Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Die geltende Rechtslage und der gesellschaftliche Diskurs

Ein kurzer Einblick


Facharbeit (Schule), 2020

19 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Unterscheidung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Spätabbruch

3. Medizinische Grundlagen
3.1 Grundlegende Informationen zur Entwicklung des Kindes im Mutterleib
3.2 Pränataldiagnostik
3.3 Methoden des Schwangerschaftsabbruchs

4. Die geltende Gesetzeslage in Deutschland
4.1 Das Recht auf Leben und dessen Grenzen
4.2 Abtreibungsrecht im Strafgesetzbuch

5. Problematik des Schwangerschaftsabbruchs im gesellschaftlichen Diskurs
5.1 Die christliche Perspektive
5.2 Die Lebensrechtbewegung
5.3 Die Bewegung zur sexuellen Selbstbestimmung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

„Abtreibung ist Krieg gegen unschuldige, ungeborene Kinder.“

– Mutter Teresa von Kalkutta

So positioniert sich die indische Ordensschwester und Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa zur Thematik Abtreibung. Sie stellt damit den Akt des Schwangerschaftsabbruchs als verachtenswert dar. Auch in anderen Fällen hat sie sich gegen Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen und diese als Mord bezeichnet.

Oft wird eine solche Meinung mit dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes begründet. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dabei das Recht auf Leben nicht nur auf das Kind, sondern auch auf die Mutter anzuwenden ist und in welchen Fällen sogar trotz moralischem Zwiespalt Spätabbrüche gerechtfertigt sind.

Für ein generelles Verständnis der verwendeten Bezeichnungen wird daher ein Kapitel über die Unterscheidung der Begriffe Schwangerschaftsabbruch und Spätabbruch an den Anfang gestellt. Darauf aufbauend werden in Kapitel 3 die medizinischen Grundlagen und verschiedenen Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs erläutert. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Situation in Deutschland liegt, werden im vierten Kapitel anhand der Literatur von Gesine Heim sowohl die derzeit geltende Gesetzeslage in Deutschland erläutert, als auch eventuelle Uneindeutigkeiten in dieser aufgezeigt. Das Kapitel wird sich mit den Begriffen des Rechts auf Leben und der Rechtslage im Strafgesetzbuch befassen. Das fünfte Kapitel stellt verschiedene Positionen im gesellschaftlichen Diskurs dar. Bezugnehmend auf das oben stehende Zitat wird auch ein religiöser Standpunkt thematisiert, da besonders im kirchlichen, christlichen Rahmen Abtreibungen kontrovers diskutiert werden. Außerdem werden die widersprüchlichen Positionen zum Wohle des Kindes und der Mutter dargelegt. Ziel der Arbeit ist es zu prüfen, inwiefern die geltende gesetzliche Lage in Deutschland geändert werden könnte, um meiner Meinung nach gerecht gegenüber allen involvierten Parteien zu sein und diese ausreichend zu schützen.

Mein persönliches Interesse am Thema Schwangerschaftsabbruch entstand, weil in meinem persönlichen Umfeld sowohl eine Schwangerschaft aufgrund einer Schwerstbehinderung des Kindes abgebrochen wurde, als auch bewusst entschieden wurde ein Kind mit Down-Syndrom auszutragen. Diese gegensätzlichen Entscheidungen lösten bei mir bereits früh eine intensive Beschäftigung über die moralische Richtigkeit aus. Zusätzlich wurde ich in letzter Zeit, wegen der in den USA diskutierten Abtreibungsverbote, wieder auf das Thema aufmerksam.

2. Unterscheidung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Spätabbruch

Als Schwangerschaftsabbruch bezeichnet man den Abbruch einer intakten Schwangerschaft (vgl. Rath; Gembruch, u.a. 2010: 119). Die gesetzliche Grundlage, welche in § 218a Abs. 1 des Strafgesetzbuches zu finden ist, besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch, um tatbestandlos und dementsprechend straffrei zu sein, vor der zwölften Schwangerschaftswoche geschehen muss. Zudem besteht eine Beratungspflicht (vgl. Dolderer 2012: 4). Genauere Informationen zur Rechtslage sind im vierten Kapitel enthalten.

Bei Schwangerschaftsabbrüchen, die nicht nach der Beratungsregelung tatbestandlos sind, wird eine kriminologische oder medizinisch-soziale Indikation benötigt, um straffrei zu bleiben. Von einer kriminologischen Indikation ist zu sprechen, wenn das Kind durch ein Verbrechen wie sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung gezeugt wurde. Auch mit dieser Indikation muss der Abbruch vor der zwölften Schwangerschaftswoche geschehen (vgl. Hoffmann 2013: 26). Ein Abbruch nach der zwölften Schwangerschaftswoche ist laut § 218a Abs. 2 StGB nur bei einer medizinisch-sozialen Indikation legal möglich (vgl. Dolderer 2012: 4). Dies ist der Fall, wenn bei der Schwangeren Lebensgefahr oder Beeinträchtigung ihres geistigen und körperlichen Gesundheitszustandes durch einen Schwangerschaftsabbruch verhindert werden kann. In solch einem Fall ist ein Schwangerschaftsabbruch unbefristet möglich (vgl. Hoffmann 2013: 26).

Bei genauerer Betrachtung der Zwölf-Wochen-Frist stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Schwangerschaft beginnt. Hierzu gibt es zwei Ansätze. Medizinisch beginnt die Altersberechnung ab dem ersten Tag der letzten Menstruation, post menstruationem (p.m.), wohingegen der Gesetzgeber eine Schwangerschaft mit der Empfängnis als begonnen erachtet. Da der Eisprung in der Regel erst zehn bis achtzehn Tage nach der letzten Regel stattfindet, entsteht so eine Differenz von etwa zwei Wochen. Daher wird im Fall einer Abtreibung die Schwangerschaftsdauer post conceptionem (p.c.), also ab Empfängnis, angegeben. Als Spätabbruch wird ein Schwangerschaftsabbruch definiert, der zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu welchem der Embryo bereits außerhalb der Gebärmutterhöhle, potenziell lebensfähig wäre. Aufgrund der Zwölf-Wochen-Regelung und der Kontoverse um das Thema Spätabbruch liegt es nicht fern anzunehmen, dass dies ab der zwölften Schwangerschaftswoche der Fall ist. Entgegen dieser Erwartung ist der frühste Zeitpunkt einer extrauterinen Lebensfähigkeit des Kindes, also einer Lebensfähigkeit des Kindes außerhalb der Gebärmutter, jedoch erst ab der 20. Woche p.c.. Ab der 20. Schwangerschaftswoche steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind die Abtreibung überlebt, über 50 Prozent. Nach Vollendung der 22. Woche liegt die Überlebenschance des Kindes bei 60 Prozent. (vgl. Dolderer 2012: 5).

3. Medizinische Grundlagen und Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs

3.1 Grundlegende Informationen zur Entwicklung des Kindes im Mutterleib

Die durchschnittliche reguläre Schwangerschaftsdauer beträgt 38 Wochen (vgl. Dolderer 2012: 11). Juristisch gesehen beginnt eine Schwangerschaft mit der Fertilisation der Eizelle. Die Fertilisation wird nicht als Zeitpunkt, basierend auf der zeitlichen Verortung des Geschlechtsverkehrs, definiert, sondern beschreibt eine Zeitperiode von circa 24 Stunden, beginnend mit dem Eindringen der Spermienzelle in die Eizelle und endend mit der Vereinigung zum diploiden Chromosomensatz des Kindes (vgl. Dolderer 2012:10). Hier beginnend werden die ersten beiden Schwangerschaftswochen als Frühentwicklungsphase bezeichnet. Ab der Nidation, der Einnistung in den Uterus, wird von der Embryonalzeit gesprochen. Diese hält bis zur neunten Schwangerschaftswoche an. Von diesem Zeitpunkt an, bis zum Ende der Schwangerschaft, spricht man von der Fetalperiode (Dolderer 2012:8).

Häufig werden Schmerzen des Kindes als Grund gegen eine Abtreibung genannt, weswegen es bedeutend ist, ab wann ein Schmerzempfinden besteht. Die Entwicklung des Schmerzgefühls ist nicht vollkommen geklärt, da Messungen am intrauterinen ungeborenen Kind schwierig sind. Es ist aber bekannt, dass der Fötus zwischen der 18. und 23. Schwangerschaftswoche erstmals Stressreaktionen durch Ausschüttung von Endorphinen und Cortisol zeigt. Für ein Schmerzempfinden muss die Schmerzinformation den Thalamus erreichen. Der Thalamus, der größte Teil des Zwischenhirns, nimmt seine Funktion um die 20. Schwangerschaftswoche p.c. auf, weswegen es sinnvoll ist, hier den Ansatz für Schmerzempfindlichkeit des Fötus zu setzen (vgl. Dolderer 2012:12). Da die Wissenschaft von höherer Schmerzempfindlichkeit des Kindes spätestens ab der 25. Schwangerschaftswoche ausgeht, ist über ein Abtreibungsverbot ab diesem Zeitpunkt nachzudenken, da auch das ungeborene Kind einem gewissen Schutz bedarf (vgl. Wirth 2006: 4).

3.2 Pränataldiagnostik

Pränataldiagnostik bietet die Möglichkeit eine Vielzahl von Krankheiten und möglichen Behinderungen, sowie das Geschlecht des Kindes bereits früh zu erkennen.

Da die Pränataldiagnostik zur Indikationsstellung benötigt wird, sind die Verfahren zur Pränataldiagnostik und deren Möglichkeiten von besonderem Interesse für die Thematik Spätabbruch (vgl. Dolderer 2012: 166). Wenn das Entdecken einer Krankheit den Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch hervor ruft, können sich Untersuchungen negativ auf die Lebenserwartung des Kindes ausüben. Daher ist es wichtig anzuerkennen, dass Pränataldiagnostik für Schwangere Sicherheit und die Freiheit zur Selbstbestimmung darstellen kann, genaue Untersuchungen für das ungeborene Kind jedoch gleichzeitig eine Gefahr für dessen Leben darstellen (vgl. Wirth 2006: 4). Andererseits stellt eine Verbesserung der pränatal diagnostischen Möglichkeiten auch die Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten von erkrankten Föten dar (vgl. Anthony; Sterkens 2019: 30). Problematisch ist aber, dass Pränataldiagnostik selektive Reproduktion begünstigt, zum Beispiel durch ein gezieltes Abtreiben behinderter Kinder oder Fetozid weiblicher Nachkommen. Dies kann sich negativ auf den sozialen Status dieser in der Gesellschaft auswirken (vgl. Wahlberg, Gammeltoft 2018: 2). Um den Wert der Pränataldiagnostik erkennen zu können muss anerkannt werden, welche bedeutenden Erkenntnisse sie bereits geliefert hat. Zum Beispiel ist momentan bereits ab der achten Schwangerschaftswoche möglich, Untersuchungen durchzuführen, die auf Erkrankungen des Kindes schließen lassen. Zu diesem Zeitpunkt sind aber nicht alle Erkrankungen erkennbar, weswegen eine zeitliche Begrenzung für Schwangerschaftsabbrüche ab der achten Woche nicht sinnvoll ist. (vgl. Wirth 2006: 4). Manche Krankheiten sind erst in späten Schwangerschaftsstadien erkennbar (vgl. Dolderer 2012: 23), und können das Leben der Mutter gefährden, weswegen die unbegrenzte Möglichkeit zum Abbruch bei medizinisch-sozialer Indikation sinnvoll erscheint.

„Zur pränatalen Diagnostik zählen alle Untersuchungen, die im Rahmen der Schwangerenvorsorge durchgeführt werden und im Mutterpass aufgeführt sind. Nicht alle pränatalen Diagnosemöglichkeiten sind fester Bestandteil der Schwangerenvorsorge.“ (Dolderer 2012:13)

Bei Verfahren der Pränataldiagnostik wird zwischen invasiven und nicht-invasiven Verfahren unterschieden. In der Regel werden aber nur oder überwiegend nicht-invasive Methoden eingesetzt. Die vermutlich bekannteste nicht-invasive Methode ist der Ultraschall. Dabei werden im Verlauf der Schwangerschaft meist drei Screenings durchgeführt. Das erste dient dazu, die Wachstumsentwicklung des Fötus zu beobachten und Schwangerschaftsalter sowie einen Geburtstermin zu berechnen. Dieses Screening findet zwischen der neunten und zwölften Schwangerschaftswoche p.m. statt. Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits möglich, Mehrlingsschwangerschaften, Bauchhöhlen- und Eileiterschwangerschaften sowie einige Fehlbildungen festzustellen. Das zweite Screening zwischen der 19. und 22. Schwangerschaftswoche dient der Kontrolle der Herztätigkeit und des Wachstums. Hier können weitere fetale Fehlbildungen ermittelt werden. Die letzte Untersuchung zwischen 29. und 32. Schwangerschaftswoche gilt der allgemeinen Kontrolle. In der Regel sind alle hier bemerkbaren Krankheiten bereits bei der letzten Sonografie sichtbar (vgl. Dolderer 2012: 14). Falls basierend auf diesen drei Basisuntersuchungen der Verdacht auf eine Fehlbildung des Kindes entsteht, werden noch weitere Untersuchungen angesetzt. Bei diesen wird beispielsweise die Nackenfalte des Kindes gemessen oder das Blut der Schwangeren auf Proteine und Hormone getestet, um Erkrankungen wie Trisomie 21 und andere Chromosomabweichungen ausschließen zu können (vgl. Dolderer 2012:15).

3.3 Methoden des Schwangerschaftsabbruchs

Um beurteilen zu können, ob das Recht auf Leben im Falle eines Spätabbruchs im Vergleich zu regulären Schwangerschaftsabbrüchen kritischer in Bezug auf das Recht auf Leben des ungeborenen Kindes gesehen werden müsste, ist es nötig, die verschiedenen Methoden im Vergleich zu kennen, mit denen eine Abtreibung durchgeführt wird.

Da juristisch gesehen eine Schwangerschaft erst mit der Fertilisation der Eizelle und nicht mit dem Geschlechtsverkehr beginnt, zählt die Pille danach nicht als Abtreibungsmethode, sondern als Maßnahme zur Empfängnisverhütung, wie auch Spirale und Kondome (vgl. Salaschek 2018: 33). Grundsätzlich unterscheidet man bei ärztlich durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen zwischen medikamentösen und operativen, beziehungsweise instrumentellen, Verfahren. Für welches Verfahren sich der behandelnde Arzt entscheidet, hängt meist vom Stadium der Schwangerschaft ab (vgl. Salaschek 2018:11). Die Entscheidung kann jedoch von Indikation, Vorgeschichte und Erfahrungen von Arzt und Schwangeren abhängen (vgl. Hoffmann 2013: 28). Die im Folgenden genannten Methoden werden sowohl allein als auch in Kombination angewandt (vgl. Salaschek 2018: 11). Bis zu 63 Tage nach der letzten Menstruation darf der Schwangerschaftsabbruch durch das Antigestagen Mifepreston eingeleitet werden (vgl. Salaschek 2018:12). Die Schwangere nimmt das Mifepreston, auch bekannt unter dem Markennamen Mifegyne, in Tablettenform zu sich und 48 Stunden später das stark wirksame Prostaglandin Misoprostol. Dies bewirkt Uteruskontraktionen und führt damit zu einer künstlich ausgelösten Fehlgeburt und dem Ausscheiden des Embryos. Diese Methode hat in 95 Prozent der Fälle Erfolg (vgl. Dolderer 2012: 23, Hoffmann 2013: 29). Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche p.c. wird auch die Curettage, ein Gerät zur Ausschabung der Gebärmutter, eingesetzt. Der Uterus wird dann ausgeschabt und die Leibesfrucht herausbefördert. Häufig geschieht dies in Kombination mit der Vakuumaspiration. Bei dieser wird mithilfe einer Kanüle ein Unterdruck im Uterus hergestellt und der Embryo inklusive Plazentaanlage und Eihäuten abgesaugt. Diese beiden Methoden zum Schwangerschaftsabbruch gelten als invasiv (vgl. Hoffmann 2013: 28f). Nach der zwölften Schwangerschaftswoche wird in der Regel ein Prostaglandin beim Arzt verabreicht, welches einige Stunden später, durchschnittlich 15, Wehen auslöst, wodurch der Fötus ausgeschieden wird. Meist wird in Kombination eine Curettage durchgeführt, da Plazenta und Eihäute oft nicht vollständig ausgeschieden werden. Nur in seltenen Fällen wird ein Kaiserschnitt als Methode zum Schwangerschaftsabbruch verwendet. Dies geschieht nur vereinzelt, da es für die Schwangere einen erheblichen Eingriff bedeutet und weitaus risikoreicher ist (vgl. Dolderer 2012:24). Die Methodik zu Abbrüchen in den spätesten Schwangerschaftsstadien können aufgrund ihrer Seltenheit (vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.) 2020) vernachlässigt werden.

4. Die geltende Rechtslage in Deutschland

4.1 Das Recht auf Leben und dessen Grenzen

Das Recht auf Leben ist in Deutschland im Artikel 2.2 des Grundgesetzes verankert: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ (Deutscher Bundestag (Hg.) 2016: 15). In Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche ist hier das Wort „Jeder“ von großer Bedeutung. Das Recht auf Leben ist nicht ohne Weiteres auf jedes Lebewesen anzuwenden, sondern ist ausschließlich auf menschliches Leben zu beziehen (vgl. Heim 2004: 87). Es ist außerdem anzumerken, dass Artikel 2.2 GG keinen spezifischen Anspruch an die Lebensqualität stellt, um in Wirkung zu treten.

Zwar ist das Recht auf Leben ein fundamentales Recht, jedoch gibt es keinen klaren Konsens darüber, wann das menschliche Leben beginnt, beziehungsweise ab welchem Zeitpunkt von einer Person mit Rechtsanspruch zu sprechen ist (vgl. Ziebertz; Zaccararia 2019: 2). Dennoch besteht ein genereller Konsens, dass spätestens ab der Geburt von einer Person mit unveräußerlichen Rechten gesprochen werden muss (vgl. Heim 2004: 87). Andererseits wird argumentiert, dass die Geburt keinen entscheidenden Unterschied für die Rechtsansprüche des Kindes darstellen sollte, da sich dessen Situation durch die Geburt nicht entscheidend verändert. Das Kind ist sowohl vor, als auch nach der Geburt in einem weitestgehend hilflosen Zustand und noch immer nur geringfügig in der Lage, seine Interessen zu kommunizieren (vgl. Heim 2004: 91). Inwiefern das Recht auf Leben daher für ein ungeborenes Kind geltend gemacht werden kann, ist nicht explizit geklärt, da das Grundgesetz dies nicht definiert. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention definiert nicht direkt, ob das Recht auf Leben bereits für Embryonen geltend ist (vgl. Heim 2004: 87). In der Vergangenheit gab es jedoch Argumentationen des Bundesverfassungsgerichtes, dass auch das heranwachsende Leben vom Grundgesetz betroffen ist, da sonst „die Sicherung der menschlichen Existenz gegenüber staatlichen Übergriffen unvollständig sei“ (Heim 2004: 89). Dies ist jedoch nicht allgemein gültig in einem Gesetzestext festgeschrieben. Da Abtreibungen gesetzlich unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sind, besteht hier außerdem ein offensichtlicher Konflikt der Gesetzeslage in sich selbst, da das Leben eines Fötus mit vollem Rechtsanspruch nicht dem Lebensrecht der Schwangeren unterstellt werden darf. Daher dürfte man bei vollem Rechtsanspruch des Fötus ab Fertilisation der Eizelle eine Abtreibung nicht einmal im Falle der Lebensbedrohung der Schwangeren durchführen. Dies entspräche dann einem rechtswidrigen Tötungsdelikt. Durch das Zulassen von Abtreibungen kann daher nicht mehr von einem bedingungslosen Lebensrecht des intrauterinen Kindes gesprochen werden (vgl. Heim 2004: 92).

4.2 Abtreibungsrecht im Strafgesetzbuch

In der Bundesrepublik Deutschland gilt ein Schwangerschaftsabbruch als Vergehen, nicht als Verbrechen (vgl. Küper 2010: 198). Folglich ist das Strafmaß bei einem Schwangerschaftsabbruch deutlich geringer als bei einem Verbrechen (vgl. Bundesministerium der Justiz (Hg.) 2020: 25). Dennoch werden die beiden Abtreibungsrecht betreffenden Artikel 218 und 219 im Strafgesetzbuch unter den Straftaten gegen das Leben verortet, wie auch Mord und Totschlag (vgl. Bundesministerium der Justiz (Hg.) 2020: 14). Im Kontrast dazu steht jedoch die Tatsache, dass um Opfer eines Tötungsdeliktes zu sein, der Prozess der Geburt bereits begonnen haben muss. Das Strafgesetzbuch verordnet folglich also den Übergang von Leibesfrucht zum Menschen mit dem Eintreten der Eröffnungswehen (vgl. Dolderer 2012: 89).

Ein Schwangerschaftsabbruch wird in der Regel mit bis zu drei Jahren Haftstrafe oder einer Geldstrafe geahndet, in besonders schweren Fällen auch mit bis zu fünf Jahren Haft. Es gibt jedoch eine Reihe von Fällen, unter welchen der Tatbestand § 218 nicht verwirklicht wird und damit straffrei bleibt. Dies ist der Fall, wenn der Schwangerschaftsabbruch mit dem Willen der Schwangeren einhergeht, der Abbruch von einem Arzt durchgeführt wird, die Beratungspflicht und drei tägige Bedenkzeit eingehalten wurde. Dem durchführenden Arzt muss eine Bestätigung über eine Beratung, bei einer zertifizierten Beratungsstelle, vorgelegt werden und der Eingriff muss vor Ende der zwölften Schwangerschaftswoche p.c. stattfinden. Auch ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar, wenn dringend anzunehmen ist, dass die Schwangerschaft ein Resultat einer Straftat wie sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung ist. Dies wird als kriminologische Indikation bezeichnet. Solange die Abtreibung bis zur Vollendung der zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt wird, ist der Tatbestand nicht verwirklicht. Der Schwangerschaftsabbruch bleibt also straffrei. Falls die Schwangere sich in besonderer Bedrängnis befunden hat, ist es auch möglich, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der Zwölf-Wochen-Frist für sie straffrei bleibt (vgl. Bundesministerium der Justiz (Hg.) 2020: 110). Die Straffreiheit geht dabei aber nicht mit der Erklärung zur Rechtmäßigkeit einher (vgl. pro familia (Hg.) 2017: 10). Wenn durch den Abbruch eine Lebensgefahr oder schwere Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Mutter abgewendet werden kann, ist er ebenso tatbestandlos (vgl. Bundesministerium der Justiz (Hg.) 2020: 110). Dies wird als medizinisch-soziale Indikation bezeichnet. Mit solcher ist eine Abtreibung unbegrenzt möglich. Die medizinisch-soziale Indikation ist allerdings nicht automatisch durch eine Behinderung des Kindes gegeben. Beispielsweise könnten einem Kind sämtliche Gliedmaße fehlen; solange die Mutter davon nicht beeinflusst ist, sind die Kriterien für eine medizinisch-soziale Indikation nicht erfüllt. Andererseits sind sie es, wenn die Mutter aufgrund einer geringfügigen Behinderung des Kindes suizidgefährdet ist (vgl. Dolderer 2012: 185).

5. Problematik des Schwangerschaftsabbruchs im gesellschaftlichen Diskurs

5.1 Die christliche Perspektive

Das Christentum ist mit Anhängern, die etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, die größte religiöse Gruppe weltweit (vgl. Pew Research Center (Hg.) 2017: 8). In Deutschland identifizieren sich circa 55 Prozent der Bevölkerung als Anhänger einer der christlichen Kirchen (vgl. Zeit (Hg.) 2017). Da Schwangerschaftsabbrüche besonders im christlichen Raum auf starke Ablehnung stoßen, sich aber mehr als die Hälfte der deutschen Gesellschaft als Christen identifiziert, ist es von Bedeutung diese Perspektive zu berücksichtigen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Die geltende Rechtslage und der gesellschaftliche Diskurs
Untertitel
Ein kurzer Einblick
Note
1,0
Jahr
2020
Seiten
19
Katalognummer
V933370
ISBN (eBook)
9783346265265
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethik, Schwangerschaftsabbruch, Abtreibung, Recht auf Leben, Recht zur Selbstbestimmung, Schwangerschaftskonflikt, Jura, StGB, Grundgesetz, Baby, Kinder, § 218 StGB, Ultraschall, Pränataldiagnostik, Recht auf körperliche Unversehrtheit, Leben, Ist Abtreibung Mord?
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Die geltende Rechtslage und der gesellschaftliche Diskurs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/933370

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