Tapferkeits- und Feigheitsideale in den USA. Der Fall Eddie Slovik


Bachelorarbeit, 2020

49 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Tapferkeits- und Feigheitsideale im gesellschaftlichen Kontext
2.1 Prinzipien der Tapferkeit als Tugend
2.2 Soziale Konnotation von Feigheit als Laster
2.3 „The shame of being known as a coward“ - Reziprozität von Feigheit und Tapferkeit

3 US-Gesellschaft und Militär im Zweiten Weltkrieg: Konfliktfeld Eddie Sloviks
3.1 Die Notwendigkeit und Bedingung des Befehls
3.2 US-amerikanischerMilitärkultur
3.3 Stigmatisierung Sloviks - Soldatische Zuschreibungen im Schatten des good war
3.3.1 „To avoid hazardous duty“ - Diskrepanz von Konformität und Individualisierung
3.4 Symbolischer Patriotismus: zivile Loyalität vs. militärische Feigheit
3.5 Soziale Zuschreibungen des Deserteurs

4 Court-Martial und Untersuchungsausschuss
4.1 Bewusste Befehlsverweigerung als Vorwurf der Feigheit
4.2 Das Geständnis‘ Sloviks im Zwiespalt von Tapferkeits- und Feigheitskonnotationen
4.3 „And I’ll run away again“ - Provokation und Desertion

5 Fazit

6 Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellenverzeichnis
6.2 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„He [Eddie Slovik] was no coward, so long as he would not be required tofire a rifle.“1 Im Zuge einer populären Auseinandersetzung mit der Verurteilung des Private Eddie D. Slovik bekundet der Veteran Leonard B. Taub seine Solidarität mit dem Verurteilten und kritisiert das Sanktionsverhalten der U.S. Army während des Zweiten Weltkrieges. In seinem Statement eröffnet Taub den Diskurs zur Bedeutung von Feigheit und Tapferkeit und stellt die Frage, ob ein kampfunfähiger Soldat automatisch ein Feigling sei.

Die vorliegende Arbeit konkretisiert Motive und Indizien zur Idealisierung von Tapferkeits­und Feigheitsunterstellungen anhand gerichtlicher Dokumente im Fall des US- amerikanischen Deserteurs Eddie Slovik. Dieser war ab August 1944 Teil einer Ersatztruppe amerikanischer Einheiten für die kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich. Während eines Beschusses in Elbeuf nahe Paris verlor Slovik den Anschluss an seine Truppe und verblieb über sechs Wochen in kanadischer Obhut. Kurz nach seiner Rückkehr ins US-amerikanische Lager desertierte Slovik erneut, woraufhin er der US-amerikanischen Militärjustiz überstellt wurde, welche ihn zum Tode durch ein Erschießungskommando verurteilte.2 Neben 48 weiteren verurteilten Deserteuren, die schließlich begnadigt wurden, war Eddie Slovik der erste Soldat seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg, der wegen des Vorwurfs der Desertion durch gerichtlichen Befehl hingerichtet wurde. Besondere Aufmerksamkeit gilt an dieser Stelle den Verschriftlichungen zur Urteilsüberprüfung, verfasst von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, die eine erste interne Rezeption nicht nur zur Legitimierung des Urteilsspruchs, sondern auch zur sozialen Bewertung Sloviks zulassen. Zudem ermöglicht ein von Slovik verfasstes Geständnis, Intentionen der Fahnenflucht zu rekonstruieren und Zuschreibungen von Feigheit sowie deren Wirkung aus subjektiver Perspektive zu betrachten.

Zum subjektiven sowie zum gesellschaftlichen Verständnis von Feigheits- und Tapferkeitskategorien erfolgt zunächst eine soziologisch-anthropologische Betrachtung zur Generierung jener Idealvorstellungen und deren gesellschaftlicher sowie individueller Relevanz. Vorbild dafür ist die Analyse gesellschaftlicher Konzeptionierung von Feigheit und Tapferkeit nach Friedrich Pohlmann, die den Faktor Mut als Initiativkraft für die jeweiligen Ideale miteinbezieht und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen gegenüberstellt.3 Folgend wird zur Veranschaulichung des Antagonismus die militärische Sozialisation, vorrangig im US-amerikanischen Soldatentum zu Beginn des 20. Jahrhunderts, unter Einbezug propagandistischer und zivilinkludierender Maßnahmen mit der Subjektivität des Deserteurs konfrontiert. Hier wird konkret die gesellschaftliche Bedeutung des Militärs betrachtet, um Sinnkonstruktionen, Normen, Traditionen und Mythen ausfindig zu machen und in ihrer Funktion zu benennen. Mit der Veranschaulichung des idealisierten heroischen US-amerikanischen Soldaten als gegenteiliges Element zum Flüchtigen sind nachkommend der Court-Martial sowie das US-amerikanische Selbstverständnis während des Zweiten Weltkrieges zentrale Faktoren zur gesellschaftlichen und zweckgebundenen Etikettierung eines Feiglings.

Selten sind zivilisatorische Vorstellungen von Feigheit und Tapferkeit im Kriegsgeschehen Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Mehrheitlich werden sie Teil populärer Inszenierungen, wie etwa das 1974 durch Lamont Johnson verfilmte Drama ,The Execution of Private Slovik‘, in Folge der erstmaligen außermilitärischen Rezeption Sloviks durch William Bradford Huie 1954 oder erfahren ihre Bearbeitung in der Belletristik, wie durch James Jones 1962 erschienenes Werk .'The Thin Red Line‘. Dennoch rekurrieren soziologische und anthropologische Betrachtungen auf gesellschaftlich definierte Moral­und Wertevorstellungen und bilden den inhaltlichen Schwerpunkt der Cultural Studies, die eine analytische Perspektive auf ein gesellschaftliches Normativ ermöglichen.4 Ausgehend von diesem Normativ gelang es im Zuge erster Analysen militärischer Vergesellschaftung, soziologische Strukturen moderner staatenabhängiger Armeen zu beobachten und Idealtypen der Feigheit und Tapferkeit zu definieren. Diese makrosoziologische Betrachtung militärischer Gesellschaftsformen, die erst mit empirischen Untersuchungen zur Berufssoziologie und deren Positionierung im zivilisatorisch-demokratischen Selbstverständnis der USA durch Samuel Stouffers während des Zweiten Weltkrieges initiiert wurde, galt als Schlüssel zur Erläuterung zusammenhängender Wertevorstellungen von Zivil- und Militärbevölkerung.5 Die Bedeutung hierarchischer Strukturen zur Definition von Tapferkeit und Feigheit erfolgte anhand einer machttheoretischen Auseinandersetzung mit der Institution des westlichen Militärs, etabliert durch die Arbeiten Michael Manns, die die Mechanismen militärischer Alltagsgestaltung als „inhärente Tendenz zu distributiver Macht“ analysierten.6 Michael Mann verdeutlichte nicht nur die Gestaltung des militärischen Arbeitsalltags als Ausdruck der Bündelung von Macht einzelner Personen, sondern auch, dass das Prestige innerhalb der Militärgesellschaft ein von Führungskräften abhängiges Phänomen ist.

Mithilfe sozialwissenschaftlicher-anthropologischer Betrachtungen, die vor allem durch die Sozialisation des Individuums jeweilige Normvorstellungen generieren lassen, gelang es im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert, auch die bis dato relativ statische Konstruktion von Tapferkeit und Feigheit im Soldatentum zu diskutieren.7 William Ian Miller hebt mit seinem Werk ,The Mystery of Courage‘ eine sich gegenseitig begünstigende Wirkung von Tapferkeit und Feigheit hervor und verweist damit auf die Abhängigkeit des Tapferkeitsmythos von der Existenz der Feigheit, auf die sich 2014 auch Chris Walshs Monografie , Cowardice. A brief history‘berief und im Kontext von Krieg und Terror erneut die Interpretationsabhängigkeit des Begriffes Feigheit deutlich machte.

Die Labels der Feigheit und Tapferkeit und die damit einhergehende Stigmatisierung beziehungsweise Heroisierung dienen neben dem subjektiven Prestige einer gesellschaftlichen Präsentation zur Legitimierung sozialer Konformität sowie derjeweiligen Norm- und Wertvorstellung. Ebenso stellt es ein Instrument zur Verteidigung identitätsstiftender Wahrnehmungen dar. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Gesellschaften stets auf die Beispielhaftigkeit einzelner Personen angewiesen sind, um ihre Urteilsfähigkeit bestätigen zu können. Die symbolische Kraft von Tapferkeits- und Feigheitsidealen benötigt eine moralische Legitimation, um als solche verstanden zu werden, welche in der nächst höheren sozialen Einheit, wie hier der Zivilbevölkerung der Vereinigten Staaten, gebildet wird. In Bezug auf die gesellschaftliche Bewertung tapferen und feigen Aktionismus stellt sich die Frage, welches sozial bestimmte Verständnis sich am Fall Eddie Sloviks veranschaulichen lässt und welche Kategorisierungen Slovik als coward klassifizieren, geht man davon aus, dass die determinierende Variable gesellschaftlich bestimmbar ist.

2 Tapferkeits- und Feigheitsideale im gesellschaftlichen Kontext

Das Schlachtfeld gilt aus verschiedensten Gründen als archetypischer Aushandlungsort von Konnotationen der Feigheit und Tapferkeit. Unter anderem dient die Extremsituation des Krieges als Bewährungsprobe für den partizipierenden Soldaten und lässt ihn in gewisser Weise ,über sich hinaus wachsen4.8 Besonders die kriegerische Auseinandersetzung als Topos für die Genese und Bewertung feiger und tapferer Handlungen bietet ein starres Konstrukt jener Vorstellungen, die ein Soldat zu erfüllen und gegebenenfalls nicht zu erfüllen hat. So alt wie militärische Auseinandersetzungen sind auch kulturelle Vorstellungen von Feigheit und Tapferkeit und jeweils abhängig von gemeinschaftlich festgelegten Normen- und Wertevorstellungen.9 Dennoch gilt die Tapferkeit seitjeher neben der Weisheit, Gerechtigkeit und der Mäßigung als eine der Kardinalstugenden und erhält im universellen Verständnis eine beachtliche soziale Wertschätzung.10

Der Begriff der Feigheit hingegen wird fast ausschließlich als negativ rezipiert und lässt schließlich auf eine Form des Unvermögens und des Unwillens schließen.11 Gerne werden dem Feigling Motive der Selbstbezogenheit, des Egoismus und des fehlenden gemeinschaftlichen Bewusstseins unterstellt.12 Während heroische Handlungen nach den Prinzipien von Tapferkeit und Uneigennützigkeit gesellschaftliches Prestige und Anerkennung zur Folge haben, sind Feigheit und Flucht aus persönlich gefährdenden Situationen stets mit sozialen Sanktionierungen verbunden. So legitimiert etwa das Manual for Courts-Martial die Verurteilung von dissidierenden Soldaten mit der Definition der Desertion als „refusal or abondonment of a performance of duty before or in the presence of the enemy as a result offear.“13 Demnach entscheidend für das Verständnis von soldatischer Feigheit und der Klassifizierung eines Feiglings ist das individuelle Bewusstsein der Befehlsverweigerung, die eindeutig mit dem Motiv der Angst konnotiert ist. Die Vielschichtigkeit individueller Entscheidungsfindung, die Adaption kultureller und gesellschaftlich-konformer Handlungsmuster und die Reflexion des Kriegsgeschehens erscheinen im Manualfor Courts-Martial als stark reduziert und werden schlussendlich als Auswüchse der eigenen Angst deklariert.

Der Soziologe und Historiker Friedrich Pohlmann erkennt in den scheinbar polarisierenden Eigenschaften von Tapferkeit und Feigheit die einheitliche, generierende Kraft des Mutes. Sowohl der Held als auch der Feigling würden eine Initiativkraft für ihre Tätigkeiten aufwenden müssen, um ein bewertbares Resultat zu kreieren. In Pohlmanns Konstruktion generiere sich daher Tapferkeit und Feigheit aus vorangegangener Aufwendung des Mutes, deren Intention in den individuellen und umweltbedingten Faktoren eine Nachvollziehbarkeit zulässt.14 So differenziert Pohlmann den Mut in zwei Unterkategorien: den moralischen und den physischen Mut. Dabei dient der moralische Mut zunächst zur Überwindung der eigenen Angst vor gesellschaftlicher Benachteiligung, etwa Ausgrenzung und dem Verlust von Teilhabe. Auf die Kategorie des moralischen Mutes ist vor allem der bezeichnete Feigling angewiesen, geht man davon aus, dass dieser sich bei vollem Bewusstsein aus einer für ihn gefährlichen Situation zurückzieht. Schließlich drohen dem Dissidenten neben militär-gerichtlichen Konsequenzen auch die Exklusion aus der Militärgesellschaft sowie Stigmatisierung und Diffamierung im alltäglichen sozialen Umfeld.15 Konträr dazu wendet der Held die Form des physischen Mutes zur Überwindung der Furcht vor körperlicher Versehrtheit auf. Hierin sieht Pohlmann die Identifizierung des Selbst als Teil einer Gemeinschaft, in welcher das Individuum die bereits erlernten Mechanismen, die zur gesellschaftlichen Zugehörigkeit notwendig sind, anerkennt und anwendet.16 An dieser Stelle wird der Mut sowie die daraus resultierende Tapferkeit bzw.

Feigheit an eine gesellschaftliche Erwartungshaltung rückgekoppelt. Somit erwächst das Heldentum nicht aus sich selbst oder einer agierenden Person heraus, sondern erhält ihren Status erst in der sozialen Rezeption, die den Zweck des Gemeinwohls kontextual einbettet. Demzufolge ist die Tapferkeit nur bedingt Charakter einer exorbitanten menschlichen Leistung, sondern lediglich die Konformität zum sozialen Zwang und die Erfüllung gesellschaftlich definierter Normvorstellungen, etwa der Rettung von Schwächeren oder der vehementen Verteidigung des Vaterlandes.17

Die Akzentuierung zur Hervorhebung tapferen Verhaltens, der schlussendlichen Bewertung zur Tapferkeit und damit zur Abgrenzung von Feigheit, verdeutlicht sich neben gesellschaftlicher Erwartung in dem Willen zum ununterbrochenen Ausharren einer bedrohlichen, gar lebensbedrohlichen gewaltigen Situation.18 Trotz der Erlernung eines gesellschaftlich-konformen Habitus ist festzuhalten, dass Mut als solches nicht als Ressource zu verstehen ist. Stattdessen stellt sich Mut als situationsspezifische Abwägung, die durch die eigene Stimmung, körperliche und psychische Verfassung sowie zeitliche und geografische Faktoren beeinflussbar ist, dar. Mut existiert somit nicht als selbstständige oder trainierbare Fähigkeit, sondern nur im Kontext umweltbedingter Reaktionen.19

Die Konstruktion von Mut als Initiativkraft für die Generierung von Tapferkeits- und Feigheitsidealen verdeutlicht das Dilemma gesellschaftlicher Erwartungen und individueller Intentionen von Handlungen in Ausnahmesituationen wie dem Kriegsfeld. Einerseits bewährt sich der Tapfere in seinem „unverzagten Standhalten“20, andererseits akzeptiert der Feige sämtliche Konsequenzen seiner Flucht, verweilt in seiner Entscheidung das Kriegsfeld ohne Rückkehr zu verlassen, und kalkuliert damit ebenso das Risiko juristischer Konsequenz ein.

Der Deserteur Eddie Slovik beweist auf den ersten Blick eine Standhaftigkeit trotz der ihm drohenden Exekution, die wiederum Charakteristika des physischen Mutes im Sinne Pohlmanns aufweist und sich mit dem Generierungsprozess der Tapferkeit kreuzt. Durch ein niedergeschriebenes Geständnis und der Verweigerung des Kriegsdienstes in zwei Fällen beweist Slovik eine Konsequenz in seiner Entscheidung, die ebenfalls die Gefahr vor Versehrtheit nicht außenvorlässt.21 In der Konstruktion Pohlmanns ist es daher umso entscheidender die gesellschaftliche und persönliche Bedeutung des Tapferkeits- oder Feigheitsideals genauer zu betrachten, um konkrete Parameter für die Klassifizierung jener Zuschreibungen zu bestimmen und den Wert der Tapferkeit als Tugend beziehungsweise der Feigheit als Laster ausfindig zu machen.

2.1 Prinzipien der Tapferkeit als Tugend

Die Sozialpsychologie nennt zwei Grundformen der Tapferkeit, die sich jeweils aus vorausgegangenem Mut initiieren.22 Zum einen bewährt sich die Tapferkeit in einer aktiven Ausübung, also der Realisierung komplizierter Herausforderungen, und zum anderen in einer Passivität, die sich vor allem im Aushalten von Leid wiederfindet.23 In Abgrenzung zur Feigheit jedoch, die wie bereits beschrieben in ihrem jeweiligen Kontext auch als eine Form des Standhaltens betrachtet werden kann, erhebt die Tapferkeit den Anspruch, um „des guten Willens“24 auszuharren. Für die gesellschaftliche Relevanz bedeutet dieser gute Wille vornehmlich gemeinschaftliche, auf Werte- und Moralvorstellung basierende Interessen, die in der sozialen Gruppierung festgelegt werden, aus welcher die agierende Person stammt.25 Zudem beinhaltet die Klassifizierung der Tapferkeit eine Form der Zweckgebundenheit, andernfalls resultiere aus einem simplen Exzess von Furchtlosigkeit lediglich infantile Selbstüberschätzung, gar Tollkühnheit.26 In Anbetracht einer evolutionstheoretischen Anschauung könne Tapferkeit auch mit einer Fehlkalkulation verwechselt werden, wenn der genetische Pool durch die Inkaufnahme des eigenen Todes verschmälert wird. Die Möglichkeit, eine tapfere mit einer unüberlegten Handlung zu verwechseln, steigt parallel mit dem ihm obliegenden Gefahrenpotenzial.27 Das Wesen der Tapferkeit liege also nicht darin, die Furcht nicht zu kennen, sondern sich von der Furcht nicht übermannen zu lassen und unter Kontrolle seiner Instinkte und Gedanken den erlernten sozialen Mechanismen zur Erhaltung der Gesellschaft und deren Prinzipien treu zu bleiben.28

Geschlechtstypisch ist die Tapferkeit eines der ausschlaggebenden Attribute in der Konstruktion von Männlichkeitsidealen. Das Soldatentum als primär männliches Aktionsfeld beinhaltet universell die Möglichkeit der persönlichen Heroisierung mit der grundlegenden Voraussetzung bedingungslosen Gehorsams, der Bewährung von Mannhaftigkeit und eines tapferen Aktionismus.29 Neben dem physischen Mut etabliert sich im kriegerischen Szenario eine künstliche und trainierbare Ausgestaltung des soldatischen Mutes. Dieser beruht in seinem Kern auf der Konzeptionierung von Strategien und Befehlen und erweist sich bis zu einem gewissen Grad als übertragbare Formation tapferer Handlungen.30 Der soldatische Mut kalkuliert jedoch die Furcht als menschliche Variable nicht ein, sondern legitimiert sich ausschließlich über ein blindes Vertrauen in den Befehlshaber. Beispielhaft steht die kriegerische Ausführung für den Aushandlungsprozess des eigenen sozialen Seins, dem Zwang der Selbstüberwindung und der Überwindung der eigenen Furcht. Dahingehend besteht die Sonderleistung des soldatischen Mutes in der willentlichen Kalkulation des eigenen Todes für einen höheren gesellschaftlich relevanten Zweck.31 Die Bewertung einer individuellen Tat als tapfer erfolgt schließlich in jener Zweckmäßigkeit für den Bestand und die Entwicklung der spezifischen sozialen Gruppe, welche ebenso das Prestige des Helden legitimiert.

2.2 Soziale Konnotation von Feigheit als Laster

Ebenso wie die Tapferkeit ist die Idealisierung von Feigheit abhängig vom jeweiligen Sozialisationskontext. Prinzipiell wird im kriegerischen Kontext der Feind als Feigling bezeichnet, der zur Durchsetzung seiner individuellen Interessen die diplomatischen Möglichkeiten, die seine erstrebten Ziele beschneiden könnten, außen vor lässt. Im militärischen Sprachgebrauch gibt es keine Titulierung die eine stärkere Erniedrigung zum Ausdruck bringt.32 Eindrücklich kommunizierte der damalige General George Washington kurz nach seiner Ankunft im Kriegsfeld des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges im Juli 1775 die Schande, die sich ein feiger Soldat mit einer Desertion selbst aufbürde: „Crime of all others, the most infamous in an Soldier, the most injurious to an Army and the last to be forgiven (...).“33

Dennoch lassen es biologische und evolutionstheoretische Annahmen zu, dass Feigheit, anders wie Tapferkeit, durch angeborene Reflexe und Urinstinkte zur Selbsterhaltung zurückzuführen sei.34 Die Flucht ermögliche nicht nur die Rettung des Individuums, sondern gegebenenfalls die Rettung der gesamten Kompanie: „(...) sometimes better to run away so that one can live tofight another day.“35 An dieser Stelle kollidiert die biologische Annahme der Selbsterhaltung mit der Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen, etwa der sozialen Privilegierung von Tapferkeit und der Stigmatisierung von gesellschaftlich unnützer Feigheit. Mit der Priorität der Selbsterhaltung könne ein Fahnenflüchtiger unter Umständen ebenso den Erhalt seiner Truppe als auch den der anderen Soldaten gefährden.36 37 Ähnlich lautet auch der Vorwurf Washingtons: „inasmuch as it may, and often does happen, that the Cowardice of a single officer may prove the Distruction of the whole Army.”31 Trotz eines anscheinend schambehafteten Themas wird Feigheit in der amerikanischen Militärgeschichte nicht tabuisiert. Stattdessen folgte auf den Feigheitsvorwurf die Bloßstellung des Feiglings. Nicht selten wurden deklarierte Feiglinge mit einem ,D‘ für Deserter oder einem ,C‘ für Coward tätowiert.38 Als Grund für jene entwürdigende Sanktionierung, die im amerikanischen Militär ab 1872 verboten war, wird der soziale Effekt der Abschreckung herangezogen. Somit habe der Feigling seine Tat nicht nur mit sich und seinem Gewissen auszuhandeln, sondern auch mit lebenslanger gesellschaftlicher Ächtung.39 Somit liegt die eigentliche individuelle Belastung nicht darin, ein Feigling zu sein, sondern als Feigling bekannt zu sein.

2.3 „The shame ofbeing known as a coward“ - Reziprozität von Feigheit und Tapferkeit

Mit der öffentlichen Bloßstellung eines Feiglings findet sich die Problematik einer klaren Differenzierung von Feigheit und Tapferkeit bereits in der gesellschaftsideologischen Auffassung eines kämpfenden Soldaten. Dieser kämpfe aus idealistischen und patriotischen Beweggründen und fürchte demnach nicht einmal den Tod, wenn dieser der eigenen Nation zugutekäme.40 Die Bedeutungen derjeweiligen Zuschreibungen finden sich schließlich erst im eindeutigen Überwinden der Feigheit oder im Versagen der Tapferkeit. „Without the possibilty of cowardice, courage becomes a hollow notion, a booster’s term.“41 Die Heroisierung von Soldaten macht erst im Kontrast zum fliehenden Feigling Sinn, um die ,Übermenschlichkeit‘ der Leistung herauszustellen.

Durch Statuierung eines Exempels in der öffentlichen Bloßstellung erhalten wiederum potenzielle Feiglinge die Motivation, nicht zu Feiglingen zu werden. In der Betrachtung von Feldbriefen erwächst der Eindruck, die kämpfenden Soldaten „wrote much about cowardice because they worried they might be guilty of it, and they desperately wanted to avoid the shame of being known as a coward - and that is what gave them courage.“42 "2 Die größte Sorge in dieser Analyse scheint demnach nicht der Verlust des eigenen Lebens, sondern das Versagen der soldatischen Pflicht und die daraus resultierende Sanktion, die in der Definition des soldatischen Berufes ein verheerenderes Ausmaß beinhalte als in regulären zivilen Professionen.43 Die Subjektivität wankt in diesem Aushandlungsprozess zwischen zwei Extremen: Der Bestrebung nach einem Heldenepos und der Wahrung des eigenen Leibes. In der Militärsoziologie gilt der Soldat, durch den Verlust der sozialen Integrität und der sinnigen Bestätigung, sowohl als Akteur als auch als Opfer des Krieges.44

3 US-Gesellschaft und Militär im Zweiten Weltkrieg: Konfliktfeld Eddie Sloviks

„The popular narrative surrounding World War II is that the United States desired only to be left alone but was forced to fight in the face of Axis aggression.“45 Mit seiner These vertritt der US-amerikanische Historiker John Schuessler die Auffassung der Rückbesinnung auf einer - ähnlich der Monroe-Doktrin - isolierten Stellung der Vereinigten Staaten und einer kriegsneutralen Außenpolitik. Der Eintritt in den Ersten Weltkrieg galt, nicht nur wegen der hohen Soldatenverluste gesellschaftlich weit verbreitet als Fehler. Auch wurden Vorwürfe laut, die US-amerikanische Waffenindustrie habe aus rein wirtschaftlichen Gründen den Kriegseintritt gefördert.46 So erfolgte nach der Machtergreifung Hitlers und dem Beginn innereuropäischer Spannungen eine Vielzahl amerikanischer Neutrality Acts.47 '1 Zur Verhinderung einer kapitalistischen Zweckentfremdung von Kriegshandlungen erließ die US-amerikanische Regierung im Februar 1936 das Verbot von Kriegsanleihen und untersagte schließlich im Mai 1937 Reisen und Schiffsfahrten in potenzielle Kriegsgebiete aufgrund des Kriegseintritts im Ersten Weltkrieg.48 Mit dem Überfall auf Polen begannen Zweifel im Kongress, die Neutralitätsgesetze Roosevelts könnten für Hitler und das Deutsche Reich eine passive Unterstützung ihrer Kriegsziele darstellen. War die Zustimmung zur Kriegsbeteiligung 1939 noch bei 83 Prozent seitens der Bevölkerung, erhöhte sie sich mit der Niederlage Frankreichs rasant.49 Mit dem Kriegseintritt der USA zur Verteidigung des amerikanischen Kontinents vor einem expandierenden Deutschen Reich legitimierte Roosevelt den Kriegseinsatz als notwendiges Mittel zum Schutz demokratischer bürgerlicher Ideale der USA, sodass ab 1941 die US-amerikanischen Bevölkerung ein direktes Eingreifen statt einer passiven Teilnahme durch die Unterstützung Großbritanniens befürwortete.50 Dennoch entwickelte sich die paradoxe Auffassung, dass zwar der Großteil der US-amerikanischen Bürgerschaft eine militärische Intervention für gut hieß, aber ein ähnlich großer Teil kampffähiger Männer sich nicht als Soldat rekrutieren lassen wollte.51

Mit dem aktiven Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg, besonders mit der Landung in der Normandie 1944 fanden sich die Kriegsteilnehmer in einer phänomenologisch-klassischen Kriegssituation wieder. Krieg als gesellschaftlicher Ausnahmezustand beinhaltete auch an dieser Stelle eine Besonderheit der sozialen Interaktion und Aushandlung von Machtverhältnissen: ausgeprägtes Dominanzstreben in ideologischer und territorialer Neigung durch außergewöhnliche Aggressivität.52 Die kriegerische Auseinandersetzung beinhaltet nicht nur das Potenzial der Regelung außenpolitischer Angelegenheiten, sondern bedeutet, durch die miteinhergehende Wertedifferenz, für die Zivilisation einen zerstörerischen Fremdkörper, etwa der Missachtung fremden Lebens und der geringen zivilen Reflektion.53

Eine kulturhistorisch-anthropologische Betrachtung des US-amerikanischen Militärs und dessen Sanktionierungsverhaltens im Kriegsgericht während der Kampfhandlungen um 1944 hat das Ziel, den Krieg und seine Akteure nicht als atavistisch zu betrachten, sondern Strukturen erkennen und benennen zu können. In der Rückführung auf eine gesellschaftliche Legitimation erlangen Tendenzen und Entwicklungen, wie hier der Bedeutungszuwachs der Tapferkeit und die Stigmatisierung der Feigheit, eine sozial bedingte Nachvollziehbarkeit, die wiederum eine Verständigung über gesellschaftliche Dynamiken ermöglicht.54 Zur kulturhistorischen Analyse und zur kontextualen Einbettung des Falls Eddie Sloviks werden folgend militärkulturelle Phänomene wie die Bedingungen und Auswirkungen der Befehlsgewalt und die Besonderheiten des Militärs als Arbeitgeber genauer betrachtet. An dieser Stelle stehen besonders die individuelle Sinnstiftung des Soldaten durch die Zuschreibungen während des Krieges und deren ideologische Durchführung im Vordergrund. Hierbei wird der Soldat als agierendes Subjekt statt ausschließlich befehlsempfangendes Objekt betrachtet.55

3.1 Die Notwendigkeit und Bedingung des Befehls

Die bedeutendsten Formen der soldatischen Kommunikation sind der Befehl sowie die Befehlsausführung. Sie sind nicht nur Teil militärischer Bedeutungs- und Symbolsysteme, sondern sichern ebenso den Herrschaftsbereich und bestehende Konstruktionen der Hierarchie. Als global begriffenes Machtinstrument erreicht der Befehl die Herrschaftsgewalt und Kontrolle „bis in den Spind.“56 Schon das ausgeprägte Bewusstsein von soldatischer Tradition provoziert auch im modernen Militär ein Verlangen nach Ehrerhaltung eines „militärischen Gesinnungsadels“57, der sich in der Praxis des Befehls widerspiegelt. Der Befehl als Hierarchisierungsmechanismus bedeutet für den militärischen Alltag im Schlachtfeld vor allem die Gewähr der ,Entindividualisierung‘ des Soldaten. Der Soldat wird in seiner Funktion im Korpus ersetzbar. Mit dieser Unabhängigkeit von einzelnen Personen verbleibt die Truppe in ihrer Gewaltausübung in einem kontinuierlichen Zustand.58 Der Kriegsablauf ist demnach nicht von Individuen, sondern von den Instanzen, denen die Befehlsgewalt übertragen wurde, abhängig.

Die Feigheit beruht im militärischen Kontext vor allem auf der Gebundenheit an einen Befehlshaber.59 Durch die gesellschaftliche Bedeutung des Militärs als schützende Institution ihrer Gemeinschaft liegt auch in der Ausführung des Befehls eine hohe moralische Mitverantwortung.60 Für das US-amerikanische Verständnis militärischen Befehlsgehorsams etablierte sich besonders der in der Wissenschaft als Fälschung betrachtete Duty Letter Robert E. Lees. Diesem sagen Biografen eine eindrückliche Prägung des Selbstverständnisses der US-Armee und deren Befehlsausführung nach.61 Trotz des ihm nur mutmaßlich zugeschriebenen Duty-Letters repräsentiert dieser jedoch die Idealisierung des befehlsempfangenden Soldaten und die individuelle Sinngebung des Befehls, die auch nachfolgend Anwendung fand: „Do your duty in all things (...) You cannot do more, you should never wish to do less.“62 Schon die persönliche Herausstellung der Notwendigkeit des Befehlsgehorsams verlangt vom einfachen Soldaten somit eine vollständige und auf Freiwilligkeit beruhende Identifikation mit den Zielen und der Organisation des Militärs.63 Somit ist der Gehorsam zwar bindend, lässt aber gleichzeitig eine autonome Entscheidung zur Verweigerung zu.64

In der neueren Militärgeschichte wird der Soldat als soziales Wesen begriffen. Dementsprechend beinhalten soziale Machtbeziehungen einen Einfluss auf die Fähigkeiten und Handlungsbedingungen des Einzelnen.65 Schließlich sei der Soldat ebenso durch biologische und psychosoziale Funktionen in der Lage, Entscheidungen für sich und andere zu treffen und emanzipiere sich somit in einer ..exzentrischen Positionalitätf66 Die Bedeutung der Befehlsverweigerung und der daraus resultierenden Desertion im Fall von Eddie Slovik findet sich in jener Subjektivität. Mit der Priorisierung ziviler Interessen und der Verweigerung militärischer Pflichten, die Slovik weder in seinem Geständnis noch während des Court-Martial näher erläutert, begibt sich Slovik in jene exzentrische Positionalität, die eine vollständige Nachvollziehbarkeit des Handelns unmöglich macht. Dennoch bleibt seine Desertion im Kontext der militärischen Wertegemeinschaft bewertbar und verfestigt sich im Verständnis militärkultureller Begebenheiten.

3.2 US-amerikanischer Militärkultur

Durch die besondere Stellung und Funktion des modernen Militärs als außenstehende Schutzinstanz des Staates entwickelte sich die Institution weitläufig theoriefrei. Auch hier ist das militärische System wiederum nicht autark, sondern gebunden an politische Verhältnisse und Gesellschaftsformen.67 Weder der Geschichtswissenschaft noch der Militärsoziologie ist es bisher gelungen entscheidende Charakteristika der militärischen Institution zu benennen, wodurch der Begriff ,Militärkultur‘ jeweils abhängig der ihr obliegenden politischen und gesellschaftlichen Hierarchie- und Ordnungsmechanismen verstanden werden muss.68 Das hier bedeutende Verständnis der US-amerikanischen Militärkultur mit einer starken Akzentuierung der Befehlsgewalt, die auch in der Überzahl der westlichen Demokratien zu finden ist, kennzeichnet sich durch die Herrschaft legitimierter Einzelner.69 Ebenjene bestimmen sowohl die Zugangsbeschränkungen als auch Exklusions- und Inklusionsmechanismen zur Reproduktion der internen Hierarchie. Die Legitimität militärischer Selektions- und Befehlspraxis rekurriert hierbei auf die jeweilige politische Mächteverteilung. Mit dem Zuspruch der Militarisierung demokratisch gewählter Administrationen erhält somit auch die militärische Kultur ihre Berechtigung von ziviler Seite.70 Demnach beruft sich das Militär auf zivile Nachfrage nach Bewaffnung und Verteidigung und organisiert sich aus dem Willen des Staates heraus, schlussendlich gründe sich jeder Staat direkt oder indirekt auf der Ausübung physischer Gewalt.71 Als Teil eines staatlichen Gewaltmonopols unterliegt ebenso das Militär einer politischen Kontrolle. Nicht nur zum staatlichen Selbstschutz, beispielsweise im Falle eines Militärputsches, sondern auch zur Sicherung der innerstaatlichen Verhältnisse etablierte sich ein Rechtskodex auf Grundlage vorherrschender politischer Ideologien.72

Die Legitimation des Kriegseinsatzes konnte Roosevelt besonders durch die Verbreitung des Massenmediums Radio sichern. Durch rege Ansprachen, bekannt als ,Fireside chats‘, gelang es Roosevelt die militärische Aggressivität in ihrem Zweck für die US-amerikanische Bürgerschaft und ihre Ideale zu legitimieren: „(...) by abandoning ourfreedom, our ideals, our way of life, can we build our defenses adequately, can we match the strength of the aggressors (..J“73. Der Erfolg medialer Glorifizierung des eigenen zivilen Standards und der Dämonisierung des Feindes war schlussendlich relevant für die Toleranz der Bevölkerung zur Tötung der feindlichen Armee und dem hohen Aufgebot kampffähiger Soldaten.74 Ohnehin bewährte sich für die Rekrutierung US-amerikanischer Soldaten bis in das 21. Jahrhundert die Konstruktion eines starren und bösen Feindbildes.75 76 Für den Eintritt der USA galt der scheinbar provokationslose deutsche Angriff auf das US-amerikanische Kriegsschiff Greer als Auslöser für den intervenierenden Einsatz auf dem europäischen Festland. Darauffolgend stützte sich die Eintrittsbegründung auf weitere Angriffe auf amerikanischer Schiffe wie der USS Kearny und der USS Reuben James7 Zum Schutz der globalen Freiheit auf See, sei eine Intervention demnach unabdingbar. Aufgrund der Argumentation für den Kriegseinsatz und deren Vorbereitung lässt sich in Bezug auf ein gesellschaftliches Bewertungsschema von Feigheit und Tapferkeit schlussfolgern, dass schon die freiwillige Rekrutierung für den Einsatz unter US-amerikanischer Flagge mitbegründend für die individuelle Gestaltung eines Heldenepos fungiert. Die eindeutige Schuldzuweisung dient hiernach nicht nur der Eintrittslegitimation, sondern auch der erfolgreichen Durchsetzung staatlicher Kriegsinteressen ohne Rekurs auf gesellschaftliche Normen und Werte sowie und der Motivation der Soldaten, am good war zu partizipieren.77

Die Kultur des Militärs stellt in poststrukturalistischen Gesellschaften eine Ausnahmeerscheinung dar. Als Institution steht die militärische Sozialisation konträr zur zivilen, demokratischen und freiheitsbetonenden Norm. Mit der Ausbildung zur Verwundung oder Tötung anderer, identifiziert sich das Militär nicht mit bürgerlichen Grundsätzen. Die Verarbeitung und Reflexion eigener und fremder Realitäten zur Überwindung individueller und gemeinschaftlicher Entwicklungs- und Bewältigungsaufgaben sind in der militärischen Sozialisation obsolet.78 Die Ausprägungen der US-amerikanischen Militärkultur sind schließlich kategorisierbar in Machtausübung und Hierarchie. Der soldatische Alltag kennt keine eindeutige Trennung einzelner Lebensbereiche wie Arbeit und Freizeit, stattdessen werden diese prägnant durch die Abtrennung von der Außenwelt in einer ausgeprägten Sozialisation in Form der Kasernierung zusammengefügt.79 Mit der Unterwerfung sämtlichen Individualismus einer Autorität formiert sich das Militär zu einem Widerspruch zu bürgerlicher Freiheit und mit der Diskrepanz zwischen Führung und Heer ermöglicht die soziale Hierarchisierung eine höhere Bandbreite an Sanktionen und deren Ausführung.80 Die Uneigennützigkeit des soldatischen Befehlsgehorsams und die damit einhergehende Ehrerhaltung militärischer Eliten kollidieren hier mit einer individualisierten zivilen Gesellschaft und ergeben einen unvereinbaren Widerspruch trotz ihrerjeweiligen Abhängigkeit. Für ihrenjeweiligen Erhalt ist die Kommunikation beider Gesellschaften auf eine gewisse Flexibilität ihrer Tugenden, gar auf eine Scheinheiligkeit ihrer ideologischen Ausrichtungen angewiesen.81

Die Sozialisation und Berufsausbildung des Soldaten erfolgen primär durch tradierte Konzeptionierungen und der Anbindung an die Befehlsgewalt. Mit der zivilgesellschaftlichen Isolation, durch Uniformierung und Reduzierung individueller Handlungen und Entscheidungsfindungen werden dem Soldaten die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und das in ihr entstehende Wir-Gefühl ermöglicht.82 In der hierarchisch bestimmten Disziplinierung durch Zeitmanagement, Konditionierung, Gehorsam und Verhaltenskontrolle einerseits, der sozialen Einreihung in der Truppe und der Ausübung solidarischer Rituale andererseits bemüht sich die militärische Institution um die vollständige Integrität des Einzelnen und um die Loyalität der Einheit.83 In diesem Kontext ist neben politischer Unabhängigkeit des Militärs ebenso auf eine heterogene und militärische Streitmacht zu verzichten, da die Aufgabenerfüllung und das gemeinsame Ziel, der Schutz und die Verteidigung einer Nation, ansonsten als gefährdet betrachtet werden könne.84 Diese totale Profession des Soldaten spiegelt sich nicht nur in der ständigen Anwesenheit und Gemeinschaft wider, sondern die Kalkulation des eigenen Todes im Schlachtfeld bestärkt den Charakter einer außeralltäglichen Leistung. Obwohl sie in den wenigsten Fällen benötigt wird, ist die ständige Einsatzbereitschaft obligatorisch.85

Während der Rekrutierung US-amerikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg verzichtete man jedoch, besonders aus zeitlichen Gründen, auf den Prozess der Inklusion in die jeweiligen Truppen. Eddie Slovik, der während der Rekrutierung als ungeeignet galt, wurde im November 1943 schließlich infolge der Herabsetzung der Rekrutierungsstandards einberufen und ab Januar des Folgejahres in einer achtmonatigen Grundausbildung für den Einsatz in Europa vorbereitet. Seine eigentliche Einheit, das 109. US-Infanterieregiment, traf erjedoch nicht wie geplant an, sondern verweilte als Dissident im kanadischen Lager.86 Die Funktion der Einheit als ausführendes Organ eines sozialen Drucks zur Erhaltung der Konformität, hätte sich hier in kürzester Zeit bewähren müssen, um die Gefahr der Desertion zu begrenzen. Demnach beruhen die Ausführung der militärischen Loyalität und die Bewährung des Soldaten als tapfer kämpfender Held auf der individuellen Ausführung des Marschbefehls, die unter normativen Umständen die Inklusion in den jeweiligen Trupp gewährleistet hätte.87

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1 Leonard B. Taub an Secretary of the Army. Eing. 29.06.1974. In: National Archives: Court-Martial Case 290498. Correspondence File (1).

2 Vgl. Huie, W. B.: The Execution ofPrivate Slovik. New York 1954. S. 121-150.

3 Pohlmanns Konstruktion von Feigheits- und Tapferkeitsidealisierung basierend auf sozial-anthropologischen Konzeptionierungen nach Immanuel Kant findet vorrangig Anwendung in demokratischen Gesellschaften, in denen die soziale Bewertung von einer Allgemeinheit ausgehe und ihre Zweckmäßigkeit auch in dieser zu finden sei. Vgl. dazu: Kant, I.: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Stuttgart 1983 (1798). Konträr dazu gehen Analysen von Feigheits- und Tapferkeitskonnotationen sozialistischer und autoritärer Regime von einer regierungsabhängigen Definition und Verwendung der Begrifflichkeiten aus, deren Funktion sich ausschließlich auf die Unterstützung und Bestätigung des politischen Systems beschränke. Hierbei wird auf die Aufhebung einer Differenzierung von subjektiven und objektiven Geschehen zur Erlangung eines .natürlichen Bewusstseins‘ nach Hegel verwiesen. Vgl dazu: Sandkühler, H. J.: Hegel. Philosophie des Geistes statt Erkenntnistheorie. In: Ders. (Hrsg.): Handbuch deutscher Idealismus. S. 110-115. Wissenschaftliche Anwendungen fanden diese vorrangig in der Bearbeitung von Dissidenten des nationalsozialistischen und sowjetischen Regimes. Vgl. dazu: Marti, P.: Der Fall Reinefarth. Eine biografische Studie zum öffentlichen undjuristischen Umgang mit der NS-Vergangenheit. Beiträge zur Zeit- und Regionalgeschichte. Neumünster u.a. 2014; Hagen, M. von: Soldiers in the Proletarian Dictatorship. The Red Army and the Soviet Socialist State. 1917-1930.Ithacau.a. 1990.

4 Vgl. Tuider, E.: Normativität in den Cultural Studies. Intellektuelle Praxis als Politik. In: Ahrens, J. u.a. (Hrsg.): Normativität. Über die Hintergründe sozialwissenschaftlicher Theoriebildung. Wiesbaden. 2011. S. 317.

5 Vgl. Stouffer, S.: The American Soldier. Combat and its aftermath. Studies in Social Psychology in World War II (2). Princeton 1949. Ebenso gelang es Hans Magnus Enzensberger 1964 unter dem Aspekt der Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges, den Fall Eddie Slovik beispielhaft für die Kriegsverbrechen der USA zu verarbeiten und stilisierte darin die USA bedingt durch ihr moralisches Normativ als kriegstreibend. Vgl. dazu: Enzensberger, H. M.: PolitikundVerbrechen. Frankfurtam Main. 1964. S. 241-282.

6 Mann, M.: Geschichte der Macht. Bd. 1. Von den Anfängen bis zur Griechischen Antike. Frankfurt am Main u.a. 1990. S. 22, weiter dazu: Mann, M.: Krieg und Gesellschaftstheorie. In: Knöbl, W.; Schmidt, G. (Hrsg.): Die Gegenwart des Krieges. Frankfurt am Main 2000. S. 25-51.

7 Die relativ späte Erscheinung soziologischer Phänomenologie in militärischen Gesellschaften ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Militärgeschichte lange Zeit von tiefgreifenden Veränderungen ihrer Betrachtungsschwerpunkte unberührt blieb. Erst mit der Etablierung moderner Militärgeschichte in den späten 70er und 80er Jahren folgte auch das Interesse soziologischer und kulturhistorischer Fragestellungen. Vgl. dazu: Warburg, J.: Das Militär und seine Subjekte. Zur Soziologie des Krieges. Bielefeld 2008. S. 5-9.

8 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. A briefHistory. Princeton 2014. S. 49.

9 Vgl. Boehm, C.: Moral Origins. The Evolution ofVirtue, Altruism, and Shame. New York 2012. S. 188.

10 Vgl. Vollstedt, A.: Tapferkeit. In: Frey, D.: Psychologie de Werte. Von Achtsamkeit bis Zivilcourage - Basiswissen aus der Psychologie und Philosophie. Berlin u.a. 2016. S.214.

11 Erniedrigende Zuschreibungen verdeutlichen sich nicht nur in ihrem verwendeten Kontext. Auch die Verwendung von Synonymen des Feiglings wie ,Memme‘ oder ,Drückeberger‘ verdeutlichen den degradierenden Charakterjener Begrifflichkeit. Vgl. dazu: Walsh, C.: Cowardice. S. 21-24.

12 Vgl. ebd. S. 2-6.

13 Parker, T.: The Violence of Our Lives. Interviews with American Murderers. New York 1995. S. 167.

14 Neben Intentionen des Selbstzwecks, wie der Gewinn von Status oder die Sicherung des eigenen Lebens durch Kampfhandlungen, sind es vor allem altruistische Zwecke, die der Untermauerung individueller Tapferkeit zugutekommen. Vgl. dazu: Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. SWR2-Essay. 11. Dezember 2017. S. [https://www.swr.de/-/id=20516546/property=download/nid=659852/cyaosf/swr2-essay-20171211.pdf, zul. aufgerufen am 13.01.20].

15 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 139.

16 Vgl. Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 5.

17 Vgl. ebd. S. 6-7.

18 Vgl. Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 8., Kant, I.: Anthropologie. S. 256.

19 Vgl. Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 6.

20 ebd. S. 8.

21 Dies manifestiert sich in seiner Unterzeichnung des Geständnisses und seiner Erklärung über die rechtlichen Konsequenzen die seine Desertion nach sich ziehe. Vgl. Written Confession of Private Eddie. D. Slovik. In: General Court-Martial United States v. Eddie D. Slovik [Pros.Ex.4]. 04.11.1944. In: In: National Archive: Court-Martial Case 290498 Record ofTrial. S. 12.

22 Die Vorstellung von Tapferkeit beruht hier auf außeralltäglichen und überdurchschnittlich risikoreichen Handlungen. In ihrer Rezeption und Deutung bezieht sie sich in tradierter Form auf Aristoteles1 Nikomachische Ethik: „Jede Kunst und jede Lehre, ebenso jede Handlung und jeder Entschluß scheint irgendein Gut zu erstreben (...) diese werden umjener willen verfolgt.“ Aristoteles: Nikomachische Ethik. Ed. Nickel, R. von. 2. Aufl. Düsseldorf2014. S. 11.

23 Vgl. Vollstedt, A.: Tapferkeit. S. 216.

24 Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 10.

25 Vgl. Vollstedt, A.: Tapferkeit. S. 216.

26 Vgl. Wolf, U.: Aristoteles1 Nikomachische Ethik. Darmstadt 2002. S. 115.

27 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 47.

28 Vgl. Pieper, J.: Über die Tugenden. Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß. 3. bearb. Aufl. München 2004. S. 122.

29 Vgl. Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 8-10.

30 Vgl. Pohlmann, F.: Mut und Feigheit. S. 10.

31 Vgl. ebd. S. 12.

32 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 15.

33 Washington, G.: General Orders 7.7.1775. In: The Papers of George Washington, Ed. Crackel, T. J. Charlottesville 2008. [http://rotunda.upress.virginia.edu/founders/ GeWn-03-01-02-0040, zuletzt aufgerufen am: 23.01.20].

34 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 45., Darwin, C. R.: The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex. Princeton 1982 (1871). S. 98.

35 Pike, N.; Manica, A.: The Basis of Cowardice in Social Defenders. In: Ecological Modelling 196 (2006). S. 179.

36 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 49.

37 Washington, G.: General Orders 7.7.1775.

38 Vgl. Winthrop, W.: Military Law and Precedents. Washington 1920 (1896). S. 138-155. Übernommen ist diese Handhabung bereits aus antiker Sanktionierung von Dissidenten, die ihre Tätowierungen oder Brandzeichen jedoch im Kopf- oder Halsbereich erhalten haben sollen. Vgl. dazu: Jones, C. P.: Stigma. Tattooing and Branding in Graeco-Roman Antiquity. In: JRS 77 (1987). S. 139-155.

39 Vgl.: Court-Martial ofPrivate Andrew Cronan, Rec. Group 153, LL151. n. Walsh, C.: Cowardice. S. 141.

40 Vgl. Washington, G.: General Orders 1.3.1778. In: The Papers of George Washington, Ed. Crackel, T. J. Charlottesville 2008. [http://rotunda.upress.virginia.edu/founders/ GeWn-03-14-02-0001z, zul. aufgerufen am: 23.01.20].

41 Walsh, C.: Cowardice. S. 11.

42 Nussbaum, M. C.: Hiding from Humanity. Disgust, Shame and the Law. Princeton 2004. S. 184.

43 Vgl. Sledge, E. B.: With the Old Breed, at Peleliu and Okinawa. Novato 1981. S. 118.

44 Vgl. Warburg, J.: Subjekte. S. 13.

45 Schuessler, J. M.: Deceit on the Road to War. Presidents, Politics, and the American Democracy. Ithaca u.a. 2015.S.2.

46 Vgl. Herman, A.: Freedom’s Forge. How American Business Produced Victory in World War II. New York 2012. S. 12.

47 Vgl. Lachenmann, F.; Wolfrum, R.: The Law of Armed Conflict and the Use of Force. The Max Planck Encyclopedia ofPublic International Law. Oxford 2017. S. 176.

48 Vgl. ebd. S. 175.

49 Es erscheint beachtlich, dass diese Prozentzahl allem Anschein nach als geringe Zustimmung aufgefasst wird. Gleichzeitig beweist sie die Abhängigkeit des Krieges vom gesellschaftlichen Konsens. Deutungsmuster von Feigheit und Tapferkeit entstehen also auf einer nahezu homogenen Basis. Vgl. dazu: Ebd. S. 28-30.

50 Vgl. Reynolds, D.: From Munich to Pearl Harbor. Roosevelt’s America and the Origins oft he Second World War. Chicago 2001. S. 94.

51 Vgl. Casey, S.: Cautious Crusade. American Public Opinion, and the War against Nazi Germany. Oxford 2001. S. 30.

52 Vgl. Mentzos, S.: Der Krieg und seine psychosozialen Fuktionen. Frankfurt am Main 1993. S. 38.

53 Vgl. Hagen, U. von: Homo militaris. Perspektiven einer kritischen Militärsoziologie. Bielefeld 2012. S. 7.

54 Vgl. Warburg, J.: Subjekte. S. 339.

55 Hierbei erfolgt die Analyse einer ähnlichen Herangehensweise wie der neueren Militärsoziologie, die das Militär und ihre Akteure nicht mehr als uniformierte Einheit betrachtet, sondern der Funktion des Individuums eine höhere Gewichtung verleiht als einer gesellschaftlichen Dynamik. Vgl. dazu: Warburg, J.: Subjekte. Bielefeld2008. S. 7-10.

56 Hagen, U. von: Homo militaris. S. 278.

57 Ebd. S. 281.

58 Vgl. Biehl, H.: Kampfmoral und Kohäsion als Forschungsgegenstand, militärische Praxis und Organisationsideologie. In: Apelt, M.: Forschungsthema: Militär. Militärische Organisationen im Spannungsfeld von Krieg, Gesellschaft und soldatischen Subjekten. Wiesbaden 2010. S. 149.

59 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 6.

60 Vgl. Ebd. S. 100-101.

61 Vgl. dazu: Pryor, E. B.: Reading the Man. A Portrait of Robert E. Lee Through His Private Letters. Penguin 2008., Reid, B. H.: Robert E. Lee. Icon for a Nation. London 2005., Falko, H.: Robet E. Lee und Ulysses S. Grant. Eine Gegenüberstellung der bedeutendsten Generale des amerikanischen Bürgerkrieges. Wyk/Föhr 2003.

62 Graves, C. A.: The forged Letter of General Robert E. Lee. Hot Springs 1914. S. 7.

63 Vgl. Taylor, J. M.: Duty Faithfully Performed. Robert E. Lee and His Critics. Washington 1999. S. 238.

64 Die Positionierung von potenziell feigen Soldaten findet sich bereits in Homers Beschreibung der Phalanx: Die mutmaßlich Feigen stehen innerhalb, die Tapferen außerhalb der Formation, um im Zweifel den Kampf zu erzwingen. Somit wird die Selbstbestimmung zu Gunsten des Befehls eingeschränkt. Vgl. dazu: Homer: Illias. Ed. Hampe, R.. Stuttgart 1979. S. 102-103.

65 Vgl. Mann, M.: Geschichte der Macht. S. 22.

66 Warburg, J.: Subjekte. S. 339. Mit der Terminologie verweist Warburg auf die subjektive Wahrnehmung und deren Gehalt für die individuelle Entscheidungsfindung, die sich auch unabhängig des erlernten Habitus oder gesellschaftlicher Erwartung, wiederfinden ließe. Hierin begründet sich ebenso die Annahme, dass sämtliche Vorgänge, durch mangelnde Nachvollziehbarkeit von Handlungen nicht vollständig erschließbar sind.

67 Vgl. Hagen, U. von: Homo militaris. S. 8-10.

68 Vgl. ebd. S. 8.

69 Herrschaft durch legitimierten Befehl kennzeichnet besonders die Herrschaftstheorie Max Webers. In dessen Konzeptionierung ist der Staat die legitimationsstiftende Macht und erwirkt somit ein gewisses Feld der Unabhängigkeit des Militärs, gegebenenfalls auch die Unabhängigkeit von allgemeingültigen Bürgerrechten. Vgl. dazu: Weber, M.: Wirtschaftund Gesellschaft. Grundriss derverstehenden Soziologie. 3. Aufl. Frankfurt am Main 2005 (1922). S. 34-39. Einen anderen theoretischen Ansatz bietet Pierre Bourdieu mit der reflexiven Sozialtheorie. Ausgangspunkt dessen ist die Konzeptualisierung des Militärs durch die Tradierung von Regularien. Bourdieu nach lasse sich die militärische Kultur am erlernten Habitus erkennen, anhand dessen die Selektion der Führungsriege vorgenommen werde. Die Legitimation durch Staatentreue, Bewährung in der Verteidigung der Nation und der Rückberufung auf das Primat der Politik durch das Prinzip des Befehls und Gehorsams berechtige erst zur Bewaffnung und zur Gewaltausübung. Vgl. dazu: Voigt, R.: Das Machtdreieck. Staat-Macht-Legitimität. Bourdieus Versuch, die verborgenen Mechanismen der Macht zu entschlüsseln. In: Hirsch, M., Voigt, R. (Hrsg.): Symbolische Gewalt. Politik, Macht und Staat bei Pierre Bourdieu. Baden-Baden 2017. S. 35-54.

70 Vgl. von Hagen, U.: Homo militaris. S. 275.

71 Vgl. Weber, M.: WirtschaftundGesellschaft. S. 12.

72 Vgl. Kernic, F.: Militär und Gesellschaft. Ein transatlantischer Vergleich. In: Gareis, S. B.; Klein, P. (Hrsg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft. 2. Aufl. Wiesbaden 2006. S. 203-204.

73 Roosevelt, F. D.: May 26, 1940. Fireside Chat 15: On National Defense. Transcript. [https://millercenter.org/the-presidency/presidential-speeches/may-26-1940-fireside-chat-15-national- defense, zuletzt aufgerufen am 28.01.20].

74 Vgl. Walsh, C.: Cowardice. S. 118.

75 Auch den folgenden sogenannten ,Stellvertreterkriegen‘ wie dem Korea- oder Vietnamkrieg geht eine ähnliche Argumentation eines stringenten ,Gut-gegen-Böse‘-Schemas voraus. So lässt sich an sämtlichen US- amerikanischen Kriegseinsätzen die Konstruktion eines ,Heros‘ simplifizieren, der auf der Seite der ,Guten‘ kämpfe. Vgl. dazu: Schroeder, P. W.: USA. Die unvollendete Geschichte einer Supermacht. Würzburg 2010. S. 75-87.

76 Vgl. Schuessler, J. M.: Deceit. S. 45.

77 Vgl. ebd. S. 56; Kernic, F.: Militär und Gesellschaft. S. 201.

78 Vgl. Apelt, M: Militärische Sozialisation. In: Gareis, S. B.; Klein, P. (Hrsg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft. 2. Aufl. Wiesbaden 2006. S. 26-27.

79 Vgl. ebd. S. 31.

80 Vgl. ebd. S. 31-32.

81 Vgl. Hagen, U. von: Homo militaris. S. 281.

82 Vgl. Apelt, M.: Militärische Sozialisation. S. 30. Mit der Konzentrierung der Auszubildenden an einem Ort obliegt die Toleranz für Diversität in der Truppe dem jeweiligen Ausbilder. Sie ist dabei abhängig von Ausbildungsziel, Einsatzfähigkeit der Truppe und Profession im Feld. Vgl. dazu: Büchl, M.: U.S. Infantry Riflemen and the War against Hitler’s Wehrmacht in the Mediterranean an Northwestern Europe. o.O. 2016. S. 71.

83 Vgl. Apelt, M.: Militärische Sozialisation. S. 30.

84 Vgl. Kernic, F.: Militär und Gesellschaft. S. 205.

85 Vgl. von Hagen, U.: Homo militaris. S. 272-280.

86 Vgl. Board ofReview: United States v. Private Eddie D. Slovik. 06.01.1945. In: National Archive: Court­Martial Case 290498 Record ofTrial. S. 152-154.

87 Vgl. Biehl, H.: Kampfmoral. S. 142.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Tapferkeits- und Feigheitsideale in den USA. Der Fall Eddie Slovik
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Autor
Jahr
2020
Seiten
49
Katalognummer
V937571
ISBN (eBook)
9783346264756
ISBN (Buch)
9783346264763
Sprache
Deutsch
Schlagworte
tapferkeits-, feigheitsideale, fall, eddie, slovik, USA, Militärgeschichte, Mentalitätsgeschichte, Mut, Feigheit
Arbeit zitieren
Annika Van der Hoek (Autor:in), 2020, Tapferkeits- und Feigheitsideale in den USA. Der Fall Eddie Slovik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/937571

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