Der Film "A Single Man" von Tom Ford

Analyse der Kameraführung, des Settings, der Farbe und der Musik


Hausarbeit, 2013

13 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Daten zum Film

2. Inhalt des Films

3. Kameraführung der Sequenz
3.1 Kameraeinstellung
3.2 Kamerabewegung
3.3 Kameraposition

4. Setting der Sequenz

5. Farbe der Sequenz

6. Musik der Sequenz

7. Abschließende Bewertung

8. Sequenzprotokoll

9. Quellenverzeichnis
9.1 Literaturquellen
9.2 Filmquelle

1. Daten zum Film

Mit dem Film „A Single Man“ gab Modedesigner Tom Ford sein Regiedebüt. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Christopher Isherwood, einem britisch-amerikanischen Schriftsteller. Tom Ford hat in Kooperation mit Andrew Miano, Robert Salerno und Chris Weitz den Film auch produziert. Außerdem war er gemeinsam mit David Scearce für das Drehbuch verantwortlich. Die Kameraführung lag bei Eduard Grau. Joan Sobel zeichnete für den Schnitt verantwortlich. Ungewöhnlich ist zudem, dass zwei Musiker die Filmmusik komponiert haben: Abel Korzeniowski und Shigeru Umbehayshi. 2009 hatte „A Single Man“ auf den 66. Internationalen Filmfestspielen von Venedig Premiere; in Deutschland kam der Film 2010 in die Kinos. „A Single Man“ hat eine Spielzeit von 99 Minuten und das Bildformat beträgt 2,35:1. Der Film kann mit solch bekannten Namen wie Colin Firth oder Julianne Moore im Cast aufwarten. Weitere wichtige Rollen übernahmen Nicholas Hoult als Student Kenny und Matthew Goode als Jim.

Filmgeschichtlich lässt sich „A Single Man“ in die Moderne einordnen. Interessant ist, dass der Film in das Genre des Melodramas fällt, der Protagonist jedoch männlich ist. Denn in der Regel steht im Melodrama eine weibliche Schauspielerin im Fokus.1 Für die vorliegende Filmanalyse wurde die englische Originalfassung verwendet.

2. Inhalt des Films

George Falconer ist Literaturprofessor an einem College in den 1960er Jahren in Los Angeles. Vor acht Monaten kam sein Lebenspartner Jim bei einem Autounfall ums Leben. Nach dessen Tod fällt George in eine tiefe Depression. Der Film zeigt den Tag, an dem er Suizid begehen will.

George geht seinem normalen Tagesgeschäft nach und hält eine Vorlesung am College. Doch er scheint nicht wirklich bei der Sache zu sein und schweift vom eigentlichen Thema ab. Der Student Kenny, der sich zu ihm hingezogen fühlt, verwickelt ihn nach der Vorlesung in ein Gespräch.

Abends ist George dann zum Essen bei seiner engen Freundin Charley eingeladen. Sie durchlebt im Moment eine Midlife-Crisis: Ihre Kinder sind erwachsen, sie wurde von ihrem Mann verlassen und sucht nun neu nach ihrem Platz im Leben. Das Abendessen beginnt in einer heiteren Stimmung, dann streiten sich die beiden und schließlich versöhnen sie sich wieder.

Danach geht George noch ein letztes Mal in die Bar, in der er Jim kennengelernt hat. Dort begegnet er erneut Kenny, der ihn dort zu treffen gehofft hatte. Sie reden über Gott und die Welt und gehen schließlich spontan im Meer baden. Als George sich dabei am Kopf verletzt, bringt ihn Kenny nach Hause und versorgt ihn. Dabei entdeckt er durch Zufall den Revolver und ahnt von Georges Selbstmordplänen. Kenny schläft auf dem Sofa ein und hat den Revolver neben sich gelegt, um ihn vor George zu verstecken. Als George dies bemerkt, verwirft er seinen Suizidplan. Doch tragischerweise stirbt er noch in dieser Nacht an einem Herzinfarkt.

Die Arbeit analysiert die Sequenz, in der George seinen Tresor in der Bank leerräumt und dabei auf das Nachbarmädchen Jennifer trifft.

In „A Single Man“ werden drei große Themen behandelt.

- Zum einen Homosexualität, in den 1960er Jahren noch ein gesellschaftliches Tabu. Die Familie des verstorbenen Jim will etwa nicht, dass George an der Trauerfeier für Jim teilnimmt - obwohl beide 16 Jahre ein Paar waren.
- Zum zweiten handelt es sich um einen Film, der die Einsamkeit eines Menschen zeigt. Durch Jims Tod hat George die Freude am Leben verloren und lebt wie durch eine Glaswand von der Realität getrennt. Er sieht die Welt zwar, kann aber an ihr nicht teilhaben. George fühlt sich einsam und ist stark deprimiert.
- Zum dritten geht es um die Wertschätzung der kleinen Dinge. Als George beschlossen hat Suizid zu begehen, schaut er sich die Welt noch einmal genau an. Und bemerkt dadurch, dass sie eigentlich voller Schönheiten ist.

3. Kameraführung der Sequenz

3.1 Kameraeinstellung

Die ausgewählte Sequenz ist geprägt vom Dialog zwischen George und Jennifer. Deshalb sind vor allem Naheinstellungen zu sehen. Dabei kommt die klassische Schuss-Gegenschuss-Methode zum Einsatz, teilweise kombiniert mit over-the-shoulder-Einstellungen. Dadurch kann der Zuschauer den Dialog aus nächster Nähe mitverfolgen.

Doch die Nahaufnahmen sind nicht allein dem Dialog geschuldet. Der Protagonist George zeigt seine Gefühle nur durch marginale Veränderungen der Mimik. Daher ist es wichtig, sein Gesicht groß im Bild zu sehen, um seine Reaktionen zu erkennen. Als George dann in E 06a Jennifer erblickt, werden seine Gesichtszüge deutlich weicher und freundlicher. Aus einer größeren Distanz würde der Zuschauer dies und die damit verbundene Stimmungsänderung Georges gar nicht erkennen. Auch in E 06c wäre das leichte Nicken von George nicht ohne die Nahaufnahme erkennbar.

3.2 Kamerabewegung

Die Kamera ist in der Sequenz fast durchgängig statisch; nur in zwei Einstellungen bewegt sie sich. In E 04 vollzieht sie einen leichten Schwenk nach oben. George hat kurz zuvor Jennifer bemerkt und nun begleitet ihn die Kamera in seinem Aufschauen. Wie George Jennifer wahrnimmt, wird in E 05 deutlich. Hier fährt die Kamera langsam an Jennifer hoch, so dass jedes Detail und vor allem die Farbe intensiv sichtbar werden. Der Zuschauer kann sich also gut in George hineinversetzten und sein intensives Wahrnehmen unmittelbar miterleben. In den folgenden Einstellungen bleibt die Kamera weiterhin statisch, um nicht vom Geschehen im Bild abzulenken. Denn der Schlüssel zum Film und der ausgewählten Sequenz liegt oft in nur minimalen Veränderungen, die bei starker Kamerabewegung nicht zu erkennen wären.

3.3 Kameraposition

Die extreme Kameraposition von oben in E 03 fällt in dieser Sequenz besonders ins Auge. Georges Kopf und seine Tasche sind im unteren Bildrand zu sehen. Die außergewöhnliche Deckenkonstruktion der Bank spiegelt sich in dem glänzenden Boden. Nachdem Jennifer am oberen Bildrand hinzugetreten ist, klopft sie dreimal mit ihrem rechten Fuß auf den Boden. Im Audiokommentar zum Film bemerkt Tom Ford, dass dies eine Referenz zu „Der Zauberer von Oz“ sei.2 Dorothy schlägt dort im Gegensatz zu Jennifer zwar drei Mal die Fersen zusammen, doch beide Mädchen tragen glänzende Schuhe und ein blaues Kleid. Außerdem fällt auf, dass der Boden in beiden Sequenzen spiegelt.

In „A Single Man“ zeigt dieses Detail, dass George die Welt um sich herum in seiner depressiven Stimmung nicht wahrnimmt. Denn er bemerkt Jennifer erst, als er das Klopfen hört. Dabei hätte er sie, wie auch der Zuschauer, schon einige Sekunden vorher in ihrem Spiegelbild am Boden sehen können.

Ab E 05 orientiert sich die Kameraposition an Jennifer. Da sie George aus seiner Trauerphase herausreißt, kommt ihr in dieser Sequenz eine besondere Rolle zu. So ist es nur konsequent, die Kameraposition an Jennifer auszurichten.

Im Schuss-Gegenschuss wird das Gesicht von George meist aus einer leichten Aufsicht gezeigt. Dies entspricht Jennifers Blick auf George, der vor ihr auf einem Ledersofa sitzt. Als in E 17 Jennifers Mutter Susan ins Bild kommt, verharrt die Kamera mit Jennifer im Bildmittelpunkt. Man sieht deshalb nur Susans Körper, während ihr Kopf nicht zu sehen ist.

4. Setting der Sequenz

Die Sequenz findet in einem geschlossenen Raum statt; in der „Santa Monica National Bank“, eine elegante Bank im Stil der 1960er Jahre. Um einen Überblick zu geben, wird die Eingangshalle der Bank in E 02 in der Totalen gezeigt: Im Hintergrund steht ein Concierge an der Türe, die braunen Ledermöbel sind im Vordergrund platziert und die außergewöhnliche Deckenkonstruktion ist am oberen Bildrand zu sehen. Holzgetäfelte Wände und Kunden in eleganter Kleidung runden das Bild ab. Der Protagonist George passt optisch perfekt ins Bild. Auch er sieht in seinem Anzug mit Einstecktuch, polierten Schuhen und akkurat gezogenem Scheitel sehr elegant aus. Doch sein äußeres Erscheinungsbild und das der Bank bilden einen Widerspruch zu Georges innerer Welt. George leidet seit dem Tod seines Lebensgefährten Jim an Depressionen. Der Film zeigt den Tag, an dem er Suizid begehen will. Innerlich ist er also ganz und gar nicht auf Hochglanz poliert, sondern betrübt und traurig.

Auffallend ist zudem, dass in jeder Einstellung die großen, grau erscheinenden Vorhänge der Bank zu sehen sind. Sie sollen vor den neugierigen Blicken der Passanten schützen. Doch in dieser Sequenz werden sie zu einem Synonym für Georges Rezeption der Welt. Im Audiokommentar zum Film sagt Tom Ford, dass George die Welt zwar sieht, aber nicht an ihr teilhaben kann. Die Welt erscheint für ihn farblos.3 Diese Wahrnehmung ist vergleichbar mit einem Blick durch einen der Vorhänge der Bank. Sie sind zwar transluzent, verleihen aber der äußeren Welt einen Grauschleier. Das Innere der Bank ist von der Realität draußen abgekapselt. Somit bekommt der Zuschauer einen guten Eindruck davon, wie sich George in seiner tiefen Trauer fühlt. Diese wurde noch einmal verstärkt, als er Minuten zuvor ein Foto von Jim in seinem Banktresor wiedergefunden hat.

5. Farbe der Sequenz

Bis E 03 dominieren Grau- und Brauntöne, was Georges Blick auf die Welt entspricht. Als Jennifer in E 03 im Bild erscheint und mit ihrem Fuß auf den Boden klopft, nehmen ihre Schuhe auf einmal eine leuchtende blaue Farbe an. Auch ihr Kleid zeigt im anschließenden Schwenk nach oben eine intensiv blaue Leuchtkraft. Nachdem George sie bemerkt hat, nimmt er in E 06a ebenfalls gesättigte Farben an. Es scheint so, als ob Sonnenstrahlen auf sein Gesicht fallen würden. Tom Ford weist im Audiokommentar zum Film darauf hin, dass der Farbe in „A Single Man“ eine besondere Bedeutung zukommt. Durch sie spürt der Zuschauer Georges Stimmung.4 Der Grauschleier, der über vielen Bildern im Film liegt, drückt die tiefen Trauerphasen aus. Als Jennifer in Georges Blickfeld tritt, wird er plötzlich aus dieser Trauer herausgerissen und alles erscheint in gesättigten Farben. George hat Jennifer bisher als lautes und störendes Nachbarkind wahrgenommen. Doch an dem Tag, der sein letzter werden soll, schaut er sich alles noch einmal ganz genau an. Er blickt nicht mehr nur durch den Schleier, sondern erkennt in besonderen Moment die Schönheiten der Welt. So sieht er auch das Mädchen im blauen Kleid auf einmal mit völlig anderen Augen.

Die Farbe Blau ist mit diesen Eigenschaften des Wachseins und des Bewusstseins konnotiert. Außerdem steht Blau für Leichtigkeit und Lockerheit,5 treffende Eigenschaften für Jennifer. Und auch für das, was Jennifer für George darstellt: einen Moment der Freude und des Vergessen seines Schmerzes. Jennifers Mutter Susan trägt ein rotes Kleid, das ebenfalls farbintensiv ist. Neben Jennifer ist sie die zweite leuchtende Erscheinung im Bild. Sie lädt ihn sofort zu einem abendlichen Umtrunk ein. Rot steht für Lebenskraft und Aktivität,6 was hier besonders zum Tragen kommt und einen starken Gegensatz zu George erzeugt. Außerdem werden Rot die Eigenschaften Wärme, Licht und Sonne zugeschrieben.7 Diese Wärme strahlt Susan über ihr ganzes Gesicht aus. Ihr Lächeln nimmt in der Nahaufnahme das gesamte Bild ein.

Susan und Jennifer fügen sich mit dem Stil ihrer Kleidung sehr gut in das Ambiente der Bank ein. Doch farblich fallen sie neben den Grau- und Brauntönen aus dem Rahmen. Dies scheint der Bedeutung geschuldet zu sein, die sie für George haben. Und auch der Zuschauer bemerkt, dass es sich in dieser Sequenz nicht einfach nur um die sonst so störenden Nachbarn handelt. Sondern um zwei Menschen, die George tief berührt haben und ihn einen Augenblick seinen Schmerz vergessen lassen. Als Jennifer und Susan die Bank verlassen, verblassen die Farben wieder.

6. Musik der Sequenz

Zeitgleich mit dem Auftauchen von Jennifer in E 03, visualisiert durch ihre Schuhe, setzt eine traurige und schwere Streichermusik ein. Sie verleiht dem Erscheinen von Jennifer Bedeutung. Trotz des schwermütigen Charakters der Musik ist sie doch auch wunderschön. Der Zuschauer wird so darauf hingewiesen, dass etwas geschieht, was sich von den vorausgehenden Ereignissen unterscheidet. Auch der beschriebene Farbwechsel und das intensive Wahrnehmen Georges werden durch diese Musik eindrucksvoll unterstrichen.

Bis zum Beginn des Dialogs in E 06a steht die Musik im Vordergrund. Dann wird sie durch den Dialog in den Hintergrund gedrängt und immer schwächer. Als Jennifer sagt: „Daddy says he wants to throw you into the colosseum.“ setzt sie schließlich ganz aus. Somit kann der Zuschauer sich ganz auf den Dialog konzentrieren, der an dieser Stelle trotz des heiklen Themas eine humorvolle Wendung nimmt.

7. Abschließende Bewertung

Die stilistische und ästhetische Gestaltung der Sequenz in der Bank entspricht dem gesamten Film. Vor allem der Wechsel zwischen ungesättigten und gesättigten Farben ist wichtig in „A Single Man“. In mehreren Sequenzen davor und danach wird dieses filmische Mittel angewandt, um Georges Stimmungswandel deutlich zu machen.

Die Gestaltung des Settings in „A Single Man“ trägt eindeutig die Handschrift eines Modemachers. Tom Ford hat sowohl in der Banksequenz als auch im gesamten Film den eleganten Stil der 1960er Jahre treffend inszeniert. Jedes Bild scheint präzise geplant. George baut an diesem einzigen Tag viele neuartige Verbindungen zu anderen Menschen auf. Naheinstellungen sind deshalb während des gesamten Films ein wichtiges Element. Auch die Musik in der ausgewählten Sequenz fügt sich genau in die Musik des Films ein. Das Stück aus der Banksequenz wiederholt sich sogar in der darauffolgenden Sequenz.

Die ausgewählte Sequenz enthält viele stilistische und ästhetische Elemente, die im gesamten Film wiederkehren. Hervorstechend ist jedoch Jennifer, die mit ihrem intensiv-blauen Kleid und ihrer kindlichen Naivität berührt und dadurch George für kurze Zeit von seiner Schwermut befreit.

[...]


1 Vgl. W. Faulstich, Grundkurs Filmanalyse, München 2002, S.36.

2 Vgl. Tom Ford, Audiokommentar mit Tom Ford, A Single Man, USA, 2009, Tom Ford, DVD, Tom Ford, Chris Weitz, Andrew Miano, Robert Salerno, 2010.

3 Vgl. Tom Ford, Audiokommentar mit Tom Ford, A Single Man, USA, 2009, Tom Ford, DVD, Tom Ford, Chris Weitz, Andrew Miano, Robert Salerno, 2010.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. G. Meyer, Sprache der Bilder. Kunst verstehen: Form Farbe Komposition, Leipzig 2011, S.187.

6 Vgl. ebd.

7 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Film "A Single Man" von Tom Ford
Untertitel
Analyse der Kameraführung, des Settings, der Farbe und der Musik
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,7
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V934375
ISBN (eBook)
9783346255488
ISBN (Buch)
9783346255495
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Filmanalyse, A Single Man, Tom Ford, Sequenzanalyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Der Film "A Single Man" von Tom Ford, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/934375

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