Theorie und Darstellung von Zeitreisen im Film

Zeitmaschine VS Utopia


Studienarbeit, 2008

92 Seiten


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Zeitreise und ihre Bestandteile
II.1 Newton und Einstein
II.1.1 Eine Zeitreise in die Vergangenheit
II.1.2 Eine Zeitreise in die Zukunft
II.2 Immanuel Kants transzendentale Elementarlehre von Raum und Zeit
II.2.1 Der Raum
II.2.2 Die Zeit

III. Die Zeitreise
III.1 Darstellung der Maschinerie im Film
III.1.1 Wurmlöcher
III.1.2 Zeitmaschinen
III.1.3 Energie
III.2 Wiedererkennung
III.2.1 Die Vergangenheit
III.2.2 Die Zukunft
III.3 Der Butterfly-Effekt
III.3.1 Die unveränderbare Zeit
III.3.2 Zusammenhänge in der Zeit
III.3.3 Zeitschleifen

IV. Die Utopie
IV.1 Utopische Funktionalität der Zeitmaschine
IV.1.1 Die neue Welt in Die Zeitmaschine
IV.1.2 Das Utopia in The TimeMachine
IV.1.3 Back to the Future
IV.2 The Lake House
IV.3 Timeline

V. Resümee

Anhang
Bibliographische Angaben:
Filmographie
Sekundärliteratur
Lexika und Fachliteratur

I. Einleitung

Literatur und Film beschäftigen sich zunehmend mit dem Motiv der Zeitreise. Was zunächst eine Thematik für das Genre des Science Fiction ist, findet nun auch in völlig fremden Genres, wie Ritterfilmen und Liebesfilmen, ganz beiläufig seinen Platz[1].

Das einundzwanzigste Jahrhundert ist die Zeit der neuen Medien. Die Filmindustrie entwickelt sich schnell und dank der großen Fortschritte in der Computer-, Kamera- und Grafiktechnik, ist es ihr möglich immer mehr und immer schwierigere Themen visuell umzusetzen und ein breites Publikum zu erreichen und zu faszinieren. Besonders Produktionen aus Hollywood sind hier bemerkenswert erfolgreich und international bekannt. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit nicht mit der Thematik der Zeitreise in der Neueren deutschen Literatur, sondern widmet sich ausschließlich diesem Thema in modernen amerikanischen Filmproduktionen. Hierbei werden nicht die Methoden und Möglichkeiten der Filmtechnik der verschiedenen Jahrzehnte miteinander verglichen, sondern der Inhalt der Filmbeispiele in Form einer Filminterpretation.

Filminterpretation meint hier die Spielfilm-Interpretation, und zwar im übergreifenden Sinn von Literatur-Interpretation. >>Die Filminterpretation<< behandelt die Interpretation von fiktional erzählenden Tonfilmen.[2]

Die Arbeit erläutert, wofür das Motiv der Zeitreise benutzt wird, welche Möglichkeiten eine solche Reise bietet und wie sich dies auf die individuelle Handlung des Filmes auswirkt. Unter dem Gliederungspunkt „III.3. Der Butterfly-Effekt“ geht diese Analyse auf die Kausalität von Zeitreisen ein und erläutert den Zusammenhang und die Abhängigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nach Darlegung der Theorie, betrachtet die Arbeit die individuellen Konstruktionen der Zeitmaschinen. Sie untersucht mit welchen Mitteln die Figuren in den Geschichten der Filmbeispiele durch die Zeit springen und wie diese Zeitsprünge dargestellt werden. In den meisten Fällen findet die Zeitreise mittels einer Maschine statt. Nur selten wird die Reise unter zu Hilfenahme von Objekten, wie beispielsweise Tagebücher oder Fotografien, oder mit Hilfe eines Portals angetreten. Dennoch, entgegen der Tendenz bezüglich einer Verwendung von Zeitmaschinen, existieren verschiedene Vorrichtungen, um eine solche Reise durchzuführen. Diese werden hier an ausgewählten Beispielen in Aussehen und Funktion dargestellt. Nun mag sich die Frage stellen, warum auf die Funktion der Zeitmaschine eingegangen wird, zumal diese schließlich offensichtlich erscheint: Die Funktion der Zeitmaschine ist es, eine Person oder einen Gegenstand aus seiner Zeit in eine andere Zeit, beispielsweise zwei Jahre in die Vergangenheit oder zwei Jahre in die Zukunft, zu befördern. Doch ist mit dieser trivialen Definition die Frage nach der Funktion bei weitem nicht beantwortet. Es bleibt zu klären, ob der Reisende die Zielzeit selbst bestimmen kann oder ob dies von der Maschine bestimmt wird. Wird es von der Maschinerie bestimmt, so stellt sich die Frage, ob das überbrückte Zeitintervall konstant bestehen bleibt oder ob es wechselt oder gar ganz erlischt. Kann die Zeitmaschine ihren Benutzer sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft befördern oder funktioniert sie nur in eine Richtung? Und ist es dem Reisenden, nach seinem Ausflug in die Zukunft oder in die Vergangenheit, möglich zum Ausgangspunkt, also in seine eigene Gegenwart, zurückzukehren? Tritt der Abenteurer nur eine Reise durch die Zeit an oder durchquert er Zeit und Raum? Das bedeutet, es stellt sich die Frage, ob der Protagonist exakt an dem Ort in der Zukunft oder Vergangenheit ankommt, an dem er in seiner Gegenwart die Reise angetreten hat oder ob gleichzeitig mit dem Zeitsprung ein Wechsel in den lokalen Gegebenheiten stattfindet. In diesem besonderen Fall würde ein Zeitreisender beispielsweise aus dem Deutschland des 21. Jahrhunderts eine Zeitreise ins Frankreich des 12. Jahrhunderts antreten. Er würde demnach nicht nur neun Jahrhunderte in die Vergangenheit, sondern auch mehrere hundert Kilometer durch den Raum reisen.

Es existieren zahlreiche Filme, die sich auf verschiedene Art und Weise mit dem Begriff der Zeit beschäftigen. Viele dieser Filme stammen aus den fünfziger und sechziger Jahren. Sie sind damit nicht nur die ersten Filme der Kinogeschichte, die sich mit diesem Thema beschäftigen, sondern gleichermaßen Vorbilder für die erst im 21. Jahrhundert entstandenen Filme, die in dieser Arbeit analysiert werden. Warum werden hier die modernen Filme analysiert und nicht die historischen Vorbilder dieses Themas? Die Antwort auf diese Frage liefert der Begriff der Zeitreise selbst. Filmklassiker, wie Citizen Kane[3] aus dem Jahre 1962 oder 2001: A Space Odyssee[4] aus dem Jahre 1968, beinhalten zweifellos das Thema Zeit, es sind jedoch keine Filme die sich mit dem Begriff der Zeitreise beschäftigen. Citizen Kane beginnt mit dem Tod eines großen Amerikaners und erzählt anschließend durch Rückblenden dessen Lebensgeschichte. 2001: A Space Odyssee beginnt im Zeitalter der Steinzeit und wechselt schrittweise die Zeitpunkte zu denen die Handlung stattfindet bis zum Jahre 2001. 2001 gilt in diesem Fall als futuristische Darstellung, da der Film 1968 gedreht wird. Beide Filme führen eine Zeitreise durch. Citizen Kane reist in die Vergangenheit von Kane und 2001: A Space Odyssee reist 33 Jahre in die Zukunft, von seinem Entstehungsdatum aus gerechnet, nachdem es mit der Illustration von Szenen aus der prähistorischen Zeit beginnt. Doch untersucht diese Arbeit keine Filme, die selbst einen Zeitsprung unternehmen, sondern ausschließlich filmische Beispiele in denen die handelnden Figuren in der Zeit vor- und zurückreisen. Auf diese Weise können sie das Wissen über ihre eigene Gegenwart nutzen, um aktiv in den Zeitverlauf einzugreifen und somit ihre Gegenwart oder Zukunft zu verändern. Citzen Kane schildert eine bereits abgeschlossene Geschichte in Rückblenden. Dabei ist es den Figuren nicht möglich in diese abgeschlossene Geschichte einzugreifen und so die Vergangenheit bzw. die daraus resultierende Zukunft zu verändern. Diese Filme zählen daher nicht zu dem Metier der Zeitreisefilme. Ähnlich verhält es sich bei 2001: A Space Odyssee. Dieser Film beginnt mit Szenen aus der prähistorischen Zeit und spielt letztendlich in der Zukunft, doch ist es nur der Film selbst, der Zeitsprünge macht und nicht die in ihm handelnden Figuren. Jede Zeitepoche, die der Film zeigt, beinhaltet neue Figuren. Keine der Figuren wird selbst zu einem Zeitreisenden.

Der erste Zeitreisende und damit das erste tatsächliche Vorbild, für die hier analysierten Filme, findet sich in Herbert George Wells literarischem Werk The Time Machine.[5]

By examining The Time Machine in its first and final published versions, one can watch Wells giving significant shape and direction to what would become modern science fiction.[6]

Wells ist einer der Pioniere des heutigen eigenen Genres des Science Fiction und ist gleichsam einer der ersten, die über eine Zeitreise schreiben. Dieses Werk wird erstmals 1959 verfilmt. Eine weitere Version folgt 2002. Auf Grund dieses Vorbildcharakters geht auch die Version aus dem Jahre 1959 mit in die Analyse ein.[7] Doch bevor die Durchführung der Zeitreise genauer betrachtet und analysiert wird, mit welchen Mitteln die Figuren Raum und Zeit überwinden, wird zunächst erläutert, was zu einer Zeitreise notwendig ist.

II. Zeitreise und ihre Bestandteile

Untersucht man Theorie und Funktionalität von Zeitreisen, ist es vorab notwendig die Bestandteile einer solchen Reise zu betrachten, welche, wie der Begriff „Zeitreise“ deutlich darlegt, „Zeit“ und „Reise“ sind. Der Begriff der „Reise“ ist hierbei jedoch mehr auf den Begriff des „Raumes“ zu beziehen, durch den sich während einer Reise bewegt werden muss. Der Raum setzt sich aus drei Dimensionen zusammen. Die Zeit bildet die vierte Dimension. H. G. Wells erfindet die Zeitmaschine, Albert Einstein die Relativitätstheorie. Beide Erfindungen erschüttern seinerzeit die Welt und ihr Zusammenhang ist unbestreitbar. Sowohl die Entdeckung der Zeitmaschine, als auch die der Relativitätstheorie beschäftigen sich mit der vierten Dimension.

Es ist klar (...), daß jeder tatsächlich vorhandene Körper sich in vier Dimensionen ausdehnen muss: in Länge, Breite, Höhe und – in Dauer ... Tatsächlich gibt es vier Dimensionen, von denen wir drei die Ebenen des Raumes nennen, und eine vierte die Zeit. (...) Es ist nur eine neue Betrachtungsweise der Zeit. Der einzige Unterschied zwischen der Zeit und irgendeiner der drei Dimensionen des Raumes besteht darin, daß unser Bewußtsein[8] sich in ihr bewegt.[9]

Auch Philosophen fragen sich, warum gerade drei Dimensionen und nicht auch noch eine Vierte, die rechtwinklig zu den anderen Drei steht. Die Folge derartiger Überlegungen ist der Versuch eine vierdimensionale Geometrie zu entwerfen. Und so formuliert auch Wells Zeitreisender die Behauptung „daß Zeit eigentlich nur eine Form von Raum ist“.[10] Mit diesem entscheidenden Satz ist das Raum-Zeit-Kontinuum für das entstehende Genre des Science Fiction begründet. Laut Michael Salewski findet der erste Vortrag über Raum und Zeit erst am 21. September 1908 statt und damit etwas über zehn Jahre nach der ersten Veröffentlichung von H. G. Wells Time Machine. Wells ist seiner Zeit somit bewiesener Maßen voraus.[11]

Es werden nun zunächst die Begriffe „Zeit“ und „Raum“ physikalisch sowie philosophisch analysiert, um die Durchführung von Zeitreisen genauer darzulegen und tiefer in ihre Funktionalität und Form der Darstellung im Film vorzudringen. Hierzu wird sowohl analysiert, was Zeit und Raum sind, als auch die Frage nach ihrer Existenz geklärt. Eine Zeitreise kann nur durchgeführt werden, wenn eine Zeitlinie existiert, auf der vor und zurück gesprungen werden kann. Selbiges gilt für den Raum. Auch hier ist eine Zeitreise nur möglich, wenn jede Zeit einen eigenen Raum besitzt, der bereist werden kann und somit gewährleistet ist, dass der Zeitreisende nicht im Nirgendwo landet.

Philosophie und Naturwissenschaften nähern sich einander, bezüglich ihrer Schlussfolgerungen über die Eigenschaften von Zeit und Raum, resultierend aus deren Beobachtungen, stark an. Obwohl Kant seine Überlegungen bereits um 1780 anstellt, gleichen diese sehr den Ergebnissen der physikalischen Versuche von Albert Einstein am Anfang des 20. Jahrhunderts. Um die theoretische Durchführung von Zeitreisen zu verstehen, werden im Folgenden die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Physik sowie auf dem Gebiet der Philosophie näher erläutert.

II.1 Newton und Einstein

Die Zeit lässt sich bislang nicht auf grundlegende Phänomene zurückführen. Sie ist dennoch in der Physik eine fundamentale Größe, die zusammen mit dem Raum die Reihenfolge von Ereignissen und deren Dauer bestimmt. Das Phänomen der Zeit beschreibt Isaac Newton folgendermaßen:

Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.[12]

Newton nennt dies die „absolute Zeit“. Dieser Begriff behält in der Physik seine Gültigkeit bis 1905 von Albert Einstein die „spezielle Relativitätstheorie“ formuliert wird. Newton geht in seiner Definition stets von nur einem ruhenden Beobachter aus. Er behauptet weiterhin, dass die Zeit eine Konstante ist, die ohne äußere Einwirkungen oder Beeinträchtigungen verfließt. Sie dient dazu Ereignisse in einem Raum chronologisch darzustellen. Selbst der Raum, den Newton als „absoluten Raum“[13] bezeichnet, bietet lediglich Platz, um die Ereignisse stattfinden zu lassen, ist aber an den Ereignissen selbst völlig unbeteiligt.

Auf die Entdeckung von Albert Einsteins Relativitätstheorie folgt die Entdeckung eines Zusammenhanges zwischen Raum und Zeit. Isaac Newtons Definition der „absoluten Zeit“ und des „absoluten Raumes“ muss aufgegeben werden.[14] Einstein beweist, dass Beobachter, die sich relativ zueinander bewegen, auch zeitliche Abläufe unterschiedlich beurteilen. Dies betrifft sowohl die Geschwindigkeit eines zeitlichen Ablaufs, sowie die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die beispielsweise an verschiedenen Orten stattfinden können. Die Relativitätstheorie ordnet jedem Beobachter seine so genannte „Eigenzeit“ zu. Des weiteren stellt sich heraus, dass nicht nur die Position des Beobachters Einfluss auf die Beobachtung der Zeit hat, sondern dass ebenfalls der Ort Einfluss auf die Zeit selbst ausüben kann. Der Ablauf der Zeit wird von der Anwesenheit von Masse und Geschwindigkeit beeinträchtigt. Die Zeit verstreicht demnach an verschiedenen Positionen im Gravitationsfeld unterschiedlich schnell. Es gibt kein ruhendes Koordinatensystem. Zeit und Raum erscheinen in den Grundgleichungen der Relativitätstheorie fast völlig gleichwertig nebeneinander. Innerhalb des Raumes ist jedes Objekt einer anderen Zeit unterworfen. Die für das Objekt gültige Zeit ist abhängig von der Geschwindigkeit, in der sich das Objekt bewegt. Die Vereinigung von Raum und Zeit führt zur Entstehung einer vierdimensionalen Raumzeit. Die Differenz der Zeit an zwei verschiedenen Punkten im Gravitationsfeld nennt man „Zeitdilatation“[15].

Die elastische Zeit vergeht umso langsamer, je schneller man sich bewegt. Diesen Effekt nennt man Zeitdilatation. Das wurde erstmals 1971 im sogenannten Hafele/Keating-Versuch bestätigt. Man jagte eine Uhr in einem Jet um die Erde und ließ eine weitere Uhr im Labor. Die erste Uhr ging nach ihrer Reise um 59 Nanosekunden nach. Der Jetpilot hatte also eine Zeitreise hingelegt – in die Zukunft.[16]

An dieser Stelle findet sich erstmals ein reales physikalisches Faktum, das die Durchführung von Zeitreisen in der Theorie möglich erscheinen lässt. Denn wenn die Zeit an verschiedenen Punkten im Gravitationsfeld unterschiedlich schnell verläuft, so muss für eine Zeitreise ein Gravitationsfeld gefunden oder erschaffen werden. Dieses Feld wirkt auf die in ihm befindlichen Objekte ähnlich wie die Beschleunigung des Jets auf die Uhr im Hafele/Keating-Versuch und lässt die Zeit im Vergleich zur Zeit der restlichen Umwelt um ein vielfaches schneller oder langsamer verlaufen. Befindet sich der Reisende in einem Feld, das die Zeit nahezu zum Stillstand bringt, so wird die Zeit außerhalb des Feldes davon rasen. Ebenso rast mit der Zeit der Zeitpunkt der Gegenwart des Zeitreisenden davon und damit, von dessen Beobachtungspunkt aus gesehen, in die Zukunft. Denn der Reisende hat den normalen Zeitfluss verlassen und sich einen eigenen erschaffen. Stellt man sich die Zeit als einen unendlich langen Strang vor, der in einem Stück zusammenhängt, bedeutet dies, dass die Zeit, die den Reisenden aufgrund des Geschwindigkeitsunterschiedes einholt, dessen Vergangenheit ist.

II.1.1 Eine Zeitreise in die Vergangenheit

Der folgende bildliche Vergleich veranschaulicht diese komplizierte These. Im gewählten Beispiel wird die Zeit mit einem aus vielen Wagons bestehenden fahrenden Zug verglichen.[17] Jeder Wagon symbolisiert ein Jahr. Der Reisende selbst bewegt sich innerhalb des Zuges in Fahrtrichtung nach vorne und kann somit in das seiner aktuellen Position folgende Jahr wechseln. Es ist ihm jedoch nicht möglich innerhalb des Zuges entgegen der Fahrtrichtung zu laufen. Eine Bewegung entgegen der Fahrtrichtung würde eine Reise in die Vergangenheit bedeuten. Angenommen der Reisende findet einen Weg den Zug zu verlassen und sich neben dem Zug weiterhin in dessen Fahrtrichtung zu bewegen, dann gleicht dies der Annahme, dass er sich ein eigenes Gravitationsfeld erschaffen und den normalen[18] Zeitfluss verlassen kann. Sowohl der Zug, als auch alle Wagons, die alle einzelnen Jahre symbolisieren und vom Reisenden bereits durchquert und zurückgelassen worden sind, rasen an diesem vorbei und holen ihn ein. Betritt dieser nun erneut den Zug, so steigt er in einen Wagon, in dem er früher schon einmal gewesen ist und den er im Laufe des normalen Zeitflusses verlassen hat. Der Reisende kommt folglich in seiner Vergangenheit an und nimmt die Zeit wieder in normaler Geschwindigkeit wahr.

Eine Zeitreise in die Zukunft könnte in der Theorie ähnlich verlaufen wie die eben geschilderte Reise in die Vergangenheit. Der Reisende verlässt abermals den normalen Zeitfluss. Er begibt sich diesmal in ein Gravitationsfeld, das die Zeit nicht stillstehen, sondern um ein vielfaches schneller verstreichen lässt als die Zeit, die er gerade verlassen hat. Im dargelegten Vergleich zwischen Zeit und einem fahrenden Zug lässt sich weiter annehmen, dass der Reisende von seinem ursprünglichen Zug in einen parallel fahrenden Zug umsteigt, wobei der neue Zug schneller fährt als der ursprüngliche. Hierdurch wird dem Reisenden ermöglicht, die weiter vorn gelegenen Wagons des ursprünglichen Zuges in kürzerer Zeit zu erreichen, als er normalerweise brauchen würde, wenn er alle Wagons zu Fuß durchqueren würde. Steigt er nun in den ursprünglichen Zug zurück, so befindet er sich sowohl in seinem normalen vorherigen Zeitfluss, als auch in seiner Zukunft.

Die Formulierung „seine Zukunft“ soll zunächst nur zeigen, dass der Zeitreisende sich nun in einer Zeit befindet, die seiner Gegenwart voraus ist. Ob es wirklich „seine“ Zukunft ist oder nicht, wird erst bei der genaueren Untersuchung der Filme erläutert werden. Hierbei ist die den Filmen zu Grunde gelegte Bedingung für Zeitsprünge zu analysieren. Das heißt es wird untersucht, ob es möglich ist, sich selbst in der Zukunft zu besuchen. Dabei sind die kausalen Zusammenhänge zwischen Gegenwart und Zukunft von besonderer Bedeutung. In Back to the Future II[19] reist Marty McFly tatsächlich in „seine“ Zukunft, um seinem zukünftigem Ich und seinen Kindern zu helfen. Dies setzt jedoch die Bedingung voraus, dass Marty nach seiner Expedition in die Zukunft, in seine eigentliche Gegenwart zurückkehrt, um seine Zukunft in normalem Tempo zu erreichen und somit in dieser Form zu erschaffen. Kehrt Marty nicht zurück, hört das zukünftige Ich, welches er besucht, in dieser speziellen Form auf zu existieren. Marty altert somit nicht von seiner Gegenwart in die Zukunft hinein. Sondern er springt von der Gegenwart in die Zukunft. Damit wird die Zukunft zu Martys Gegenwart und er altert von der bereisten Zukunft aus in eine fernere Zukunft hinein. Dies hätte zur Folge, dass die Jahre zwischen Martys Gegenwart und der von ihm bereisten Zukunft ohne ihn stattfinden würden. Somit würde Marty auch nicht als alter Mann in dieser Zukunft existieren und er könnte sich selbst nicht besuchen. Er muss also zurückkehren und sein Leben in normaler Geschwindigkeit durchleben, um sich überhaupt selbst in der Zukunft besuchen zu können.[20]

II.1.2 Eine Zeitreise in die Zukunft

Eine Reise in die Zukunft erweist sich auch philosophisch gesehen als weitaus problematischer, als eine Reise in die Vergangenheit. Denn der Logik zufolge kann nur ein Ort bereist werden, der auch vorhanden ist. Da jeder Mensch eine Vergangenheit besitzt, die er selbst durchlebt hat, steht außer Frage, dass diese existiert. Doch die Zukunft ist dem Menschen unbekannt. Zum Zeitpunkt des momentanen und jetzigen Seins ist die Zukunft für das einzelne Individuum unbekannt und wahrscheinlich ungeschrieben, da sie noch nicht erlebt werden kann. Wenn die Zukunft noch nicht erlebt ist, ist sie auch noch nicht vergangen und existiert daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Da sie nicht existent ist, kann sie auch nicht bereist werden. In den zu analysierenden Filmbeispielen ist es jedoch möglich die Zukunft zu bereisen. Es stellt sich also die Frage „Wie?“. Eine mögliche These könnte wie folgt lauten:

Wenn ein Mensch in seine Vergangenheit reist, wird er dort auf sich selbst treffen. Für das in der Vergangenheit lebende Ich des Menschen ist diese spezielle Vergangenheit die Gegenwart. Wobei die Gegenwart des in die Vergangenheit gereisten Menschen die Zukunft des in der Vergangenheit lebenden Menschen ist. Obwohl dem Ich aus der Vergangenheit seine Zukunft unbekannt ist und obwohl er selbst diese noch nicht durchlebt hat, existiert seine Zukunft. Er wird schließlich von seinem Ich aus seiner Zukunft besucht. Wenn für das Ich der Vergangenheit eine Zukunft existiert und diese damit bereist werden kann, so ist anzunehmen, dass auch für den Menschen der Gegenwart eine Zukunft existiert und er selbst die Vergangenheit eines Menschen aus der Zukunft ist.

Obwohl gerade dieses Thema von besonderem Interesse erscheint, wird es in den Filmen nur marginal erläutert. Nichts desto weniger stellt sich die Frage in welchem Intervall Zeitreisen möglich sind. Dies betrifft sowohl die Reisen in die Vergangenheit, als auch in die Zukunft. Es ist zu klären: Wo bzw. wann befindet sich der Anfang und wann das Ende von Zeit und Raum? Wie weit kann der Zeitreisende in der Zeit vor oder zurückspringen?

Die Frage nach dem Beginn und Endpunkt von Raum und Zeit beinhaltet folgendes Problem: Wie das oben aufgeführte Beispiel zeigt, hat jedes Individuum jeweils ein Ich in jeder Zeit. Der Zeitreisende des Beispiels ist das zukünftige Ich seines Ichs aus der Vergangenheit. Das heißt, das Ich aus der Vergangenheit kann rein theoretisch in die Zukunft reisen, da diese für ihn existiert. Der Reisende selbst kann ebenfalls in die Zukunft reisen, wenn diese schon von anderen Menschen durchlebt ist. Es bildet sich also eine Kette, eine scheinbar endlose Linie. Jedoch nur scheinbar. Denn jede Linie muss einen Anfang und ein Ende besitzen. Ist die vorderste Spitze der Linie, das vorderste Glied der Kette erreicht, entsteht die Frage nach dem Endpunkt von Raum und Zeit. Für die sich an der vordersten Spitze befindlichen Menschen gibt es keine Zukunft, da diese Menschen die ersten sind. Vor ihnen befindet sich nichts. Das bedeutet, dass eine Reise in die Zukunft nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich ist. Genauer, bis zum vordersten Punkt der Zeitlinie. Vergleichbar, und damit bildhafter, mit dem Ereignis des Urknalls bzw. dem Gedanken an die Zerstörung der Welt.

Alle in dieser Arbeit untersuchten Zeitreisen finden ausnahmslos auf der Erde statt. Dies bedeutet, dass die Zeitreisenden nur im Zeitrahmen der Existenz des Planeten Erde auf diesem Planeten in der Zeit vor und zurück springen können. Würde ein Zeitreisender zu weit in der Zeit zurückgehen, d.h. noch vor den Zeitpunkt der Erdentstehung, würde der Reisende ins Zeit- und Raumlose fallen. In der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins ist Zeit nicht unbegrenzt. Viele Physiker gehen davon aus, dass der Urknall nicht nur den Beginn der Existenz von Materie, sondern auch den Beginn von Raum und Zeit darstellt. Unter dieser Annahme ist zu erwarten, dass ein weiterer Urknall die Existenz von Materie, sowie Raum und Zeit auch wieder beenden kann. Folglich sind die Zeitreisenden an ein bestimmtes Zeitintervall gebunden, das weder zu über- noch zu unterschreiten ist.

Da für diese Annahme bislang nur Theorien, jedoch keine empirischen Beweise existieren, würde eine weiterführende Betrachtung des zu bereisenden Zeitintervalls ins Uferlose führen. Es wird stattdessen der Begriff des zu bereisenden Zeitintervalls auf die Definition von Stephen W. Hawking angewandt. Diese besagt, dass dieses Intervall nicht existiert. Hawking beschreibt in seinen beiden Werken Die illustrierte kurze Geschichte der Zeit und Eine kurze Geschichte der Zeit – Die Suche nach der Urkraft des Universums, dass es eine Sekunde vor dem Urknall niemals gab. Seiner Meinung nach hat die Raumzeit keine Grenze. Somit hat es Materie, Zeit und Raum schon immer gegeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Vergangenheit und eine Zukunft existieren, die jeweils bereist werden können. Das Zeitintervall ist nicht als Linie, sondern als Gerade zu definieren, deren Enden sich ins Unendliche erstrecken und nicht erreicht werden können.[21] Dies bedeutet, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf einer Geraden liegen und direkt auseinander resultieren. Im Laufe der Arbeit wird untersucht, wie diese Zeiten aufeinander Einfluss nehmen und was in der jeweiligen Gegenwart geschieht, wenn Veränderungen in der Vergangenheit vorgenommen werden, bzw. ob die Vergangenheit überhaupt veränderbar ist. Die Frage nach Anfangs- und Endpunkt der Zeitlinie ist kein Bestandteil der zu analysierenden Filme und wird ferner nicht für die hier vorliegenden Betrachtungen berücksichtigt.

II.2 Immanuel Kants transzendentale Elementarlehre von Raum und Zeit

Ebenso wie Albert Einstein ist Immanuel Kant der Auffassung, dass Raum und Zeit miteinander in Verbindung stehen und ihre Funktionalität vom Standpunkt des Beobachters abhängig ist.

Vermittelst des äußeren Sinnes, (einer Eigenschaft unseres Gemüts), stellen wir uns Gegenstände als außer uns, und diese insgesamt in einem Raume vor. Darinnen ist ihre Gestalt, Größe und Verhältnis gegeneinander bestimmt, oder bestimmbar. (...), so daß alles, was zu den inneren Bestimmungen gehört, in Verhältnissen der Zeit vorgestellt wird.[22]

Zeit und Raum sind nach Kant äußerlich nicht sichtbar, sehr wohl aber vorhanden und als solches bestimmbar. Kant stellt in seinem Werk Kritik der reinen Vernunft Fragen, die für das Thema „Zeitreisen“ eine starke Relevanz besitzen. Neben der Grundfrage „Was sind nun Raum und Zeit?“[23], fragt Kant nach deren Beständigkeit und permanenten Vorhandenseins. Raum und Zeit, wie bereits dargelegt, sind als eigenständige Objekte nicht sichtbar. Ihre Existenz ist allein in Verbindung mit der Beobachtung von der Positionierung und Veränderung von sichtbaren Objekten wahrnehmbar. Kant untersucht, ob Raum und Zeit auch existieren, wenn keine Beobachtung stattfindet. Folglich ist zu untersuchen, ob die Existenz von Raum und Zeit nur im Menschen selbst, in seinen Gedanken vorhanden ist oder ob Raum und Zeit kontinuierlich allgegenwärtig bestehen. Im Falle einer konstanten allgegenwärtigen Existenz wären Raum und Zeit zur Definition der Position und Anschauung von Form und Veränderung von Objekten zwar von großem Nutzen, aber nicht von diesen Objekten abhängig. Wären Raum und Zeit vom menschlichen Bewusstsein abhängig, so bedeutet der Tod des Menschen auch das Ende von Raum und Zeit. Sollten Raum und Zeit unabhängig existieren, so ist ihre Beständigkeit durch nichts bedroht und ihre Erstreckung ins Unendliche denkbar.

Trotz ihrer Abhängigkeit von einander werden die Begriffe Raum und Zeit im folgenden separat analysiert, um ihre individuellen Eigenschaften deutlich darzulegen und sie letztendlich als imaginär oder konstant definieren zu können.

II.2.1 Der Raum

Trotz des Fehlens der Möglichkeit einer empirischen Beweisführung bezüglich der Existenz des Raumes, sieht Kant diesen nicht nur als existent, sondern gleichfalls als frei und unabhängig an. Er äußert, dass der Raum benötigt wird, um Objekte betrachten, koordinieren und positionieren zu können. Gleichermaßen, schildert Kant, ist diese Aufgabe des Raumes auch ein Beweis für seine Unabhängigkeit. Kant beruft sich bei seiner Beweisführung auf die Objekte selbst und sagt:

Denn damit gewiße Entfindungen auf etwas außer mich bezogen werden, (d.i. auf etwas in einem anderen Orte des Raumes, als darinnen ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als außer- und nebeneinander, mithin nicht bloß verschieden, sondern als in verschiedenen Orten vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung des Raumes schon zum Grunde liegen.[24]

Der Raum kann daher nicht von der Kenntnisnahme bzw. Beobachtung von Objekten abhängen, sondern muss vor diesen vorhanden sein. Nur wenn der Raum bereits existiert, können Objekte darin angesiedelt werden.

Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung machen, daß kein Raum sei, ob man sich gleich ganz wohl denken kann, daß keine Gegenstände darin angetroffen werden.[25]

Hiermit wirft Kant genau das Problem auf, das eine mögliche Reise in die Zukunft unmöglich macht. Ebenso wie Hawking geht Kant davon aus, dass der Raum allem anderen vorangeht und existiert. In dem Moment, in dem ein Raum existiert, kann dieser auch betreten oder, im Sinne der Zeitreise, bereist werden. Das Problem einer eventuellen Nichtexistenz des Raumes löst Kant durch seine Definition: „Der Raum wird als eine unendliche Größe vorgestellt.“[26] Dies ist möglich, wenn der Raum nicht als diskursiver oder allgemeiner Begriff von Verhältnissen angesehen, sondern als reine Anschauung betrachtet wird. Es ist laut Kant nur möglich einen einzigen Raum zu betrachten. Ist die Rede von mehreren Räumen, handelt es sich um eine Aufteilung des Basisraumes in mehrere kleinere Unterräume.[27] Die zusätzlichen Räume können, nach Kant, nicht als Erweiterung außerhalb des Basisraumes liegen. Der Basisraum ist allumfassend. Alle weiteren Räumlichkeiten müssen sich in ihm befinden. Diese Theorie schließt Kant aus den Naturgesetzen. Alle auf der Erde lebenden und befindlichen Geschöpfe und Objekte sind zweifellos bestimmten natürlichen, wissenschaftlich nachweisbaren Naturgesetzen unterworfen, die stets gültig sind. Diese Gesetze sind die Gesetze des Basisraumes und erstrecken sich über alle sich im Basisraum befindenden zusätzlichen Räumlichkeiten.

Unter Berücksichtigung dieser Theorie Kants über den Basisraum, erscheint hier die Idee einer Zeitreise als durchaus realisierbar. Jede Sekunde, jede Zeiteinheit beansprucht einen eigenen Raum. Diese Räume befinden sich in einem Basisraum. Es entsteht scheinbar die Vorstellung eines großen Gebäudes mit vielen Räumen. In der Realität sind die aneinander gereihten Räume verschlossen. Doch in einem bestimmten Zeitintervall öffnen sich die Räume, jedoch nur in eine Richtung. Es ist weder möglich in einen bereits verlassenen Raum zurück zu kehren, noch in dem aktuellen Raum zu verweilen, noch einen Raum schneller als den anderen zu durchlaufen, womit man in die Zukunft gelangen würde. Diese Tatsache scheint eines der allgemein gültigen Gesetze des Basisraumes zu sein.

In den zu zugrundegelegten Filmbeispielen ist es den Menschen möglich durch Wissenschaft eine Maschinerie zu entwickeln, die dieses Gesetz umgeht. Es scheint, als ob bestimmte Personen im Film so etwas wie einen Generalschlüssel besitzen. Diesen auserwählten Personen ist es, ebenso wie Menschen in der Realität, nicht möglich länger in einem Raum zu bleiben, da auch sie die Zeit nicht stoppen können, aber es ist ihnen möglich sämtliche Türen zu öffnen. Sie können beliebig in bereits wieder oder noch verschlossene Räume eintreten.

Der Raum fordert also auch vom Zeitreisenden die Einhaltung gewisser Regeln. Es obliegt dem Zeitreisenden die Räume frei zu wählen. Hat er sich für eine Räumlichkeit entschieden, gelten exakt dieselben Regeln der Zeit, wie in dem Raum, der dem Zeitreisenden auf natürliche Weise, ursprünglich zugeordnet ist. Erneut zeigt sich eine Abhängigkeit von Raum und Zeit. Bevor diese Abhängigkeit genauer analysiert wird, muss die Abhängigkeit von Raum und Objekt sowie von Raum und Mensch von- und zueinander genauer betrachtet werden. Kant definiert folgende Bedingungen für den Raum:

a) Der Raum stellt gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an sich, oder sie in ihrem Verhältnis auf einander vor, d.i. keine Bestimmung derselben, die an Gegenständen selbst haftete, und welche bliebe, wenn man auch von allen subjektiven Bedingungen der Anschauung abstrahierte. Denn weder absolute noch relative Bestimmungen können vor dem Dasein der Dinge, welchem sie zukommen, mithin nicht a priori angeschaut werden.
b) Der Raum ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d.i. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äußere Anschauung möglich ist. Weil nun die Rezeptivität des Subjekts, von Gegenständen affiziert zu werden, notwendigerweise vor allen Anschauungen dieser Objekte vorhergeht, so läßt sich verstehen, wie die Form aller Erscheinungen vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemüte gegeben sein könne, und wie sie als eine reine Anschauung, in der alle Gegenstände bestimmt werden müssen, Prinzipien der Verhältnisse derselben vor der Erfahrung enthalten könne.[28]

Wie bereits festgestellt, dient der Raum zur Platzierung von Objekten. Nun zeigt sich ein weiteres Merkmal des Raumes. Ebenso wie in Einsteins Theorie, welche besagt, dass zeitliche Abläufe vom Beobachtungspunkt abhängen und daher subjektiv sind, erweist sich nun auch der Raum selbst als ein rein subjektives Objekt. Kant schildert, dass der Raum lediglich vom jeweiligen Standpunkt eines Menschen aus beschrieben werden kann. Die Anordnung der sich in einem Raum befindenden Objekte, und damit die Anschauung des Raumes selbst, ändert sich mit jedem Perspektivenwechsel. Die Struktur des Raumes ist also relativ und leicht veränderbar, aber dennoch allgegenwärtig. Somit ist eine Grundlage für eine mögliche Zeitreise geschaffen. Dem Zeitreisenden steht stets ein Raum zur Verfügung, den er bereisen kann. Das Nichts existiert nicht. Die Schwierigkeit der Zeitreise liegt damit allein in der Veränderung des Raumes, die ihrerseits von der Zeit bewirkt wird. Um eine Reise in die Vergangenheit anzutreten, muss die Veränderung des Raumes rückgängig gemacht werden. Das heißt, alle jemals in dem Basisraum stattgefundenen, durch das Voranschreiten der Zeit verursachten Ereignisse müssen revidiert werden. Während für eine Reise in die Zukunft die Veränderung des Raumes und aller sich in ihm befindenden Objekte hingegen beschleunigt werden muss. Um eine solche Änderung des Raumes zu bewirken, muss zunächst die Beschaffenheit und Funktionalität der Zeit analysiert werden.

II.2.2 Die Zeit

Ebenso wie der Raum ist auch die Zeit, nach Kant, kein empirischer Begriff. Es gibt keine Erfahrung, keinen Versuch, um Zeit zu erforschen. Dies liegt daran, dass die Aufeinanderfolge der Testergebnisse, eines beliebigen Versuches, um Zeit zu analysieren, an sich nicht wahrgenommen werden kann, wenn ihnen die Zeit nicht schon zu Grunde läge. Nur mit Hilfe der Vorstellung der Zeit ist es möglich Ereignisse als gleichzeitig oder nacheinander und aufeinander folgend zu erkennen. Die Zeit ist eine Voraussetzung, die allen Beobachtungen und Ereignissen zu Grunde liegt.

Laut Immanuel Kant ist es nicht möglich die Zeit aus Ereignissen herauszunehmen, obwohl es durchaus zu bewerkstelligen wäre, das Ereignis aus der Zeit zu entfernen. Findet kein Ereignis statt, so existiert die Zeit dennoch. Stoppt jedoch die Zeit, so existiert nichts mehr. Die Zeit kann nicht aufgehalten oder eliminiert werden. Sie ist eine allgemein gültige, allem vorausgehende Vorstellung, die das Erkennen, bzw. das Stattfinden der winzigsten Veränderung überhaupt erst möglich macht.

Auf diese Notwendigkeit a priori gründet sich auch die Möglichkeit apodiktischer Grundsätze von den Verhältnissen der Zeit, oder Axiomen von der Zeit überhaupt. Sie hat nur eine Dimension: verschiedene Zeiten sind nicht zugleich, sondern nacheinander (so wie verschiedene Räume nicht nacheinander, sondern zugleich sind).[29]

Diese Feststellung ist für die Untersuchung von Zeitreisen von höchster Wichtigkeit. Insbesondere, wenn es sich um die Analyse der Zeitreise in die Vergangenheit handelt. Kant legt das miteinander in Verbindung stehende Raum-Zeit-Gefüge auf eine Dimension fest. Das bedeutet zweierlei. Erstens sind alle Zeitreisen räumlich gebunden. Der Basisraum kann nicht verlassen werden. Geht man in der Zeit vor und zurück, mag der Eindruck entstehen in einer anderen Welt angekommen zu sein, doch ist dies, nach Kants Definition, absolut unmöglich. Man befindet sich nach wie vor in demselben Basisraum. Der Raum hat sich lediglich in seinem Aussehen verändert, gehört aber immer noch der gleichen Dimension an. Zweitens hängt die Zeit, wie bereits erwähnt, in einem Strang zusammen. Dinge können gleichzeitig geschehen, jedoch kann es keine zwei Zeiten geben. Es existiert nur eine allgemein gültige Zeit. Das bedeutet, dass mittels einer Zeitreise in die Vergangenheit zu einem Moment zurückgekehrt wird, der schon einmal in diesem Basisraum, dieser Dimension stattgefunden hat. Im Falle einer Reise in die Zukunft erweist es sich als schwieriger. Hier wäre es möglich zu einem Moment zu reisen, der in dieser Dimension stattfinden könnte. Das heißt der Moment wird stattfinden, sofern der Zeitreisende nicht wieder in seine Gegenwart, die Vergangenheit des bereisten Momentes, zurückkehrt und das nun erlangte Wissen über diesen Moment nutzt, um ihn zu verhindern[30]. Kants Definition schweißt Raum und Zeit untrennbar zusammen. Der Begriff Raum beschreibt eine Dimension, eine Welt. Diese Dimension wird durch Zeitreisen nicht verlassen, sonst handelt es sich nicht mehr um Zeitreisen. Zeit bedeutet Veränderung und fordert damit Kausalität. Ereignisse resultieren auseinander, alles ist miteinander verknüpft.[31]

Die Zeit ist folglich kein diskursiver Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung. Gilles Deleuze beschreibt die Zeit nicht als das im Menschen befindliche Innere, sondern als die Innerlichkeit, in welcher der Mensch selbst lebt, sich bewegt und verändert.[32] Damit definiert er ebenfalls, dass die Zeit allem voraus geht, widerlegt aber dennoch nicht die unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten der Zeit. Nach Deleuze lebt der Mensch in der Zeit und nicht die Zeit in ihm. Da jeder Mensch in der Zeit lebt, sich bewegt und verändert und diese Vorgänge individuell erlebt, nimmt er diese individuellen Geschehnisse auch unterschiedlich wahr. Auf diese Weise gelangt eine Wahrnehmung, eine Vorstellung der Zeit in dessen Inneres. Folglich geht die Zeit allem voraus, ist aber gleichermaßen ein Teil des Inneren des Menschen und als solches individuell verschieden. Verschiedene Zeiten sind Bestandteile derselben Zeit. So ist auch der Begriff Unendlichkeit nur durch eine endlose aneinander Reihung in sich abgeschlossener Zeitintervalle, die alle Einheiten eines Zeitstranges darstellen, zu erklären. Zeit ist abschließbar und dennoch beständig. Denn auch abgeschlossene Zeitintervalle, vergleichbar mit Kapiteln in einer Geschichte, sind ebenfalls nur vom Menschen definierte Kapitel. Die Einteilung der Zeit in Sinnabschnitte hängt vom Betrachter ab und ist rein subjektiv. Die Zeit selbst ist beständig. Laut Kant hängt die Zeit Ereignissen nicht objektiv an, so dass sie übrig bliebe, wenn man sie „von allen subjektiven Bedingungen der Anschauung derselben abstrahiert“.[33] Sie geht allen Bedingungen und Gegenständen voran und ist somit die subjektive und notwendige Rahmung aller Ereignisse. Kant beschreibt die Zeit als Form des inneren Sinnes. Je nach momentaner Gefühlslage eines Menschen, nimmt er die Zeit unterschiedlich wahr. Das Fühlen und die Beobachtung von Veränderungen ist die einzige Möglichkeit Zeit wahrzunehmen, da sie keine äußere Gestalt besitzt. Menschen neigen, auf Grund der Unmöglichkeit der Wahrnehmung der Zeit, dazu, sie sich als eine ins Unendliche fortlaufende Linie vorzustellen, „in welcher das Mannigfaltige eine Reihe ausmacht, die nur von einer Dimension ist.“[34] Aus der Eigenschaft dieser Linie schließt man auf alle weiteren Charakteristika der Zeit.

[...]


[1] Vgl. III.1. Darstellung der Maschinerie im Film.

[2] Faulstich, Werner: Die Filminterpretation. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1988. S. 10.

[3] Citizen Kane. Regie: Orson Welles. Prod. v. Orson Welles. Story v. Herman J. Mankiewicz und Orson Welles. USA: R.K.O. Radio Picture 1962.

[4] 2001: A Space Odyssee. Deutscher Titel: „2001: Odysse im Weltraum“. Regie: Stanley Kubrick. Story v. Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke. USA: MGM 1968.

[5] Nahin, Paul J.: Time Machines. Time Travel in Physics, Metaphysics, and Science Fiction. New York: American Institute of Physics 1993. S. 13.

[6] Murray, Brian: H. G. Wells. New York: Continuum 1990, S. 87 ff.

[7] Im Original haben beide Verfilmungen von H.G. Wells Roman den gleichen Titel. Um eine leichtere Unterscheidung der beiden Versionen zu gewährleisten, wird im Folgenden die Version aus dem Jahre 1959 mit ihrem deutschen Titel Die Zeitmaschine und die Version aus dem Jahre 2002 mit The Time Machine bezeichnet werden.

[8] Vgl. hierzu Immanuel Kants Ansichten über die Zeit unter: II.2.2 Die Zeit.

[9] Salewski, Michael: Zeitgeist und Zeitmaschine – Science Fiction und Geschichte. München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG 1986, S. 123.

[10] Ebd. S. 123.

[11] Ebd. S. 123 f.

[12] Newton, Isaac: Mathematische Prinzipien der Naturlehre. Hg. v. J. Ph. Wolfers. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1963. S. 52.

[13] Ebd.

[14] Vgl.: Hawking, Stephen William.: Anfang oder Ende. München: Wilhelm Heyne Verlag 1994. S. 26 ff.

[15] Blask, Falko und Windhorst, Ariane: Zeitmaschinen. Mythos und Technologie eines Menschheitstraums. München: Atmosphären Verlag 2005. S. 17.

Vgl. auch Nahin, Paul J.: Time Machines. S. 16.

[16] Nahin, Paul J.: Time Machines. S. 17.

[17] Der Vergleich mit einem fahrenden Zug wird gewählt, um zu verdeutlichen, dass die Zeit auch dann fortschreitet, wenn der Zeitreisende den Zeitlauf verlässt, um einen neuen zu betreten. Die Zeit ist eine sich immer bewegende Einheit, die niemals stillsteht.

[18] Es erscheint etwas irrational in diesem Kontext von „normal“ zu sprechen, doch soll als „normal“ all das gelten, was in der Natur als mehr oder weniger konstant und regelmäßig bekannt ist. Ein Wort wie „normal“ ist gerade in einem Kontext der sich mit Zeitreisen beschäftigt notwendig, um besser und verständlicher beschreiben zu können, was in der Regel als konstant, gesetzmäßig und üblich angesehen wird und was im Gegenteil dazu als Anormalität und Unregelmäßigkeit anzusehen ist.

[19] Back to the Future II. Deutscher Titel: „Zurück in die Zukunft II“. Regie: Robert Zemeckis. Prod. v. Bob Gale. Story v. Robert Zemeckis und Bob Gale. USA: Universal Pictures 1989.

[20] Vgl. hierzu III.3. Der Butterfly-Effekt.

[21] Die Vorstellung einer Linie bleibt erhalten, denn eine Linie ist nichts anderes als die Form der Geraden.

[22] Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Hamburg: Verlag von Felix Meiner 1967. S. 66.

[23] Ebd. S. 66.

[24] Ebd. S. 67.

[25] Ebd. S. 67.

[26] Ebd. S. 68.

[27] Vgl. Kant, Immanuel: Schriften zur Metaphysik und Logik, Hrsg. Wilhelm, Weischedel , in: „Immanuel Kant – Werke in sechs Bänden. Bd. III“, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1959. S. 578.

[28] Kant: Kritik. S. 70.

[29] Ebd. S. 75.

[30] Siehe hierzu III.3. Der Butterfly-Effekt.

[31] Ebd.

[32] Deleuze, Gilles: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1991. S. 113.

[33] Kant: Kritik. S. 76.

[34] Ebd. S. 77.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Theorie und Darstellung von Zeitreisen im Film
Untertitel
Zeitmaschine VS Utopia
Autor
Jahr
2008
Seiten
92
Katalognummer
V93358
ISBN (eBook)
9783638069557
ISBN (Buch)
9783638955201
Dateigröße
1300 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Darstellung, Zeitreisen, Film
Arbeit zitieren
Nicolas Hacker (Autor:in), 2008, Theorie und Darstellung von Zeitreisen im Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93358

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