Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ereignisse vor dem 20. Juli 1944
2.1. Die Entwicklung des militärischen Widerstandes im Dritten Reich
2.2. Die Phase vor dem Umsturzversuch und dessen Notwendigkeit
3. Die Ereignisse am 20. Juli 1944 und ihre Konsequenzen
3.1. Das Scheitern des Staatsstreiches
3.2. Die Konsequenzen des nationalsozialistischen Staatsapparates auf den Umsturzversuch
4. Zusammenfassung
Bibliographie
Biographie des Oberst Claus Graf Stauffenberg
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Am 21. Juli 1944 richtete Reichsmarschall Göring aus dem Führerhauptquartier eine Ansprache an die Soldaten der Luftwaffe, in der das Attentat auf Adolf Hitler am vorherigen Tage auf das schärfste verurteilt. Außerdem ordnete er an, daß gegen mögliche Sympathisanten der Attentäter ohne Rücksichtnahme vorzugehen sei. Er wies nochmals ausdrücklich auf die Macht der Vorsehung hin, die den "Führer" angeblich vor dem Tode bewahrte.1 Diese Rede, die in der Dokumentensammlung von Herbert Michaelis und Ernst Schraepler auch als Ergebenheitskundgebung für Hitler tituliert wird2, war die Reaktion Görings auf den gescheiterten Staatsstreich. Er beabsichtigte damit, seine Solidarität mit Hitler zu bekunden. Henning von Tresckow, ein führender oppositioneller Offizier, idealisierte das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 als positives Zeichen vor der Welt und vor der Geschichte. Er sah den Sinn des Umsturzversuchs weniger in seinen praktischen Zwecken, als in der Tatsache, daß die deutsche Widerstandsbewegung dieses Wagnis und seine daraus resultierenden Konsequenzen einging.3 Doch die Realität offenbarte eine Tragödie, denn in Deutschland begann eine "Hetzjagd" der nationalsozialistischen Schergen nach vermeintlichen Widerstandskämpfern. Eine große Zahl unschuldiger Menschen fand so den Tod.4
Im folgenden wird die Entwicklung des militärischen Widerstandes bis hin zu den Vorbereitungen und den Gründen des Staatsstreiches am 20. Juli 1944 dargestellt. Danach werden Attentat und der folgende Umsturzversuch, einschließlich der daraus resultierenden Konsequenzen und Maßnahmen der Nationalsozialisten, erörtert. Der Bestand an Literatur bezüglich dieses Themas kann als gut bezeichnet werden. Es ist zudem bemerkenswertes Quellenmaterial über die Schauprozesse am Volksgerichtshof nach dem Attentat vorhanden. Anläßlich des fünfzigsten Jahrestages des 20. Juli 1944 wurden einige Darstellungen publiziert, in denen sich die Autoren teilweise sehr genau mit den Persönlichkeiten des Staatsstreiches befassen. In den Veröffentlichungen wird auch mehrheitlich betont, daß für den militärischen Widerstand, besonders in dessen Anfangszeit, nicht nur die moralischen Gesichtspunkte, im Angesicht der Verbrechen des NS-Regimes, für einen möglichen Umsturzversuch im Vordergrund standen, sondern hauptsächlich militärisches Interesse die Handlungsweise der Offiziere prägte, teilweise zur Vergrößerung der Machtstellung der Streitkräfte im Staat und zur Bewahrung der traditionellen Strukturen des Reiches. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges war die Motivation des militärischen Widerstandes, einen Staatsstreich einschließlich eines Attentats zu wagen, die Sicherung der weiteren Existenz des deutschen Nationalstaates.
2. Ereignisse vor dem 20. Juli 1944
2.1. Die Entwicklung des militärischen Widerstandes im Dritten Reich
In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß der militärische Widerstand nicht allein agierte, sondern in Kooperation mit der zivilen Opposition stand, der unter anderem Politiker, Diplomaten, sowie Unternehmer, Gewerkschaften und auch die Kirchen angehörten.5 Die gesamte Opposition, einschließlich der Offiziere, kann als national-konservativ definiert werden, da sie die bestehende Struktur des deutschen Staates nicht verändern wollte, sondern nur die Beseitigung der Machthaber unterstützte. Die Bezeichnung militärischer Widerstand trifft auf den Teil der Opposition zu, der den deutschen Streitkräften angehörte, die sogenannte "Militärelite"6.
Die Militärelite trat in den Jahren nach der Machtergreifung noch nicht in Aktion, da sie die politischen Maßnahmen der Regierung, wie z.B. die Gleichschaltung des Staatsapparates, aber auch der Judenverfolgung bis auf wenige Ausnahmen nicht in Frage stellte, sondern als Möglichkeit auffaßte, die eigene Macht im Reich zu verstärken.7 Der Versuch Ernst Röhms im Juni 1934, das Deutsche Reich in einen totalitären SA-Staat umzuwandeln, in dem die Landesverteidigung den Sturmabteilungstruppen unterstehen sollte, wurde von der Militärelite verurteilt, da diese Maßnahmen einen Machtverlust der regulären Armee bedeutet hätte. Außerdem wäre die traditionelle Struktur des deutschen Staates in Frage gestellt. Deshalb solidarisierte sich dann schließlich die Militärelite mit Hitler, der den sogenannten "Röhm-Putsch" dann gewaltsam unterdrückte.8 Die "Fritsch-Krise" 1938 führte zu einer zunehmenden Radikalisierung des militärischen Widerstandes. Aufgrund der zunehmenden Unzufriedenheit mit dem nationalsozialistischen System, sanken die Skrupel der Männer der Opposition, notfalls auch mit Gewalt gegen das NS-Regime vorzugehen. Es fehlten nur mehr entschlossene Führungspersonen in den Kreisen des Widerstandes, die in der Lage waren, Aktionen gegen die nationalsozialistische Bewegung zu realisieren. Ein weiterer Grund für das Zögern des Widerstandes war der Ehrenkodex des deutschen Offiziers, der ihm moralisch die Rebellion gegen seinen Führer untersagte. Bei den Männern der Militärelite überwog also noch das soldatische Denken gegenüber dem Drang, die offensichtlichen Mißstände in Deutschland zu beseitigen.9
Adolf Hitlers radikales Vorgehen gegen die Tschechoslowakei 1938 und die daraus resultierende Gefahr eines europäischen Krieges beeindruckte die Opposition. Die militärische Elite war den Plänen der Nationalsozialisten bezüglich einer Machtexpansion Deutschlands keineswegs abgeneigt, befand aber den Zeitpunkt aus den o. g. Gründen als ungeeignet. So versuchten etliche militärische Führer, unter anderem der Generalstabschef Beck, Hitler davon zu überzeugen, von seinen Plänen, die Tschechoslowakei betreffend, abzulassen. Um dies durchzusetzen, wurde ein kollektiver Rücktritt der führenden Generalität geplant, der auch dazu führen sollte, daß potentielle "Kriegstreiber", wie z.B. die SS, durch die Rücktrittsdrohung und die daraus möglicherweise entstehenden politischen Spannungen entmachtet würden, doch auch diese Maßnahmen wurden nicht durchgeführt.10
Im Herbst 1938 entwickelte der Nachfolger von Beck, Generalstabschef Halder, einen Umsturzplan gegen das NS-Regime, der unter dem Begriff "Septemberverschwörung" bekannt wurde. Danach sollte Adolf Hitler verhaftet werden. Radikalere Kräfte forderten dessen sofortige Tötung.11 Doch das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 erfüllte weitgehend die Forderungen des Widerstandes, so daß dieser geplante Staatsstreich zum Scheitern verurteilt war12. In den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges kamen die Aktivitäten des Widerstandes fast völlig zum Erliegen, denn die militärischen Anfangserfolge (der Sieg über Frankreich) und der beginnende Kampf gegen die als Hauptfeind deklarierte bolschewistische Sowjetunion veränderte die moralische Einstellung vieler Offiziere aus dem Widerstand zur nationalsozialistischen Politik und lähmte die Opposition somit in ihrer Handlungsfähigkeit.13 Doch die Niederlage der deutschen Truppen in Stalingrad 1943, sie bedeutete den Wendepunkt des Kriegsgeschehens an der Ostfront14, ließ den Widerstand wieder in Aktion treten. Nun war es jedoch das Hauptziel der Opposition, den Krieg möglichst schnell zu beenden um so den totalen Zusammenbruch des deutschen Reiches zu verhindern. Ein gezieltes Attentat auf den Führer wurde somit notwendig.15 Am 13. März 1943 scheiterte ein von dem oppositionellen Offizier Henning von Tresckow geplantes Attentat16. Hitler rettete dabei nur ein glücklicher Zufall vor dem sicheren Tod, so wie in den weiteren Attentatsversuchen. Otto John schrieb in seiner Darstellung das Überleben Hitlers der Vorsehung zu. Eine Reihe von Verhaftungen einiger wichtiger Personen aus dem Widerstand war die Folge.17
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1Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Bd. 21, Das Dritte Reich. Der Sturm auf die Festung Europa II, Berlin O.J., S.452.
2Ebenda, S.451.
3Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hrsg. von Peter Steinbach und Johannes Tuchel, Berlin 1994, S.12. Vgl. auch Manfred Messerschmidt, Der deutsche Widerstand 1933-1945, Paderborn 19862, S.76.
4Ger van Roon (Hrsg.), Widerstand im Dritten Reich. Ein Überblick, München 1979, S.192, 193.
5Klaus Achmann / Hartmut Bühl (Hrsg.), 20. Juli 1944. Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, Herford 1994, S.19.
6Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1994, S.266-268.
7Manfred Messerschmidt, Widerstand und Exil 1933-1945, Frankfurt 1986, S.135.
8Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.269, 270.
9Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.270, 271. Vgl. auch Manfred Messerschmidt, Widerstand und Exil 1933-1945, Frankfurt 1986, S.136.
10Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.271-274. Vgl. auch Manfred Messerschmidt, Widerstand und Exil 1933-1945, Frankfurt 1986, S.136-138.
11Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.274, 275.
1220. Juli 1944. Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, hrsg. von Klaus Achmann / Hartmut Bühl, Herford 1994, S.198-201.
13Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.277. Vgl. auch Lothar Gruchmann (Hrsg.), Der Zweite Weltkrieg, Kriegführung und Politik, München 19785, S.66ff., S.118ff.
14Lothar Gruchmann (Hrsg.), Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik, München 19785, S.188-194.
15Manfred Messerschmidt, Widerstand und Exil 1933-1945, Frankfurt 1986, S.141. Vgl. auch Klaus-Jürgen Müller, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, S.277.
16Klaus Achmann / Hartmut Bühl (Hrsg.), 20. Juli 1944. Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, Herford 1994, S.47, 48.
17Otto John (Hrsg.), Falsch und zu spät. Der 20. Juli 1944, Berlin 19892, S.155-157.