Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Idee eines eigenen Photovoice-Projektes
3. Rekapitulation: Bergold, Jarg B. (2013): Partizipative Forschung und Forschungsstrategien.
4. Rekapitulation: Zander, Michael (2008): Und Action! Aktionsforschung: Die grosse Schwester der Militanten Untersuchung
5. Rekapitulation: Hackl, Marion (2014): Methoden partizipativer Forschungsprojekte mit Jugendlichen. Eine Aufarbeitung ausgewählter wissenschaftlicher Artikel in englischsprachigen Fachjournalen
6. Das Transkript
7. Sensible Daten
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen meiner mittlerweile über zehnjährigen Tätigkeit für einen großen Verband der freien Wohlfahrtspflege arbeitete ich oftmals im schulischen Kontext mit Kindern und Jugendlichen mit den Förderschwerpunkten emotionale, soziale und geistige Entwicklung. Immer wieder fiel mir auf, dass sich Kinder und Jugendliche aus solchen Schulkontexten weniger ihrer Rechte bewusst sind, als dies beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen an Regelschulen der Fall ist. Weltweit und auch in Deutschland zeigen sich in vielen Bereichen des Zusammenlebens eklatante soziale Benachteiligungen behinderter (hier im Sinne von „etwas behindert mich“ verwendet) Menschen, z.B. im Zugang zu Bildung und Beschäftigung, im Hinblick darauf, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und auch in Bezug auf die Möglichkeiten politischer Einflussnahme (Wansing, 2015: S.49). Soziale Arbeit mit emanzipatorischem Anspruch darf Inklusion nicht als „Integration 2.0“ deuten, sondern muss Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Einschränkungen darin unterstützen, sich nicht nur ihrer vorhandenen Rechte bewusst zu werden, sondern darüber hinaus ein Selbstverständnis über die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln, das ihnen ermöglicht, gesellschaftliche Begrenzungen wahrzunehmen und deren Beseitigung konsequent zu fordern und daran gleichberechtigt beteiligt zu werden. Um dies umsetzen zu können, erscheint mir die Idee der Partizipativen Forschung ein sehr guter Ansatz, mit anderen Menschen auf Augenhöhe und emanzipatorisch gesellschaftliche Bedingungen zu benennen, die Menschen ausgrenzen, um mit diesen Erkenntnissen dagegen vorzugehen.
In diesem Portfolio werde ich im ersten Abschnitt kurz die Idee eines partizipativen Projektes mit Schülerinnen und Schülern einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung vorstellen und begründen, warum die Wahl der Methode auf Photovoice fiel. Darüber hinaus stelle ich in diesem Teil die Methode grob umrissen vor.
In den folgenden Teilen rekapituliere ich ausgewählte Texte zu dem Thema Partizipatorische Forschung, wobei mein Augenmerk aus den genannten Gründen auf der Methode Photovoice liegt. Um mir den Inhalt der Texte besser und dauerhafter aneignen zu können, las ich sie im ersten Schritt, filterte in einem zweiten Schritt die für mich relevant erscheinenden Inhalte anhand von Exzerpten heraus und formulierte diese Exzerpte in einem dritten Schritt der besseren Lesbarkeit halber mit eigenen Worten neu. Die Auswahl gerade dieser Texte liegt in ihren inhaltlichen Grundaussagen begründet, die ich für die weitere Entwicklung des angedachten Projektes als sehr wichtig erachte. So löst z.B. Bergolds Text unter anderem das oft verbreitete Vorurteil auf, Forschung könne nicht partizipativ sein, was mir in Zukunft die Argumentation gegenüber ablehnenden Entscheidungsträgem vereinfacht. Der Text von Zander war für mich sehr erhellend, weil er anhand einiger Beispiele noch einmal klar den emanzipatorischen Charakter partizipativer Forschung aufzeigt und mich so in meinem Entschluss bestärkte, dieses Projekt umsetzen zu wollen und auch zu können. Hackls Text erscheint mir für die Umsetzung meines Projektes als wichtig, da er durch die komprimierten Erkenntnisse aus internationaler Literatur zum Thema partizipative Forschung Vorbedingungen, Vorteile, Umsetzungsschwierigkeiten etc. aufzeigt, die auf mich innerhalb des Schulprojektes zukommen können. Darüber hinaus werden weitere Methoden beschrieben, die ich eventuell unterstützend zur Methode Photovoice im Rahmen des geplanten Projektes anwenden kann, sofern sich die Schülerinnen und Schüler darauf einlassen.
Nach diesen Rekapitulationen für mich in Bezug auf das geplante Projekt relevant erscheinender Texte beschäftige ich mich kurz mit der Anfertigung von Transkripten und dem Umgang mit sensiblen Daten, bevor ich ein Fazit ziehe.
2. Idee eines eigenen Photovoice-Projektes
Im Rahmen meines Studiums der Sozialen Arbeit an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften führte ich mein Projektstudium im 4. und 5. Semester im Bereich der Medienpädagogik an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung durch.
Die Schule ist eine Ganztagsschule mit einer Unterrichtszeit von 35 Stunden pro Woche, Träger ist der entsprechende Landkreis. Dem Leitbild der Schule entsprechend wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch lernen kann. Die Schule wird als Lern- und Lebensraum empfunden, in dem sich gegenseitig bei der Findung von Zielen und Wegen dorthin geholfen wird. Durch Zusammenarbeit mit allen dafür nötigen Personen soll eine Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreicht werden.
Die pädagogischen Grundgedanken der Schule legen fest, eine Schule für alle Lernniveaus und Lemvoraussetzungen zu sein. Neben den klassischen Schulfächern soll die Förderung von Denken, Sprache, Wahrnehmung, Bewegungsfähigkeit, Sozialkompetenz und Alltagsbewältigung erfolgen. Ebenfalls als essentiell angesehen wird die Kommunikationsförderung durch unterstützte Kommunikation, Sprachförderung, Gebärdensprache, Einsatz von PC etc.
Personell werden die ca. 8 Personen starken Klassen von gleichzeitig einer Förderschullehrkraft und einer (heil-)pädagogischen Kraft betreut. In vielen Klassen kommen darüber hinaus extern angestellte Integrationsassistenzen zum Einsatz. Für die therapeutische Betreuung stehen ergo- und physiotherapeutische Teams zur Verfügung.
Im Rahmen meines Projektstudiums war mein Einsatzgebiet hauptsächlich in der Abschlussstufe mit Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren. Die Jugendlichen zeigten eine große Bandbreite an kognitiven, motorischen und sprachlichen Möglichkeiten. Für meine dortige Beschäftigung erschien es mir unerlässlich, mich auch mit der UN- BRK zu beschäftigen, wobei mir einerseits eine große Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Stand der Umsetzung auffiel. Darüber hinaus wurde mir auch bewusst, dass die Jugendlichen selbst aufgrund ihrer Unkenntnis ihrer Rechte diesen Ist-Stand fast ausnahmslos als „natürlich“ ansehen und Alltagsbarrieren, bzw. gesellschaftspolitische Hindernisse an Teilhabe als unabwendbar ansehen. Diese Barrieren reichen z.B. in Hinblick auf Mobilität von fehlenden rollstuhlgerechten Türen innerhalb der Schule bis hin zu ausgrenzenden Aspekten des ÖPNV im öffentlichen Raum.
Vor diesem Hintergrund erschien es mir aufgrund meines emanzipatorischen Menschenbildes wichtig, mit den Jugendlichen zusammen zu erarbeiten, was ihnen in unserer Gesellschaft fehlt, um soziale Teilhabe zu erlangen. Im Rahmen meiner medienpädagogischen Arbeit war mir aufgefallen, dass Fotografie eine niedrigschwellige Methode ist, die von allen Jugendlichen mit geringer Unterstützung angewandt werden kann und auf großes Interesse bei ihnen stößt.
Im ersten Schritt fasste ich in einem gemeinsamen Gespräch mit 9 Jugendlichen von ihnen gemachte Anmerkungen zu Ausgrenzungserfahrungen zusammen und fragte, ob sie mit mir zusammen zu diesem Thema ein Fotoprojekt machen möchten, das zum Beispiel in einer Ausstellung ihrer Ergebnisse münden kann. Diese Idee stieß bei allen angesprochenen Jugendlichen sofort auf großes Interesse.
Im zweiten Schritt holte ich die mündliche Einwilligung der Schulleitung ein, da die Durchführung dieses Projektes zeitlich nicht mehr in den Rahmen meines Projektstudiums fallen wird. Drüber hinaus fragte ich bereits im Vorfeld informell bei der Stadtverwaltung an, ob eine Ausstellung zu dem Thema denkbar wäre.
Als Vorbereitung des Projektes war es mir möglich, im Rahmen meines Projektstudiums vom 04.06.2018 bis 08.06.2018 an der Klassenfahrt einer betreffenden Klasse nach Hamburg teilnehmen zu können.
Auf dieser Klassenfahrt bekamen sämtliche anwesenden Jugendlichen eine kurze Einweisung in Umgang mit Spiegelreflexkamera, Stativ, Fernauslöser und andere grundlegenden Aspekte, die mir für die Umsetzung des Projektes als sinnvolle Vorübung erschienen. Die Jugendlichen sollten mit der Kamera Fotos schießen, mit denen dann individuelle Fotobücher als Erinnerung an die Klassenfahrt erstellt werden können. Insgesamt wurden c. 300 Fotos geschossen. Bei der Sichtung des Materials stellte sich bereits die Erkenntnis ein, dass die Verwendung einer Spiegelreflexkamera für einige Jugendlichen zu kompliziert ist. Da das geplante Photovoice-Projekt auf ein Schulhalbjahr begrenzt sein wird, wären die notwendigen weiteren Einführungen ein kaum in diesem zeitlichen Rahmen umzusetzender Faktor. Aus diesem Grunde wird das Projekt mit einfachen Kameras arbeiten, die von den Jugendlichen leichter zu bedienen sind.
Die weiteren geplanten Schritte zur Vorbereitung und Umsetzung dieses Projektes sind zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes:
- Einholung von Einverständniserklärungen von Eltern/Betreuern der Jugendlichen. Ein diesbezüglicher Brief an die Erziehungsberechtigten wurde auf der Klassenfahrt in Hamburg von der Klassenlehrerin und mir zusammen entworfen.
- Einverständnis der Schulleitung, dieses Projekt innerhalb der Schulzeit an der Schule durchführen zu dürfen und den Brief an die Erziehungsberechtigten im Schulkontext zu verbreiten.
- Klärung, in welchem zeitlichen und personellen Umfang das Projekt von Schulleitung, Lehrkräften und Jugendlichen getragen wird.
- Gemeinsame Lektüre der UN BRK in leichter Sprache mit den Jugendlichen, um sie für ihre bestehenden Rechte zu sensibilisieren und ggf. neue Forderungen zu entwickeln.
- Vorstellung der Methode Photovoice.
- Im kommenden Schuljahr mehrere Kurzexkursionen mit den Jugendlichen, bei denen sie Ausgrenzungserfahrungen in ihrem Lebensumfeld fotografisch dokumentieren.
- Gemeinsame Auswertung der Ergebnisse
- Öffentliche Präsentation der Ergebnisse, um Veränderungen anzustoßen.
Photovoice erscheint mir neben den bereits genannten Gründen als hervorragend geeignete Methode für dieses Projekt, da die Entwicklerinnen dieser Methode, Caroline Wang und Mary Ann Burris, folgende Ziele als wesentlich definieren:
1. Menschen in die Lage zu versetzen, Stärken und Anliegen ihrer Communities darzustellen und zu reflektieren.
2. Kritischen Dialog und Erkenntnisse bezüglich relevanter Aspekte dadurch zu fördern, dass die Fotos in großen und kleinen Gruppen diskutiert werden.
3. Politikerinnen zu erreichen und so Einfluss ausüben zu können. (von Unger, 2014: S. 70)
Photovoice will also Menschen mit wenig Geld, Macht oder geringem gesellschaftlichem Status in die Lage versetzen, Bedürfnisse von marginalisierten Gruppen darzustellen, zu diskutieren und somit nach Möglichkeit zu einer Verbesserung der Lebensumstände beizutragen.
Hella von Unger definiert in ihrem Buch „Partizipatorische Forschung. Einführung in die Forschungspraxis“ (2014) die Arbeitsschritte für ein Photovoice-Projekt wie folgt, betont aber, dass Abweichungen von diesem Muster aufgrund der partizipatorischen Herangehensweise im Einzelfall nötig und sinnvoll sein können:
1. Planung undVorbereitung:
Zielsetzung, Zeitrahmen und Budget werden festgelegt.
2. Schulung der Teilnehmerinnen als Co-Forscher*innen:
Schulung fotografischer, ethischer und rechtlicher Aspekte.
3. Feldphase (photo-shooting-phase):
Aspekte der Fotoshootings können z.B. sein: Dinge, die mir wichtig sind. Dinge, die mich glücklich machen. Herausforderungen, die sich mir stellen. Dinge, die ich ändern würde, wenn ich übermenschliche Kräfte hätte. Dinge, die mich in meinem Leben unterstützen.
4. Diskussionen in der Gruppe:
Die Co-Forscher*innen stellen ihre Fotos vor und erzählen, was auf den Fotos zu sehen ist und warum sie sie gemacht haben. Dadurch werden die abgebildeten Inhalte und die subjektive Bedeutung verdeutlicht.
5. Auswertung, Ergebnisse und Handlungsempfehlungen:
a) Auswahl der Fotos: Welche Fotos sind am relevantesten/ bilden Bedürfnisse und Stärken am besten ab?
b) Kontextualisierung: Was erzählen die Fotos, was bedeuten sie?
c) Kodifizierung: Identifikation der wichtigsten Theorien, die gewonnen wurden.
6. Veröffentlichung und Nutzung der Ergebnisse:
In der Regel im Rahmen einer Ausstellung, zu der Entscheidungsträgerinnen eingeladen werden, aber auch Kataloge, Homepages etc.
7. Evaluation:
Die Zielerreichung wird überprüft. Konnten Erwartungen und Ansprüche umgesetzt werden? (vonUnger, 2014:S. 71-76)
3. Rekapitulation: Bergold, Jarg B. (2013): Partizipative Forschung und Forschungsstrategien.
Jarg B. Bergold beschreibt zu Beginn seines Textes den scheinbaren Widerspruch zwischen Partizipation und Forschung. Er zeigt, dass auch in sozialwissenschaftlicher Forschung eine naturwissenschaftliche Sichtweise vorherrscht, Forschung müsse nomothetisch (griech. nomos: „Gesetz“ und thesis: aufbauen) sein und durch die Einhaltung der Testgütekriterien allgemeingültige Gesetze schaffen. Dadurch werden auch in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen untersuchte Menschen zu Forschungsobjekten, untersuchende Menschen zu Erkenntnissubjekten.
Dieser naturwissenschaftlichen Sichtweise gegenüber steht der demokratietheoretische Begriff der Partizipation, der anerkennt, dass alle Teilnehmenden berechtigte eigene Perspektiven haben. Partizipative Forschung kennt kein bevorrechtetes Erkenntnissubjekt, da durch die Zusammenarbeit von Methodensachverständigen und Lebensweltsachverständigen alle Teilnehmenden Erkenntnis gewinnen. Themen und Methoden werden dabei gemeinsam ausgehandelt. Bergold zeigt, dass erste Ansätze partizipativer Forschungsstile im Rahmen von Untersuchungen mit benachteiligten und an den Rand gedrängten Menschen entwickelt wurden, wie zum Beispiel in der participatory action research (PAR), die als Forschung eine Veränderung der Lebenswelt der Beteiligten anstrebt. Auch wenn derartige Forschungsstile heute auch in anderen Bereichen Einzug gehalten haben, ist dies nach wie vor der Schwerpunkt partizipativer Forschung.
Bergold liefert den Versuch einer allgemeinen Definition partizipativer Forschung, wenn er schreibt:
„Partizipative Forschung stellt den Versuch dar, einen Erkenntnisprozess zu initiieren und zu gestalten, an dem im Prinzip alle Personen und Gruppen als aktiv Entscheidende beteiligt werden, die von demjeweiligen Thema und der Fragestellung betroffen sind.“ (Bergold, 2013: S. 2)
Er merkt an, dass bereits im Vorfeld der eigentlichen Forschung bestimmte Fragen partizipativ beantwortet werden müssen und fasst abschließend verschiedene Beispiele in den allgemeinen, zentralen Fragen „Wem gehört die Forschung?“ und „Wer kann an welchen Punkten des Prozesses welche Entscheidungen treffen?“ zusammen.
In Bezug auf das 9-Stufen-Modell der Partizipation (von Unger, 2014: S. 40) sieht Bergold die eingangs beschriebene, nomothetisch-traditionelle Forschung durch Instrumentalisierung, Anweisung (Nicht-Partizipation) und maximal Information der Beforschten wenn überhaupt lediglich auf der untersten Vorstufe der Partizipation. Neuere Ansätze erweitern das Spektrum zwar um Anhörung und Einbeziehung, bleiben somit aber ebenfalls auf der Vorstufe der Partizipation stehen. Partizipative Forschung beginnt hingegen erst bei Mitbestimmung, der im genannten Modell der Partizipation teilweise Entscheidungskompetenz, Entscheidungsmacht und an der Spitze die Selbstorganisation folgen.
In der ausdrücklich handlungsorientierten partizipativen Forschung wechseln sich Erkenntnis und Handeln solange zyklisch ab, bis ein Punkt erreicht ist, der den Vorstellungen und Bedürfnissen aller Beteiligten entspricht. Wichtig hierbei ist der permanente Dialog zwischen Methodensachverständigen und Lebensweltsachverständigen und die Reflexion aller Beteiligten. Hierfür ist ein sicherer und angstfreier Sozialraum als kontinuierliche Aufgabe im gesamten Prozess zu sehen. Der gemeinsame Dialog umfasst auch die Aufgabe, die Beziehung zwischen den Sachverständigengruppen ins Bewusstsein zu rufen und mögliche Konfliktquellen wie Ängste, Mythen über „die anderen“ und Machtverhältnisse zu thematisieren.
Ausgehend von diesen Überlegungen müssen geeignete Forschungsmethoden gefunden werden, die einerseits Antworten auf die gestellten Fragen liefern und andererseits allen Beteiligten angemessen sind. Bergold gibt an, dass komplexe wissenschaftliche Methoden als schwer zugänglich gerade für Teilnehmende aus bildungsfernen Zusammenhängen gelten, hält dem aber auch entgegen, dass auch in den Lebenswelten dieser Menschen Fragen gestellt, Antworten zusammengefasst und Häufigkeiten ausgezählt werden. Das Gleiche geschieht auch in der wissenschaftlichen Methodik, nur systematischer und auf einem anderen Abstraktionsniveau. Bergold verweist auch auf visuelle und performative Erhebungsmethoden, die aufgrund ihrer Abkopplung von verbaler Kommunikation für viele Menschen leichter verständlich sind.
Erkenntnisse der Forschung münden in Vorschläge, die im Aktionsteil der partizipativen Forschung moderieret umgesetzt werden. Sind die Ergebnisse unbefriedigend, kann unter Umständen ein neuer Zyklus des Forschungsprozesses eingeleitet werden, bis die Teilnehmenden mit den Ergebnissen zufrieden sind. Dies zeigt, dass partizipative Forschung aufwändig und voller Voraussetzungen ist und daher die Frage danach zustellen, was die Ergebnisse partizipativer Forschung über die „normaler“ Forschung stellt. Bergold sieht im demokratischen Prinzip der Partizipation einerseits die Möglichkeit, die Entmündigung durch Experten aufzubrechen, verweist aber darüber hinaus auch auf die Chance, alternative Lösungswege sichtbar zu machen, die bei Umsetzung von mehr beteiligten Menschen akzeptiert werden können und somit nachhaltiger wirken. Für die Beteiligten selbst sieht Bergold in der Partizipation auch eine individuelle Entwicklungschance, in Zukunft besser argumentieren und reflektieren zu können.
Abschließend geht Bergold in seinem Text auf die Probleme und Schwierigkeiten bei der Umsetzung partizipativer Forschung ein. Eine große Hürde dabei sieht er im Bruch mit gewohnten Denkmustern aller Beteiligten. Auf der Seite der Methodensachverständigen muss darüber hinaus mit Angriffen aus der akademisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft gerechnet werden, aber auch mit Nachteilen in der finanziellen Förderung, da aufgrund des hohen Aufwandes Zeitpläne von Förderungsprogrammen oft nicht einzuhalten sind. Partizipative Forschung erfordert von allen Beteiligten Mut, sich aufNeues einzulassen und sich verborgenen Konflikten zu stellen.
Der Text macht deutlich, dass Bergold diese Schwierigkeiten als hinnehmbar ansieht, da ihm das Ergebnis, die Demokratisierung von Forschung, ein erstrebenswertes Ziel ist.
[...]