Was beeinflusste Alexander den Großen in seiner Überzeugung, von Zeus Ammon abzustammen?

Die Gottessohnschaft Alexander der Große


Hausarbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rolle der Eltern
2.1. Olympias
2.2. Philipp

3. Beeinflussung durch die Bildung Alexanders
3.1. Aristoteles
3.2. Isokrates

4. Parallelen zu mythischen Vorfahren

5. Göttliche Ehren für Alexander
5.1. Verehrung als Sohn des Zeus
5.2. Die gescheiterte Einführung der Proskynese
5.3. Alexanders Gesuch um Vergöttlichung 324 vor Christus

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis
7.1 Antike Quellen
7.1 Sekundärliteratur

1. Einleitung

Alexander der Große war nicht nur ein hervorragender Feldherr, sondern auch ein zutiefst religiöser Mensch. Die Götter waren ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Er wuchs mit den Geschichten der sagenhaften Vergangenheit auf und wurde dadurch geprägt. Auch im Erwachsenenalter waren die Götter für ihn wichtige Begleiter. Im Jahr 331 vor Christus kam es in der Oase Siwa zu einem bedeutenden Ereignis für Alexander: Er wurde als Sohn des Gottes Zeus Ammon proklamiert. Der libysche Gott Ammon mit den Widderhörnern war den Makedonen geläufig. Sie setzten ihn mit dem Göttervater Zeus gleich. Alexander glaubte von diesem Zeus Ammon abzustammen. Wie kam er auf diese Idee? Wo genau liegen die Wurzeln für die Überzeugung von Zeus Ammon abzustammen? Dieser Frage wird im ersten Teil des folgenden Textes nachgegangen. Der darauf folgende Teil der Darstellung befasst sich mit der Zeit nach Siwa, als Alexander seine Gottessohnschaft von dem Orakel bestätigt bekommen hat. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob Alexander göttliche Ehren gewährt wurden. Dies wird im Rahmen der Verehrung als Sohn des Zeus Ammon, der gescheiterten Einführung der Proskynese und des Gesuchs um die Vergöttlichung Alexanders im Jahre 324 vor Christus erörtert. Zu jedem Punkt werden zuerst die antiken Quellen untersucht. Grundlegend hierfür sind die Anabasis von Arrian, die Alexanderbiographie von Plutarch und die Historiae Alexandri Magni Macedonis von Curtius Rufus. Anschließend wird moderne Sekundärliteratur zur Erörterung der spezifischen Fälle herangezogen. Den Kernpunkt dieser Auseinandersetzung bilden hierbei die Schriften von A. B. Bosworth, William Woodthorpe Tarn und Ernst A. Fredricksmeyer.

2. Rolle der Eltern

2.1. Olympias

Olympias war die Tochter eines molossischen Königs. Sie heiratete Philipp II. von Makedonien. Gemeinsam bekamen sie einen Sohn, Alexander den Großen. Olympias war nicht unbedingt eine angenehme Zeitgenossin. Man sagt von ihr, sie sei brutal und wild gewesen.1 Sie war eine große Anhängerin des Gottes Dionysos und hatte eine Affinität zu Schlangen. Außerdem hielt sie sehr viel darauf, von den Aikaiden abzustammen.

Schon zur Zeit Alexanders rankten sich Mythen um seine Geburt. Plutarch berichtet von einer Geschichte, wonach Olympias Alexander von einem Gott empfangen hat. In der Nacht vor der Hochzeit träumte Olympias, dass ein Blitz durch ihren Leib fahren würde. Dieser Blitz entzündete ein großes Feuer, das weit um sich griff und dann erlosch. Philipp hatte nach der Hochzeit einen Traum, in welchem er das Siegel eines Löwen auf den Leib seiner Frau drückte. Daraufhin konsultierte er den Wahrsager Aristandros von Telmessos, der zu dem Schluss kam, dass Olympias schwanger sei und einen löwenhaften Sohn zu Welt bringen würde. Außerdem erzählte man, Philipp habe sein Auge verloren, als er durch einen Türspalt Olympias beobachtete, wie sie in Gesellschaft eines schlangenförmigen Gottes war.2 All das soll darauf hindeuten, dass Alexanders Vater nicht Philipp, sondern ein Gott war. Ob Olympias die Geschichte selbst in Umlauf gebracht hatte, ist unklar. Plutarch nimmt eine Zwischenstellung ein. Er zitiert Eratosthenes, der sagt, Olympias habe Alexander vor seiner Abreise nach Asien in das Geheimnis seiner Geburt eingeweiht und ihn darauf hingewiesen, sich seiner Abkunft gemäß zu verhalten. Eratosthenes meint also, Olympias habe selbst diese Geschichte erzählt. Weiter in Plutarchs Text heißt es allerdings, Olympias habe diese Gerüchte abgelehnt und gesagt: Wird Alexander denn nicht aufhören mich bei Hera in ein schlechtes Licht zu setzen? 3 Arrian berichtet, dass auch Kallisthenes diesen Geschichten keinen Glauben schenken mochte. Er meinte, Alexanders Göttlichkeit hinge nicht von den absonderlichen Geschichten ab, die Olympias über seine Geburt verbreitete. Vielmehr würde sie davon abhängen, was er, Kallisthenes, in seinem Bericht über Alexander schreiben würde.4 Einige Wissenschaftler sind jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Kallisthenes dies gesagt hat.5 Sicher ist, dass Olympias in den ersten Lebensjahren Alexanders eine wichtige Rolle für ihn spielte.6 Inwieweit sie ihn in seiner Überzeugung von Zeus Ammon abzustammen beeinflusste, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Anson ist der Meinung, dass die Idee der Gottessohnschaft schon früh in Alexanders Leben Form annahm. Angeblich sei Olympias hierbei die treibende Kraft gewesen.7 Fredricksmeyer stimmt dem zu. Olympias Feindlichkeit gegenüber Philipp, ihre starke Religiosität und die Ambitionen, die sie für sich und ihren Sohn hegte, zeichnen laut Fredricksmeyer ein klares Bild von Olympias als treibende Kraft. Dass sie oft an den orgastischen Feiern für den Gott Dionysos teilnahm, mag sie in ihrem Glauben bestärkt haben, Alexander von einem Gott empfangen zu haben.8 Allerdings war es zur damaligen Zeit eine heikle Angelegenheit für griechische Frauen, und vor allem die Frauen des Königs, Ehebruch offen zuzugeben. Olympias wird in dieser Hinsicht wahrscheinlich vorsichtig gewesen sein. Allein schon, um den Vorwurf des Attalus, dass Alexander ein Bastard sei, nicht zu bestätigen und sich und ihren Sohn somit nicht in Gefahr zu bringen. Carney meint deshalb, dass Alexander nicht von seiner Mutter auf die Idee gebracht wurde, von Zeus Ammon abzustammen. Wahrscheinlich aber unterstützte Olympias später Alexanders Behauptungen. Zumindest dementierte sie diese nicht.9

2.2. Philipp

Die antiken Autoren berichten von mehreren Ereignissen, die zeigen, dass Philipp in besonderer Beziehung zu den Göttern stand oder stehen wollte. In Arrians Anabasis ist nachzulesen, dass die Bürger von Ephesos im Tempel der Artemis eine Statue des Philipp errichtet hatten.10 Außerdem wurde er von den Bürgern von Eresos auf Lesbos mit dem Kult des Zeus assoziiert. Sie ließen Altäre für den sogenannten Zeus Philippios errichten.11 Wahrscheinlich brachte man Philipp auch in anderen Poleis mit den örtlichen Göttern in Verbindung. Dafür gibt es allerdings keine Belege.12 Clemens von Alexandria berichtet, dass die Athener Philipp im Heiligtum des Herakles in Kynosarges göttliche Ehren bewilligten.13 Die Authentizität dieser Quelle ist jedoch in Frage gestellt worden.14 Kurz vor Philipps Tod, soll er sogar seine eigene Statue in die Prozession der zwölf olympischen Hauptgötter eingegliedert haben.15 Dies zeigt, wie gerne Philipp sich als gottähnlicher Mensch sah. Allerdings wollte er nicht zur Lebzeiten als Gott verehrt werden. Denn dies war der Zeit nach dem Tod vorbehalten.16 Anson ist der Meinung, dass neben Olympias auch Philipp als Inspirationsquelle für die Gottessohnschaft diente.17 Denn wie sein Vater, suchte auch Alexander in besonderer Beziehung zu den Göttern zu stehen. Dies könnte ihm durch Philipp vorgelebt worden sein. Es scheint paradox, dass Alexander ausgerechnet von seinem leiblichen Vater zur Gottessohnschaft inspiriert worden sein soll. Um das zu verstehen, muss man dem Konzept der Gottessohnschaft etwas genauer nachgehen. Arrian sagt, Alexander bezog nur einen Teil seiner Geburt auf Ammon.18 Er bezeichnete sich nie nur als Sohn des Zeus, sondern immer auch als Sohn des Philipp. Dies ist das Konzept der doppelten Vaterschaft, was wohl in Ägypten seinen Ursprung hat und später mit Jesus in christlichem Kontext wieder aktuell werden wird. In Ägypten wurde Alexander zum Pharao, der als Mann mit zwei Vätern galt. Denn zum einen war der Pharao Sohn seines Menschenvaters, zum anderen aber auch der Sohn des Gottes Amon-Re.19 Auf Alexander übertragen heißt dies, dass er sowohl Sohn des Philipp als auch des Gottes Zeus Ammon war. Tarn überlegt, ob dies das Geheimnis sein könnte, das Alexander nach dem Besuch des Ammon-Orakels seiner Mutter gegenüber in einem Brief erwähnte.20

3. Beeinflussung durch die Bildung Alexanders

3.1. Aristoteles

Aristoteles war einer der führenden politischen Köpfe zu Alexanders Zeit. Als Alexander dreizehn Jahre alt war, wurde Aristoteles sein Lehrer und Tutor. Die Idee ein gottähnlicher Mensch zu sein oder zu werden, könnte während Alexanders Jahren mit Aristoteles entstanden sein. Aristoteles spricht im dritten Buch der Politik von einer Staatsform, in welcher die besten Männer regieren. Die Gesetze, so sagt er, sollen allerdings nicht nur auf diese Männer, sondern auf alle Bürger zugeschnitten sein. Denn Bürger seien sowohl die, die regieren, als auch die, die regiert werden. Wenn allerdings ein Mann oder Männer von solcher außerordentlichen Vortrefflichkeit und politischen Fähigkeit sind, dass sie alle anderen Bürger übertreffen, wäre es ungerecht sie mit diesen Bürgern auf eine Ebene zu stellen. Denn wie ein Gott unter den Menschen scheint ein derartiger eingeschätzt zu werden. Arisoteles meint, wenn man über diesen Menschen herrschen wollte, wäre es wie über Zeus zu herrschen. Es ist noch eine weitere interessante Stelle im dritten Buch der Politik zu finden, die für die spätere Argumentation wichtig sein wird: Aristoteles spricht davon, dass die Menge besser ist als ein einzelner Mann. Denn dieser kann leichter die Selbstbeherrschung verlieren als ein ganzes Volk.21 Dachte Aristoteles an Alexander, als er das schrieb? Namentlich erwähnt er ihn im Text nicht. Tarn legt eine schlüssige Beweisführung vor. Aristoteles wechselt bei der Beschreibung wie ein Gott unter Menschen vom Plural in den Singular. In den Sätzen davor sprach er meist von den besten Männern in der Mehrzahl. Für Tarn ist das ein Indiz, dass Aristoteles eine bestimmte Person damit meinte. Außerdem weist diese Stelle noch eine Parallele zu einem Gedankengang Alexanders auf. Alexander meinte, Ammon würde seine Gunst jedem Besten gewähren. Tatsächlich meinte Alexander damit allerdings nur sich selbst. Genauso schreibt Aristoteles von den Besten, macht seine Schlussfolgerung jedoch im Singular. Weiterhin zeugt das Bild des tyrannischen Herrschers, der die Beherrschung verliert, davon, dass Aristoteles womöglich Alexander im Kopf hatte, als er den Abschnitt in der Politik schrieb. Denn der Mord an Kleitos war auf keine Weise zu rechtfertigen. Es war die Tat eines betrunkenen und in Rage geratenen Mannes. Durch die drei vorgelegten Punkte kommt Tarn zu dem Fazit, dass Aristoteles Alexander meinte, als er die genannten Stellen in der Politik schrieb.22 Ob Alexander von den Gedanken Aristoteles‘ wusste, ist eine viel debattierte Frage. Balsdon sagt, man weiß nicht, ob Alexander die Politik tatsächlich gelesen hat. Selbst wenn Aristoteles ihn mit dem Gedanken des gottgleichen Herrschers vertraut gemacht hatte, ist fraglich, wie viel Alexander als dreizehnjähriger Junge davon verstanden hat. Man darf zudem nicht außer Acht lassen, dass es zur damaligen Zeit üblich war, einen König mit Schmeicheleien zu umgarnen und ihn als Gott, göttlich oder als Helden zu bezeichnen. Falls Alexander Aristoteles‘ Gedankengänge also doch kannte, meint Balsdon, ist es demnach nicht sicher, ob sie in irgendeiner Art und Weise Einfluss auf ihn hatten.23 Tarn ist ebenfalls der Meinung, dass Alexander die Politik nicht gelesen hat. Er bezieht sich aber auf Plutarch und geht davon aus, dass Alexander von Aristoteles in Politik und Ethik unterrichtet wurde. Wenn Alexander also in Politik unterrichtet wurde, kann es unmöglich gewesen sein, dass das Thema des Königtums nicht Gegenstand des Unterrichts war.24 Ob Aristoteles‘ Vorstellungen Alexander zur Gottessohnschaft inspirierten, ist nicht bekannt. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Wurzeln dafür in noch früherer Zeit zu finden sind. Allerdings könnte die Zeit mit Aristoteles Alexander darin bestätigt haben, dass er ein besonderer Mensch war oder durch Vortrefflichkeit und politische Fähigkeit besonders werden konnte.

3.2. Isokrates

So wie Aristoteles, soll auch Isokrates Alexander in jungen Jahren hinsichtlich seiner Stellung zu den Göttern beeinflusst haben. Isokrates schrieb an Philipp, dass nach einer Eroberung Asiens für ihn nichts anderes übrig bleiben würde, als ein Gott zu werden.25 Laut Tarn stand dieser Satz im Philippos. Er ist der Meinung, dass Alexander den Philippos gelesen und die erwähnte Stelle ernst genommen hat. Denn er hatte sich ebenso an einen weiteren Rat des Isokrates gehalten.26 Isokrates schlug Philipp nämlich vor, er solle in Asien Städte gründen, um dort die heimatlosen Söldner anzusiedeln.27 Genau dies tat Alexander. Hierin sieht Tarn den Beleg dafür, dass Alexander große Stücke auf Isokrates hielt und ihn auch hinsichtlich seiner Äußerung über die Eroberung Asiens ernst nahm. Balsdon ist etwas kritischer. Er sagt, es ist keineswegs sicher, dass Alexander den Philippos gelesen hat. Selbst wenn er ihn gelesen hätte, hätte er den erwähnten Satz nicht finden könnten. Denn dieser stand nämlich nicht im Philippos, sondern in einem Brief, den Isokrates an Philipp schickte. Zudem wird die Echtheit des Briefes angezweifelt. Aber auch hierfür, so Balsdon, gibt es keine Beweise, dass Alexander den Brief gelesen hat.28 Es ist nicht bekannt, genau wie bei Aristoteles, inwieweit Isokrates Alexander hinsichtlich der Gottessohnschaft beeinflusst hat. Denkbar ist allerdings, dass Alexanders Wunsch, am Ende seines Feldzuges als Gott verehrt zu werden, durch die Äußerung Isokrates‘ in dem Brief an Philipp inspiriert wurde.

4. Parallelen zu mythischen Vorfahren

Zur Zeit Alexanders gab es keine klare Trennlinie zwischen Mythos und Geschichte. Die Mythen zeugten viel eher von weit zurückliegenden, aber dennoch realen Zeiten. Allerdings war der Glaube an die Mythen keineswegs ein Muss. Vielmehr hing es von der Persönlichkeit und der Bildung einer Person ab, ob man daran glaubte oder nicht. Alexander hatte einen starken Hang zum Mythos. Die Lektüre der Ilias hatte ihn in seiner Jugend schwer beeindruckt und anscheinend hatte er eine Abschrift davon unter seinem Kopfkissen liegen. Achills Wahlspruch, immer der Beste zu sein, wurde zum Vorbild für Alexander.29 Er fühlte sich mit ihm sehr stark verbunden, zumal die Familie seiner Mutter ihre Abstammung auf Neoptolemos, den Sohn des Achill zurückführte. Aber auch die Familientradition des Philipp führte sich auf niemand geringeren als Herakles zurück. Schon zu Beginn des Asienfeldzuges setzte sich Alexander mit dem Mythos in Verbindung. Arrian berichtet, dass er in Troja ein Opfer als Besänftigung für Priamos darbrachte. Denn als Nachkomme des Neoptolemos fürchtete er, Priamos würde seinen Ärger an ihm auslassen.30 Hier machte Alexander auf seine Abstammung von den Aikaiden aufmerksam. Alexander lebte nicht nur mit seinen Vorfahren, sondern konkurrierte auch mit ihnen und wollte sie übertreffen. Arrian gibt als Motivation für den Zug in die Oase Siwa an, dass sich Alexander mit den Helden Perseus und Herakles messen wollte, die das Orakel ebenfalls besucht haben sollen.31 Und die Einnahme des Berges Aornos war für Alexander deshalb so wichtig, weil er gehört hatte, dass Herakles daran gescheitert war.32 Zu diesem Konkurrenzverhalten kam auch noch eine gewisse Analogie der Gottessohnschaft hinzu. Arrian sagt, dass Alexander ein Teil seiner Geburt auf Ammon bezog. Ganz so wie Perseus und Herakles ihre Geburt auf Zeus referierten.33 Aber nicht nur die Gottessohnschaft wurde mit den mythischen Vorfahren verglichen, sondern auch die doppelte Vaterschaft. Herakles glaubte sowohl von Zeus abzustammen, als auch Amphitryon zum Vater zu haben. Dies könnte nach der Meinung von Bosworth als Vorlage für Alexanders doppelte Vaterschaft gedient haben. Demnach meint Bosworth, dass Alexander sich schon vor dem Zug in die Oase Siwa als Sohn des Zeus sah.34 Alexanders Idee von Zeus abzustammen wurde somit in hohem Maße von der griechischen Mythologie beeinflusst. Seine Vorbilder waren hierbei Perseus und Herakles, auf die er seine Herkunft bezog und die es zu übertreffen galt. Da ihm das sogar zum Teil gelang, ist es gut vorstellbar, dass Alexander dachte, auch er müsse mit Recht als Gottessohn gelten.

5. Göttliche Ehren für Alexander

5.1. Verehrung als Sohn des Zeus

Pausanias berichtet in seiner Beschreibung Griechenlands von einem Haus in Megalopolis, das ein Kultgebäude für Alexander gewesen sein könnte. Denn es hatte ein Bild des Ammon darin und wurde für Alexander gebaut.35 Laut Fredricksmeyer handelte es sich hierbei um einen Schrein, welcher Alexander als Sohn des Zeus Ammon gewidmet war. Natürlich hätte es auch ein Schrein für Zeus Ammon von Alexander sein können, aber es gibt keine Belege, dass Alexander jemals Kulte für diesen einrichten ließ.36 Warum wurde zu Alexanders Lebzeiten ein Kult für ihn eingerichtet? Der Grund dafür war wohl der Sieg über Agis III.. Megalopolis wurde in diesem Zuge vom Korinthischen Bund eine Summe von 120 Talenten zugestanden, die von den Achäern und den Eleiern als Strafe bezahlt werden musste.37 Da Alexander der Hegemon des Korinthischen Bundes war, dankten die Leute aus Megalopolis ihm, indem sie Alexander als Sohn des Zeus Ammon einen Kult einrichteten.38 Der Kult in Megalopolis zeigt, dass Alexander hier schon früh als Sohn des Zeus Ammon verehrt wurde. Dies ist nämlich im Jahr 331 oder 330 vor Christus geschehen.39 Auslöser dafür war zum einen die Dankbarkeit der Leute aus Megalopolis. Zum anderen wird die kurz zuvor bestätigte Gottessohnschaft ebenfalls eine entscheidende Rolle gespielt haben.

5.2. Die gescheiterte Einführung der Proskynese

Alexanders Status bot immer reichlich Diskussionsstoff an Hofe. Dass er als Mensch Außergewöhnliches geleistet hatte und somit auch besondere Ehren verdient hatte, war klar. Ob ihm jedoch auch göttliche Ehren zuteilwerden sollten, war eine heiß debattierte Frage. Unauflösbar damit ist die versuchte Einführung der Proskynese verbunden. Die Proskynese ist ein Fußfall, der vor einem Herrscher oder Gott vollzogen wurde. Wörtlich bedeutet es so viel wie jemandem einen Kuss zuwerfen. Die antiken Quellen berichten von zwei Ereignissen, als Alexander versuchte die Proskynese für Griechen, Makedonen und Perser gleichermaßen einzuführen. Plutarch schildert die erste Episode folgendermaßen: Bei einem Gastmahl reichte Alexander einen Becher voll Wein ringsum. Jeder der davon getrunken hatte, stand auf und vollzog die Proskynese vor Alexander. Daraufhin erhielt er einen Kuss von ihm und setzte sich wieder. Kallisthenes jedoch, weigerte sich die Proskynese zu vollziehen, trat aber dennoch zu Alexander, um den Kuss zu bekommen. Alexander, der in diesem Moment abgelenkt war, wurde von einem seiner Männer darauf aufmerksam gemacht, dass Kallisthenes die Proskynese nicht vollzogen hatte. Somit bekam Kallisthenes keinen Kuss und sagte daraufhin: So muss ich eben um einen Kuß ärmer wieder abziehen.40 Curtius Rufus berichtet von der zweiten Episode: Bei einem Bankett in Baktra schlug Kleon vor, man solle dem König die Ehre der Proskynese erweisen. Dieser Vorschlag wurde vorher im Geheimen mit Alexander abgesprochen, der sich hinter einem Vorhang versteckt hielt. Kallisthenes jedoch, sagte daraufhin, dass göttliche Ehren für die Zeit nach dem Tod bestimmt waren. Und, dass es an Pietätlosigkeit grenze Alexander diese zu Lebzeiten zu gewähren. Damit sprach er vor allem den älteren Makedonen aus der Seele. Als Alexander sah, wie Kallisthenes und die Mehrzahl seiner Männer reagierten, ließ er das Thema der Proskynese fallen.41 Für die Perser war die Proskynese ein wichtiger Teil des sozialen Lebens. Sie vollzogen sie vor ihren Herren als einen säkularen Akt. Wenn die Proskynese vor dem Großkönig vollzogen wurde, bedeutete dies somit nicht, dass sie ihn als göttliches Wesen ansahen. Bei den Griechen hingegen war die Proskynese eine Form der kultischen Verehrung, die vor den Göttern vollzogen wurde. Dennoch wurde sie als zutiefst barbarisch und sklavisch angesehen. Proskynese bedeutete absolute Unterwerfung und Erniedrigung. Zudem hatten die Griechen das Gefühl, dass man sie nicht vor einem Sterblichen vollziehen sollte, um nicht den Zorn der Götter auf sich zu ziehen.42 Alexander muss gewusst haben, was die Proskynese für die Griechen und Makedonen bedeutete. Warum wollte er sie dennoch einführen? Balsdon ist der Meinung, dass Alexander Makedonen, Griechen und Perser im Sinne seiner Verschmelzungspolitik gleichstellen wollte. Somit wollte er ein Ritual einführen, das für alle gleichermaßen gültig war. Die Proskynese alternativ für die Perser abzuschaffen, wäre undenkbar gewesen. Denn man befand sich auf persischem Boden und hier war die Proskynese ein wichtiger Teil des sozialen Gefüges. Wenn Alexander sie abgeschafft hätte, so Balsdon, hätte es unter den Persern zu Gerüchten kommen können, dass er vielleicht gar kein richtiger König sei.43 Auch Tarn sieht politische Gründe für die versuchte Einführung der Proskynese. Alexander muss, laut ihm, tatsächlich beabsichtigt haben, Gott seines Reiches zu werden. Denn dadurch hätte er eine rechtlich untermauerte Stellung bezüglich der freien griechischen Städte gehabt, durch welche sein Reich Zugang zur Ägäis hatte. Außerdem hätte die Position als Gott eines Tages nützlich für seine Verschmelzungspolitik sein können.44 Bosworth schlägt einen anderen Weg ein. Er sagt, wenn Alexander die Proskynese einführen wollte, muss er tatsächlich an seine eigene Göttlichkeit geglaubt haben.45

[...]


1 Vgl. H.-U. Wiemer, Alexander der Große, München 2005, S.78.

2 Vgl. Plut. Alex. 2-3.

3 Vgl. Plut. Alex. 3.

4 Vgl. Arr. Anab. 4.10.2-3.

5 z.B. A. B. Bosworth, A Historical Commentary on Arrian’s History of Alexander Buch II, Oxford 1995. Oder E. Carney, Olympias mother of Alexander the Great, New York und Abingdon 2006.

6 Vgl. H.-U. Wiemer 2005, S. 78.

7 Vgl. E. M. Anson, Alexander and Siwah, AncW 34.2, 2003, 117-130, hier: S. 123.

8 Vgl. E. Fredricksmeyer, Alexander’s Religion and Divinity, in: Brill’s Companion to Alexander the Great, J. Roisman (Hg.), Leiden und Boston 2003, 253-278, hier: S. 272.

9 Vgl. E. Carney 2006, S. 103.

10 Vgl. Arr. Anab. 1.17.11.

11 Vgl. Tod, GHI no.191.6.

12 Vgl. A. B. Bosworth, Conquest and Empire, Cambridge 1988, S. 281.

13 Vgl. Clem. Al. Protr. 4.54.5.

14 Vgl. A. B. Bosworth 1988, S. 281.

15 Vgl. Diod. 16.92.5.

16 Vgl. E. M. Anson 2003, S. 123-124.

17 Vgl. E. M. Anson 2003, S. 123.

18 Vgl. Arr. Anab. 3.2.2.

19 Vgl. W. W. Tarn, Alexander der Große, Darmstadt 1968, S. 680.

20 Vgl. W. W. Tarn 1968, S. 680-681.

21 Vgl. Arist. Pol. 3.13.1283b 37-1286a 30.

22 Vgl. W. W. Tarn 1968, S. 698-701.

23 Vgl. J. P. V. D. Balsdon, The ‘Divinity’ of Alexander, Historia 1, 1950, 363-388, hier: S. 365-370.

24 Vgl. W. W. Tarn 1968, S. 702-703.

25 Vgl. Isokr. epist. 3.

26 Vgl. W. W. Tarn 1968, S. 698.

27 Vgl. Isokr. or. 5.106.

28 Vgl. J. P. V. D. Balsdon 1950, S.367-368.

29 Vgl. H.-U. Wiemer 2005, S. 76-78.

30 Vgl. Arr. Anab. 1.11.8.

31 Vgl. Arr. Anab. 3.2.2.

32 Vgl. ebd. 4.28.2.

33 Vgl. ebd. 3.2.2.

34 Vgl. A. B. Bosworth, Alexander and Ammon, in: Greece and the Eastern Mediterranean in Ancient History and Prehistory, K. H. Kinzl (Hg.), Berlin 1977, 51-75, hier: S. 64-71.

35 Vgl. Paus. 8.32.1.

36 Vgl. E. A. Fredricksmeyer, Three Notes on Alexander’s Deification, AJAH 4, 1979, 1-9, hier: S. 1.

37 Vgl. Curt. 6.1.17-21.

38 Vgl. E. A. Fredricksmeyer 1979, S. 2.

39 Vgl. E. A. Fredricksmeyer 1979, S. 5.

40 Vgl. Plut. Alex. 54.5-6.

41 Vgl. Curt. 8.5.9.

42 Vgl. A. B. Bosworth 1988, S. 284-285.

43 Vgl. J. P. V. D. Balsdon 1950, S. 376.

44 Vgl. W. W. Tarn 1968, S. 82.

45 Vgl. A. B. Bosworth 1988, S. 287.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Was beeinflusste Alexander den Großen in seiner Überzeugung, von Zeus Ammon abzustammen?
Untertitel
Die Gottessohnschaft Alexander der Große
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,7
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V934365
ISBN (eBook)
9783346255723
ISBN (Buch)
9783346255730
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alexander der Große, Gottessohnschaft, Antike, Zeus Ammon, Anabasis, Alexanderbiographie, Historiae Alexandri Magni Macedonis
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Was beeinflusste Alexander den Großen in seiner Überzeugung, von Zeus Ammon abzustammen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/934365

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