevant (vgl. Kreus, Lindner, & von der Ruhren, 2004, S. 69). Die Makrostandortanalyse ist eine länderspezifische Nutzwertanalyse und wird im Folgenden genauer betrachtet. Das Makroumfeld ist aus den grundlegenden Umweltfaktoren aufgebaut, welche eine Unternehmung beeinflussen (vgl. Johnson, Scholes, & Whittington, 2011, S. 78).

Im Rahmen dieser Arbeit wird das makroökonomische Potenzial eines Landes als Produktionsland auf Basis einer PESTEL-Analyse ermittelt. Das Akronym PESTEL ist Englisch und steht für political, economical, social, technological, evironmental und legal, welche in Abbildung 2.7 zu sehen sind. Diese werden im weiteren Verlauf der Arbeit, als Bausteine der PESTEL-Analyse bezeichnet. Mit Hilfe dieser Analyse können wichtige länderbezogene Daten ermittelt werden (vgl. Johnson, Scholes, & Whittington, 2011, S. 78). Die PESTEL-Analyse dient zur Identifizierung und Analyse relevanter Umweltfaktoren und ist darauf ausgerichtet zukünftige Entwicklungen vorherzusagen (vgl. Steuernagel, 2017, S. 67 ff.). Eine weitere Untergliederung der einzelnen Bausteine ist möglich. Jegliche makroökonomischen Faktoren können dabei in der Analyse eines Landes berücksichtigt werden. In Abbildung 2.7 ist eine Beispielsübersicht gegeben, die viele der klassischen Analysefaktoren aufzeigt (vgl. Oehlrich, 2019, S. 102 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.7: Mögliche Analysefaktoren der einzelnen Bausteine der PESTEL-Analyse (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Oehlrich, 2019, S. 102 ff.)

Auf welche einzelnen Faktoren in den jeweiligen Bausteinen eingegangen wird ergibt sich aus der Intention des Unternehmens und dem damit verbundenen Analyseschwerpunkt. (vgl. Steuernagel, 2017, S. 61).

Die Analyseergebnisse der einzelnen Bausteine können sowohl qualitativ sowie quantitativ ausgewertet werden. Um eine quantitative Bewertung der jeweiligen makroökonomischen Faktoren durchführen zu können, wird von dem Unternehmen zunächst ein Scoring-Modell entwickelt. Ein in der Praxis häufig verwendetes Scoring-Modell ist in Form der Nutzwertanalyse gegeben. Eine genaue Beschreibung dieses Instruments wird in dem Buch „Nutzwertanalysen in Marketing und Vertrieb“ von Kühnapfel gegeben (vgl. Kühnapfel, 2019, S. 1 ff.). In dieser Bachelorarbeit erfolgt die Bewertung jedoch in Anlehnung der Form einer qualitativen Inhaltsanalyse, wie Prof. Dr. Herbert Kotzab vorschlägt (vgl. Kotzab, 2019, S. 10). Die qualitative Inhaltsanalyse ist eine Methode zur Datenauswertung mit dem Ziel eindeutige und latente Inhalte zu ordnen und strukturieren. Im Text wird qualitativ-interpretativ gearbeitet mit der Einbeziehung von Statistiken und theoretischen Belegen. Zunächst wird Material ausgewählt, das zur Beantwortung der Forschungsfrage beiträgt (vgl. Kapitel 2). Anschließend legt man die Richtung der Analyse mit Hilfe von festgelegten Kriterien dar (vgl. Kapitel 2.4.2). Im dritten Schritt analysiert man die Arbeit nach diesen Kriterien (vgl. Kapitel 3.1). Im letzten Schritt werden die Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfrage interpretiert (vgl. Kapitel 3.2) (vgl. Mayring & Fenzl, 2014, S. 633 ff.).

2.4.2 Spezifische Inhalte der PESTEL- Analyse

Die einzelnen Bausteine der PESTEL-Analyse beinhalten verschiedene makroökonomische Faktoren, die in die Bewertung der Gesamtsituation des jeweiligen Bausteins einfließen. Im Folgenden werden die in dieser Arbeit ausgewählten Faktoren beschrieben und die zur Bewertung verwendeten Indikatoren erklärt. Da der Analyseschwerpunkt der Bachelorarbeit auf der Produktionsverlagerung aus unternehmerischer Sicht liegt, werden die zu untersuchenden Faktoren der einzelnen Bausteine dahingehend ausgerichtet. Weiterführend wird der Fokus auf die wirtschaftlichen Einflussfaktoren gelegt, da diese aus Unternehmenssicht besonders großes Interesse widerspiegeln (vgl. Abbildung 2.3).

2.4.2.1 Baustein politische Faktoren

Der Baustein „political“ befasst sich mit den makroökonomischen politischen Umwelteinflüssen. Dazu werden die politischen Gegebenheiten eines Landes analysiert. Es gibt viele verschiedene politische Gegebenheiten, die für Unternehmen, die ihre Produktion in das Ausland verlagern wollen von Relevanz sind (vgl. Abbildung 2.7). Die wichtigsten politischen Einflussfaktoren aus Unternehmenssicht sind durch die Wirtschaftsordnung, die politische Stabilität des politischen Systems und der bestehenden bzw. angestrebten Außenpolitik gegeben (vgl. Büsch, 2019, S. 67 ).

Die im potenziellen Verlagerungsland vorliegende Wirtschaftsordnung ist von Bedeutung, da sich diese zwischen den Ländern zum Teil stark unterscheidet. Die Wirtschaftsordnung legt Regeln fest und gibt die Struktur eines Landes wieder, an denen sich Unternehmen zu halten und orientieren haben (vgl. Behncke, 2019). Dementsprechend müssen sich Unternehmen mit dem vorliegenden Wirtschaftssystem, dem Regierungssystem und der gesetzlichen Situation auseinandersetzen. Bei der Betrachtung des Wirtschaftssystems ist zu beachten, dass einige Staaten in Form einer nahezu zentralen Verwaltungswirtschaft3 geführt werden, in der der Staat aktiv den Marktmechanismus steuert. In anderen Staaten herrscht beinahe eine freie Marktwirtschaft4, die sich dadurch charakterisiert, dass der Staat weitestgehend nicht in den Markt eingreift. So können Unternehmen in diesen Staaten eigenständig und uneingeschränkt aus wirtschaftlichem Interesse handeln (vgl. Büsch, 2019, S. 68). Bei dem Regierungssystem wird im klassischen Sinn zwischen drei Regierungsformen unterschieden (Monarchie, Diktatur und Demokratie). Je nach Staatsform wird die Gewaltenteilung anders ausgeführt und beeinflusst somit die vorliegenden Regeln im Land für alle Akteure (vgl. Zentrum für Demokratie Aarau, o. J.). Die gesetzliche Situation in einem Land spielt ebenfalls eine große Rolle und wurde wie in Abbildung 2.3 als Verlagerungsmotiv unter dem Punkt „Geringere staatliche Regulierung im Ausland“ aufgenommen und beinhaltet neben direkten Eingriffen in Marktabläufe, die Summe der Regeln, der Gesetze, Verordnungen und sonstigen Bestimmungen vor Ort (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, o. J.).

Zusätzlich sollte die politische Stabilität des potenziellen Verlagerungslandes detailliert analysiert werden, da politische Konflikte, wie Unruhen, Bürgerkriege etc. die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens gefährden können (vgl. Büsch, 2019, S. 68). Zur Bewertung der politischen Stabilität eines Landes können verschiedene Indices verwendet werden. In dieser Arbeit werden dazu zwei Indices von verschiedenen Institutionen verwendet. Zum einen der Fragile States Index (FSI), zum anderen der Bertelsmann Transformation Index (BTI).

Der FSI und der BTI wurden aufgrund ihrer umfangreichen Analyse hinsichtlich politischen Themengebiete ausgewählt. Zusätzlich werden beide Indices von Institutionen mit langjähriger und renommierter Geschichte herausgegeben. Beide Indices werden verwendet, da diese teilweise unterschiedliche politische Themengebiete einschließen und somit zusammen einen größeren Überblick über die politische Situation eines Landes ermöglichen. Bei überschneidenden Aspekten kann die Genauigkeit der Bewertung überprüft werden.

Fragile States Index: „Die Fund For Peace“ Organisation hat den Fragile States Index entwickelt, um die Anfälligkeit von Staaten hinsichtlich eines Zusammenbruchs zu bewerten. Das Gerüst, bestehend aus 12 Indikatoren, soll die Situationsanfälligkeit vor, während und nach Konflikten messen. Somit werden mehrere Momentaufnahmen erschaffen, welche die Entwicklung vor Ort, in positiver und negativer Richtung, dokumentieren. Die zwölf Indikatoren sind unter vier Oberbegriffen, untergliedert und werden jeweils mit bis zu maximal 10 Punkten bewertet. Ein Land kann somit einen maximalen FSI-Score von 120 erreichen. Je höher der FSI-Score ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Land zerfällt. Das Land mit dem höchsten FSI-Score belegt Platz eins, das Land mit dem niedrigsten belegt den letzten Platz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.8: Aufbau des Fragile State Index (Eigene Darstellung in Anlehnung an: The Fund for Peace, 2020)

Für den weiteren Verlauf der Arbeit sind die politischen Analysepunkte des Indexes von besonderer Relevanz. Die Staatliche Legitimität berücksichtigt die Repräsentativität, die Offenheit und die Beziehung der Regierung zu ihrer Bürgerschaft. Der Indikator untersucht das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen und Prozesse und bewertet die Auswirkungen, falls dieses Vertrauen nicht vorhanden ist. Der Indikator des öffentlichen Dienstes bezieht sich auf das Vorhandensein grundlegender staatlicher Funktionen, die den Menschen dienen. Dies kann zum einen die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung, Wasser und sanitäre Anlagen, Verkehrsinfrastruktur und Strom sowie Internet und Konnektivität umfassen. Auf der anderen Seite kann dies die Fähigkeit des Staates einschließen, seine Bürger, beispielsweise vor Terrorismus und Gewalt, durch Polizeiarbeit zu schützen. Unter dem Indikator Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wird das Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung berücksichtigt. Dieser Indikator untersucht, ob es einen weit verbreiteten Missbrauch von politischen und sozialen Rechten gibt (vgl. The Fund for Peace, 2020).

Bertelsmann Transformation Index : Der Index, welcher von der Bertelsmann Stiftung erarbeitet wurde, nennt sich Bertelsmann Transformation Index (BTI). Dieser misst und bewertet die Transformationsprozesse der Demokratie, Marktwirtschaft und der Qualität der Regierungsführung. Er wird in 137 Ländern erhoben. Dazu werden die oben genannten Punkte in Form von politischen und wirtschaftlichen Transformationen sowie von einem Governance Index auf einer Skala von 1-10 bewertet. Anders als beim FSI spiegelt eine hohe Punktzahl beim BTI eine hohe politische Stabilität wider (vgl. Bertelsmannstiftung, 2020). Die genauen Inhalte der einzelnen Indikatoren sind der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.9: Aufbau des Bertelsmann Transformation Index: (Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bertelsmannstiftung, 2020)

Wie beim FSI wird sich dieser Teil der Arbeit ebenfalls nur mit den politischen Aspekten des Gesamtindexes auseinandersetzen, um die vom FSI nicht behandelten politischen Themengebiete zu betrachten und überschneidende Aspekte in ihrer Aussage zu überprüfen. Der Indikator Staatlichkeit setzt sich aus vier Kriterien zusammen. Hierbei handelt es sich um das Staatliche Gewaltmonopol, die Staatliche Identität, den Einfluss religiöser Dogmen und grundlegender Verwaltungsstrukturen. Bei dem Indikator der Politischen Partizipation werden folgende Kriterien begutachtet: freie und faire Wahlen, effektive Regierungsgewalt, Organisations- und Versammlungsfreiheit sowie Presse- und Meinungsfreiheit. Unter dem Begriff Rechtsstaatlichkeit versteht sich die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz, die Ahndung von Amtsmissbrauch und die Bürgerrechte. Der Punkt Stabilität demokratischer Institutionen führt zum einen die Leistungsfähigkeit- und zum anderen die Akzeptanz demokratischer Institutionen auf. Der letzte Indikator der politischen Transformation ist die politische und soziale Integration. Inhalte dieses Punktes sind das Parteiensystem, die Interessengruppen, die Zustimmung zur Demokratie und das Sozialkapital (vgl. Bertelsmannstiftung, 2020). Ein weiteres Mittel die politische Stabilität eines Landes zu bewerten ist die Möglichkeit die Regierung dabei zu beobachten, wie diese innerhalb von Krisen- und Notzeiten reagiert. Die Politiker müssen dazu ihre Tatkraft unter Beweis stellen und Sicherheit gegenüber der Bevölkerung vermitteln, um so das Vertrauen in die Regierung zu sichern (vgl. Unzicker, 2020). Krisen sorgen dafür, dass die staatliche Stabilität gefährdet ist. Sie ermöglichen den politischen Entscheidungsträgern andere Handlungsspielräume als zuvor. Intransparenz und Missachtung der Souveränität fremder Staaten können als Folge einer Krise hergeleitet werden (vgl. Jäger, 2016, S. 8 f.). Wie in Abbildung 2.4 dargestellt, zählt die politische Sicherheit zu den größten Verlagerungsbedenken. Daher ist ein erfolgreiches Krisenmanagement der Regierung ein wichtiger Faktor, den es bei einer Standortwahl zu berücksichtigen gibt. Zusätzlich zur vorliegenden Wirtschaftsordnung und der politischen Stabilität, sollte die bestehende bzw. angestrebte Außenpolitik des potenziellen Produktionslandes genauer betrachtet werden, um zukünftige Entwicklungen zu erfassen und diese für sein Vorhaben zu interpretieren. In der Außenpolitik steht die öffentliche Darstellung von Handlungen eines Staates im Mittelpunkt. Bei den Handlungen handelt es sich zumeist um Kooperationen zwischen mehreren Staaten. Hierbei ist die Wahrnehmung des internationalen Interessens nicht zu vernachlässigen. Zu den Aktivitäten der Außenpolitik zählen jene, welche die Integrität, Interessen und Ziele sowie die politische Unabhängigkeit eines Staates schützen (vgl. Hellmann G. , 2006, S. 13 ff.). Die Außenpolitik ist in Bezug auf den Außenwirtschaftsverkehr von Interesse, da sie die Einstellung der Regierung gegenüber ausländischen Unternehmen widerspiegelt. Während liberal eingestellte Regierungen die Intention verfolgen, die Wirtschaft über möglichst wenige staatliche Eingriffe zu steuern, greifen interventionistisch eingestellte Regierungen durch staatliche Eingriffe oftmals in die Wirtschaft ein. Unternehmensbestrebungen ausländischer Unternehmen sind versucht, durch den Aufbau eine Vielzahl von Barrieren abzuwehren (vgl. Büsch, 2019, S. 68). Neben tarifären Handelsbarrieren (z.B. Zölle), kann der freie Warenverkehr auch durch indirekte nichttarifäre Handelshemmnisse (z.B. nationale Normungen, Selbstbeschränkungsabkommen bei Exporten, Mindestpreisfestsetzungen bei Importen, Bürokratien etc.) eingeschränkt werden (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016).

2.4.2.2 Baustein wirtschaftliche Faktoren

Das Zentrum einer Produktionsverlagerungsentscheidung bilden zumeist die wirtschaftlichen Faktoren eines Landes. Diese beeinflussen die Entscheidung am stärksten, da sie die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens auf direktem Weg beeinflussen (vgl. Hardock, 2000, S. 84). Das wirtschaftliche Potenzial eines Landes als Produktionsland wird dabei durch verschiedene Einflussgrößen dirigiert. In dieser Arbeit werden verschiedene Indikatoren verwendet, um das Potenzial eines Landes hinsichtlich einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens durch eine Produktionsverlagerung zu untersuchen.

Durch den Ausbruch des Covid-19 Virus hat sich die globale Wirtschaftslage drastisch verändert. In dieser Arbeit werden sowohl Statistiken verwendet, die diesen Sachverhalt berücksichtigen, aber auch welche bei denen die Corona-Pandemie nicht beachtet wird. Ob die Pandemie in den einzelnen Statistiken berücksichtigt wird oder nicht, ist der jeweiligen Abbildungsbeschreibung zu entnehmen (vgl. Kapitel 3.1.2).

In dieser Bachelorarbeit werden die verwendeten Indikatoren, die zur Analyse des wirtschaftlichen Umfeldes verwendet werden, den Unterpunkten der gesamtwirtschaftlichen Situation, den Kostenfaktoren und dem Bildungsniveau zugeordnet.

Gesamtwirtschaftliche Situation:

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das den „Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft erwirtschaftet werden“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016) aufzeigt, wird von vielen Ökonomen als der Indikator bezeichnet, der das Wachstum einer Volkswirtschaft widerspiegelt. Es wird dabei zwischen dem nominalen und dem realen BIP unterschieden. Während in das nominale BIP die einzelnen Produkte und Dienstleistungen mit ihren aktuellen Marktpreisen eingerechnet werden, berücksichtigt das reale BIP hingegen die Preisentwicklung, in dem die Inflationsrate herausgerechnet wird (vgl. Drewello, Kupferschmidt, & Sievering, 2018, S. 123 ff.). Das nominale BIP dient bei vielen Indikatoren in dieser Arbeit als Bemessungsgrundlage (z.B. Anteil der Bildungsausgaben am BIP; Anteil des BIPs, der zum Ausbau der Infrastruktur verwendet wird; Anteil des BIPs, der in den Umweltschutz investiert wird etc.) und wird zusätzlich aus diesem Grund gegeben. Ein Land mit einem hohen BIP kann zum Beispiel mengenmäßig deutlich mehr Geld in die Bildung der Landesbevölkerung investieren als ein Land mit einem verhältnismäßigen geringeren BIP. Um den Wert des Bruttoinlandsprodukts größenmäßig einschätzen zu können, bietet sich ein internationaler Ländervergleich an. Da das nominale Bruttoinlandsprodukt die Bevölkerungsanzahl des jeweiligen Landes nicht berücksichtigt wird in dieser Arbeit das nominale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP/Kopf) des potenziellen Produktionslandes analysiert. Dieser Indikator ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit hinsichtlich der Produktivität einer Volkswirtschaft unter Berücksichtigung der Bevölkerungsanzahl im internationalen Vergleich (vgl. Europäische Kommission, 2020).

Neben diesen Aspekten lassen sich aus dem BIP ebenso Tendenzen hinsichtlich des verfügbaren Einkommens der Bevölkerung und der des Marktangebots treffen. „Wenn die Wirtschaft wächst, haben die Menschen auch mehr Einkommen zur Verfügung. Außerdem gibt es dadurch auch ein größeres Angebot an Produkten und Dienstleistungen, aus dem die Konsumenten wählen können.“ (vgl. FairBindung e.V. & Neue Ökonomie e.V., 2014, S. 1). Somit deutet ein hohes reales BIP eines Landes, neben höheren verfügbaren Einkommen und einer höheren Kaufkraft, auch auf das Vorhandensein vieler unterschiedlicher Unternehmen hin, die für eine potenzielle Geschäftsbeziehung mit dem verlagerungswilligen Unternehmen zur Verfügung stehen. Um das prozentuale Wachstum zu verdeutlichen wird in dieser Bachelorarbeit das potenzielle Land auf die Wachstumsraten des realen BIPs analysiert. Als wirtschaftspolitische Zielgröße wird ein Wert von ca. 2 Prozent pro Jahr angenommen. Deutlich höhere Wachstumswerte pro Jahr deuten auf stark ausgeprägte Einkommenszuwächse der Bevölkerung hin (vgl. Drewello, Kupferschmidt, & Sievering, 2018, S. 130).

Eine typische Einteilung des BIPs ist in Form der Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsseite gegeben. Aus dieser Einteilung lassen sich wichtige Erkenntnisse über die Verteilung der Wirtschaftssektoren (Entstehungsseite), als auch über die zukünftige Entwicklungspolitik (Verwendungsseite) des Landes ermitteln (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016). Die Entstehungsseite wird in dieser Arbeit in die drei klassischen Wirtschaftssektoren der Volkswirtschaft (primärer Sektor = Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei; sekundärer Sektor = Industrie und Baugewerbe; tertiärer Sektor = Dienstleistungsbereiche) untergliedert (vgl. Bofinger, 2011, S. 304). Die relativen Anteile der Erwerbstätigen der Sektoren in Verbindung mit der gesamten Erwerbstätigenanzahl ermöglicht eine Tendenzbildung hinsichtlich der vorhandenen potenziellen Arbeitnehmer. Für ein Unternehmen des sekundären Sektors ist dementsprechend die Arbeitnehmeranzahl im sekundären Sektor von großer Bedeutung. Die Konsumausgaben des Staates, die neben den privaten Konsumausgaben der Verwendungsseite des BIPs zugeordnet werden, geben Aufschluss über die Entwicklungstendenzen des potenziellen Landes (vgl. Bofinger, 2011, S. 302).

Die Staatsverschuldung des potenziellen Verlagerungslandes stellt einen weiteren Indikator dar, der für Unternehmen von Bedeutung ist. Eine hohe Staatsverschuldung zeichnet sich somit zumeist negativ für Unternehmen aus. Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Möglichkeiten des Staates, der Verschuldung entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit besteht in der Erhöhung der verfügbaren Geldmenge, mit der Folge einer steigenden Inflationsrate. Eine weitere ist durch Steuerhöhungen gegeben, um die Staatseinnahmen zu erhöhen. Eine hohe Verschuldungsquote geht deswegen mit verminderter Konsumfreude der privaten Haushalte als auch des Staates einher (vgl. Bofinger, 2011, S. 429). In dieser Bachelorarbeit wird die Staatsverschuldung des potenziellen Produktionslandes in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gemessen.

Der Indikator der eine Tendenzbildung hinsichtlich der durchschnittlichen Kaufkraft pro Kopf einer Landesbevölkerung am besten ermöglicht ist durch das Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf gegeben (vgl. Binckebanck & Belz, 2012, S. 251). „Das BNE umfasst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zuzüglich der Nettoübertragungen aus Primäreinkommen aus ausländischen Quellen.“ (BMZ, o. J.). „Die Bezugsgröße ist die Staatsangehörigkeit und nicht das Staatsgebiet (Statista, 2020)“. Das BNE pro Kopf berücksichtigt zusätzlich die Bevölkerungsanzahl. Ein hoher landesspezifischer BNE-pro-Kopf-Wert steht somit in enger Verbindung mit einer hohen Kaufkraft, welche sich wiederum positiv auf die Absatzzahlen eines Unternehmens auswirkt. Ein Blick auf den zeitlichen Verlauf des BNE pro Kopf ermöglicht eine Tendenzbildung bezüglich der zukünftigen Entwicklung.

Ein ebenso wichtiger Indikator, der in einer Produktionsverlagerungsentscheidung beachtet werden sollte, ist in Form der Entwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte des potenziellen Landes gegeben. Private Konsumausgaben „sind im Einzelnen die Ausgaben für Essen, Wohnen, Bekleidung, Gesundheit, Freizeit, Bildung, Kom­munikation, Verkehr sowie Beherbergungs- und Gaststätten­dienst­leistungen.“ (Statistisches Bundesamt, o. J.). Steigende Konsumausgaben einer spezifischen Landesbevölkerung werden in dieser Bachelorarbeit für ein verlagerungswilliges Unternehmen als positiver Einflussfaktor angenommen. Steigen die privaten Konsumausgaben, spricht dies für ein wachsendes Absatzpotenzial der produzierten Produkte. Ein Anstieg dieser privaten Ausgaben steht jedoch auch im nahen Zusammenhang mit höheren Einkommen der Bevölkerung. Da die Einkommen der Arbeitnehmer zumeist von Unternehmen bezahlt werden ermöglicht dieser Indikator zusätzlich eine Tendenzbildung hinsichtlich der Entwicklung der Lohnkosten (vgl. Frey, 2002, S. 65 ff.).

Die vorliegende Arbeitslosenquote berücksichtigt die quantitative Seite des Produktionsfaktors „Humanvermögen“. „Die Arbeitslosenquote gibt an, wie groß der Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen potenziellen Arbeitnehmern ist, die für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.“ (Statista, 2020). Der Unternehmensbereich der Produktion stellt, trotz der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung, noch immer einen personalintensiven Unternehmensbereich dar. Bei einer Produktionsverlagerung müssen somit am potenziellen Standort Arbeitnehmer verfügbar sein, die willig sind, ihre Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen (vgl. Schawel & Billing, 2018, S. 110). Eine hohe Arbeitslosenquote in der Bevölkerung eines Landes kann sich somit für ein Unternehmen, im Gegensatz für den Staat, als ein positiver Faktor herausstellen (vgl. Helmedag, 2010, S. 55). Auch auf dem Arbeitsmarkt bestimmt der Preismechanismus von Angebot und Nachfrage den Preis. Eine hohe Arbeitslosenquote spricht tendenziell somit für eine erhöhte Nachfrage nach Arbeit, wodurch die Lohnforderungen der Bevölkerung des potenziellen Landes sinken. Dies wirkt sich wiederum zunächst positiv auf die Unternehmung aus (vgl. Franz, 2013, S. 279 f.). Hinsichtlich des Absatzpotenzials des vorliegenden Landes wirkt sich eine hohe Arbeitslosenquote jedoch negativ aus. Die Kaufkraft und die Konsumfreude sinken, wodurch die Absatzzahlen, insbesondere bei Luxusgütern5, tendenziell eher sinken (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016). Die anzustrebende Arbeitslosenquote in einer Volkswirtschaft wurde bislang nicht genau quantifiziert. Häufig wird jedoch bereits ab einer Arbeitslosenquote im Bereich von 4 % von Vollbeschäftigung gesprochen (vgl. Bofinger, 2011, S. 278).

Mit dem Verbrauchervertrauensindex ist ein weiterer Indikator gegeben, der in dieser Arbeit berücksichtigt wird, um das zukünftige Potenzial des Absatzmarkts eines Landes zu untersuchen. „Indices für das nationale Verbrauchervertrauen zählen zu den wichtigsten wirtschaftlichen Frühindikatoren. Der Index misst, [sic] mittels Befragung, [sic] die Konsumlaune von Privathaushalten, [sic] als Teil der Binnennachfrage. Lassen die befragten Privathaushalte die Absicht steigender Konsumausgaben erkennen, ist der Index positiv und steigt. In der Folge lässt sich ein erhöhter Absatz von Konsumgütern verzeichnen. Umgekehrt gibt ein sinkender Verbrauchervertrauensindex erste Hinweise für einen Rückgang in der Binnennachfrage und schließlich auch der Wirtschaftsleistung.“ (Statista, 2020). Bei einem geringen Verbrauchervertrauen in die zukünftige wirtschaftliche Lage neigt die Bevölkerung zu höheren Sparraten, um gewisse Zukunftsunsicherheiten (z.B. Arbeitslosigkeit und dadurch folgende Gehaltseinbußen) zu kompensieren. Folglich erhöht sich bei einem hohen Verbrauchervertrauenswert die Konsumfreude der Bevölkerung, wodurch tendenziell höhere Absatzzahlen für Unternehmen resultieren. Die Attraktivität des Verlagerungsmarkts steigt somit.

Auch die vorliegende Preisniveaustabilität innerhalb des potenziellen Landes sollte bei der Produktionsverlagerungsentscheidung berücksichtigt werden. Um die Preisniveaustabilität zu ermitteln, wird der Beschaffungswert eines Warenkorbes, der aus verschiedenen Gütern besteht, im Vergleich zum Vorjahr ermittelt. Wird eine größere Geldmenge benötigt, um die gesamten Waren des Warenkorbs zu erwerben, das heißt, steigt das Preisniveau, wird von einer Inflation gesprochen. Sinkt dieser Wert liegt eine Deflation vor (vgl. Drewello, Kupferschmidt, & Sievering, 2018, S. 146 ff.). Die europäische Zentralbank strebt eine Inflationsrate von unter, aber nahe 2 %, an (vgl. Bofinger, 2011, S. 463). Die Auswirkungen einer Inflation auf die privaten Haushalte und die Unternehmen liegen nah beieinander. Bei einer Inflation steigt kurzfristig der Absatz der Unternehmen. Dies geschieht, da das Geld jährlich um den Wert der Inflationsrate an Kaufkraft verliert und die Bevölkerung eher dazu neigt, die vorhandene Geldmenge zu verkonsumieren, als diese zu sparen und den damit verbundenen Kaufkraftverlust tatenlos hinzunehmen. Im Gegenteil dazu gewinnt das Geld bei einer vorliegenden Deflation an Wert. Folglich sinkt der Konsum, besonders von Luxusgütern, bei einer längerfristig vorliegenden Deflation, wodurch die Absatzzahlen der Unternehmen sinken (vgl. Engelkamp & Sell, 2013, S. 183 ff.). Diese Auswirkungen sind jedoch nur kurzfristig zu beobachten. Die Lohn-Preis-Spirale verdeutlicht den Zusammenhang zwischen einer Inflation und der Lohnerhöhung der Arbeitnehmer. Kurzgefasst beschreibt diese Spirale, dass die Arbeitnehmer auf gestiegene Produktkosten mit höheren Gehaltsforderungen reagieren. Durch die dadurch erhöhten Produktionskosten steigern Unternehmen die Produktpreise. Eine Inflation entsteht. Es ergibt sich ein Kreislauf, der zu immer höheren Produktkosten und Löhnen führt, die reale Kaufkraft jedoch auf konstantem Niveau bleibt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016). Eine längerfristig vorliegende Inflation, ohne eine Anpassung des Gehalts der Arbeitnehmer, führt zu einem Kaufkraftverlust der Bevölkerung (vgl. Drewello, Kupferschmidt, & Sievering, 2018, S. 146) Dies wirkt sich negativ auf das Absatzmarktpotenzial eines Landes aus. Zusätzlich liegt der Zusammenhang vor, dass bei einer Inflation Schuldner gegenüber Gläubigern bevorzugt werden. Die Eigenkapitalquote von vielen Unternehmen ist sehr gering (vgl. Statista, 2020). Große Teile der Unternehmen sind durch Fremdkapital (z.B. Bankkredite) finanziert. Eine hohe Inflationsrate ergibt für Unternehmen mit einer hohen Fremdkapitalquote somit einen positiven Effekt, da das geliehene Geld im Verlauf der Zeit an Wert verliert. Bei einer Deflation ist dieser Zusammenhang dementsprechend andersherum (vgl. Drewello, Kupferschmidt, & Sievering, 2018, S. 150 f.). Neben diesen Aspekten ist die Inflationsrate in dieser Arbeit von Bedeutung, da sie in vielen Indikatoren (z.B. reales BIP-Wachstum, Entwicklung der Reallöhne etc.) berücksichtigt wird.

[...]


1 Weiterführende Literatur: (Kulke, 2013, S. 86 ff.; Heinen, 1991, S. 220 f.)

2 Weiterführende Literatur: (Behrens, 1961; Heinen, 1991, S. 221 f.)

3 Weiterführende Literatur: (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016)

4 Weiterführende Literatur: (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016)

5 In dieser Bachelorarbeit werden alle Güter, welche nicht zum Überleben notwendig sind, als Luxusgüter bezeichnet.

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer. Chancen und Risiken am Beispiel der Volksrepublik China
Hochschule
Hochschule Hamm-Lippstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
152
Katalognummer
V933121
ISBN (eBook)
9783346263087
ISBN (Buch)
9783346263094
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Produktionsverlagerung, China, PESTEL, Chancen, Risiken, Bachelorarbeit, sehr gut, Standortfaktoren, Niedriglohnland, politisch, ökologisch, wirtschaftlich, technologisch, rechtlich, sozio-kulturell, Potenzialanalyse, Standortverlagerung, Produktionsauslagerung, Produktionsausgleiderung, Outsourcing, Offshoring
Arbeit zitieren
Lucas Conze (Autor:in), 2020, Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer. Chancen und Risiken am Beispiel der Volksrepublik China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/933121

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