Fest verankert im humanistischen Psychotherapieverständnis nach Carl Rogers unterscheidet sich die zwischenmenschliche Beziehung, als Zentralelement der Personzentrierten Kinder- und Jugendpsychotherapie, in sozialen Gesetzmäßigkeiten und Wirkungsformen nicht von anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die auf Forschungsbefunden, sowie u.a. der Bindungstheorie nach Bowlby (1969) begründete klientzentrierte Entwicklungstheorie besagt: Im Säuglings- und Kleinkindalter baut sich das Selbst- und Fremdverständnis abhängig von feinfühliger Deutung und Beantwortung angeborener Gefühls- und Lebensäußerungen auf. Sehr große Relevanz dabei hat das selbstwertregelnde Bindungsbedürfnis nach positiver Beachtung und Orientierung durch primäre Bezugspersonen.
Diesbezüglich beeinflusst bereits in den ersten Lebensjahren ein anhand durchschnittlicher Beziehungserfahrungen ausgebildeter, das spätere Leben prägender Verhaltensstil die Aktualisierung des Selbstbildes. Jene kann über die Kind- und Jugendzeit in Verbindung mit emotional getönten introjected values primärer Bezugspersonen fälschliche Selbstkonzeptannahmen hervorrufen, mitbedingt durch u.a. den sozialökologischen Lebensraum, sowie genetische Veranlagung. Dabei wird intrinsisch motiviert gesundes Unterscheiden zwischen förderlicher und nicht-förderlicher gesamtorganismischer Erfahrung zugunsten an introjekts angepasst, verzerrter Wahrnehmung vor dem Bewusstsein verleugnet. Bedrohliches Inkongruenzerleben eigenen Selbstwertverlustes soll somit vermieden werden. Entsprechend entwicklungsförderliche Bedürfnisbefriedigungen werden vernachlässigt und innerseelische Stabilität symptomatisch herzustellen ersucht.
Vorgestellte an Axline (1947) orientierte therapeutische Konzepte postulieren, negative Entwicklungsprozesse, fälschliche Selbstkonzeptannahmen durch eine Beziehungsgestaltung auszugleichen, welche gemäß klientzentrierter Entwicklungstheorie in Säuglings- und Kleinkindzeit ausschlaggebend für eine gesunde Selbstentwicklung ist.
Kongruent, sich seiner gewahr, als individuell voll präsent modellgebende Person lässt der Therapeut den Klienten ein wertschätzend, nondirektiv, gewährendes Klima spüren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rogers und die zwischenmenschliche Beziehung in der Therapie
- Welche Rolle spielt die zwischenmenschliche Beziehung in der personzentrierten Kinder- und Jugendpsychotherapie?
- Aufbau der Arbeit
- Der personzentrierte Ansatz in der Kinder- und Jugendpsychotherapie
- Entwicklung und Verbreitung nach Deutschland
- Humanistisches Werteverständnis
- Rogers Persönlichkeitstheorie
- Die Aktualisierungstendenz
- Die Selbstaktualisierungstendenz
- Die Identität als eine Summe aus Beziehungserfahrungen
- Klientzentrierte Entwicklungstheorie
- Die Formung der kindlichen Individualität
- Der Zusammenhang zwischen Bindungstheorie und Selbstkonzept
- Der therapeutische Kontakt – eine zwischenmenschliche Beziehung
- Die Förderung der Aktualisierungstendenz
- Ziel des therapeutischen Kontaktes – ein sicheres Bindungsverhalten
- Das Herstellen einer stabilen Bindungserfahrung zur Reorganisation des Selbst
- Ein offenes Beziehungsangebot
- Seelische Wandlungsprozesse
- Anforderungen und mögliche Schwierigkeiten
- Die Beziehungsgestaltung im zwischenmenschlichen Kontext
- Der Klient und sein sozialökologisches Umfeld
- Die Beziehungsgestaltung innerhalb möglicher Anwendungsformen
- Einzeltherapie / Spieltherapie
- Familienspieltherapie
- Gruppentherapie
- Anwendungskonzepte therapeutischer Beziehungsgestaltung
- Die 8 Grundprinzipien der Kinderspieltherapie nach Axline (1947)
- Warme freundliche Beziehungsaufnahme beim Erstkontakt
- Die vollständige Annahme des Kindes
- Herstellen eines Klimas des Gewährenlassens
- Erkennen und Reflektieren von Gefühlen
- Die Achtung vor dem Kind
- Das Kind weist den Weg, der Therapeut folgt ihm
- Therapie kann nicht beschleunigt werden
- Der Wert von Begrenzungen
- Konzept spieltherapeutischer Interaktionsresonanz (Behr, 1996)
- Regelspiel
- Rollenspiel
- Differenzielles Interventionskonzept Prozess leitender Hilfen (Schmidtchen, 2002)
- Ziel und theoretischer Hintergrund
- Interventionsstrategien des multidimensionalen Ansatzes
- Zielorientierte Anwendung
- Was sagen Forschungsbefunde über die Rolle der zwischenmenschlichen Beziehung aus?
- Befunde aus der Therapeuten- Prozessforschung
- Beispielstudien
- Ergebnissauswertungen in zusammenfassendem Überblick
- Effektivitätsstudie zum differenziellen Interventionskonzept Prozess leitender Hilfen (Schmidtchen, Hennies & Acke, 1993)
- Fazit - Welche Rolle spielt die zwischenmenschliche Beziehung?
- Zwischenmenschliches Beziehungsverhalten wirkt auf seelische Selbstheilung
- Parallele zur zwischenmenschlichen Ur- Beziehung
- Förderung kongruent geteilter Intersubjektivität
- Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle der zwischenmenschlichen Beziehung in der personzentrierten Kinder- und Jugendpsychotherapie (PTKJ). Sie analysiert, wie die Qualität der Beziehung zwischen Therapeut und Klient sowie des Klienten zu seinem sozialen Umfeld die therapeutischen Prozesse beeinflusst und zur Selbstentwicklung des Kindes oder Jugendlichen beiträgt.
- Das humanistische Werteverständnis und die personzentrierte Theorie nach Carl Rogers
- Die Bedeutung von Bindungs- und Beziehungserfahrungen für die Entwicklung des Selbstkonzepts
- Die Rolle des therapeutischen Kontakts als sichere Bindungserfahrung
- Die Gestaltung der therapeutischen Beziehung im Kontext verschiedener Settings wie Einzel-, Familien- und Gruppentherapie
- Aktuelle Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit der personzentrierten Therapie im Hinblick auf die zwischenmenschliche Beziehung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor, die die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehung in der PTKJ untersucht. Es wird auf Carl Rogers' Sichtweise auf die Therapie als eine Form der zwischenmenschlichen Beziehung eingegangen und der Aufbau der Arbeit erläutert.
- Der personzentrierte Ansatz in der Kinder- und Jugendpsychotherapie: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung und Verbreitung des personzentrierten Ansatzes in Deutschland sowie dessen humanistisches Werteverständnis. Es werden die zentralen Elemente von Rogers' Persönlichkeitstheorie, wie die Aktualisierungstendenz und die Selbstaktualisierungstendenz, sowie die Bedeutung von Beziehungserfahrungen für die Identitätsentwicklung dargestellt. Der Zusammenhang zwischen Bindungstheorie und Selbstkonzept wird im Kontext der klientzentrierten Entwicklungstheorie betrachtet.
- Der therapeutische Kontakt – eine zwischenmenschliche Beziehung: Dieses Kapitel fokussiert auf die Rolle des therapeutischen Kontakts als eine sichere Bindungserfahrung. Es wird erklärt, wie die Förderung der Aktualisierungstendenz durch die Gestaltung einer wertschätzenden und empathischen Beziehung zwischen Therapeut und Klient erreicht werden kann. Die Bedeutung des Herstellens einer stabilen Bindungserfahrung für die Reorganisation des Selbst wird ebenfalls beleuchtet.
- Die Beziehungsgestaltung im zwischenmenschlichen Kontext: Dieses Kapitel befasst sich mit der Gestaltung der therapeutischen Beziehung im Kontext des sozialen Umfelds des Klienten. Es werden die verschiedenen Formen der Beziehungsgestaltung in Einzeltherapie, Familienspieltherapie und Gruppentherapie diskutiert.
- Anwendungskonzepte therapeutischer Beziehungsgestaltung: Dieses Kapitel präsentiert verschiedene konkrete Konzepte der therapeutischen Beziehungsgestaltung, wie die 8 Grundprinzipien der Kinderspieltherapie nach Axline, das Konzept spieltherapeutischer Interaktionsresonanz und das differenzielle Interventionskonzept Prozess leitender Hilfen.
- Was sagen Forschungsbefunde über die Rolle der zwischenmenschlichen Beziehung aus?: Dieses Kapitel beleuchtet die Forschungsbefunde zur Wirksamkeit der zwischenmenschlichen Beziehung in der PTKJ. Es werden Beispiele aus der Therapeuten-Prozessforschung und Ergebnissauswertungen vorgestellt, die die Bedeutung der Beziehung für die therapeutische Wirkung belegen.
Schlüsselwörter
Personzentrierte Kinder- und Jugendpsychotherapie, zwischenmenschliche Beziehung, therapeutische Beziehung, Bindungstheorie, Selbstkonzept, Aktualisierungstendenz, Selbstaktualisierungstendenz, humanistisches Werteverständnis, Spieltherapie, Familientherapie, Gruppentherapie, Interventionskonzepte, Prozess leitender Hilfen, Forschungsbefunde, Wirksamkeit
- Arbeit zitieren
- Henrike Marie Stock (Autor:in), 2008, Die Rolle der zwischenmenschlichen Beziehung in der personzentrierten Kinder- und Jugendpsychotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93795