Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition soziale Ungleichheit
3 Definition Gesundheit
4 Gesundheitlichen Ungleichheit
4.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit
4.2 Der soziale Gradient
4.3 Soziale Determinanten der Gesundheit
4.3.1 Arbeitsbedingungen
4.3.2 Wohnbedingungen
4.3.3 Lebens- und Verhaltensweisen
4.4 Definition Sozioökonomischer Status
4.4.1 Einkommen
4.4.2 Erwerbstätigkeit/Beruflicher Status
4.4.3 Bildung
5 Sozialpolitische Absicherung der Gesundheit des deutschen Gesundheitssystems
5.1 Gesetzliche Krankenversicherung
5.1.1 Zusatzleistungen
5.1.2 Zuzahlungen
5.2 Private Krankenversicherung
5.3 Soziale Ungleichheit innerhalb des Gesundheitssystems
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 ALLBUS 1980-2012 kumuliert, ALLBUS 2016
Abbildung 2: Das Dahlgren-Whitehead-Modell der Determinanten von Gesundheit. Quelle: Dahlgren & Whithead 1991, S. 11
Abbildung 3: Destatis.de Leben in Europa (EU-SILC). Die Angaben beruhen auf einer Selbsteinschätzung der Haushalte
Abbildung 4: Sozioökonomische Unterschiede in der Gesundheit und Pflegebedürftigkeit älterer Menschen. Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-019-02917-x/figures/3
Abbildung 5: Zeitliche Entwicklung der Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes („weniger gut“ oder „schlecht“) bei 25 bis 69jährigen Frauen und Männern nach Einkommen (altersstandardisiert auf die Europastandardbevölkerung 2013). Quelle: SOEP 19
Abbildung 6: Mittlere jährliche Veränderung der Mortalität nach gruppierten Todesursachen und Bildungsstatus in 17 europäischen Ländern zwischen 1980 und 2010. Quelle: Mackenbach et al. (2017), S. 80
Abbildung 7Gesetzliche Krankenversicherung, Zuzahlungen. Stand: September 2013. Quelle: Klemperer, 2006
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Menschen mit niedrigerer Bildung sind zumeist kränker und sterben deutlich früher als Menschen mit höherem Bildungsstand.“ (Mielck et al., 2012)
Nie war die deutsche Bevölkerung so gesund und wies dabei eine solch hohe Lebenserwartung auf wie in der heutigen Gesellschaft. Während sich der medizinische Fortschritt mitsamt der gesamtheitlichen Gesundheit zunehmend entwickelt, zeichnet sich seit einigen Jahren eine steigende Ungleichheit inmitten der Bevölkerung ab.
So stellte sich heraus, dass Menschen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten ein höheres Risiko einer gesundheitlichen Belastung aufweisen als Menschen aus einer bessergestellten Bevölkerungsgruppe. Auch die Lebenserwartung sei demnach an den „Status“ geknüpft (vgl. Richter & Hurrelmann, 2009, p. 13).
Die Bertelsmann Stiftung merkte in einem Bericht aus dem Jahre 2012 zu den Folgen gesundheitlicher Ungleichheit an, dass der soziale Status nicht nur maßgeblich zur „sozialen Teilhabe“ beitrage, sondern in hohem Maße Effekte auf das gesundheitliche Verhalten aufweisen könne (vgl. ebd.).
Die sozialen Ungleichheiten in dem bestehenden Gesundheitswesen sind dabei kein begrenztes oder gar regionales Problem. Die Thematisierung dieser Thematik zeugt deshalb auch von internationaler Relevanz. Auch in Ländern wie Schweden, Großbritannien und den Niederlanden wird dieses Problem schon seit längerem thematisiert.
So hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) des Öfteren darauf hingewiesen, dass ein Ausgleich zwischen den Lebensbedingungen und den Gesundheitschancen immer notwendiger wird. Die wachsende Aktualität der Thematik lässt auf eine zukünftige Verschärfung dieser sozialen Problematik schließen.
Wie aktuell dieses Problem ist, beschreiben aktuelle Studien, die berichten, dass eine soziale Ungleichheit vermehrt auftritt. Diese Studien schaffen ein Bewusstsein dafür, wie redundant die Thematik der sozialen Ungleichheit auch und gerade im Status quo ist. In Deutschland etwa treten trotz eines hohen Niveaus der medizinischen- und krankenversicherungstechnischen Standards, vermehrt chronische Erkrankungen – vorrangig in den unteren Schichten – auf. Deshalb soll in dieser Arbeit ein Bezug zwischen dem sozialen Status und den damit verbundenen Faktoren der Bildung und des Einkommens auf die Gesundheit in Deutschland hergestellt werden. Zu den oben genannten sozial benachteiligten Schichten zählen unter anderem erwerbstätige Armutsgefährdete, Langzeitarbeitslose, alleinerziehende Mütter, Geringqualifizierte, ältere Menschen, Behinderte sowie Kinder und Jugendliche (vgl. ebd.). So lässt sich auch in der Bundesrepublik, trotz stetiger Bemühungen der Gleichstellung seitens des Sozialstaates, eine Korrelation zwischen dem sozialen Status und dem gesundheitlichen Zustand erkennen.
Dieser Zusammenhang wiederum kann bei Personen in benachteiligten Gesellschaftsschichten zu erhöhten chronischen und/oder akuten Krankheiten führen. Da die Bundesrepublik als Sozialstaat sich gegen eine Chancenungleichheit ausspricht, findet hier eine starke Notwendigkeit des Handels statt. Auch die Tatsache, dass die Thematik der sozialen Ungleichheit weniger ein lokales als ein globales Phänomen zu sein scheint, stellt die Bedeutsamkeit der Thematik heraus.
Zielsetzung dieser Arbeit ist die Betrachtung der gesundheitlichen Ungleichheit im Zusammenhang zwischen dem sozialen und dem gesundheitlichen Status. Um herauszuarbeiten, inwiefern der soziale Status auf die gesundheitliche Situation eines Menschen Einfluss nimmt, ist es unausweichlich, die Ursachen der Entstehung herauszubilden und herauszustellen, welche Auswirkungen diese auf das Individuum haben.
Anhand einer systematische Literaturrecherche soll ein Vergleich zwischen dem Gesundheitszustand und dem sozialen Status angestellt werden, um Informationen und Daten aus bereits vorhandenen zuverlässigen wissenschaftlichen Quellen zu beziehen, welche anschließend auf die Forschungsfrage angewendet werden.
Absicht dieser Arbeit ist es, neben der Literaturrecherche, durch empirische Belege, schichtabhängige Handels- oder Verhaltensweisen herauszubilden. Die Ergebnisse der schichtabhängigen Verhaltensweisen sollen im Folgenden einen Ausblick auf die jeweiligen Gesundheitschancen dieser Schichten geben, um so eine gesundheitliche Ungleichheit herauszuarbeiten und vor allem die Entstehung sozialer Ungleichheit herauszubilden.
Anfänglich ist eine Definition für die Thematik relevanter Termini vorgesehen, welche zur Klärung grundlegender Begrifflichkeiten dient, die zudem auf die Entstehung einer gesundheitlichen Ungleichheit hinweisen können.
Hierauf folgt eine Erschließung der gesundheitlichen Ungleichheit durch den Zusammenhang der sozialen Ungleichheit zwischen dem sozialen Status und dem Gesundheitszustand. Dazu werden verschiedene soziale Strukturen anhand sozialer Modelle untersucht. Neben den Strukturen sozialer Ungleichheit wird im Anschluss Bezug auf den gesundheitsrelevanten Lebensstil genommen, welcher sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt und zur Klärung grundlegender Begrifflichkeiten dient. Der Vergleich der Sachverhalte auf verschiedene soziale Schichten, soll auf die Entstehung einer gesundheitlichen Ungleichheit hinweisen.
Am Ende dieser Arbeit wird die Frage nach der Kausalität zwischen der gesundheitlichen Ungleichheit und dem Zugang der deutschen Gesundheitsversorgung gestellt. Dabei findet eine Erörterung des deutschen privaten- und gesetzlichen Versicherungssystems statt. Abschließend werden alle benannten Faktoren herangezogen, um die Frage der Kausalität beantworten zu können. Aus Gründen des Umfangs beschränkt sich die Recherche ausschließlich auf den deutschen Sozialstaat.
2 Definition soziale Ungleichheit
Als soziales Wesen ist der Mensch auf die Gesellschaft angewiesen, so lebt er in „gesellschaftlichen Gebilden“ (vgl. Hradil, 2005, p. 27). Diese Gebilde bestehen aus mehreren Menschen, etwa in familiären oder in betrieblichen Strukturen. In diesen Strukturen wiederum nimmt er gewisse Positionen oder Rollen ein, welche den bestimmten Merkmalen zugeschrieben werden (vgl. ebd.).
Aufgrund dieser Merkmale und dieser damit entstandenen Rolle, wird ein Individuum innerhalb der Gesellschaft in eine bestimmte Gruppierung eingeordnet (vgl. ebd.). Beispiele für diese Gruppierungen wären etwa „[…] Beruf, Geschlecht, Alter, Familienstand, Konfession, Wohnortgröße etc.“ (ebd.).
Diese verschiedenen Gruppierungen können miteinander verglichen oder voneinander unterschieden werden. Hierbei ist die Wertung der unterschiedlichen Gruppierungen oftmals Indikator für eine soziale Ungleichheit. Häufig werden Gruppen „besser- oder schlechter-, höher oder tiefergestellt“ als andere (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung1ALLBUS 1980-2012 kumuliert, ALLBUS 2016.
So lässt sich jedes Individuum in einen sozialen Status einordnen. Dieser Status setzt sich aus mehreren Stufen zusammen. Beispiele für so eine Stufe sind etwa das Gehalt oder der Bildungsabschluss. So werden Menschen mit einem etwa gleichen „Status“ in eine „Statusgruppe“ zusammengefasst (vgl. Hradil, 2005, p. 33).
Weist eine Personen in allen Kategorien einen etwa gleichen Status auf, so kann sie als „statuskonsistent“ aufgefasst werden; klaffen diese Kategorien in der Kategorisierung auseiandner, hat sie also bspw. einen niedrigen Abschluss, jedoch ein sehr hohes Gehalt, so kann man eine solche Person als „statusinkonsistent“ bezeichnen (vgl. ebd.).
In diesem Zusammenhang unterscheidet man die „vertikale-“ sowie die „horizontale“ Mobilität. Steigt oder fällt der Status eines Menschen, so nennt man diesen Statuswechsel „vertikale soziale Mobilität“ (vgl. Hradil, 2005, p. 34). Unter der „horizontalen sozialen Mobilität“ wechselt man sein Umfeld, jedoch nicht unbedingt den eigentlichen Status. „Darunter versteht man Wohnortswechsel, Berufswechsel etc., die nicht notwendigerweise einen Auf- oder Abstieg mit sich bringen“ (ebd.). Die Erscheinung sozialer Ungleichheit hat laut Hradil verschiedene definitorische Festlegungen. Seiner Auffassung nach sind Menschen an bestimmte Güter gebunden. „Je mehr die Einzelnen von diesen ‚Gütern‘ besitzen, desto günstiger sind ihre Lebensbedingungen“(Hradil, 2005, p. 28).
Erwähnenswert ist jedoch, dass je nach Kontext die gleichen Güter keinesfalls den gleichen Wert annehmen müssen. Abhängig von regionalen oder zeitlichen Unterschieden, mindert oder steigert sich der Wert eines bestimmten Gutes, welches an bestimmte Wertevorstellungen gebunden ist. Hier verweist Hradil auf die Signifikanz eines Schulabschlusses in unterschiedlichen historischen Gegebenheiten (vgl. ebd.).
Neben der Gebundenheit von Wert und Gut, ist für die Erklärung einer sozialen Ungleichheit die Verteilung des Gutes entscheidend. So enthält der Begriff der Ungleichheit „eine bestimmte Vorstellung darüber, wie diese wertvollen Güter verteilt sein müssen, um als ungleich zu gelten“ (Hradil, 2005, p. 28).
Gegenwärtig liegt keine einheitliche Definition von Ungleichheit vor. Wohl aber lässt sich die Ungleichheit in zweierlei Unterkategorien einteilen. So lassen sich eine „absolute“ und eine „relative“ Ungleichheit bestimmen.
Die absolute Ungleichheit liegt vor, „[…] wenn von den wertvollen Gütern einer Gesellschaft (Geld, Bildungsabschlüsse, gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen etc.) ein Gesellschaftsmitglied mehr als ein anderes erhält“ (ebd.).
Eine relative Ungleichheit beruht nicht auf den Gütern selbst, sondern auf deren „Verteilungskriterien“. Sie meint die Leistungen, welche man als Arbeitslohn erhält. „Relative Ungleichheit tritt z. B. dann auf, wenn bestimmte Personen mehr verdienen, als sie ihrer Leistung gemäß ‚verdienen‘“(Hradil, 2005, p. 29).
Anzumerken sei an dieser Stelle, dass eine soziale Ungleichheit nicht zwangsläufig mit dem Wort „ungerecht“ gleichzusetzen ist; es bedeutet lediglich, dass Güter innerhalb einer Gesellschaft nicht auf alle Mitglieder gleich verteilt sind, beispielsweise nicht alle Bürger*Innen das gleiche Gehalt beziehen (vgl. ebd.).
Zusammenfassend beschreibt Hradil eine soziale Ungleichheit wie folgt: „Soziale Ungleichheit liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‚wertvollen Gütern‘ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten“ (Hradil, 2005, p. 30).
3 Definition Gesundheit
„Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Der Besitz des bestmöglichen Gesundheitszustandes bildet eines der Grundrechte jedes menschlichen Wesens, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Anschauung und der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“(WHO, 1946)
Diese Stellungnahme der WHO aus dem Jahre 1946 dient zur Konkretisierung des Begriffes der Gesundheit. Um die Gesundheit in der heutigen Gesellschaft besser einordnen zu können, wird der Gesundheitsaspekt in die Anwesenheit oder in die Abwesenheit gegliedert. So gelten Menschen als gesund, wenn sie sich „mit ihren körperlichen, psychischen und sozialen Eigenschaften in Einklang mit der eigenen Entwicklung, den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen befinden“(Bäcker, et al., 2008, p. 23).
Die Abwesenheit der Gesundheit, also die Krankheit eines Menschen, wird bestätigt, wenn bestimmte, festgelegte Anforderungen von einer Person nicht mehr erbracht werden können (vgl. ebd.). Eine klare Trennung zwischen den Begriffen bestimmen zu wollen, gestaltet sich als schwierig, da sich der Übergang als fließend erweist. Um den Übergang von der Gesundheit zur Krankheit wechselseitig verstehen zu können, bedient man sich des sogenannten „salutogenetischen Ansatzes“, welcher grob gefasst beantwortet, wie eine Aufrechterhaltung der Gesundheit gewährleistet werden kann und was eine Person krank macht (vgl. ebd. S. 93).
Wichtige Bestandteile dieses Ansatzes sind bestimmte Determinanten der Gesundheit. Beispiele dieser Determinanten sind der Lebensraum sowie die Lebensweise eines Individuums, die Arbeitsbedingungen oder die physische und psychische Gegebenheit einer jeweiligen Person sowie deren soziales Milieu (vgl. ebd. S. 93).
Diese Determinanten werden auszugsweise im Verlauf dieser Arbeit näher behandelt.
4 Gesundheitlichen Ungleichheit
4.1 Soziale Ungleichheit und Gesundheit
Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit erwähnt, steigt die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung kontinuierlich an. Kurioserweise ist gleichwohl ein deutliches Anzeichen für soziale Ungleichheit wahrzunehmen (vgl. Richter & Hurrelmann, 2009, p. 13).
Verschiedene Faktoren tragen zu sozialer Ungleichheit bei. Die wichtigsten Faktoren in Bezug auf die gesundheitliche Ungleichheit stellen hier die berufliche Stellung, das Einkommen und Vermögen und nicht zuletzt die Bildung eines Individuums dar (vgl. Hurrelmann, 2018).
Dabei können alle diese Faktoren einen starken Einfluss auf die Gesundheit nehmen, denn bedingt durch diese Faktoren gestalten sich die direkten Lebensbedingungen des Einzelnen. So kann die berufliche Situation inklusive des Einkommens die gesundheitliche Belastung, wie die Wohnsituation, je nach Wohngebiet verschiedene Umweltbelastungen oder auch häufig Stress bedingen. Dieser Stress wiederum kann je nach sozialem Status gut oder weniger gut durch soziale Netzwerke, Freizeitbeschäftigungen oder durch die Inanspruchnahme von verschie-denen Regenerationskonzepten aufgefangen und abgemildert werden (vgl. ebd.).
Dieser fehlende Zugang zur Teilhabe zeigte sich auch deutlich an der Quantitätsbeteiligung der Präventions- oder Rehabulitatsionsbehandlungen. Bürgerinnen und Bürger mit einem geringeren Status verzichteten vergleichsweise häufiger auf Präventionsangebote. Auch das krankheits- oder gesundheitsfördernde Verhalten ließen sich in der Vergangenheit mehrfach anhand des Status deuten (vgl. Frevel & Dietz, 2008, p. 115 f.).
„Gesundheitschancen sind in unserer Gesellschaft ungleich verteilt. Angehörige des unteren Fünftels der Gesellschaft tragen in jedem Lebensalter statistisch betrachtet ein mindestens doppelt so hohes Risiko, ernsthaft zu erkranken oder vorzeitig zu sterben wie Angehörige des oberen Fünftels. So werden Männer der höchsten Einkommensgruppe durchschnittlich zehn Jahre älter als die der niedrigsten.“ (Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit, zitiert nach: Mielck, 2005; Lampert, Kroll & Dunkelberg, 2007, p. 5)
Schichtabhängig waren laut Robert Koch-Institut nicht nur die gesundheitliche Partizipation an Gesundheitsbehandlungen, sondern auch die „Mortalität und Lebenserwartung“ (Lampert T, 2014). 2014 brachte das RKI eine Studie heraus, in der bestätigt wurde, „dass Frauen und Männer, deren Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze liegen, ein im Verhältnis zur höchsten Einkommensgruppe um das 2,4- bzw. 2,7-fache erhöhtes Mortalitätsrisiko haben“ (Lampert T, 2014). Insgesamt kam die Studie zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussicht über 65 Jahre alt zu werden, mit wachsendem Einkommen kontinuierlich ansteigt (vgl. ebd.).
4.2 Der soziale Gradient
Der soziale Gradient der Gesundheit beschreibt den Zusammenhang zwischen den sozialen Schichten und einer mutualen Krankheitslast. Er besagt: „je niedriger die soziale Schicht, desto größer die Krankheitslast“(Siegrist, 2005).
Andersherum beschreibt der soziale Gradient der Gesundheit, dass, je höher der soziale Status einer Person ist, desto höher ist die Lebenserwartung. So leben Männer, die mehr als das doppelte des Durchschnittlohns verdienen, durchschnittlich etwa 10 Jahre länger als solche, die weniger als 60 % des Nettoäquivalenzeinkommens beziehen“ (vgl. Haring, 2019, p. 42).
Es konnte nachgewiesen werden, dass der soziale Gradient, neben der Bestimmung der Lebenserwartung, für mehrere Erkrankungen verantwortlich ist. Es wurde bestätigt, dass die Anfälligkeit für Erkankungen, so etwa für einige Krebsarten, Schlaganfälle, psychische Erkankungen oder Herz-Kreislauferkrankungen, oftmals in Zusammenhang mit den sozialen Schichten stehen kann. Zudem geht man davon aus, dass Individuuen, die einen höheren sozialen Status besitzen, auch ihren gesundheitlichen Status tendenziell besser einschätzen können (vgl. Haring, 2019, p. 43).
Der Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und der Gesundheit konnte bei verschiedenen „Gesundheitsindikatoren“, auch international, nachgewiesen werden. Der soziale Gradient der Gesundheit bestätigte sich somit wiederholt zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Nationen (vgl. ebd.).
Eine mögliche Erklärung des sozialen Gradienten bildet die sogenannte „Selektionshypothese“, welche häufig auch als „Drifthypothese“ bezeichnet wird. Diese stützt die sozialen Unterschiede innerhalb des Gesundheitszustandes auf die Selektionsprozesse. Vereinfacht ausgedrückt ist laut dieser Hypothese ein mangelnder gesundheitlicher Zustand verantwortlich für eine schlechte soziale Stellung (vgl. Richter & Hurrelmann, 2009, p. 20 f.).
So steigen umgekehrt gesunde Personen in der Gesellschaft auf und kranke Personen in den sozialen Schichten eher ab; ähnlich dem Prinzip des „Survival of the fittest“. Obwohl es einige Belege für solche Mobilitätsbewegungen gibt, ist unklar, ob die Gesundheit den sozialen Status bedingt oder der soziale Status die Gesundheit (vgl. ebd.).
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