Gesundheitsbewusstsein von ProfessorInnen im Setting Hochschule


Bachelorarbeit, 2015

82 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG
1.1 Ziele und Aufbau der Arbeit

2 EINFÜHRUNG IN DIE THEORIE
2.1 Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein
2.1.1 Gesundheit - ein Definitionsversuch
2.1.2 Konzepte und Modelle der Gesundheit
2.1.3 Merkmale des Gesundheitsbewusstsein
2.2 Settings in der Gesundheitsförderung
2.2.1 Entstehung von Settingprojekten
2.2.2 Grundzüge des Settingansatzes
2.2.3 Setting Hochschule
2.3 Professoren im Setting Hochschule
2.3.1 Rolle eines Hochschulprofessors
2.3.2 Anforderungen und Ressourcen des Berufs Hochschulprofessor
2.3.3 Hochschulprofessoren als Multiplikatoren der Gesundheit

3 EMPIRISCHE STUDIE
3.1 Methodik
3.1.1 Leitfadeninterview als Methode der Wahl
3.1.2 Durchführung und Auswertungsverfahren der Studie
3.1.3 Auswahl und Vorstellung der Interviewpartner
3.2 Ergebnisdarstellung
3.2.1 Interview 1
3.2.2 Interview 2
3.2.3 Interview 3
3.3 Ergebnisinterpretation
3.3.1 Kategorie 1 - Beruf des Hochschulprofessors
3.3.2 Kategorie 2 - Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein
3.3.3 Kategorie 3 - Vorbildfunktion für Studierende und Beschäftigte

4 FAZIT

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

Abbildungsverzeichnis

Abb.1. Antonovskys Salutogenesemodell als Waage (Waller, 2006, S.23)

Abb. 2. Systemisches-Anforderungs-Ressourcen-Modell (nach Becker, 2003)

Abb. 3. Das Konstrukt Gesundheitsbewusstsein (Faltermaier, 1994, S.165)

Abb. 4. Aspekte zur Berufsrolle Wissenschaftler/Hochschullehrer/Professor (Klinkhammer, 2004, S.68)

Abb. 5. Ausprägung des Erfolgsfaktors Akzeptanz bei den Führungskräften (Seibold, 2011, S.153)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1. Merkmale der ausgewählten Interviewpartner

Tab. 2. Ressourcen im Beruf eines Hochschulprofessors nach I2

Tab. 3. Anforderungen im Beruf eines Hochschulprofessors nach I2

Tab. 4. Transkriptionsregeln (Dresing und Pehl,2013, S.21-25, in Anlehnung an Kuckartz et al., 2008)

1 Einleitung

Die Hochschule rückt als Arbeitsplatz und Bildungseinrichtung zunehmend in den Fokus der settingorientierten Gesundheitsförderung. Eine Ursache ist der stetig wachsende Konkurrenzdruck der Hochschulen untereinander, wobei gesundheits­förderliche Lern- und Arbeitsbedingungen einen Standortvorteil bedeuten können (Gräser, 2003). Ein salutogenes Umfeld hat zudem eine positive Wirkung auf die Qualität der Studienergebnisse und Arbeitsleistungen. Auf dem Weg zu einer gesun­den Hochschulkultur wird den Führungskräften und insbesondere den Professorin­nen und Professoren1 eine nicht unwesentliche Rolle zuteil. Sie beeinflussen mit ih­rem Habitus und Handeln eine Vielzahl von Menschen und nehmen eine zentrale Rolle im System Hochschule ein (Faller, 2005). Das Gesundheitsbewusstsein von Professoren ist daher vor dem Hintergrund der Vorbildfunktion für Beschäftigte und Studierende von großer Bedeutung.

1.1 Ziele und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Abschlussarbeit ist es, den aktuellen Forschungsstand zum Thema Ge­sundheitsbewusstsein von Professoren im Setting Hochschule aufzuarbeiten und mittels eigenständiger empirischer Untersuchung das Gesundheitsbewusstsein so­wie die Bedeutung des Aspekts Gesundheit für diese Statusgruppe herauszustellen. Im Mittelpunkt steht dabei die zentrale Forschungsfrage: Wie ist das Gesundheitsbe­wusstsein von Professoren ausgeprägt und welchen Einfluss hat dieses auf Beschäf­tigte und Studierende im Setting Hochschule?

Die Arbeit besteht aus einem theoretischen Teil sowie einer empirischen Studie. Im Zuge der Einführung in die Theorie wurde eine umfassende Literatur- und Internet­recherche durchgeführt. Diese erfolgte im Hinblick auf drei Themenkomplexe: Ge­sundheit und Gesundheitsbewusstsein, Settings in der Gesundheitsförderung und Professoren im Setting Hochschule. Der erste Teil der Arbeit setzt sich mit Definitio­nen, Modellen und Konzepten von Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein ausei­nander. Im Anschluss soll ein Überblick zum Gegenstand Setting geschaffen und in die Thematik des Settings Hochschule eingeführt werden. Im letzten Abschnitt der Theorie werden schließlich die Besonderheiten der Rolle von Professoren im Setting Hochschule eruiert. Mittels drei qualitativer Leitfadeninterviews, welche mit Profes­soren der Universität Bayreuth durchgeführt wurden, werden die Erkenntnisse aus der Literatur- und Internetanalyse vervollständigt und präzisiert. Nachdem die Ergeb­nisse wertungsfrei dargestellt wurden, erfolgen deren Interpretation sowie der Ver­such einer Verknüpfung mit der Theorie.1

2 Einführung in die Theorie

Die nun folgenden Kapitel sollen zum Grundverständnis des Themas beitragen und Grundlage der anschließenden Empirie sein. Je nach Bedeutsamkeit hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfrage, fallen einige Themenblöcke dabei kürzer und weniger intensiv aus als andere. Im Sinne von „Theorie ohne Empirie ist leer, Empirie ohne Theorie ist blind“ (Kant, 1787 zitiert nach Pfetsch, 2007, S.44) beinhaltet dieses Kapitel auch empirische Ergebnisse vorangegangener Forschungsarbeiten.

2.1 Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein

2.1.1 Gesundheit - ein Definitionsversuch

„Denn eine Gesundheit an sich gibt es nicht, und alle Versuche, ein Ding derart zu definieren, sind kläglich missraten. Es kommt auf dein Ziel, deinen Horizont, deine Kräfte, deine Antriebe, deine Irrtümer und namentlich auf die Ideale und Phantasmen deiner Seele an, um zu bestimmen, was selbst für deinen Leib Gesundheit zu bedeuten habe.“ (Nietzsche, 1988, zitiert nach Danzer, 2011, S.471).

Der deutsche Philosoph und Schriftsteller Friedrich Nietzsche stellte fest, dass man beim Versuch, Gesundheit zu definieren, auf Hindernisse stößt. Gesundheit ist ein komplexer Begriff, bei dessen Definition die Wissenschaft noch auf keinen gemein­samen Nenner gekommen ist. Das Problem liegt darin, dass viele verschiedene De­finitionsversuche aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen existieren (Woll, 2006) - wie der Medizin/Naturwissenschaft (Haug, 1991), der Soziologie (Par­sons, 1967) oder der Psychologie (Becker, 2006).

Die Weltgesundheitsorganisation (1946, S.1) versucht in ihrer Verfassung diese drei Disziplinen miteinander zu verknüpfen und stellt folgende Definition auf: „Die Ge­sundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohl­ergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. T rotz ihrer Ganz­heitlichkeit, wird diese Definition in der Wissenschaft seit jeher stark diskutiert. Zum einen wird Kritik daran geübt, dass die WHO die Gesundheit als einen Zustand be­zeichnet. Die Gesundheit wird somit als statisch interpretiert und nicht als dynami­scher Prozess (Waller, 2006), wie beispielsweise von Badura, Hehlmann und Walter (2010). Sie sehen Gesundheit sowohl als Voraussetzung als auch Ergebnis eines Wechselspiels zwischen den Komponenten Person, Verhalten und Umwelt. Der Ter­minus vollständiges Wohlergehen sorgt ebenfalls für Diskussionsstoff. Die Vorstel­lung, dass es einem Individuum auf physischer, psychischer und sozialer Eben zu 100% an nichts fehlt, gleicht einer Utopie (Waller, 2006). Gesundheit wäre somit eine reine Wunschvorstellung. Eine umfassendere Definition von Gesundheit liefert Woll (2006, S.93):

„Gesundheit ist das Ergebnis eines dynamischen Gleichgewichts (Balance) zwischen dem Indi­viduum mit seinen Ressourcen und den Anforderungen seiner sozioökologischen Umwelt. Ge­sundheit wird als prozesshaftes Geschehen aufgefasst, das sich im aktuellen Bezug herausbildet.

Gesundheit und Krankheit sind als Extrempole eines mehrdimensionalen Kontinuums (physisch, psychisch und sozial) zu sehen, auf dem sich eine Person jeweils lokalisieren lässt.“

Diese integrative Begriffsbestimmung erscheint nach eigener Auffassung am tref­fendsten, da sie eine Vielzahl an internen und externen Variablen berücksichtigt. In dieser Definition finden sich außerdem Grundgedanken des Gesundheitsverständ­nisses Antonovskys wieder. Der amerikanisch-israelische Medizinsoziologe Anton Antonovsky gilt als einer der Vorreiter der Gesundheitswissenschaften und prägte den Begriff der Salutogenese. Die Forschungsfrage der Salutogenese lautet, wie der Mensch es trotz widriger Bedingungen schafft, gesund zu sein und zu bleiben (Fal­termaier, 1994). Mit seinen Niederschriften über diesen Ansatz lieferte er einen wert­vollen Beitrag für die Wissenschaft. Im Laufe des nächsten Kapitels wird sich daher auf Antonovskys Forschungsarbeiten (Antonovsky, 1979, 1987) bezogen und deren Inhalte mit den Darstellungen und Interpretationen anderer Autoren wiedergegeben und ergänzt. In einem zweiten Abschnitt wird ein Modell des Psychologen Peter Be­cker vorgestellt, welches auf dem salutogenetischen Ansatz Antonovskys aufbaut. Dieses findet ebenfalls im Zuge der durchgeführten empirischen Studie Anwendung.

2.1.2 Konzepte und Modelle der Gesundheit

2.1.2.1 Salutogenetisches Gesundheitsverständnis nach Antonovsky

Die Salutogenese als ein Gesundheitskonzept forscht nach Größen, welche die Ge­sundheit von Individuen positiv beeinflussen. Beim pathogenetischen Ansatz werden hingegen jene Faktoren thematisiert, die den Menschen krank machen. Die Natur­wissenschaft geht davon aus, dass der Mensch entweder gesund oder krank sein kann - nicht beides parallel. Antonovsky stellt jedoch die These auf, dass sich Ge­sundheit und Krankheit nicht ausschließen (Bininda & Hoffmann, 1997). Er be­schreibt die beiden Dimensionen als Pole auf einer Skala, wie in der folgenden Ab­bildung illustriert wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Antonovskys Salutogenesemodell als Waage (Waller, 2006, S.23)

Die Individuen befinden sich auf dieser Skala permanent in Bewegung (Bininda & Hoffmann, 1997). Dies ist somit auch eine Abkehr vom Gesundheitsverständnis als Zustand. Ob sich eine Person auf der Seite der Gesundheit oder Krankheit befindet, hängt von einem „interaktiven Prozess zwischen belastenden Faktoren (Stressoren, pathogenen Faktoren) und schützenden Faktoren (Widerstandsressourcen, saluto- genen Faktoren)“ ab (Waller, 2006, S. 20). Stressoren und Widerstandsressourcen fungieren im salutogenetischen Modell somit als Antagonisten (Faltermaier, 1994).

2.1.2.2 Systemisches-Anforderungs-Ressourcen-Modell von Becker

Mit ähnlichen konträren Variablen beschäftigt sich auch Becker in seinem Systemi- schen-Anforderungs-Ressourcen-Modell (SAR-Modell). Inhalt dessen sind einerseits interne und externe Ressourcen, die dem Menschen gut tun und ihn befähigen, An­forderungen zu bewältigen und andererseits interne sowie externe Anforderungen, die einen negativen Einfluss auf seine Gesundheit haben können (Faltermaier & Schultz, 2015). Das Zusammenspiel dieser vier Komponenten in Verbindung mit dem Verhalten und Erleben des Individuums - hier insbesondere dem Bewältigungsver­halten - bestimmt dessen Gesundheit. Die Frage ist, auf welche Ressourcen ein Mensch zurückgreifen kann und wie gut er in der Lage ist, diese zum Bewältigen von Anforderungen einzusetzen. Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen Sach­verhalt noch einmal genauer:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2. Systemisches-Anforderungs-Ressourcen-Modell (nach Becker, 2003)

Becker (2006) definiert Anforderungen als Umstände oder Aufgaben, mit denen In­dividuen im Leben konfrontiert werden und die es zu meistern gilt. Diese können, wie Ressourcen, sowohl physischer als auch psychischer beziehungsweise psychosozi­aler Natur sein. Interne Anforderungen setzen sich zum einen aus Bedürfnissen und zum anderen aus erworbenen Sollwerten zusammen (Becker, 2006). Externe Anfor­derungen sowie externe Ressourcen ergeben sich aus sozialen, beruflichen oder familiären Umweltbedingungen, denen ein Individuum ausgesetzt ist. Dazu zählt un­ter anderem die Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Pausenzeiten oder das Arbeits­klima, um Beispiele aus dem Berufsleben zu nennen. Interne Ressourcen können zum einen angeboren sein, wie eine gute Genetik, oder auch im Laufe des Lebens durch Sozialisation erworben werden, wie körperliche Fitness oder geistige Reife (Reimann & Hammelstein, 2006).

In den weiteren Ausführungen (Kapitel 2.3.2, 3.2 sowie 3.3.1), werden jene Anforde­rungen und Ressourcen eruiert, die einem Hochschulprofessor bei seiner täglichen Arbeit begegnen. Zuvor wird jedoch noch der Begriff Gesundheitsbewusstsein in die Betrachtungen aufgenommen.

2.1.3 Merkmale des Gesundheitsbewusstsein

Vor allem der Psychologe Toni Faltermaier hat sich in seiner Publikation „Gesund­heitsbewusstsein und Gesundheitshandeln“ (1994) ausführlich dem Thema Gesund­heitsbewusstsein gewidmet. Ergebnisse dieser Forschungsarbeit werden in diesem Kapitel ausführlich dargelegt, da sie in hohem Maße zum Verständnis dieses kom­plexen Terminus beitragen und als Grundlage der empirischen Studie (Kapitel 3) die­nen. Unter Gesundheitsbewusstsein versteht Faltermaier zunächst (1994, S.163):

„ein komplexes Aggregat von subjektiven Vorstellungen von der eigenen Gesundheit, die kogni­tive, emotionale und motivationale Momente beinhalten, die sich auf das eigene Selbst (als Per­son, Körper) und das Verhältnis zur sozialen und materiellen Umwelt beziehen, die sich in stän­diger biographischer Entwicklung befinden und sozial abgestimmt werden.“.

Ergänzend beschreibt er das Gesundheitsbewusstsein als einen relativ offenen Be­griff, der Komplexität andeutet, aber kognitive, emotionale und motivationale Kom­ponenten nicht ausschließt und integrieren kann. Dieses Konstrukt hat Faltermaier mit der folgenden Abbildung grafisch veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3. Das Konstrukt Gesundheitsbewusstsein (Faltermaier, 1994, S.165)

Das Gesundheitsbewusstsein setzt sich nach Faltermaier aus sieben Komponenten zusammen. Die subjektive Bedeutung von Gesundheit beschreibt den Stellenwert, welchen das Thema Gesundheit im Leben eines Individuums einnimmt. Dieser hat wiederum Einfluss auf den Prozess der Willensbildung, inwiefern ein Mensch dazu motiviert ist, gesundheitsförderliches Verhalten umzusetzen. Wie relevant das Thema Gesundheit für eine Person ist, ist stark biographisch determiniert. Bei dem subjektiven Konzept von Gesundheit als zweite Komponente geht es darum, wie je­der einzelne Mensch Gesundheit für sich selbst definiert und welche Dimensionen er dabei einnimmt - ist der Terminus mit einer positiven Konnotation behaftet und wird beispielsweise als Leistungsfähigkeit, physisches und psychisches Wohlbefinden o­der Quelle von Stärke und Energie gesehen oder überwiegt eine negative Assozia­tion, wobei Gesundheit die bloße Abwesenheit von Krankheit darstellt. Das subjek­tive Konzept von Krankheit ist dem Menschen häufig präsenter, bewusster als das gesundheitliche. Beschwerden oder Krankheiten lassen sich nur schwer ausblenden, währenddessen Gesundheit für viele als selbstverständlich erachtet wird. Ein weite­res Merkmal des Gesundheitsbewusstseins ist das Körperbewusstsein. Es sagt aus, wie der Mensch sich selbst, seinen Körper und seine Empfindungen wahrnimmt und reflektiert. Faltermaier geht davon aus, dass dieses Bewusstsein im Laufe des Le­bens durch Ereignisse wie Operationen, Schwangerschaft oder Krankheit erhöht werden kann. Bei den bisher genannten Komponenten handelt es sich um internale Faktoren, die in der Person selbst liegen. Das Gesundheitsbewusstsein entsteht je­doch auch aus einer Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt. Dazu zählen zum einen die Wahrnehmung gesundheitlicher Risiken und Belastungen und zum ande­ren die Wahrnehmung gesundheitlicher Ressourcen. Beide Dimensionen haben so­wohl einen emotionalen als auch physischen Effekt. Letztlich ist das Gesundheitsbe­wusstsein in soziale Abstimmung und Vergleiche eingebettet. Kulturelle Werte und Normen über Gesundheit und Krankheit prägen die gesundheitliche Einstellung so­wie das Verhalten von Individuen, so Faltermaier (1994).

Die soeben beschriebenen subjektiven Theorien und Konzepte von Gesundheit ver­knüpft Faltermaier schließlich mit den Ergebnissen einer qualitativen Interviewstudie. Er leitet daraus vier dominante Typen ab, deren Gesundheitsbewusstsein unter­schiedlich ausgeprägt ist. Menschen mit einem organisch-medizinischen Gesund­heitsbewusstsein verstehen Gesundheit als reine Abwesenheit von Krankheit. Psy­chische Faktoren und Interaktionen mit der Umwelt sind nebensächlich und das Thema Gesundheit erfährt generell einen niedrigen Stellenwert in ihrem Leben. Men­schen, die Gesundheit als Handlungs-und Leistungsfähigkeit verstehen, bilden den zweiten Gesundheitsbewusstseins-Typus. Diese schätzen die Bedeutung von Ge­sundheit ebenfalls als nicht sehr hoch ein und ordnen sie in den meisten Fällen der Arbeit unter. Für sie stellt der Körper ein Arbeitsinstrument dar. Gesundheitliche Probleme werden gezwungenermaßen überhaupt erst dann wahrgenommen, wenn diese zu Einschränkungen in der Handlungs- und Leistungsfähigkeit führen. Die dritte Ausprägungsform des Gesundheitsbewusstseins ist psychologischer Natur.

Menschen mit einem solchen Bewusstsein definieren für sich das Vorhandensein von Wohlbefinden, Ruhe und Ausgeglichenheit sowie das Fehlen körperlicher Ge­brechen als Gesundheit. In Folge von Erfahrungen oder durchlebten Krankheiten hat das Thema im Laufe ihres Lebens zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Menschen mit einem mehrdimensionalen Gesundheitsbewusstsein haben ein aus­geprägtes Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Sie verstehen Gesundheit als Zusammenspiel physischer, psychischer und sozialer Einflussfaktoren. Die Bezie­hung zu ihrem Körper ist positiv, ihr Gesundheitsbewusstsein hoch und negative Ver­änderungen wie Beschwerden oder Krankheiten werden von ihnen als Hinweis ver­standen, gesundheitsbezogener zu handeln.

Auf diese Ergebnisse wird an späterer Stelle bei der Auswertung der empirischen Studie nochmals Bezug genommen und der Versuch unternommen, Analogien in den Ergebnissen herauszustellen.

2.2 Settings in der Gesundheitsförderung

2.2.1 Entstehung von Settingprojekten

Im November 1986 verabschiedete die WHO im Rahmen der ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung die sogenannte Ottawa-Charta. Diese war ein internationaler Aufruf zum gesundheitsförderlichen Aktivwerden der Bevölkerung. Das ausgesprochene Ziel Gesundheit für alle sollte bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus in die Tat umgesetzt werden und Menschen in allen Lebensbereichen dazu anhalten, nach den moralischen und sozialen Ideen der Charta zu leben und zu han­deln. Die Weltgesundheitsorganisation (1986, S.1) formulierte im Zuge der Charta außerdem folgende Definition von Gesundheitsförderung:

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbe­stimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“

Im Jahr 1986 rief die WHO das erste Settingprojekt zur Gesundheitsförderung ins Leben. Das sogenannte Gesunde Städte Projekt (Healthy Cities Project) gilt als ers­tes Konzept, das den Fokus auf kleinere soziale Systeme legte. Alle bisherigen Maß­nahmen waren auf nationaler Ebene angesiedelt. Eine Stadt, als sogenanntes Teil­setting eines Landes, stellt aufgrund ihrer überschaubaren Größe eine vielverspre­chende Grundlage für gesundheitsfördernde Maßnahmen dar (Conrad, 2013). „Ein Setting wird als ein Feld verstanden, das alle relevanten Umwelteinflüsse einer Be­völkerungsgruppe umfasst.“, so definieren Grossmann und Scala (2011, S.66) die­sen Terminus. In den 90er Jahren leitete die WHO noch weitere Settingprojekte ein, wie beispielsweise Gesundheitsförderung in Betrieben, Krankenhäusern oder Schu­len. Heutzutage sind es vor allen Dingen Krankenkassen, die sich bei der Entwick­lung und Förderung von Settingprojekten immer mehr einen Namen machen (Con­rad, 2013). Etwa 30 Millionen Euro sollen die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2013 in die Gesundheitsförderung in Settings investiert haben, so der Präventions­bericht des zentralen Interessenverbandes der gesetzlichen Kranken- und Pflege­kassen (GKV-Spitzenverband, 2014).2

Die Ottawa-Charta gilt bis heute als Grundstein der weltweiten Verbreitung und suk­zessiven Entwicklung von Gesundheitsförderung in Settings (Hartmann & Seidl, 2014).

2.2.2 Grundzüge des Settingansatzes

„Der Setting-Ansatz ist darauf gerichtet, die Einfluss-, Beteiligungs- und Wahlmöglichkeiten der Menschen zu erhöhen und Optionen für Verhaltensalternativen zu schaffen, in dem auf gesund­heitsrelevante Rahmenbedingen Einfluss genommen wird“ (Grossmann & Scala, 2011, S. 67)

Das heißt, im Rahmen des Settings sollen Verhältnisse geschaffen werden, die ge­sundheitsförderliches Verhalten ermöglichen und zu solchem motivieren (Conrad, 2013). Der Settingansatz wird nach Grossmann und Scala (2011, S. 65) als „Antwort auf die beschränkten Erfolge traditioneller Gesundheitserziehungsaktivitäten“ ver­standen. Die Erziehungsstrategie besteht aus der Weitergabe von Gesundheitswis­sen und Informationen an die Bevölkerung, in der Hoffnung eine positive Verhaltens­änderung zu bewirken. Dabei werden Problemherde wie beispielsweise Rauchen o­der ungesunde Ernährung einzeln, unabhängig voneinander thematisiert. Die Resul­tate dieser traditionellen Aktivitäten der Gesundheitserziehung waren in der Vergan­genheit kaum von Erfolg gekrönt. Es fehlte der Blick fürs Ganze, die Erfassung und Berücksichtigung der Umwelt, in welcher die Individuen leben und arbeiten (Gross­mann & Scala, 2011). Die Konklusion daraus ist, dass eine Strategie zur Gesund­heitsförderung neben der Eingrenzung von individuellen Problemen auch die Ein­flüsse der sozialen, strukturellen Gegebenheiten mit einbeziehen muss, um ge­wünschte Verhaltensänderungen zu erzielen (Gräser, 2003). Nach Conrad (2013) sollen bei der Umsetzung von Gesundheitsförderung die Ursachen von (potentiellen) Gesundheitsrisiken analysiert werden, nicht die Folgen. Die Akteure sollen selbst mitbestimmen können (Empowerment & Partizipation), was in ihrem Setting geändert werden soll, da sie diejenigen sind, die in diesem Umfeld leben, lernen oder arbeiten müssen. Außerdem muss klar sein, was die Haupttätigkeit des jeweiligen Settings ist, um deren Ablauf unter gesundheitsförderlichen Aspekten zu optimieren.

Der Settingansatz ist der wichtigste Baustein der Gesundheitsstrategie der WHO (Seibold, 2011) und nimmt eine Schlüsselfunktion bei der Förderung von Gesundheit in sozialen Systemen ein (Grossmann & Scala, 2011).

2.2.3 Setting Hochschule

Das Setting Hochschule hat seine Wurzeln in Niedersachsen. Der Impuls zur Ge­sundheitsförderung in Hochschulen ging in den 1990er Jahren vom Forschungsver­bund Gesundheitswissenschaften Niedersachsen aus. Dies ist ein Bündnis nieder­sächsischer Hochschulen, deren Anliegen es war, die Strategien der Ottawa-Charta auch in Hochschulen zu integrieren. Aus dem Forschungsverbund Niedersachsen entwickelte sich 1995 der Arbeitskreis Gesundheitsfördernder Hochschulen (AGH). Der Arbeitskreis stieß bundesweit auf große Resonanz, weshalb sich aus ihm in kur­zer Zeit ein nationaler Zusammenschluss bildete (Sonntag & Hartmann, 2010). Im Jahr 1997 gliederte die WHO Gesundheitsförderung im Setting Hochschule in ihr Gesunde-Städte-Projekt ein (Hildebrand, Michel & Surkemper, 2007).

Hochschulen sind sowohl Arbeitsplatz als auch Ausbildungsstätte und bieten somit gute Voraussetzungen, Einfluss auf die gesundheitlichen Belange ihrer Akteure zu nehmen. Nach Hildebrand et al. (2007) stellt die Hochschule einen idealen Ort für Gesundheitsförderung dar. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung an Hochschulen setzen ihren Schwerpunkt nicht nur auf die Individuen, sondern auch auf die Struk­turen und Prozesse innerhalb des Gefüges (Seibold, 2011).

Laut Statistischem Bundesamt (2011) arbeiten, lehren und lernen an deutschen Hochschulen rund drei Millionen Menschen. Diese lassen sich in zwei primäre Sta­tusgruppen aufteilen: die Studierenden (mit einem Anteil von 80%) und die Beschäf­tigten mit einem deutlich geringeren Anteil von 20%. Die Beschäftigten setzen sich aus dem nicht-wissenschaftlichen Personal (z.B. Verwaltung und Technik), dem wis­senschaftlichen Personal und den Professoren, zusammen (Hartmann & Seidel, 2014).

Der Fokus dieser Arbeit liegt, wie bereits erwähnt, auf der Rolle der Statusgruppe der Professoren im Setting Hochschule, welche im anschließenden Kapitel 2.3 ge­nauer untersucht wird.

2.3 Professoren im Setting Hochschule

2.3.1 Rolle eines Hochschulprofessors

„Ein Professor/eine Professorin ist das, was er/sie daraus macht.“, so lautet die simple Antwort von Stelzer-Rothe & Brinker (2005, S.22). Dabei beziehen sich die beiden Forscher auf das deutsche Grundgesetz und der darin verankerten Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG). Dieser Artikel stellt den zentralen Aus­gangspunkt des Professorenjobs dar und besagt, dass den Hochschullehrern „die umfassende und selbstständige Vertretung“ (Stelzer-Rothe & Brinker, 2005, S.22) ihres Faches zukommt. Die Freiheit von Forschung und Lehre verschafft ihnen Hand­lungsspielraum bei ihrer alltäglichen Arbeit, ohne, dass sie permanenten Beobach­tungen oder Kontrollen unterliegen. Dieser Freiheit steht jedoch der Druck entgegen, zu publizieren, Drittmittel zu beschaffen sowie das Lehrdeputat, die Präsenzzeit der Lehrveranstaltungen, zu erfüllen (Steinke & Sonntag, 2013). Forschung und Lehre sind unzertrennlich miteinander verknüpft und sollten sich in einer gewissen Balance befinden. Stelzer-Rothe und Brinker (2005, S.21) beschreiben ihren Zusammenhang wie folgt:

„Es wäre abwegig, die Lehre zu Lasten der Forschung zu stärken, und gar absurd, die Forschung zu Gunsten der Lehre zu opfern. Die aus der Forschung geschöpfte Lehre ist das Fundament qualitativ hochwertiger Hochschullehre.“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das heißt, Forschung ist unter anderem deshalb so relevant für eine Hochschule, da aus ihr innovative Erkenntnisse hervorgehen können, welche im Zuge der Lehre wie­derum an die Studierenden weitergetragen werden (Stelzer-Rothe & Brinker, 2005). Huber und Portele (1983) nennen neben Forschung und Lehre noch zwei weitere Tätigkeitsbereiche eines Hochschulprofessors: akademische Selbstverwaltung so­wie sonstige professionelle Tätigkeit, wie der Einsatz als Experte im außerhochschu­lischen Feld. In jedem Aufgabenbereich gibt es verschiedenen Anspruchsgruppen, die wiederum unterschiedliche Erwartungen an die Arbeit des Hochschulprofessors haben. Nicht zu vergessen sind dabei die Ansprüche der Professoren an sich selbst. So wollen Studierende beispielsweise den Lernstoff auf verständliche Art vermittelt bekommen, Professoren haben den eigenen Anspruch, über Publikationen eine gute Stellung in der scientific community einzunehmen. Bei der täglichen Aufgabenerfül­lung kann es zwar gelegentlich zu Überschneidungen kommen, dennoch unterschei­den sie sich in wichtigen Merkmalen: „Forschung ist inhaltlich auf hochgradige Spe­zialisierung, Lehre in weiten Teilen auf breitere Grundlegung, Service auf praktische Orientierung angewiesen.“ (Huber & Portele, 1983, S.207). Klinkhammer (2004) hat die Rollen- und Aufgabenvielfalt des Berufs Wissenschaftler/Hochschullehrer/Pro- fessor in der folgenden Grafik zusammengefasst:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4. Aspekte zur Berufsrolle Wissenschaftler/Hochschullehrer/Professor (Klinkhammer, 2004, S.68)

Zählt man die Rollen dieses Schaubilds, welche Klinkhammer den Professoren zu­schreibt, so sind es sechzehn an der Zahl, gekoppelt mit acht verschiedenen Tätig­keiten. Auch hier nehmen die beiden Bereiche Forschung und Lehre eine zentrale Position ein. Eine Funktion, die in der obigen Abbildung Erwähnung findet, aber in die bisherigen Betrachtungen noch nicht mit eingeflossen ist, ist der Professor als Vorgesetzter. Professoren sind auch Führungskräfte. Sie leiten im Rahmen einer Professur oder eines Lehrstuhls ein Team an Mitarbeitern. Hartmann und Seidel (2014) sowie Seibold (2011) kritisieren an dieser Stelle die ungenügende, vorberei­tende Ausbildung von Professoren auf den Arbeitsplatz Hochschule mit seinen um­fassenden Aufgabenstellungen. Professoren sind bis zum Innehaben eines Lehr­stuhls überwiegend für sich selbst zuständig und möglicherweise nicht ausreichend darauf vorbereitet, eine eigene Abteilung zu leiten oder gruppendynamische Vor­gänge zu moderieren (Klinkhammer, 2004). Seibold (2011, S.47) konstatiert: „Ge­rade im wissenschaftlichen Bereich erfährt Leitungsarbeit häufig eine Minderschät­zung im Vergleich zu inhaltlicher Arbeit, da die Karrieremöglichkeiten einzig von letz­terem abhängen.“ Schnabel (2007, S.46) argumentiert noch weiter und sagt, dass Professoren „für den größten Teil dessen, was man ihnen tagtäglich als Kompeten­zen und Fertigkeiten abverlangt, gar nicht ausgebildet werden“. Dabei schließt er nahezu alle Aufgabenfelder ein, wie unter anderem die Führung, Lehrtätigkeit oder das Beschaffen von Forschungsgeldern.

Huber und Portele (1983) bezeichnen die Rolle des Hochschulprofessors aufgrund der schwierigen praktischen Vereinbarkeit der Tätigkeitsbereiche letzten Endes als überladen. Des Weiteren unterstellen sie eine Art Rollenambiguität (Mehrdeutigkeit). Die einzige Lösung für diese Rollenproblematik sei Mehrarbeit, welche zwangsläufig einen höheren zeitlichen Input für die Hochschulprofessoren bedeutet, konkludieren Huber und Portele. In Anbetracht dieses komplexen Berufes bezweifelt Schnabel (2007) sogar, dass Professoren im späteren Abschnitt ihrer Laufbahn noch in der Lage sind, beruflich Höchstleistungen zu erbringen.

2.3.2 Anforderungen und Ressourcen des Berufs Hochschulprofessor

„Die Arbeit ist eine Quelle der Gesundheit.“, sagte einst der Schweizer Carl Hilty (Hilty, 1903, zitiert nach Probst, 2001, S. 37). So sollte es zumindest sein - da der Mensch einen sehr großen Teil seines Lebens bei der Arbeit verbringt. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Der Beruf und die Arbeitswelt prägen die Gesundheits­chancen und -risiken der Menschen wie kein anderes soziales Gefüge (Noack, 2005). Auch der Job eines Hochschulprofessors bringt unterschiedliche Ressourcen und Anforderungen mit sich. Nach diesen wurde im Rahmen einiger qualitativer Stu­dien geforscht. Die Professoren wurden dabei nach den positiven, gesundheitsför­derlichen Merkmalen ihrer Arbeit sowie nach den negativen Attributen, die ihre Ge­sundheit schädigen können, befragt. Die Übersicht zu den Anforderungen enthält darüber hinaus persönliche Einschätzungen einzelner Wissenschaftler. Die anschlie­ßende Aufzählung (nach Autoren geordnet) gibt zunächst einen Überblick über rele­vante Ressourcen im Hochschulalltag eines Professors:

- Gestaltungsräume; Arbeit mit jungen Menschen (Kuhlmann & Kolip, 1998, 1998a)
- Arbeitsplatzsicherheit (Beamtenstatus, Anstellung im öffentlichen Dienst) und relativ hohes Einkommen; Ermöglichung von Mobilität und Internationalität (Gräser, 2003)
- Tätigkeits- und Entscheidungsspielraum; Eigenverantwortung; Betriebs- und Sozialklima (Hildebrand et al. 2007)
- Freiheiten in der zeitlichen Gestaltung sowie hohes gesellschaftliches Anse­hen; hoher Grad an Befriedigung und Sinnstiftung (Kuhlmann & Kolip, 1998, 1998a; Gräser, 2003)
- Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit (Kuhlmann & Kolip, 1998, 1998a; Hartmann & Seidl, 2014)
- abwechslungsreiche, kreative Aufgaben & Inhalte sowie Neugierbefriedigung (Kuhlmann & Kolip, 1998, 1998a; Gräser, 2003; Hildebrand et al., 2007)

Diese Auflistung zeigt, dass der Job eines Hochschulprofessors eine Vielzahl an ge­sundheitsfördernden Ressourcen zu bieten hat. Eine qualitative Studie von Kuhl­mann und Kolip (1998, 1998a), durchgeführt mit 50 deutschen Professoren, unter­streicht dies mit dem Ergebnis, dass 80% der von ihnen Befragten angaben, positive Impulse für ihre Gesundheit aus dem Beruf mitzunehmen und sogar alle den Job als Ressource und nicht als Anforderung sehen. Die Wahrnehmung gesundheitsrele­vanter Einflussfaktoren würde zudem mit dem Alter sensibler werden und steigen, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Der Beruf eines Hochschulprofessors lässt sich im positiven Sinne zusammenfassend als eine vielfältige, abwechslungsreiche Tätigkeit innerhalb eines großzügigen Handlungs- und Entscheidungsfreiraums, be­zeichnen.

Die Recherche zu den Anforderungen des Berufs ergab Folgendes: Stress und Ter­mindruck stellten sich als starke berufliche Anforderungen der Hochschulprofessoren heraus (Kuhlmann & Kolip, 1998, 1998a). Dies passt mit den, im vorherigen Kapitel erwähnten, Ausführungen von Huber und Portele (1983) zusammen, die dem Faktor Zeit ebenfalls eine zentrale Rolle zukommen lassen. Eine weitere negative Belastung des Berufs ergibt sich nach Kuhlmann & Kolip (1998, 1998a) durch schlechtes Ar­beitsklima. Steinke und Sonntag (2013) sowie Faller (2005) sehen bei der Lehre, die oftmals mangelnden oder gar fehlenden pädagogischen Qualifizierungen, als prob­lembehaftet. Diese können Ursache dafür sein, warum die Lehrveranstaltungen für die Professoren von Stress und Angst geprägt sein können und zur Anforderung werden. Aber nicht nur der Mangel an pädagogischen Fertigkeiten kann zur Schwie­rigkeit werden, sondern auch fehlende, nicht ausgebildete Führungskompetenzen (Steinke & Sonntag, 2013). Dies kann zum einen zur Belastung für die Professoren selbst als auch zu Unzufriedenheit unter ihren Mitarbeitern führen (Faller, 2005). 2014 waren an deutschen Hochschulen etwa 45 600 Professoren angestellt - 1,4 % mehr als im Jahr davor (Statistisches Bundesamt, 2015). Im Vergleich dazu waren im Wintersemester (WS) 2013/2014 rund 2,62 Mio. Studierende immatrikuliert - ein Anstieg von fast 4,5% zum Vorsemester. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis, so ergibt sich ein Betreuungsverhältnis von einem Professor zu 57 Studierenden. Hart­mann & Seidl (2014) sehen den Anstieg der Studierendenzahlen als eine weitere Anforderung für Hochschulprofessoren.

Die Anforderungen ergeben sich resümierend aus der Tatsache, dass Professoren ein Fülle an Aufgaben zu erledigen haben, für deren Bewältigung sie teilweise gar nicht oder nicht genügend ausgebildet worden sind und sich deshalb selbst Lösungs­strategien erarbeiten und aneignen müssen. Des Weiteren tritt die Problematik auf, dass diese Aufgabenerfüllung oftmals unter Zeitstress erfolgen muss. Dass diese Umstände für die Akteure auf Dauer nicht gesundheitsförderlich sein können, er­scheint selbsterklärend. Auf die physischen und psychischen Beschwerden, die sich daraus ergeben können, wird an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen, da sie nicht Gegenstand der Untersuchungen darstellen.

Im Rahmen der eigenständigen empirischen Erhebung wurden die Interviewten nach den Ressourcen und Anforderung ihres Professorendaseins befragt. Ob und inwie­fern sich die gewonnen Ergebnisse mit den zuvor genannten Resultaten decken, wird im Zuge der Ergebnisinterpretation (Kapitel 3.3) aufgezeigt.

2.3.3 Hochschulprofessoren als Multiplikatoren der Gesundheit

Faller (2005, S.93) bezeichnet Hochschulprofessoren als:

„[...] hochintelligente Gruppe mit einem umfassenden Gesundheitswissen, die im Rahmen einer langen Hochschulsozialisation stabile gesundheitsrelevante Bewältigungskompetenzen erwor­ben haben“.

Diesem Wissen steht jedoch die ausgeprägte Erfolgsorientierung entgegen, welche mit zunehmenden Belastungen einhergeht, die sich auch auf Bereiche außerhalb der Arbeit verlagern. Einstellungen der Professoren zu Arbeitsmoral und Gesundheit - wie Gesundheit als Privatsache - sowie Erwartungen an sich selbst werden willkürlich oder unwillkürlich auch auf Angestellte übertragen (Faller, 2005). Huber und Portele (1983) konstatieren in diesem Zusammenhang einen großen Einfluss von Professo­ren hinsichtlich der Sozialisation ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter - nicht zuletzt aufgrund des starken Abhängigkeitsverhältnisses. Professoren verwalten die Ar­beitsabläufe, Aufgabenverteilung und Arbeitsumfänge ihrer Beschäftigten. Sie habe eine Position inne, in welcher sie Mitarbeiter fördern oder überfordern können (Lang, Ludborzs, Miethner, Nold, Scharnhorst, Schübel, Zander & Ziegelmayer, 2015). Die Qualität des Führungsverhaltens von Professoren spiele in Hinblick auf die Gesund­heit der Beschäftigten daher eine wesentliche Rolle, so Faller (2005, S.101).

Hochschulprofessoren bilden potentielle Führungskräfte und Entscheidungsträger der Zukunft aus, im Grunde die Multiplikatoren von Morgen in Gestalt ihrer wissen­schaftlichen Mitarbeiter und Studierenden (Gräser, 2003). Krüger, Steinmann, Ste- tefeld, Polkowski und Haland-Wirth (1986, S.296) beschreiben die Beziehung zwi­schen Studierenden und Professoren mit den Begriffen „soziale Distanz“, „Machtver­hältnis“ und „über Massenveranstaltungen hergestellte situativ bedinge Kommunika­tionsverhinderung“. Der Kontakt zu Professoren kann nach Faller (2005) für die Stu­dierenden eine Belastung darstellen. Auch sie betont an dieser Stelle die einseitigen Kommunikationswege sowie eine Beziehung, die von Distanz und beiderseitigen Vorurteilen geprägt ist. Krüger et al. (1986, S.57) halten jedoch fest:

„Die Beziehung zu den Hochschullehrern besitzt sicher eine Schlüsselrolle für die studentische Einschätzung der universitären Situation. Sie sind in besonderem Maß persönliche Modelle, per­sönliche Bezugspunkte mit einem hohen Wert für studentische Orientierungs- und Identifikations­wünsche.“

Sie gehen also trotz der von Differenzen geprägten Beziehung von einer Vorbildrolle der Professoren aus. Wie eingangs erwähnt, verfügen Professoren über ein komple­xes Gesundheitswissen. Doch geben sie dieses auch bewusst weiter, leben es vor und wenden es im Rahmen des Settings Hochschule in Führung und Lehre an?

Eine Forschungsarbeit von Seibold (2011), welche sich mit Gesundheitsförderung an Hochschulen auseinandersetzt, thematisiert in diesem Zusammenhang auch die Rolle von Professoren. Mit Hilfe qualitativer Fallstudien wurden die Erfolgsfaktoren und -indikatoren sowie Rahmenbedingungen von Gesundheitsförderung in diesem Setting eruiert. Sechs deutsche Universitäten sind dabei ins Visier genommen wor­den und halb-standardisierte Interviews mit diversen Funktionsträgern (z.B. Kanz­lern, Wissenschaftlern, Vertreter der Studierenden) durchgeführt worden. Interessant für die vorliegende Abschlussarbeit sind die Untersuchungsergebnisse der Kategorie Akzeptanz in der Hochschule und dabei insbesondere die Akzeptanz der Führungs­kräfte. Unter Führungskräften wurden die Dekane und Professoren auf der wissen­schaftlichen Seite und auf der nicht-wissenschaftlichen Seite die Dezernenten zu­sammengefasst. Die folgende Abbildung bildet die Forschungsresultate der Akzep­tanz bei den Führungskräften von Gesundheitsförderung im Setting Hochschule an den sechs untersuchten Hochschulen ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5. Ausprägung des Erfolgsfaktors Akzeptanz bei den Führungskräften (Seibold, 2011, S.153)

Dieses Resultat zeigt zweifelsohne, dass das Thema Gesundheitsförderung bei den befragten Führungspersonen nicht angekommen ist. Laut Seibold (2011) sei dies bei den Professoren sogar noch häufiger der Fall, als bei den Dezernenten. Das sieht sie vor allen Dingen darin begründet, dass die Dezernenten der Hochschulverwal­tung unterliegen und aufgrund der Hierarchie auch deren klaren Vorgaben. Profes­soren hingegen genießen die Freiheit in Forschung und Lehre. Die Machtbereiche der Professoren seien wie kleine „Königreiche“ oder „Fürstentümer“, so Seibold (2011, S.154). Und genau wie in einem Königreich kann ihre persönliche Einstellung Einfluss auf eine Vielzahl anderer haben. Sie bestimmen, wie bereits erwähnt, die Bedingungen unter denen gearbeitet wird oder haben das Sagen bei der Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen innerhalb ihres Lehrstuhls. Des Weiteren ergab die Studie, dass viel Überzeugungsarbeit notwendig ist, um Professoren für dieses Thema zu sensibilisieren. Seibold, Steinke, Nagel und Joss (2010) sehen in der Ak­zeptanz von Gesundheitsförderung bei den Führungskräften einen wichtigen Erfolgs­faktor auf dem Weg zu einer gesunden Hochschule.

In Anbetracht dessen stellt sich nun folgende Frage: Wenn das Thema Gesundheit im Setting Hochschule noch wenig in den Köpfen der Professoren verankert ist, in­wiefern sind sie dann im Hinblick auf Beschäftigte und Studierende ein Vorbild hin­sichtlich Gesundheit? Sind sie sich dieser Vorbildrolle bewusst? Die anschließende empirische Studie soll ein kleiner Anfang sein, dies herauszufinden.

3 Empirische Studie

Im Zuge dieses Kapitels soll im ersten Schritt die methodische Vorgehensweise der Erhebung und Auswertung der Daten nachvollzogen werden. Im Anschluss erfolgt die Aufbereitung der Resultate der empirischen Studie. Es wurde sich dafür entschie­den, die Ergebnisse zunächst einzeln und ohne Wertung darzustellen und erst im Anschluss zu deuten und miteinander zu vergleichen.

3.1 Methodik

3.1.1 Leitfadeninterview als Methode der Wahl

Im Rahmen dieser Abschlussarbeit wurde mit dem Leitfadeninterview ein qualitativer Forschungsansatz angewandt .

„Im Gegensatz zu einer quantitativ ausgerichteten Befragung, die mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens durchgeführt werden kann, geht es einem qualitativ ausgerichteten Erhebungsver­fahren darum, Informationen zu gewinnen, die durch offene Fragen erhoben werden.“ (Kuckartz, 2008, S.20)

Die Statusgruppe der Hochschulprofessoren ist zum einen eine schwer zu errei­chende Zielgruppe. Außerdem bringt das Thema Gesundheitsbewusstsein von Pro­fessorInnen im Setting Hochschule eine enorme Komplexität mit sich, welche bei­spielsweise in einem schriftlichen Fragebogen nur schwer hätte abgedeckt werden können. Die Anwendung einer quantitativen Methode erschien daher nicht sinnvoll.

Der Interviewleitfaden dient dem Interviewer als roter Faden der Befragung (Krieger, 2008). Er erhöht die Vergleichbarkeit der Daten und liefert eine Grundstruktur, wel­che für die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse hilfreich ist. Er besteht aus offenen Fragen, die der Interviewpartner frei beantworten kann und für die keine Ant­wortmöglichkeiten innerhalb eines Schemas vorgegeben sind (Kuckartz, 2008). Wichtig dabei ist jedoch, dass das Interview nicht-standardisiert erfolgt und so flexibel wie möglich gehalten wird, um auf Veränderungen innerhalb der jeweiligen Inter­viewsituation reagieren zu können (Krieger, 2008) - Nicht-Standardisierung nicht nur hinsichtlich der Fragen als solche, sondern auch bezüglich der Reihenfolge, in der sie dem Interviewpartner präsentiert werden. Wann eine Frage gestellt wird, ergibt sich aus dem Verlauf des Gesprächs (Lamnek, 2010). Mit Hilfe des Leitfadens soll weiterhin sichergestellt werden, dass wesentliche, die Forschungsfrage tangierende Aspekte nicht vergessen werden (Mayer, 2009).

Das Durchführen des Interviews mittels eines Leitfadens unterstützt jedoch nicht nur den Interviewer, sondern auch den Befragten. Er liefert diesem Anregungen und gibt eine gewisse Richtung vor. Faltermaier (1994, S.166), der - wie in Kapitel 2.1.3 be­reits ausführlich erläutert - ebenfalls eine empirische Studie über das Gesundheits­bewusstsein erhoben hat, konstatiert, dass dieses Thema bei den Interviewpartnern eine gewisse Zeit des Hineindenkens erfordere:

„Zum einen ist Gesundheit als Begriff in der Regel nicht auf der Bewusstseinsoberfläche reprä­sentiert, sondern er bedarf Reflexion; denn Gesundheit wird weniger unmittelbar erlebt, als er­schlossen, sie muss sich reflektierend bewusst gemacht werden. Das hat die methodische Kon­sequenz, dass sich die erste spontane Antwort womöglich von einer zweiten unterscheiden wird, dass in einem Interview möglicherweise erst ein Reflexionsprozess über das Verständnis von Gesundheit ausgelöst wird.“

Das passende Instrument dafür ist der Interviewleitfaden, welcher den Inter­viewpartner in den Prozess des Erzählens und der Selbstreflexion führen soll. Eine vorangegangene komplexe Analyse und Auseinandersetzung mit der Theorie stellt die Basis der Leitfadenkonstruktion dar. Im Zuge dessen werden unter Berücksichti­gung der zugrundeliegenden Forschungsfrage sogenannte Kategorien gebildet und diesen spezifische Haupt- und Unterfragen zugeordnet (Krieger, 2008). Der Inter­viewleitfaden dieser Abschlussarbeit setzt sich aus drei Kategorien zusammen: (1) Beruf des Hochschulprofessors, (2) Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein sowie (3) Vorbildfunktion für Studierende und Beschäftigte im Hinblick auf Gesundheit. Zu­gunsten der Übersichtlichkeit wird diese Dreiteilung innerhalb der Interviewdarstel­lung sowie Interviewinterpretation beibehalten. Der vollständige Interviewleitfaden ist im Anhang der Arbeit zu finden.

3.1.2 Durchführung und Auswertungsverfahren der Studie

Die Leitfadeninterviews wurden im Sommer 2015 mit drei Professoren der Universität Bayreuth durchgeführt. Die Auswahl erfolgte in Absprache mit den Betreuern dieser Abschlussarbeit und wird im anschließenden Kapitel noch einmal genauer erläutert. Bei den Interviews handelt es sich um mündlich geführte Einzelbefragungen. Diese fanden in den Büros der jeweiligen Probanden statt und somit in einer für sie ge­wohnten Atmosphäre. Denn:

„Um wirklich gute Interviews zu bekommen, muss man (...) in die Lebenswelt dieser betreffenden Menschen gehen und darf sie nicht in Situationen interviewen, die ihnen unangenehm oder fremd sind“ (Girtler, 1984, zitiert nach Lamnek, 2010, S.366)

Aufgrund der erwarteten Fülle an Informationen und zugunsten der anschließenden systematischen Aufbereitung sind die Daten mittels eines Tonbandes aufgezeichnet worden. Dies erfolgte in vorheriger Absprache mit den Probanden und deren Zustim­mung. Vor dem Beginn der Aufnahmen wurden die Interviewpartner zunächst über den Hintergrund der Befragung aufgeklärt und auf die Anonymität im Zuge der Da­tenauswertung hingewiesen. Die durchschnittliche Dauer der Interviews beträgt in etwa 30 Minuten. Im Anschluss an die Befragungen wurden bereits erste Gedanken und Interpretationsideen verschriftlicht. Im weiteren Verlauf erfolgte die ausführliche Transkription der Gesprächsverläufe mit Hilfe der Software f4transkript. Hierbei fan­den die Transkriptionsregeln von Dresing und Pehl (2013) in Anlehnung an Kuckartz (2008) Anwendung. Diese wurden zugunsten der Lesbarkeit ausgewählt und da der Schwerpunkt auf dem Gesprächsinhalt liegen soll. Optik, Mimik, Gestik oder Dialekte der Interviewpartner konnten in Hinblick auf das Forschungsziel vernachlässigt wer­den.

Bei der Auswertung der Interviews wurde sich an den Analyseverfahren von Meuser und Nagel (1991) sowie Lamnek (2010) orientiert. Dabei erschien es sinnvoll, die drei Interviews zunächst einzeln sowie wertungsfrei darzustellen und erst im Anschluss zu interpretieren, zu vergleichen und theoretische Verknüpfungen herzustellen.

Zur Konzentration und Verdichtung des Materials wurden im Zuge der Ergebnisdar­stellung im ersten Schritt alle nebensächlichen Aussagen, die nicht der Beantwortung der Forschungsfrage dienen, entfernt und bedeutsame Textpassagen hervorgeho­ben (Lamnek, 2010). Anschließend erfolgte eine Paraphrasierung der Aussagen. Da­bei wurden zunächst alle, als relevant angesehenen, Gesprächsinhalte möglichst textnah und dennoch mit eigenen Worten wiedergegeben und mit wichtigen, aussa­gekräftigen direkten Zitaten untermauert. Im Anschluss wurden die Paraphrasen und dazugehörigen Zitate in die oben genannten drei Kategorien eingeordnet (Meuser & Nagel, 1991) und in dieser Reihenfolge in der Ergebnisdarstellung niedergeschrie­ben. Eine erneute Einordnung wurde deshalb vorgenommen, da es - obwohl das Interview mittels eines Leitfadens gelenkt wird - möglich ist, dass sich die Befragten an anderer Stelle zu einem Themengebiet äußern oder sich erst im Nachhinein eine, vom Interviewleitfaden abweichende Anordnung, als überzeugender herausstellt (Lamnek, 2010).

In der anschließenden Ergebnisinterpretation wurden die Textpassagen aus allen drei Interviews in neugebildeten Unterkategorien zusammengefasst, Gegensätzlich­keiten sowie Analogien herausgestellt und interpretiert. (Meuser & Nagel, 1991). Dies erfolgte im Hinblick auf die vorangegangenen empirischen Studien, welche im theoretischen Teil dieser Arbeit bereits vorgestellt worden sind. Des Weiteren wurde versucht, eigene sogenannte Grounded Theories zu entwickeln. Dabei handelt es sich um Theorien, die aus empirischen Studien formuliert werden, leicht verständlich und nachzuvollziehen sind sowie Erklärungen und Vorhersagen beinhalten (Lamnek, 2010).

3.1.3 Auswahl und Vorstellung der Interviewpartner

Die Auswahl der Probanden erfolgte zunächst aufgrund eines signifikanten Unter­scheidungskriteriums - des Geschlechts. Des Weiteren wurde darauf geachtet, dass die Befragten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachrichtungen stammen. Zu Beginn der empirischen Studie war vorgesehen, lediglich zwei Professoren der Universität Bayreuth zu interviewen. Im Laufe der Untersuchungen stellte sich jedoch heraus, dass das Durchführen eines weiteren, dritten Interviews, unter anderem auf­grund der höheren Aussagekraft, sinnvoll und von Vorteil wäre. Das Geschlecht spielte bei der Auswahl des dritten Interviewpartners keine Rolle. Maßgebendes Kri­terium war vielmehr die Dauer des bisherigen Professorendaseins, sprich die Dauer des Innehabens eines Lehrstuhls. Die Entscheidung für den dritten Interviewpartner fiel letztlich auf einen Professor, der sein Amt erst seit Kurzem innehat und in einer anderen Fachrichtung angesiedelt ist als die anderen beiden Befragten. Mit der fol­genden tabellarischen Übersicht sollen die Interviewpartner kurz vorgestellt werden:

Tab. 1. Merkmale der ausgewählten Interviewpartner

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei den persönlichen Angaben der Interviewpartner2 handelt es sich lediglich um Eckdaten, welche für die empirische Studie als relevant angesehen werden. Zum Schutze der Privatsphäre bleiben die Befragten, wie bereits erwähnt, anonym. Im Anschluss erfolgt nun die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse.

3.2 Ergebnisdarstellung

3.2.1 Interview 1

Kategorie 1 - Beruf des Hochschulprofessors Interviewpartner 1 beschreibt seinen Beruf als Hochschulprofessor wie folgt:

„Ja, generell er ist (...) vielfältig (...), von sehr viel Freiheit geprägt, insofern als ich eben (...) keinen Chef habe. Mir selber in gewissem Rahmen eben aussuche, woran ich arbeite und wann und welchen Schwerpunkten (...).“ (I1, Z.5-6)

Unter Vielfalt, Tätigkeits- und Entscheidungsspielraum und Freiheiten in der zeitli­chen Gestaltung lassen sich zunächst diese beruflichen Ressourcen zusammenfas­sen. Darüber hinaus ergänzt Interviewpartner 1, dass es ein Beruf mit vielen Privile­gien sei, der ihm viel Freude bereite (I2, Z.10-11). Vor allem aber sieht er die hohe Flexibilität als Gewinn an (I2, Z.19-20). Er schätzt die geistige Aktivität und Interakti­vität, die seine Arbeit mit sich bringt (I2, Z.163) und ist der Überzeugung, dass sein Job eine Vielzahl gesundheitsförderlicher Elemente vereine (I2, Z.168-170).

„Es gehört aber auch dazu, dass es ein (...) Beruf ist, der keinen Feierabend kennt. Bei dem man nie seine Aufgaben wirklich erfüllt hat, ständig im Defizit ist. Also (...) man ist umgeben von Pa­pierstapeln, von unerledigter Arbeit.“ (I1, Z.7-9)

Dieses „Dauerdefizi? (I2, Z.204) stellt für den Probanden die größte Herausforderung dar, die der Beruf des Hochschulprofessors mit sich bringt. Man könne nie sagen „Okay, meine Arbeit ist gemacht“, so der Professor (I2, Z.205-206). Außerdem spricht er von langfristigen Belastungen durch Situationen in denen man machtlos sei, Dinge schief laufen und man nichts daran ändern könne (I1, Z.170-173). Stress sei hinge­gen weniger ein Problem:

„Ich mein für mich selber gehört Stress zur Wissenschaft geradezu dazu. Also dass man eben auch in Situationen gerät, wo man wirklich (...) versucht in kurzer Zeit möglichst viel eben (...) zu schaffen und auch sich mal von normalen Arbeitszeiten eben (...) löst. Insofern (...) ist die Stress­vermeidung für mich nicht oberstes (...) Gebot.“ (I2, Z.280-284)

Zeit ist für den Befragten ein begrenzter Faktor: „Ja, also eine persönliche Einschrän­kung ist mit Sicherheit, dass ich viel weniger Zeit habe für Dinge neben der Arbeit, als es andere haben.“ (I1, Z.18-19). Dabei fügt er im weiteren Verlauf hinzu, dass man in seinem Beruf eigentlich wesentlich mehr Zeit für gesundheitsförderliche Akti­vitäten haben müsste, als dies tatsächlich der Fall sei (I1, Z.175-176).

Kategorie 2 - Gesundheit und Gesundheitsbewusstsein Die Gesundheit stellt für den Befragten ein Themenfeld mit hoher Präsenz dar. Es beschäftige ihn schon sehr lange - sowohl persönlich, in seiner wissenschaftlicher Arbeit als auch in der Lehre (I1, Z.28-32). In seinen Ausführungen nimmt er Bezug auf die Gesundheitsdefinition der WHO und hält diese für nicht sinnvoll - Gesundheit könne nicht als Idealzustand der vollständigen Abwesenheit physischer und psychi­scher Gebrechen bezeichnet werden, so B1 (I2, Z.214-218). Seine persönliche De­finition lautet wie folgt:

„Gesundheit (...) ist für mich, dass ich das Gefühl habe, dass ich in jeder Beziehung - also sowohl was den Geiste als auch was den Körper angeht (...) - letztendlich keine wirklichen Einschrän­kungen in meiner Lebensführung (...) erlebe.“ (I1, Z.218-221)

Mit Gesundheit verbindet er des Weiteren ein gutes körperliches Wohlbefinden, eine Art freundschaftliches Verhältnis zu seinem Körper (I1, Z.221-226). Das Thema Ge­sundheit erfährt in seinem Leben generell einen hohen Stellenwert:

„Also ich folge eigentlich dem Spruch (...) „Gesundheit ist nicht alles, aber (...) ohne Gesundheit ist alles nichts“. Sprich, es ist für mich schon eine Voraussetzung eben für (...) ja, für ein glückli­ches und erfülltes Leben. Insofern ist es eben ein sehr, sehr, sehr wichtiges Gut (...).“ (I1, Z.37- 40)

Getreu der Weisheit Arthur Schopenhauers versucht Interviewpartner 1 sein Leben dementsprechend zu gestalten. Beispielsweise ist er darauf bedacht, möglichst jene Situationen zu vermeiden, die ihn aus dem Gleichgewicht bringen könnten (I1, Z.192- 194; Z.299-300). Er achtet sehr auf seine Ernährung, isst zum Beispiel nur in Maßen Fleisch, dafür aber viel Obst und Gemüse. Das Thema Ernährung rückt für ihn auf­grund seiner wissenschaftlichen Forschung und Lehrentwicklungen immer mehr in den Fokus (I1, Z.110-113). Er war maßgeblich an dem Aufbau des neuen Studien­gangs Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth beteiligt. Dieser sei interdisziplinär und greife sowohl ökonomische und juristische als auch sportwissenschaftliche und ökologische Aspekte auf, so der Professor (I1, Z.368-371).

Neben seinen Essgewohnheiten legt er außerdem enormen Wert auf regelmäßige Bewegung: er geht mehrmals wöchentlich laufen (gelegentlich auch während der Mittagspause) (I1, Z.136), fährt seit jeher mit dem Fahrrad zur Arbeit (I1, Z.97), hat vor kurzem an einem Triathlon teilgenommen und will in naher Zukunft auch einen Marathon bestreiten (I1, Z.140-145). Ausreichend Bewegung ist für ihn der wichtigste Faktor auf dem Weg zu Gesundheit (I1, Z.111-112). Der Proband sagt weiterhin, dass Sport ihm nicht nur körperlich sondern auch mental gut tue (I1, Z.101-102).

Förderlich für die psychische Gesundheit empfindet er außerdem Belohnungen, auf die er sich nach getaner Arbeit freuen kann. Nach dem Motto „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ schafft er sich ein persönliches Anreizsystem (I1, Z.306-309).

Er weiß, dass er in dieser Hinsicht noch wesentlich aktiver sein und noch mehr an­deren Interessen abseits der Arbeit nachgehen könnte. Der Beruf habe hier aber meistens die Oberhand, so der Befragte. Als Beispiel nennt er die Gewohnheit, dass er ausschließlich Dinge liest, die mit seinem Job zu tun haben - abgesehen von der Tageszeitung. Das Bewusstsein, dass es ihm wahrscheinlich besser ginge, wenn er sein Verhalten dahingehend ändern würde, ist jedoch vorhanden (I1, Z.300-306).

Das Gesundheitsbewusstsein ergibt sich für den Befragten aus der Reflexion über jene Faktoren, die die Gesundheit beeinflussen in Kombination mit der Frage, was Gesundheit überhaupt bedeutet und der anschließenden längerfristigen Ausrichtung seines Alltags und Lebens nach diesen Gesichtspunkten (I1, Z.56-62). Mehrfach wie­derholt er in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Zukunftsorientierung:

„Aber zum Gesundheitsbewusstsein gehört diese etwas längerfristige Perspektive in seinem Le­ben“ (I1, Z.54-55) Der Proband schätzt sein eigenes Gesundheitsbewusstsein zweigeteilt ein. Auf der einen Seite sehr hoch, da er in hohem Maße auf seine Ernährung und sein Verhalten bedacht ist (I1, Z.66-68). Dabei ergänzt er:

„Allerdings nicht so, das sollte ich auch mal sagen, nicht so im Sinne einer Selbstkasteiung. Sondern (...) ich versuche schon, also Lebensfreude mit Gesundheitsbewusstsein eben zu kom­binieren und denke auch, dass das geht (...).“ (I1, Z.68-71)

Auf der anderen Seite schildert er jedoch, dass sich dieses Gesundheitsbewusstsein nicht auf allen Ebenen seines Lebens niederschlage:

„[...] ich bin zu 90 Prozent (...), gesundheitsbewusst, aber es gibt auch Bereiche meines Lebens wo ich (...) das komplett ausklammere, diese Frage Gesundheit.“ (I1, Z.73-75)

Zum Beispiel sagt er, dass er viel zu selten zum Arzt gehe und eigentlich mehr Vor­sorgeuntersuchungen wahrnehmen sollte. Darin sieht er sowohl ein persönliches De­fizit, als auch ein generelles Problem, welches er bei Männern beobachtet hat (I2, Z.75-79). Grundsätzlich habe sein Bewusstsein für Gesundheit jedoch mit dem Alter zugenommen, so der Befragte. Beispielsweise nehme man den Stress, den man in jüngeren Jahren erlebe, noch nicht als eine Belastung wahr, die mögliche langfris­tige, negativen Auswirkungen (z.B. steigendes Herzinfarktrisiko) haben könnte - heute sei das bei ihm anders, ergänzt er (I1, Z.185-190).

Kategorie 3 - Vorbildfunktion für Studierende und Beschäftigte B1 sieht die Vorbildfunktion eines Hochschulprofessors für Studierende in vielerlei Hinsicht, aber: „vielleicht nicht so sehr was das Gesundheitsbewusstsein angeht“. (I1,Z.235-236).

Dahingehend versucht er jedoch seine Studierenden hinsichtlich ihrer Essgewohn­heiten direkt zu beeinflussen. Als molekularer Pflanzenphysiologe gibt er in seinen Lehrveranstaltungen daher Ernährungstipps. Diese würden sehr gut von den Studie­renden angenommen werden, so B1 (I1, Z.242-247). Eine indirekte Beeinflussung sieht er durch wahrnehmbares gesundheitsförderliches Verhalten, beispielsweise wenn seine Studierenden ihn an der Uni beim Joggen sehen (I1, Z.249-251).

Generell gehe es bei der Vorbildfunktion aber eher um das Vorleben bestimmter Charakteristiken wie Ehrlichkeit, Redlichkeit, Offenheit und Zuverlässigkeit, so der Befragte. Des Weiteren fügt er hinzu:

„Dann sollte ich natürlich konkret (...) eben auch Begeisterung , Interesse vermitteln können. Ich sollte eben (...) schon auch für etwas stehen, für bestimmte Inhalte und Interessen (...). Und sollte die natürlich auch versuchen eben auch in anderen (...) zu wecken. Also insofern hat man eben da (...) eine Vorbildfunktion (...).“ (I1, Z. 236-242)

Die Vorbildfunktion für seine Beschäftigten in Hinblick auf Gesundheit ist für ihn aber­mals gering: „Aber ich glaube (...) ja dass letztendlich die Vorbildwirkung da (...) eher begrenzt ist. Es ist viel­leicht wirklich besser, wenn man (...) tatsächlich immer wieder diese Dinge thematisiert. Aber das eigene Vorleben, weiß ich nicht wie weit das (...) da geht. Also ich glaube es geht wirklich mehr um ganz generelle Charaktereigenschaften.“ (I1, Z. 267-271)

Auch hier spielt bei ihm vor allem das Vorleben oben genannter persönlicher Attribute eine Rolle. Grundsätzlich findet er jedoch, dass das Thema Gesundheit an Hoch­schulen gut adressiert ist. Es sei ein Ort, an dem sich mit Gesundheit auseinander­gesetzt und Gesundheitsbewusstsein ausgebildet werden könne, so B1 (I1, Z.337- 339). „Ich glaube auch, dass da noch viele ungenutzte Potentiale liegen“ (I1, Z.358-359), betont er abschließend.

3.2.2 Interview 2

Kategorie 1 - Beruf des Hochschulprofessors Zu Beginn der Beschreibung ihres Berufes betont B2 sofort dessen Vielfältigkeit. Die Vielfältigkeit aufgrund der permanenten Parallelität der zu bewältigenden Aufgaben stelle ein zentrales Charakteristikum der Professorentätigkeit dar, so die Befragte. Dieses sieht sie auf der einen Seite als Bereicherung und positiv, andererseits jedoch auch als anstrengend und Herausforderung (I2, Z.5-11). Folgende Aufgabenfelder fasst B2 unter ihrer Professorentätigkeit zusammen: hochschulpolitische Angelegen­heiten wie Gremienarbeit oder Fakultätspolitik, Forschung, Lehrentwicklungen und Lehrveranstaltungen, Betreuung und Beratung von Studierenden (I2, Z. 17-21), Ta­gungen (I2, Z.56) sowie Exkursionen (I2, Z.312). Im Rahmen der Lehrentwicklung hat sie einen neuen Studiengang ins Leben rufen können - eine Gestaltungsmöglich­keit ihres Berufes, welche sie sehr schätze (I2, Z.32-38).

Die Probandin bezeichnet ihren Job weiterhin als keinen, der gut geordnet sei oder einer Regelmäßigkeit unterliege und sagt begründend:

„Weil natürlich dann auch viele (...) "SCHEINBAR-Kleinigkeiten" aufeinander treffen, die dann einfach zu bewältigen sind.“ (I2, Z.23-24)

Lehre und Selbstverwaltung nehmen ihren Berichten nach zufolge viel Zeit in An­spruch, worunter die Forschung und auch die Professoren selbst oftmals leiden. Es sei schade, die inhaltliche Arbeit nur so nebenbei zu betreiben, so B2 (I2, Z.236- 241). Hierbei nimmt sie den Zeitfaktor mit in ihre Betrachtungen auf:

„Und zum Publizieren brauche ich RUHE. [...] ich brauch RUHE zum Arbeiten und die habe ich, also überhaupt nur in den Semesterferien. Das braucht ZEIT einfach auch, das geht nicht so hoppla hopp.“ (I2, Z.243-248)

[...]


1 Zur Verbesserung der Lesbarkeit werden in dieser Arbeit Personenbezeichnungen in der männlichen Form verwendet; gemeint sind jedoch in allen Fällen Frauen und Männer.

2 Die Interviewpartner werden in der folgenden Ergebnisdarstellung und v.a. in der Ergebnisinterpretation auch als B1, B2 und B3 bezeichnet (siehe obige Tabelle)

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Gesundheitsbewusstsein von ProfessorInnen im Setting Hochschule
Hochschule
Universität Bayreuth  (Lehrstuhl Sportwissenschaften III - Sozial- und Gesundheitswissenschaften des Sports)
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
82
Katalognummer
V938533
ISBN (eBook)
9783346267986
ISBN (Buch)
9783346267993
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsbewusstsein Uni, Gesundheitsbewusstsein Professoren, Setting Hochschule, Gesundheitsbewusstsein Hochschule
Arbeit zitieren
Anne Hölbing (Autor:in), 2015, Gesundheitsbewusstsein von ProfessorInnen im Setting Hochschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/938533

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