Das wissenschaftliche Interview. Qualitativer Interviewleitfaden, Verzerrungen, Fehlerquellen und qualitative Inhaltsanalyse


Einsendeaufgabe, 2020

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Qualitativer Interviewleitfaden
1.1 Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens
1.2 Die Unternehmensreputation (Definitionsannäherung)
1.3 Operationalisierung des Konstruktes der Unternehmensreputation
1.4 Konzeption des Interviewleidfadens
1.5 Vorbereitung, Aufbau und Durchführung eines Interviews
1.6 Auswahl der Stakeholder
1.7 Fallauswahl

2 Verzerrung und Fehlerquellen bei Interviews
2.1 Verzerrungseffekte durch den Interviewer
2.2 Verzerrungseffekte durch den Befragten
2.3 Reduktion der V erzerrungen

3 Die qualitative Inhaltsanalyse
3.1 Ablauf einer inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse
3.2 Ablauf einer evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse
3.3 Gegenüberstellung beider Analysemethoden

4 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Phasen einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse

Abbildung 2: Die 7 Phasen einer evaluativ qualitativen Inhaltsanalyse

1 Qualitativer Interviewleitfaden

Zunächst soll innerhalb der Teilaufgabe B1 ein vollständiger qualitativer Interviewleitfaden konziepiert werden. Daraufhin folgt eine Operationalisierung des Konstruktes der Unternehmensreputation. Mithilfe des erstellten Interviewleitfadens wird ein Mitarbeiter eines Unternehmens die wichtigsten Stakeholder befragen können. Das Beispiel bezieht sich auf die Biova GmbH in Wildberg.

1.1 Konzeption eines qualitativen Interviewleitfadens

Die qualitative Forschung generiert durch tiefe und differenzierte Analysen neues Wissen über soziale Phänomene. Hierbei geht man meist induktiv vor und erstellt dabei neue Hypothesen oder Theorien. Dabei werden subjektive Wahrheiten, Lebenswelten, individuelle Sichtweisen, Meinungen und Motive näher analysiert. Die Repräsentativität wird hierbei im inhaltlichen Sinne realisiert. Diese Art der Forschung wird meist offen gestaltet und bedient sich aufgrund des Arbeitsaufwandes vorzugsweise kleinerer Stichproben.1 Interviews werden in Bezug ihres Strukturierungsgrades anhand der Standardisierung aufgeführt. Zu den quantitativen Methoden gehört jedoch nur das standardisierte Interview. Das halbstandardisierte und das freie Interview zählen sich zu der qualitativen Forschung. Das halbstandartisierte Interview wird weiter unten näher erläutert.2

Ein standardisiertes Interview wird vor allem für Analysen bekannter Dimensionen auf rein rationaler Ebene verwendet. Hierbei gibt es eine feststehende Anzahl an vorgefertigten Fragen, die immer in derselben Reihenfolge gestellt werden müssen. Die Antwortmöglichkeiten sind dabei für den homogenen Kreis der Befragten meist festgelegt. Vorteilhaft sind hierbei die leichte Auswertbarkeit, Vergleichbarkeit, sowie der mögliche Einsatz mehrerer Interviewer. Diese müssen jedoch aufwendig vorbereitet werden und sind sehr starr in der Durchführung.3

Im halbstrukturierten Interview hingegen werden meist Fakten, Meinungen und Einstellungen erfragt. Hierbei sind die Dimensionen weitgehend bekannt. Der Kern der Fragen steht dabei auch in der Reihenfolge meist fest. Es gibt jedoch einen Freibereich der vom Interviewer flexibel eingesetzt werden kann. Die Befragten werden auch hierbei meist aus einer homogenen Maße ausgewählt. Das halbstrukturierte Interview hat den Vorteil eines geringen Erhebungsaufwandes und vergleichbaren Antworten. Außerdem kann der Interviewer flexibel auf das Gespräch reagieren. Dafür benötigt er jedoch eine vergleichsweise hohe Fachkompetenz, was wiederrum als Nachteil gesehen werden kann.4

Das freie Interview wird eingesetzt, um Eindrücke oder Überblicke über ein Thema zu gewinnen. Es geht also darum unbekannte Dimensionen zu finden und neue Aspekte zu generieren. Es verfügt über einen Leitfaden, ist jedoch in seinen Fragen weitgehend offen. Befragt wird meist eine heterogene Maße, die dem Interviewer rasch einen Überblick über den Untersuchungsgegenstand verschafft. Hierbei benötigt es jedoch einen hoch qualifizierten Interviewer, was mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist. Außerdem lässt sich ein Freies Interview sehr schwer auswerten.5

Im Folgenden soll die Unternehmensreputation für die Firma Biova GmbH durch ein halbstandardisiertes Interview gemessen werden. Von größter Bedeutung ist es, dass alle relevanten Dimensionen erfasst und analysiert werden. Hierfür muss man vorab ein Interviewleitfaden konzipiert und erstellen. Dieser Interviewleitfaden muss durch eine strukturierte Herangehensweise konzipiert werden.6 Bei der Konzipierung eines Interviewleitfadens muss zunächst eine tiefe und breite Literaturrecherche erfolgen, damit gewährleistet wird, dass das ganze Thema erfasst wurde. Diese Daten werden im Folgenden detailliert erhoben und aufbereitet. Die Definition des Themas und ihre Dimensionen sind für die Qualität der Arbeit von höchster Wichtigkeit.7

1.2 Die Unternehmensreputation (Definitionsannäherung)

Um nun den Begriff der Unternehmensreputation zu definieren, soll zunächst der Begriff der Reputation erläutert werden. Reputation bedeutet im französischen so viel wie Ruf oder Ansehen. Im Lateinischen stammt der Begriff von „reputatio“ ab, was so viel bedeutet wie Erwägung oder Berechnung.8 Die Unternehmensreputation ist der gute Ruf des Unternehmens. Dieser wird durch gezieltes Management für alle Stakeholder positiv aufgeladen. Hierzu gehören sowohl objektive als auch subjektive Eindrücke über das Unternehmen. Durch den subjektiven Aspekt lässt sich erahnen, dass das Individuum sowohl wahrgenommene Eindrücke als auch Emotionen in seine Bewertung mit einfließen lässt. Die Reputation wirkt sich nicht nur positiv auf alle Märkte aus, sondern steigert auch den Unternehmenswert.9

1.3 Operationalisierung des Konstruktes der Unternehmensreputation

Um einen Interviewleitfaden zu erstellen, ist es erforderlich das Kontrukt der „Unternehmensreputation“ zu operationalisieren. Dazu gibt es einiges an Literatur, jedoch soll sich diese Einsendeaufgabe auf das Reputationsmodell von Eisenegger konzentrieren. Dieser beschreibt das Konstrukt anhand von drei Dimensionen die funktional, sozial und expressiv sind.10

Funktionale Reputation

Die funktionale Reputation ist abhängig von sachlogisch überprüfbaren Ursache­Wirkung-Zusammenhänge. Man spricht hierbei auch von Zweckrationalität. Dabei werden die Leistungsziele anhand von Funktionssystemen aus Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft abgeleitet. Die funktionale Reputation ist ein Indikator für teilsystem­spezifische Erfolge und Kompetenzen. Kann man solche Erfolge verbuchen, wie z. B. ein Geschäftsführer, der die Gewinnzahlen steigert, wird ihm eine positive funktionale Reputation zugeschrieben. Solche Kennzahlen werden anhand von Wahr-/Falsch Aussagen zugänglich gemacht. In der wahren Welt gibt es Akteure, die diese Aussagen bestätigen oder verwerfen. Diese Akteure können Experten, Wissenschaftler, Analytiker usw. sein.11

Soziale Reputation

Die soziale Reputation beschreibt, inwieweit sich ein Reputationsträger an soziale Normen und Werte messen kann. Es handelt sich hierbei nicht um eine objektive, sondern um eine Bewertung der Legitimität und Integrität. Die soziale Reputation ist so lange in Takt, solange der Reputationsträger nicht mit den gesellschaftlichen Normen und Werten in Konflikt gerät. Sollte dies geschehen, wird der Ruf nachhaltig geschädigt und kann nur durch radikale Maßnahmen wiederhergestellt werden. Bewertet wird die soziale Reputation von einer Vielzahl an Akteuren wie z. B. religiöse Gruppierungen, Politiker oder auch Journalisten. Sie urteilen darüber ob der Reputationsträger als guter oder schlechter Bürger gewertet wird.12

Expressive Reputation

Im Zentrum der expressiven Reputation steht die Frage welche emotionale Attraktivität und Authentizität vom Wesen des Akteurs ausgeht. Dabei äußert der Reputationsträger Absichten und positive Affekte bei Dritten, um besonders attraktiv zu erscheinen. Die Außenwelt bewertet wiederrum, ob dieser eine emotionale Anziehungskraft innehat. Dabei manifestiert sich die expressive Reputation durch die positive oder negative affektuelle Einstellung des Reputationsträgers. Indikatoren für eine positive oder negative Einstellung sind Faszination, Attraktivität, Sympathie, Authentizität und Einzigartigkeit. Die emotionale Attraktivität kann in der Wahrnehmung funktional oder sozial beeinflusst werden. Der Reputationsträger wird jedoch auch in der subjektiven Welt daraufhin geprüft, ob seine subjektive Innenwelt authentisch ist oder rein inszeniert wirkt.13

1.4 Konzeption des Interviewleidfadens

Ein Leitfaden ist für ein halbstrukturiertes Interview von enormer Wichtigkeit. Er hilft im Vorfeld dem Forschenden sein Wissen zu organisieren und mit Teamkollegen zu diskutieren. Im Interview wird meist auf den Leitfaden zurückgegriffen, wenn es zu einer Stockung kommt oder der „Faden“ verloren wurde. Am Ende jedes Interviews kann der Leitfaden als Checkliste dienen. Somit lässt sich sicherstellen, dass auch nichts vergessen und alles angemessen angesprochen wurde. Somit gibt der Leitfaden einen Rahmen für das Interview vor und dient der besseren Vergleichbarkeit der Daten. Bei der Erstellung eines Leitfadens sind acht bis fünfzehn Seiten angemessen. Enthalten sind hierbei offene Einstiegsfragen, konkrete Nachfragen, sowie Steuerungs- und Aufrechterhaltungsfragen. Es ist auch möglich einen Kurzfragebogen einzuführen, welcher vor oder nach dem Interview eingesetzt werden kann. Dadurch werden Rahmendaten und Faktenfragen aus dem Gespräch ausgelagert. Auch wenn der organisierte Leitfaden meist in Stichworten erstellt wird, sollte man die Fragen vor dem Interview einmal ausformulieren, um ein Gespür für die Formulierung zu erhalten. Die Anordnung des Fragenkatalogs übernimmt der Interviewer. Außerdem soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Leitfaden mit zunehmenden Erkenntnisgewinn verändert werden kann und auch sollte.14

Im vorherigen Kapitel wurden die Dimensionen und die Indikatoren identifiziert. Sie sind notwendig, um den Interviewleitfaden zu konstruieren. Durch die oben genannten Fragetypen und ihre strukturierte Anordnung soll sichergestellt werden, dass alle relevante Themen in einem angemessenen Maß angesprochen wurden. Um nun die Fragen für das Interview zu erstellen gibt es einige Regeln die zu beachten sind. Diese werden im Folgenden näher erläutert.

1. Fragen sollten der Zielgruppe angemessen, einfach und direkt sein.
2. Faktenfragen wie nach Alter oder Beruf sollten immer vor oder nach dem Interview gestellt werden.
3. Durch offene Fragen, welche sich auf das Erleben und Verhalten beziehen, wird der Gesprächspartner zum Beschreiben und Erzählen angeregt. Hierfür können auch Vertiefungsfragen gestellt werden.
4. Warum-Fragen und Suggestivfragen sollten möglichst vermieden werden, da diese den Befragten schnell in die Enge treiben.
5. Geschlossene Fragen sollten meist nur bei Bedarf für eine Filterführung genutzt werden.15

1.5 Vorbereitung, Aufbau und Durchführung eines Interviews

Bei einem qualitativen Interview ist der Ablauf flexibel, um spontan neue Fragen zu ermöglichen. Durch die Möglichkeit der individuellen Vertiefung der Fragen wird es häufig auch als Tiefeninterview bezeichnet. Im Folgenden werden nun die einzelnen Schritte der Vorbereitung erläutert.

Im ersten Schritt der Vorbereitung geht es um den Inhalt. Hierbei wird das Thema, die Forschungsfragen, Befragungspersonen, Interview sowie Befragungsstechnicken festgelegt.

Im zweiten Schritt geht es um die organisatorische Vorbereitung, wobei alle Interviewer, durch Rollenspiele, geschult werden müssen. Hierbei wird auch der erste Kontakt zu den Befragten hergestellt. Diese werden anhand von einem begründeten Stichprobenplan rekrutiert. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass manche Teilnehmer absagen könnten, weswegen man großzügig Planen sollte. Auch das Zusammenstellen des Interviewmaterials gehört zum zweiten Schritt. Dies inkludiert sowohl den Audiorekorder und die Speichermedien als auch Visitenkarten und Prospekte zum Forschungsprojekt.

Im dritten Schritt beginnt schließlich das Gespräch. Hierbei sollte man zunächst etwas Smalltalk halten, um eine entspannte Atmosphäre herzustellen. Dabei ist auf eine angenehme Nähe-Distanz-Regulation zu achten. Da bei einem qualitativen Interview eine Tonaufzeichnung nicht verzichtbar ist, sollten die Akzeptanzprobleme diesbezüglich vorab abgebaut werden. Eine schriftliche Vereinbarung über den Datenschutz ist im Sinne der Forschungsethik selbstverpflichtend. Vor Beginn des Gesprächs sollte dann noch die Funktionsfähigkeit des Aufnahmegerätes geprüft werden.

[...]


1 Vgl. Misoch, S. (2015), Qualitative Interviews, S. 2 f.

2 Vgl. Lehmann, G. (2004), Das Interview, S. 9.

3 Vgl. ebenda.

4 Vgl. ebenda.

5 Vgl. ebenda.

6 Vgl. Lehmann, G. (2004), Das Interview, S. 9.

7 Vgl. Döring, N.; Bortz, J. (2016), Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, S. 154.

8 Vgl. Duden, Reputation

9 Vgl. SpiessConsult, Reputationsmanagment,

10 Vgl. Eisenegger, M. (2015), Identität, Image und Reputation - Eine kommunikationssoziologische Begriffsarchitektur, S. 245.

11 Vgl. Eisenegger, M. (2015), Identität, Image und Reputation - Eine kommunikationssoziologische Begriffsarchitektur, S. 246.

12 Vgl. ebenda, S. 247.

13 Vgl. Eisenegger, M. (2015), Identität, Image und Reputation - Eine kommunikationssoziologische Begriffsarchitektur, S. 248.

14 Vgl. Mey, G.; Mruck, K. (2020), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, S. 327 f.

15 Vgl. Döring, N.; Bortz, J. (2016), Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, S. 403.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Das wissenschaftliche Interview. Qualitativer Interviewleitfaden, Verzerrungen, Fehlerquellen und qualitative Inhaltsanalyse
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
26
Katalognummer
V940679
ISBN (eBook)
9783346270436
ISBN (Buch)
9783346270443
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interview, qualitativer, interviewleitfaden, verzerrungen, fehlerquellen, inhaltsanalyse
Arbeit zitieren
Sascha Heller (Autor:in), 2020, Das wissenschaftliche Interview. Qualitativer Interviewleitfaden, Verzerrungen, Fehlerquellen und qualitative Inhaltsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/940679

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