Die deutsche Entwicklung des Urheberrechts im Bereich der Musik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklung des Urheberrechtsgedankens
2.1 Altertum
2.2 Mittelalter
2.3 FrüheNeuzeitundAbsolutismus
2.4 DerUmbruchuml800

3. TheoretischeVorbedingungen
3.1 Das Konzept des geistigen Eigentums
3.2 Musik als zweifach abstrahierter Werkbegriff

4. GesetzlicheFestlegungendesUrheberrechts

5. DasUrheberrechtheuteund seineHerausforderungen

6. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Urheberrecht bezeichnet zum einen das Gebiet der Rechtsordnung, das sich mit den Urhebern und ihren Werken sowie deren rechtlichen Beziehung zueinander befasst und zum anderen auch das Recht des Urhebers als solches an seinem Werk (vgl. Movsessian, S.25). Die Geschichte des Urheberrechts besteht hauptsächlich aus einem Jahrhunderte langen Ringen der Autoren um ihre ideelle und wirtschaftliche Anerkennung und der Drucker, Verleger, später Tonträgerprodu­zenten etc. um ihre Rechte als Verwerter. Die Herausbildung des Urheberrechts beruht auf zwei Faktoren: Erstens auf der Entwicklung der Musik1 bzw. anfangs Literatur in ihren künstlerischen und soziologischen Gegebenheiten, und zweitens auf der Entwicklung des Rechts, das naturge­mäß nur im Anschluss daran erfolgen kann, weil hierfür zunächst ein gewisses Urheberrechtsbe­wusstsein vorhanden sein muss. Die allgemeine Rechtsentwicklung hat den Bereich der Musik lange Zeit vernachlässigt. In den frühen Gesetzen gegen Nachdruck wurden fast ausnahmslos literarische Werke geschützt. In Deutschland wurde die Entwicklung zu einem modernen ein­heitlichen Urheberrecht zusätzlich durch die territoriale Zersplitterung gehemmt, so dass das frühzeitige Problem des Nachdrucks von Büchern vor allem ein Problem unterschiedlicher Gesetzgebungen in den einzelnen Staaten des deutschen Bundes bedeutete. Auch heute existiert kein separates Urheberrecht für musikalische Werke, aber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 im deutschen Urheberrechtsgesetz zählen auch Werke der Musik zu den geschützten Werksarten, was zur Folge hat, dass eine Abhandlung über das Urheberrecht der Musik immer auch mit der Formierung des allgemeinen Urheberrechts verbunden ist.

Was die wichtigsten Vorgänge bei dieser Entwicklung waren, warum Musik im Vergleich zur Literatur erst so spät als schützenswert anerkannt wurde und durch welche Merkmale und Herausforderungen das heutige Musikurheberrecht gekennzeichnet ist, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

2. Entwicklung des Urheberrechtsgedankens

2.1 Altertum

Prinzipiell war bereits in der Antike anerkannt, dass geistiges Eigentum schützenswert ist, jedoch beschränkte sich der damalige Schutz weitestgehend auf literarische Werke und dabei vollständig auf die rein moralische Verurteilung von Tatbeständen wie der unrechtmäßigen Urheberschaftsanmaßung oder Verfälschung (vgl. Haller, S.131). Trotz dass der Urheber es nicht gern sah, wenn mit seinem Werk ein Anderer Verehrung genoss, betrachtete er jenes weniger als eigene geistige Schöpfung denn als Geschenk der Götter (vgl. Movsessian, S.70). Aufgrund der damals noch fehlenden technischen Mittel, wie dem Buchdruck, und der damit einhergehenden mangelnden wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes, war der Künstler fast ausschließlich auf die regelmäßige Gunst eines Mäzens angewiesen, was in ähnlicher Form auch bis ins 16. Jahrhundert bestehen blieb.

Im römischen Sacheigentumsrecht war das Werk des Schriftstellers nur so lange geschützt, wie er Eigentümer seines Manuskripts war (vgl. Fuchs, S.12). Damals bestand noch die Möglichkeit, sich durch Zahlung eines Schweigegeldes die Herausgabe der unveröffentlichten Werke als eigene zu erkaufen (vgl. Fuchs, S.12).

2.2 Mittelalter

Im Mittelalter gehörten Namensangaben auf Notenhandschriften zu den seltenen Ausnahmen, da der Künstler auch hier hinter seinem Werk zurückzutreten hatte, was wieder damit zusammen­hing, dass die Künste mehr als eine handwerkliche Gabe Gottes, denn als eine persönliche geistige Schöpfung angesehen wurden. Ergänzend dazu muss betont werden, dass besonders in der ständischen und autokratischen Gesellschaft Wissen überwiegend auf weltliche und geist­liche Herrscher, Stände und Berufe konzentriert war und bestimmte geistige Schöpfungen von den Obrigkeiten nicht selten als Gefahrenquelle für deren Macht angesehen wurden. Durch Bücherflüche bei literarischen Werken wurde aber auch hier auf die Echtheit und Reinheit eines Werkes geachtet und Plagiate wurden aufgrund der damit verursachten verletzten Beziehung zwischen dem Schöpfer und seinem Werk aus einem „allumfassenden Gebot der Gerechtigkeit“ heraus als Diebstahl angesehen (Fuchs, S.26f.). So deutete sich eine Verurteilung so genannter ,Ganz-Plagiate’ im Musikbereich, d.h. die Urheberschaftsanmaßung an vollständigen Werken, bereits im Übergang vom Mittelalter zur Renaissance an, wie zum Beispiel bei den späten Trou­badouren und Minnesängern, die in Strophenbau und Versmaß gleiche Nachahmer als „Töne­diebe“ bezeichneten, zu bemerken ist (Pohlmann, S. 44). Schwieriger waren derartige Plagiat­vorstellungen in Bezug auf einzelne Werkteile, da vom 14. bis ins 18. Jahrhundert die Kompo­sitionslehre der Mehrstimmigkeit dadurch charakterisiert war, dass man eine bekannte Tonfolge eines anderen Musikstücks als Modell entnahm und zu einem mehrstimmigen, kunstreichen Komplex ausbaute, was zum einen Verehrung für den ursprünglichen Schöpfer des entnomme­nen Werkteils, zum anderen eine traditionsbewusste künstlerische Weiterentwicklung bedeutete (vgl. Pohlmann, S.55f.). Hinzu kam, dass viele weltliche Lieder, deren Charakter von Seiten der Kirche teilweise als anstößig erachtet wurde, durch Aufnahme in den Kirchenliedbereich einer „reinigenden Weihe“ unterzogen wurden, wogegen sich der ursprüngliche Schöpfer des Liedes aufgrund des starken Einflusses der Religion nicht aussprach (vgl. Pohlmann, S.68).

2.3 Frühe Neuzeit und Absolutismus

Ein Rechtsempfinden und Praktiken hinsichtlich einer wirtschaftlichen Verwertung geistiger Werke, besonders seitens der Urheber, bildeten sich, trotz des im Hochmittelalter langsam auf­kommenden Bewusstseins einer Urheberehre, relativ spät heraus, was mehrere Hintergründe hat: Hier sei zunächst die ,Sozialabhängigkeit’ der Komponisten aufgrund ihrer Hofanstellung zu nennen, die ihnen zwar ein Honorar garantierte, wodurch die geschaffenen Werke aber voll­ständig und ausschließlich in den Verwertungsbereich des betreffenden Hofes fielen (vgl. Pohl­mann, S.124f.). Weiterhin waren noch im 16. und 17. Jahrhundert urheberrechtliche Tatbestände gesetzlich nicht erfasst, was damit zusammenhing, dass seit der so genannten Rezeptionszeit2 in Europa die romanistische Rechtswissenschaft auch im deutschen Raum bestimmend wurde, die anders als die germanisch-deutsche personenbezogene Rechtsauffassung stärker sachbezogen war (vgl. Pohlmann, S.123). Dadurch wurde Sacheigentum frühzeitig rechtlich geschützt, geisti­ges Eigentum jedoch zunächst nicht als schützenswert erachtet. Erst durch den Einfluss der Naturrechtslehre im 18. Jahrhundert konnte das Recht an nicht-materiellen Gütern erfasst wer­den, wobei jedoch in der Bezeichnung des ,geistigen Eigentums’ immer noch die romanistische Analogie zum Sacheigentum nachweisbar ist (vgl. Pohlmann, S.123f.). Als drittes Hemmnis kann die noch aus dem Mittelalter nachklingende Vorstellung, dass Kunstwerke durch göttliche Inspiration geschaffen wurden und daher auch fast ausschließlich religiösen Inhalts waren, angeführt werden, da dies mit einer geldmäßigen Bewertung und Verarbeitung der Werke nur schwer in Einklang zu bringen war (vgl. Pohlmann, S.130). Hinzu kam, dass Bücher und Noten nur durch Abschreiben oder Nachstechen (bei Kupferstichen) vervielfältigt werden konnten, wodurch die Auflagen und deren Verbreitung durch die noch nicht ausgereiften Transport­möglichkeiten gering waren (vgl. Haller, S.131). Daran wird bereits deutlich, dass seitjeher ein enger Zusammenhang zwischen dem technischen Fortschritt und dem Stand des Urheberrechts besteht.

Wichtige Schritte stellten dahingehend die Entwicklung einer einheitlichen Notenschrift wäh­rend des 14. und 15. Jahrhunderts, die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um das Jahr 1450 und des Notendrucks mit beweglichen Metalltypen durch Petrucci um 1498 sowie die um 1525 in Paris vollzogene Ablösung des Doppeldruckverfahrens, die nun einen gleichzei­tigen Druck von Linien und Noten ermöglichte, dar (vgl. Fuchs, S.71). Folglich konnte nun mit geringeren Kosten eine größere Anzahl an Büchern und später Musikalien gedruckt werden, was den Handel mitjenen erstmalig lukrativ werden ließ.

Die Zeit der Renaissance war durch ein stärker werdendes eigenpersönliches, schöpferisches Selbstbewusstsein charakterisiert, so dass nach den Worten Pohlmanns die „moderne Urheber­rechtsentwicklung ein Kind der Renaissance“ ist (Pohlmann, S.19). Musiker fühlten sich nun unter Verfestigung bestimmter Ehrvorstellungen bewusster als Komponisten; nach der langen Phase der höfischen Gebundenheit ließ sich langsam ein freier, unabhängiger Komponistenstand erahnen. Daraus ergab sich zugleich der zunehmende Wunsch, spezielle, der Persönlichkeits­sphäre entspringende „Rechte“ an den eigenen künstlerischen Kreationen geltend zu machen (vgl. Pohlmann, S.21). Wie das Beispiel an Heinrich Isaaks Bestallung am Wiener bzw. Inns­brucker Hof zeigt, bildeten sich regelrechte Planstellen für ,Hofkomponisten’ heraus (vgl. Pohl­mann, S.21). Ein großer Teil der Komponisten war als Hof- oder Vizekapellmeister weiterhin sozial von den höfischen Anstellungen abhängig, genoss keine besondere ehrenvolle Anerken­nung und war zum regelmäßigen Komponieren verpflichtet (vgl. Pohlmann, S.28). Dessen unge­achtet begannen nun jedoch durch die technischen Verbesserungen Drucker und Verleger auch mit Musikalien zu handeln, wobei sie dabei recht frühzeitig auch das Urhebemamensrecht der Komponisten, die wichtigste Vorbedingung für ein Urheberrechtsbewusstsein, berücksichtigten (vgl. Fuchs, S.68).

Weiterhin bildete sich mit der Wende zum 16. Jahrhundert nach und nach der urheberrechtlich relevante Autoren-Honoraranspruch als ein Gegenwert für das Abtreten der verschiedenen Werknutzungsmöglichkeiten, d.h. das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht, gegenüber Druckern und Verlegern heraus (vgl. Pohlmann, S.135). Die Höhe des Honorars war meist von der Bekanntheit und dem künstlerischen Ruf des Komponisten, aber auch von dessen Durch­setzungsvermögen beim Aushandeln des Vertrages abhängig (vgl. Pohlmann, S.147). Meist gewährten die Verleger den Autoren aber nur einige Freiexemplare ihres Werkes, welche die Komponisten dann durch Dedikationen, d.h. das Versenden und Widmen der eigenen Werke an Fürstenhöfe und vermögende Kunstfreunde, in der Hoffnung auf eine kostbare „Gegenver­ehrung“ in Form von Schmuck, Schaumünzen oder auch einer laufenden Zuwendung, wenigs­tens teilweise wirtschaftlich verwerten konnten (Pohlmann, S.136f.). Diese Gegengaben erhiel­ten jedoch mit Verlauf der Zeit einen merkantilen und zwingenden Charakter und schließlich, nach Aussagen Pohlmanns, in manchen Fällen „zur Bettelei entarteten“, damit aber auch eine geldwerte und sachliche Beurteilung der Musikwerke zunahm (Pohlmann, S.141f). Dennoch zeigen diese Entwicklungen, dass den Komponisten bereits zu dieser Zeit eine Art Bewusstsein innewohnte, aus ihren Werken auch wirtschaftlichen Nutzen ziehen zu dürfen, was zudem an den zahlreich in Erscheinung tretenden Komponisten als Selbstverleger wahrnehmbar wurde (vgl. Pohlmann, S.146).

Hinsichtlich der Plagiatsproblematik formierte sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts langsam die Vorstellung, dass ein Hinweis auf die Übernahme des fremden Musikstücks, eine so genannte Wahrheitspflicht, bei geringer eigenschöpferischer Leistung nötig wäre (vgl. Pohlmann, S.58). Einsetzender Individualisierungsprozess, beginnendes Originalitätsbewusstsein und mit Ent­wicklung der Monodie eine zunehmende Betonung des rein melodischen Moments gegenüber der Mehrstimmigkeit (aufkommend mit dem italienischen Opern- und Konzertstil) brachten konkrete Plagiatvorstellungen auch in Hinsicht auf Werkteile mit sich (vgl. Pohlmann, S.59). Diese Entwicklung ging soweit, dass baldjegliche Benutzung von Fremdelementen, gleichgültig ob diese besonders eigenpersönlich bearbeitet wurden oder die Wahrheitspflicht Beachtung fand, als unmoralisch empfunden wurde (vgl. Pohlmann, S.77).3

Johann Mattheson, ein wichtiger Musiktheoretiker der Barockzeit, hat durch die häufige Beto­nung des Originalitätsgedankens in seinen Publikationen stark zur Wende der Plagiatsproblema­tik beigetragen. Sein wichtiger Kemsatz lautete: „Jeder gute Componist muß ein Original seyn!“ (Mattheson, zitiert in: Pohlmann, S.74) und er ging bereits von einem grundsätzlichen Schutz der Melodie aus, dessen Umgehung nur durch eine unbewusste Entlehnung gerechtfertigt sei (vgl. Pohlmann, S.86f.). Rechtlich wurde dennoch durch den starken Einfluss des römischen Rechts die Vorstellung des Plagiats nicht von einer persönlichkeitsrechtlichen Seite, sondern nur strafrechtlich als Diebstahl einer Sache angesehen (vgl. Pohlmann, S.153).

Durch Aufkommen des Notendrucks wurden nun auch Fragen der Werkentstellung brisant (vgl. Pohlmann, S.101). Seit dem 17. Jahrhundert entwickelte sich langsam die so genannte ,Kunst der Verzierung’ heraus, die sich von Italien ausgehend in einer Verstärkung des Virtuosentums zeigte. Das solistische Moment gewann durch den Arienstil in der Oper fortschreitend an Be­deutung, was zwangsläufig Uneinigkeiten zwischen dem Komponisten und der Art der Darbie­tung seiner Werke mit sich brachte (vgl. Pohlmann, S.llöf). Trotz dass das Urheberrecht immer noch am Anfang seiner Entwicklung stand, enthalten bereits Notendrücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert Formulierungen, die ein ausschließliches Alleinverwertungsrecht des Autors beto­nen, beispielsweise 1566 bei dem in Sachsen wirkenden Komponisten Gallus Dressier (vgl. Pohlmann, S.160). Ebenfalls finden sich bereits zu dieser Zeit vereinzelte Erstveröffentlichungs­hinweise, so zum Beispiel das 1536 bei Petreius herausgekommene „New geordnet künstlich Lautenbuch“ von Hans Neusidler mit dem Hinweis: „Vormals nie im Truck...offenlich auß- gangen.“ (Neusidler, zitiert in: Pohlmann, S.168). Dies hing damit zusammen, dass mit der Ver­breitung des Buchdrucks auch zahlreiche Verlagshäuser entstehen konnten, die sich jedoch zu­sehends mit dem Problem des unerlaubten Nachdrucks ihrer Werke durch andere Verleger kon­frontiert sahen, was für die Drucker und Verleger vor allem wirtschaftliche Schäden, für die Komponisten teilweise ökonomische, vor allem aber ideelle Schädigung bedeutete (vgl. Pohl- mann, S.172). Damit wurde es für die Drucker und Verleger notwendig, entsprechende Rege­lungen für den Schutz des geistigen Eigentums zu erwirken. Dies mündete zunächst in die Ein­führung des so genannten Privilegienwesens. Privilegien waren eine Art Schutzbriefe, die auf Antrag von Königen, Fürsten, Städten oder Kirchen an zunächst nur Drucker und Händler von Büchern und Musikalien, später auch an Autoren und Komponisten für einzelne Werke verlie­hen wurden, welche jene vor einem unerlaubten Nachdruck schützen sollten (vgl. Schulze, S.35). Derartige Schutzbriefe wurden von den Obrigkeiten ohne Rechtsanspruch gewährt oder versagt, waren in den meisten Fällen befristet und bei Zuwiderhandlungen gegen sie sollte eine Geldstrafe oder Konfiskation erwirkt werden (vgl. Fuchs, S.42). Die Herrschenden selbst zogen daraus machtpolitische und fiskalische Vorteile, da die Privilegienvergabe beispielsweise eine Zensur ermöglichte und nicht unentgeltlich war. Nach Pohlmann lassen sich bereits in den Autorenprivilegien Erwähnungen einer besonderen persönlichen Bindung des Künstlers an seine Geistesfrüchte, für die er auch entlohnt werden dürfen sollte, verzeichnen (vgl. Pohlmann, S.195). Ebenso wird für die Erteilung derartiger Schutzurkunden bereits eine Werkkonkreti­sierung als Schutzbedingung gestellt, was bedeutete, dass eine Werkkonzipierung mindestens formelhaft umschrieben werden musste (vgl. Pohlmann, S.194). Umstritten ist dennoch, ob bei diesen Privilegien der Urheber bereits als solcher oder nur als Gewerbetreibender (als Selbstver­leger, alleiniger oder anteiliger Träger der Druckkosten) geschützt wurde (vgl. Movsessian, S.73), wie Pohlmann dies in seinen Archivfunden für den deutschen Raum nachgewiesen haben will (vgl. Pohlmann, S.189f). Urheberrechtliche Auswirkungen hatte aber zum Beispiel die von Orlando di Lasso erhaltene Privilegierung von Kaiser Rudolph II. für all seine bis dato erschie­nenen und noch folgenden Werke (vgl. Movsessian, S.73).

Privilegien sollten des Weiteren auch die Schutzlücke für musikalische Arrangements schließen, die das Allgemeine Landrecht in Preußen von 1794 zuließ. Unglücklicherweise waren der über­wiegende Teil der Privilegien jedoch durch die Beschränkung auf Landes- oder Stadtgrenzen nur von lokaler Auswirkung und auch Kontrollen konnten die Missachtung dieser Privilegien innerhalb der „Schutzzone“ und das Einschmuggeln von Nachdrucken aus der „Nachbarschaft“ nicht gänzlich verhindern. So klagten beispielsweise die nord- und mitteldeutschen Staaten bis ins 19. Jahrhundert über angebliche Nachdrucker aus den süddeutschen Staaten und Österreich (vgl. Siegrist, S.4). Gerechtfertigt wurden derartige Kopien mit einer anderen Typographie oder einem anderen Format (vgl. Schulze, S.35). Wollte man auch im Ausland einen Schutz erwir­ken, musste man auch dort um ein entsprechendes Privileg nachsuchen. Nichtsdestotrotz fungierten Privilegien vor 1837 als einziges Mittel eines staatlichen Schutzes vor Bearbeitungen (vgl. Kawohl 2002, S.50). Da die Privilegien immer wieder verlängert wurden und die Autoren den Verlegern mit der Werkübergabe die Druckerlaubnis erteilten, versuchten die Verleger die Auffassung durchzusetzen, dass von ihnen verlegte Werke ihr Verlagseigentum seien. Ihre Motivation war dabei aber nach wie vor der wirtschaftliche Aufwand des Druckers und Verle­gers und nicht die Schöpfung des Werkes durch den Urheber (vgl. Movsessian, S.75).

2.4 Der Umbruch um 1800

Die Zeit der frühen Nachdrucksgesetze von etwa 1700 bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts prägt somit hauptsächlich Interessenkonflikte der Drucker und Verleger. Besonders die Zeit um 1800 bildete für die Urheberrechtsentwicklung im Bereich der Musik einen wichtigen Ein­schnitt. Durch die allgemeine wirtschaftliche Erholung nach den napoleonischen Kriegen, die Entwicklung der Lithographie, den Wegfall von Zollschranken und verbesserte Möglichkeiten des Transports, hatte der Handel mit Büchern und Musikalien einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung genommen. Ebenso wuchs die Zahl der literarischen und künstlerischen Produzen­ten und Konsumenten. Die Entwicklung weg von der bisher überwiegend höfischen und kirch­lichen Musikpflege hin zu einer breiten bürgerlichen Musikkultur ließ eine reiche Aufführungs­praxis gegen Eintrittsgeld, meist unter der Leitung des Komponisten selbst und einen damit ent­stehenden Typ des „musikwirtschaftlichen Unternehmers“ aufkommen, zu deren ersten Weg­bereitern Georg Friedrich Händel und Ludwig van Beethoven gezählt werden können (vgl. Pohlmann, S.30f.). Diese Vorgänge ließen zudem langsam eine Art Aufführungsrecht entstehen. Auch Kirchenmusiken wurden nunmehr „öffentlich“ und teilweise gegen ein Entgelt aufgeführt (vgl. Pohlmann, S.250f.).

[...]


1 Musik ist hier definiert als „akustisches Ergebnis eines künstlerischen Schaffensprozesses“ (Haller, S. 1).

2 Die Rezeption bedeutete im kaiserlich-deutschen Bereich die Übernahme des römischen Rechts, basierend auf ursprünglich germanisch-deutschrechtlichen Rechtsauffassungen und vollzog sich, gesteuert durch die oberitalienischen Rechtsschulen, seit dem 15. Jahrhundert über einen langen Zeitraum hinweg (vgl. Pohlmann, S.123).

3 Vgl. hierzu beispielsweise die Plagiatstreitigkeiten von Christoph Willibald v. Glucks, in: Pohlmann, S. 97.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die deutsche Entwicklung des Urheberrechts im Bereich der Musik
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kulturwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V936653
ISBN (eBook)
9783346263216
ISBN (Buch)
9783346263223
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entwicklung, urheberrechts, bereich, musik
Arbeit zitieren
Tina Kramer (Autor:in), 2006, Die deutsche Entwicklung des Urheberrechts im Bereich der Musik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/936653

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