Die spartanischen Syssitien

Entstehung, Struktur, Funktion und Verfall einer gesellschaftsbestimmenden Institution


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entstehung der Syssitien

2. Struktur der Syssitien

3. Funktionen der Syssitien
3.1. Militärische Funktion
3.2. Politische Funktion
3.3. Wirtschaftliche Funktion
3.4. Ethische Funktion

4. Verfall der Syssitien

Schluss

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

Syssition ist nicht der einzige Begriff, mit dem im Altertum ein Gemeinschaftsmahl bezeichnet wurde. Antike Autoren sprechen darüber hinaus noch von Andreion, Phidition oder Syskenion. Mit Andreia waren wohl die Mahlgemeinschaften Kretas gemeint. Als Phiditien – dieser Begriff kann Freundschaft, Sparsamkeit oder Essen bedeuten – wurden sehr wahrscheinlich allein die spartanischen Mähler bezeichnet. Syskenien wiederum leiten sich von skene (=Zelt) ab, verweisen also möglicherweise auf das spartanische Lagerleben. In der heutigen Forschung und auch in dieser Hausarbeit hat sich der Begriff Syssitien durchgesetzt, obwohl dieser Terminus Gemeinschaftsmähler beliebiger Art im griechischen und außergriechischen Bereich abdeckt.[1]

In dieser Darstellung soll gezeigt werden, dass die Institution der Mahlgemeinschaften in Sparta Hauptbestandteil des gesellschaftlichen Lebens war. Dabei ist es notwendig auf die Ursprünge und Entstehung der spartanischen Syssitien einzugehen sowie deren Struktur und Funktionen zu beleuchten. Anhand der Verfallserscheinungen dieser Institution lassen sich gesellschaftliche Probleme und Gründe für den inneren und äußeren Niedergang Spartas ausmachen.

Aus verschiedenen schriftlichen antiken Quellen, so aus Plutarch, Aristoteles, Xenophon, Thukydides, Platon u.a., lassen sich einzelne Fakten zu den Syssitien rekonstruieren. Allerdings ist dabei immer zu beachten, dass es sich zumeist um idealisierte Darstellungen handelt, die wenig mit den realen Verhältnissen zu tun hatten. Einzig Aristoteles betrachtet die spartanischen Gemeinschaftsmähler auch aus kritischer Perspektive. Besonders bei seinen Kritikpunkten gilt es anzusetzen, um ein realistisches Bild dieser Institution, welche von Geheimnissen und Idealisierungen nur so umwoben ist, zu zeichnen.

Die Forschung der Neuzeit bietet zwei Abhandlungen die sich ausschließlich mit den spartanischen Syssitien beschäftigen. Einmal ist da die doch recht alte in lateinisch abgefasste Dissertation Bielschowskys "De Spartanorum Syssitiis"[2], zum anderen gibt es eine sehr ausführliche Monografie zu diesem Thema von – der in Anmerkung 1 genannten – Lavrencic. Links gute Aufsätze "’Durch diese Tür geht kein Wort hinaus’"[3] und "Spartas Untergang"[4] betrachten die Syssitien aus einem sehr kritischen Blickwinkel. Die Gemeinschaftsmähler sind freilich immer Themenbestandteil von Gesamtdarstellungen über Sparta. Als besonders hilfreich für diese Hausarbeit erwiesen sich die von Welwei[5] und die von Michell[6]. Weitere ebenfalls verwendete Literatur ist dem Literaturverzeichnis zu entnehmen.

1. Entstehung der Syssitien

Die Forschung bietet eine sehr breite Palette an Ursprungstheorien. So spricht sich Nilsson für soziale Ursachen aus, die bei der Entstehung der Syssitien gewirkt haben sollen. Da er die Entwicklung dieser Institution aus den primitiven Anfängen zu erklären sucht, so kommt er zu dem Schluss, dass sie ein Relikt des Männerhauses, "dem sichtbaren Ausdruck des Männerbundes"[7] darstellt. Gschnitzer vermutet darüber hinaus, dass die Gemeinschaftsmähler auch von religiösen Vorstellungen geprägt war.[8] Auch Fustel de Coulanges unterstreicht, dass das gemeinsame Mahl heiligen Charakter hatte.[9]

Schurtz weist weiterhin auf wirtschaftliche Voraussetzungen hin: So seien Besitzunterschiede negativ für diese Einrichtung, wirtschaftliches Gemeinschaftsdenken dagegen sehr nützlich.[10]

Auch militärische Gründe werden für die Einrichtung der Syssitien ins Feld geführt. So bezeichnet Poland sie als Genossenschaften, in denen die alte Volks- und Heeresordnung der Krieger künstlich festgehalten wurde.[11]

Was diese Forschungsbeiträge - trotz der unterschiedlichen Blickwinkel - eint, ist, dass sie eine Entwicklung der Mahlgemeinschaften aus traditionellen Vorstufen sehen.

Dem widerspricht Schmitt-Pantel, die es ablehnt die Entwicklung der Syssitien aus älteren Bräuchen oder Verbänden abzuleiten: "In my view the origins of the syssition are not to be found in some tribal practice, nor simply in the organization of the warrior group, nor in kin groups, nor in rural brotherhoods."[12] Stattdessen seien die Syssitien als spezielle Form der aristokratischen Symposien in ihrer Entstehung unweigerlich mit der archaischen Polis Sparta und ihrer sozialen Struktur verbunden: "The syssition arose in that attempt to normalize and recognize the social relations of Sparta known as the 'Lycurgan reforms'"[13]. Ähnlich argumentiert Kiechle, der meint, dass adlige Symposien der frühen Zeit den Syssitien der Bürger späterer Zeit gegenüberstehen.[14]

Auch Welwei ist dieser Ansicht, doch geht er überdies differenzierend auf die Entstehung der Syssitien ein, indem er für die Entwicklung des Brauchs der Gemeinschaftsmähler verschiedene Stufen rekonstruiert: So finden sich im früharchaischen Sparta - ähnlich wie in anderen griechischen Wehr- und Siedlungsgemeinschaften - elitäre Zirkel, die durch ihren Lebensstil und gemeinsame Interessen verbunden waren und Kleingruppen bildeten. An der Spitze stand zu meist ein begüterter Anführer mit größeren Besitzungen. Dessen Gefährten und Freunde stellten in Kriegszeiten seine Gefolgsleute dar, zu Friedenszeiten seine Tischgenossen. In den homerischen Epen werden die Mitglieder solcher Gruppen als Hetairoi bezeichnet. In der frühen Phase der Polisbildung gab es innerhalb größerer Siedlungsgemeinschaften mehrere dieser Zirkel, die untereinander um die politische Dominanz in ihrem Gemeinwesen rivalisierten. Damit konnten sie zu einer Gefahr für den gesamten Verband werden, wenn sie für die Errichtung einer Tyrannis von den Anführern missbraucht wurden. Auf der anderen Seite konnten sie einen Beitrag zur Konsolidierung der Polisgemeinschaft leisten, in dem sie organisatorische Aufgaben bei Tagungen des Rates oder bei Versammlungen des Demos übernahmen. Derartige Zirkel gelten als Vorläufer der späteren Hetairien.[15]

Neben diesen elitären Zirkeln gab es jener Zeit freilich auch größere Mähler, an denen zahlreiche Männer einer Wehr- und Siedlungsgemeinschaft teilnahmen. Dies geschah zu besonderen Anlässen wie kultischen Festen oder Siegesfeiern nach einem gewonnenen Krieg. Selbstverständlich konnten sich die Mähler exklusiver Gruppen innerhalb der gemeinsamen Feiern aller Wehrgenossen integrieren.

So ist anzunehmen, dass es - vorausgesetzt die Syssitien spartanischer Prägung sind nicht von einem auf den anderen Tag nach festen Regeln verordnet worden - im früharchaischen Sparta ein Nebeneinander zwischen Syssitien und Symposien gegeben hat.[16]

Unbeantwortet ist die Frage, inwieweit sich im 7. Jahrhundert v. Chr. ältere Gemeinschaftsmähler, die Bestandteil eines kultischen Rituals waren und in der Öffentlichkeit stattfanden, unter den Einflüssen aristokratisch geprägter Symposien wandelten.

Die Syssitien in der uns bekannten Form haben sich sehr wahrscheinlich erst nach dem zweiten Messenischen Krieg entwickelt, "da erst damals nach der Verteilung bzw. Zuweisung neuer Klaroi die Voraussetzungen für die Teilnahme an den Gemeinschaftsmählern von einer großen Mehrheit der Spartaner erfüllt werden konnten."[17] Dies erscheint einleuchtend. Link führt diesen Fakt noch weiter aus, indem er auf die Gründe für den zweiten Messenischen Krieg eingeht. So sei das lakonische Land fast vollständig in der Hand von adligen Großgrundbesitzern gewesen. Die auf der anderen Seite von Armut bedrückten Spartaner forderten eine Neuverteilung des Landes. Dies allerdings werden die reichen Spartaner abgelehnt haben. Stattdessen wurde der Blick Richtung Messenien gewandt.[18] In diesem Sinn ist jedenfalls Tyrtaios’ Schlachtruf zu verstehen, der seinen Truppen verspricht, dass das messenische Land gut zu beackern und zu bepflanzen sei.[19] Nach dem Sieg Spartas behielten freilich die Großgrundbesitzer das lakonische Land. Doch die Aufteilung des messenischen Gebietes – möglicherweise zu gleichen Teilen – wird die Grundlage der ärmeren, nicht-adligen Spartaner jetzt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, gebildet haben. "Das, was vormals einen Adligen ausgezeichnet hatte – namentlich: die wirtschaftliche Freiheit, die es ihm ermöglichte, beim Gemeinschaftsmahl im Kreise seiner Standesgenossen als ‚richtiger’ Adliger aufzutreten, also gerade das, was sich vormals allein die Adligen hatten leisten können-, das konnten jetzt alle."[20] Die Syssitien entstanden demzufolge nach dem zweiten Messenischen Krieg aus dem Bestreben nicht-adliger Spartiaten, sich mit den alt-adligen Familien gleichzustellen.

Dass Lykurg auf dem Rechtswege die Gemeinschaftsmähler eingeführt haben soll, ist vor diesem Hintergrund stark zu bezweifeln: "Der Topos der angeblichen Einführung der Syssitien durch den sagenhaften Gesetzgeber Lykurgos diente in klassischer und hellinistischer Zeit zur Idealisierung der spartanischen Gesellschaftsordnung und ihrer Gemeinschafts- und Gleichheitsvorstellungen, die sich erst allmählich nach dem zweiten Messenischen Krieg herausbildeten"[21].

[...]


[1] Vgl. Lavrencic, Monika: Spartanische Küche. Das Gemeinschaftsmahl der Männer in Sparta, Wien Köln Weinmar 1993, S. 12-16.

[2] Bielschowky, Albert: De Spartanorum Syssitiis, Breslau 1896.

[3] Link, Stefan: "Durch diese Tür geht kein Wort hinaus" (Plut. Lyk. 12, 8). Bürgergemeinschaft und Syssitien in Sparta. In: Laverna. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Alten Welt, 9 (1998), S. 82-112.

[4] Link, Stefan: Spartas Untergang. In: Laverna. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der alten Welt, 10 (1999), S. 17-37.

[5] Welwei, Karl-Wilhelm: Sparta. Aufstieg und Fall einer antiken Großmacht, Stuttgart 2004.

[6] Michell, Humphrey: Sparta, Cambridge 1964.

[7] Nilsson, Martin P.: Grundlagen des spartanischen Lebens. In: Klio 12 (1912), S. 308ff

[8] Vgl. Geschnitzer, Fritz: Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden 1981, S. 98.

[9] Vgl. Fustel de Coulanges: Der antike Staat: Kult, Recht, Institutionen Griechenlands und Roms, Stuttgart 1981, S. 209.

[10] Vgl. Schurtz, Heinrich: Altersklassen und Männerbünde, Berlin 1902, S. 111.

[11] Vgl. Poland, Franz: Geschichte des griechischen Vereinswesens, Leipzig 1909, S. 515.

[12] Schmitt-Pantel, Pauline: Collective Activities and the Political in the Greek City. In: Murray, Oswyn und Price, Simon (Hrsg.): The Greek City. From Homer to Alexander, Oxford 1990, S. 202.

[13] Schmitt-Pantel, Collective activities, S. 202.

[14] Kiechle, Franz: Lakonien und Sparta, München Berlin 1963, S. 205.

[15] Vgl. Welwei, Sparta, S. 81.

[16] Vgl. Welwei, Sparta, S. 83.

[17] Welwei, Karl-Wilhelm: Kontinuität und Wandel im spätarchaischen Sparta. In: Hermes. Zeitschrift für klassische Philologie 131 (2003), S. 150

[18] Vgl. Link, Stefan: "Durch diese Tür geht kein Wort hinaus", S. 102-103.

[19] Vgl. Tyrtaios, Fragment 4, 3.

[20] Link, "Durch diese Tür geht kein Wort hinaus", S. 104.

[21] Welwei, Sparta, S. 84.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die spartanischen Syssitien
Untertitel
Entstehung, Struktur, Funktion und Verfall einer gesellschaftsbestimmenden Institution
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Sparta
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V93558
ISBN (eBook)
9783640128280
ISBN (Buch)
9783640131303
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nach einer ausführlichen Erhellung der spartanischen Syssitien wird die Hauptthese der Arbeit: "Die Syssitien als innere Ursache für den Niedergang Spartas" begründed dargelegt.
Schlagworte
Syssitien, Sparta
Arbeit zitieren
Carl Röthig (Autor:in), 2005, Die spartanischen Syssitien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93558

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