Die Debatte über den Film "Im Westen nichts Neues" 1930/31 in Österreich


Seminararbeit, 2007

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Erich Maria Remarque
1.2 Inhaltsangabe zum Buch
1.2. Der Film
1.3. Die Debatten über den Film und das Buch in Deutschland von 1929 - 1930

2. Methoden

3. Die politische Lage in Österreich 1930/31

4. Tendenzen

5. Ergebnisse
5.1 Arbeiterzeitung
5.2 Neues Wiener Tagblatt
5.3 Neue Freie Presse

6. Zusammenfassung der Ergebnisse
- Arbeiterzeitung
- Neues Wiener Tagblatt
- Neue Freie Presse

7. Conclusio

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis
- Artikel
- Bücher
- Internet
- Zeitungen

Anhang
1. E-Mail Kontakt mit dem Archiv der Arbeiterkammer Wien
2. E-Mail Korrespondenz mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
3. Tendenzen der ausgewählten Zeitungen

1. Einleitung

Der Verfasser dieser Seminararbeit verwendet in seinem Geschichte und Sozialkunde –Unterricht sehr gerne das Buch „Im Westen nichts Neues“ und den darauf basierenden Film. Beides eignet sich inhaltlich sehr gut für die Bearbeitung des Stoffes „Erster Weltkrieg“ der laut Lehrplan am Ende der dritten Klasse der Unterstufe stattfinden soll (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2003).

Aus Zeitgründen findet die Bearbeitung dieser Thematik zumeist erst im vierten Jahrgang statt. Dies kommt dem Autor dieser Arbeit nicht ungelegen, da die Rezeptionen des Buches und des Films in den späten zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jhs. z.T. emotionale Wellen schlug. Dadurch ist es dem Verfasser aufgrund des Lehrplanes der vierten Klassen möglich, mit seinen Schülern[1] Querverweise auf historische Ereignisse in der österreichischen 1. Republik und dem Ende der deutschen Weimarer Republik bzw. den Beginn der faschistischen Diktatur Hitlers herzustellen (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2003).

Bevor diese Debatte dargestellt wird, ist es essentiell, dass der Leser einen kurzen Einblick über das Leben des Autors, über den Inhalt des Buches und die vorgenommenen Veränderungen im Film Auskunft erhält.

1.1 Erich Maria Remarque

Der Autor wurde am 22.6.1898 als Erich Paul Remark in Osnabrück geboren. Später änderte er die Schreibweise seines Namens in Remarque um bzw. ersetzte seinen zweiten Vornamen Paul durch Maria.

Bereits in seiner Jugendzeit widmete sich Remarque dem Verfassen literarischer Werke. Die Ausbildung zum Lehrer wurde durch die Einberufung in den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Nach kurzem Kampfeinsatz an der Westfront 1917 erlitt er eine Verwundung durch einen Granatsplitter. Remarque kehrte nicht mehr an die Front zurück. Er erhielt einen Posten in einer Schreibstube eines Krankenhauses, wo er mit der Abfassung eines Kriegsromans begann (vgl. Tutschek, 2001, S.26, Chambers II 1998, S.35, Schneider 1996, S.9).

Der Entlassung aus dem Kriegsdienst folgten der Abschluss der begonnenen Ausbildung und eine kurze Episode im erlernten Beruf. Ab 1921 verdingte Remarque sich seinen Unterhalt als Theaterkritiker und Artikelverfasser für eine Zeitschrift des Konzerns Continental.

1925 wechselte der Autor als Redakteur zu einer Sportzeitung nach Berlin. Das Jahr 1928 markierte den Wendepunkt im Leben von Remarque. Nach einer Ablehnung des S. Fischer Verlages erschien sein Werk „Im Westen nichts Neues“ im November desselben Jahres als Vorabdruck in der Vossischen Zeitung, einer Tochter des Ullstein – Konzerns. Im Januar 1929 wurde es als Kriegsbuch in einer weiteren Ullstein – Tochter, dem Propyläen – Verlag, publiziert. Neben dem Vorabdruck wurden nicht nur eigens Werbebroschüren verfasst, sondern zudem jahrzehntelang der Mythos aufrecht erhalten, dass es sich um einen Kriegsbericht eines einfachen Soldaten von der Westfront handelte. Nur zehn Jahre nach Kriegsende rief dies bei Befürwortern und Gegnern des Ersten Weltkrieges hohe Emotionen wach. Außerdem schürte der Konzern konträr verlaufende Debatten um das Buch, um durch diese einen wirtschaftlichen Erfolg zu erhalten (vgl. Tutschek 2001, S.26f, 31,53ff, Schneider 1996, S.9ff).

Die Zunahme der Auseinandersetzungen um seine Person führte zum Erwerb einer Villa im schweizerischen Tessin und zur Investition seiner Tantiemen in Kunstgegenstände. Infolge der Verschärfung der politischen Lage zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jhs. durch die Nationalsozialisten wurde diese immer mehr zu seinem Rückzugsort. Nach der Machtübernahme durch Hitler und der Verbrennung seiner Bücher „Im Westen nichts Neues“ und seiner Fortsetzung „Der Weg zurück“ am 10.5.1933 durch die Nationalsozialisten wurde die Villa zu seinem Exil. 1938 erfolgte die offizielle Ausbürgerung aus Deutschland. Nach mehrmaligen Aufenthalten in den USA erhielt Remarque 1947 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Die 50er Jahre des 20. Jhs. stellten seine produktivste Schaffensperiode dar. Trotz großer Auszeichnungen durch sein Geburtsland kam es nie zu einer Repatriierung. Am 25. September 1970 verstarb Remarque im schweizerischen Locarno (vgl. Tutschek 2001, S.28f, Dörp 1993, S.67).

Im nächsten Kapitel wird auf den Inhalt des Buches „Im Westen nichts Neues“ eingegangen.

1.2 Inhaltsangabe zum Buch

Das erst nach dem Zweiten Weltkrieg als Roman bezeichnete Werk hat in zwölf Kapiteln den 19-jährigen Paul Bäumer zum Protagonisten. In der von wechselndem Spannungsaufbau und – abbau gekennzeichneten geprägten Handlung schildert Paul zumeist in der Ich-Form von seinen Erlebnissen an und Abseits der Front (vgl. Tutschek 2001, S.22ff).

Zu Beginn erfährt der Leser, wie es Paul und seinen ehemaligen Klassenkameraden, nach einem zweiwöchigen Einsatz an der Frontlinie, ergeht. Selbst Kleinigkeiten, wie eine tragbare Toilette erscheinen den vier vormaligen Gymnasiasten und ihren Kumpels, vier ehemalige Arbeiter, als Luxus. In einer Rückblende erinnert sich der Protagonist über die massiven Überredungskünste des Lehrers Kantorek, der es zu Wege brachte, dass sich die gesamte Klasse an die Front meldete. Von dem glorifizierten Zustand seitens des Lehrers ist bereits zu Beginn der Handlung nicht mehr viel übrig. Während einige der ehemaligen Klassenkameraden bereits gefallen waren, besuchen Paul und seine Gefährten einen vormaligen Mitschüler, dem ein Beim amputiert wurde. Den Besuchern wird klar, dass ein Überleben nicht mehr möglich ist und deshalb bestechen sie einen Sanitäter, um mit Hilfe von Morphiumspritzen das Leiden des Kameraden zu lindern. Als Paul ihn kurze Zeit später wieder besucht, ist er hinsichtlich des langsamen Sterbens verzweifelt. Ein vom Protagonisten gerufener Arzt betrachtet den Sterbenden nicht mehr als Mensch, sondern als eine Nummer, deren Bett möglichst bald nachzubesetzen ist (vgl. Tutschek 2001, S.3ff).

In einer weiteren Rückblende rekapituliert Paul seine Ausbildung, die, vom ehemaligen Postbeamten Himmelstoss durchgeführt, mehr als schikanös verlief. Einerseits wird dessen Handeln negativ betrachtet, anderseits als Notwendigkeit für das Überleben an der Front akzeptiert. Dies wird dem Leser v. a. in jener Phase bewusst, in der die Nachbesetzung verstorbener Soldaten durch junge Männer, „Kinder“ genannt, geschildert wird. Diese erhalten ihre erste Bewährungsprobe beim Anbringen von Stacheldraht nahe der Frontlinie. Infolge des Beschusses durch den militärischen Gegner schützen die altgedienten Soldaten die Neuankömmlinge. Ein junger Soldat ist durch diese Situation derart psychisch belastet, dass er seine Darminhalte in die Uniform entleert und sich dafür vor den anderen schämt. Nach dem Angriff werden von den Soldaten im Sterben liegende Pferde angetroffen und nach einer Diskussion von diesen per Gnadenschuss erlöst. Bei einem neuerlichen Angriff wird Paul von Granatsplittern getroffen. Die Rettung vor weiteren Geschossen, sowie dem freigesetzten Gas gelingt den mit einer Gasmaske Ausgestatteten nur mit Hilfe der Zuflucht in von Bomben freigesetzten Gräbern (vgl. Tutschek 2001, S.5ff).

Nach diesem Vorfall geraten die Kameraden von Paul in eine Auseinandersetzung mit dem an die Front versetzten Himmelstoss. Während zwei Soldaten dadurch eine mittelschwere Strafe aussitzen müssen, gelingt es Paul und einem Kameraden zwei Gänse zu stehlen und dadurch ihre und den Inhaftierten die karge Kost zu verbessern.

Da eine neue Offensive erwartet wird, kehren die Soldaten vor Ende der Regenerationsfrist zur Front zurück. Für sie ist es besonders psychisch belastend auf das Abfeuern der gegnerischen Granaten zu warten, v. a. da ihr Unterstand von Ratten verseucht ist. Dies wird noch verschlimmert, als ihnen das anschließende Dauerbombardement das Verlassen der Unterkunft verwehrt und ihren Lagerkoller zunehmen lässt. Die auf den Bombenhagel folgenden Kämpfe zeigen dem Leser alle Grausamkeiten des Stellungskrieges und das Massensterben der jungen Rekruten auf (vgl. Tutschek 2001, S.8ff).

Nach einem sexuellen Abenteuer bei französischen Frauen, die für ihre „Dienste“ mit Lebensmitteln entlohnt werden, fährt Paul auf Heimaturlaub. Zu Hause findet er eine veränderte Familiensituation wieder. Die Mutter ist an Krebs erkrankt, die Lebensmittel sind knapp und ein Offizier lässt ihn wegen unterlassenen Grüßens exerzieren. Bei einer Stammtischrunde voller Professoren kann sich Paul gegen die Annexions- und Siegesgedanken der älteren Herren nicht artikulieren. Seine depressive Stimmung, in der er sich seiner Jugend beraubt fühlt, ändert sich ein wenig, als er erfährt, dass der ehemalige Lehrer Kontarek zur Grundausbildung eingezogen worden ist. Trotzdem fühlt er sich nicht mehr zugehörig und sehnt die Rückkehr an die Front herbei. Bevor er zu dieser gelangt, muss er Dienst in einem Gefangenenlager für russische Soldaten machen. In dieser Situation hat er Mitleid mit seinen „Feinden“, denn diese betteln bei den Bewachern um die kargen Essensresten aus den Mülltonnen (vgl. Tutschek 2001, S.11ff).

Die Rückkehr zu seinen Kameraden bedeutet eine Heimkehr zu seiner Ersatzfamilie. Bei einer Patrouille verirrt sich Paul und er sucht Schutz in einem Bombentrichter. Da der Protagonist sich bereits Gedanken über seine Reaktion beim Eintreffen eines gegnerischen Soldaten gemacht hat, zögert er nicht lange und sticht auf einen hineinrutschenden Franzosen zu. Der Stich führt nicht zum sofortigen Tod, so dass Paul das langsame Dahinsiechen des „Feindes“ stundenlang betrachtet und immer mehr in eine psychische Krise gerät. Während in seiner Umgebung scharf geschossen wird, was ihm das Entweichen aus dem Trichter unmöglich macht, möchte der Protagonist am liebsten die Tat ungeschehen machen. Zudem reichen seine Gedanken so weit, dass er der Witwe des Franzosen einen Brief schreiben, ihr Geld schicken und nach dem Durchlesen der Papiere des „Gegners“ sogar dessen Beruf ergreifen möchte. Mit der Zeit kommt die Ernüchterung und Paul distanziert sich von seinen Vorhaben. Am Abend gelingt es ihm aus dem Trichter zu entkommen und zu seinen Kameraden zu gelangen. Von diesen erhält er hinsichtlich seiner Tat Trost und seine depressive Stimmung verfliegt, als er das Töten „feindlicher“ Soldaten durch einen Scharfschützen verfolgt (vgl. Tutschek 2001, S.14ff).

Beim folgenden Einsatz müssen Paul und seine Kameraden ein Lebensmitteldepot bewachen. Unerwartet kommen sie zu kulinarischen Genüssen, die sie mit der Bevölkerung teilen. Zwar machen ihre Gedärme aufgrund der ungewohnten fetten Nahrung Probleme, doch fühlen sie sich wie im siebenten Himmel.

Infolge eines militärischen Auftrages wird Paul und einer seiner Kameraden, Albert, durch Granatsplitter verletzt. Der Protagonist möchte sich nicht narkotisieren lassen, da er eine Amputation seiner verletzten Gliedmaße verhindern will. Albert schwört, dass er Suizid nach einer Entfernung seines Fußes begehen würde. Beim gemeinsamen Transport in einem Sanitätswaggon bekommt Albert Fieber und Paul beschließt bei ihm zu bleiben. Die Versorgung wird in einem katholischen Hospital fortgeführt, wo der Protagonist auf verschiedene Charaktere trifft. Dazu gehören Soldaten, die als unzurechnungsfähig gelten, Sterbende, die in das Totenzimmer verlegt werden und ein Kranker, der mit einer Gabel versucht sich in das Herz zu stechen. Zwar wird das Bein von Albert amputiert, doch gelingt es Paul, ihn von seinem tödlichen Vorhaben abzubringen. Das Ausmaß der Kriegsgräuel wird dem Protagonisten nicht nur durch die hohe Sterberate in seinem Krankenzimmer, sondern v. a. beim Abschreiten des restlichen Krankenhauses mit Hilfe von Krücken bewusst. Da die Kriegslage bereits so elendig ist, wird zum Verbinden Krepp–Papier verwendet (vgl. Tutschek 2001, S.16ff).

Immer mehr macht sich in Pauls Leben Ernüchterung breit. Entweder muss er das erfolglose Desertieren oder das Hinweg sterben seiner Kameraden zur Kenntnis nehmen. Zudem breitet sich innerhalb der Truppe immer mehr Resignation aus, da die alliierten Truppen nicht nur waffentechnisch überlegen sind, sondern ihre Soldaten mit besseren Lebensmitteln versorgen. Trotz der negativen Aussichten und der Entkräftung hofft Paul auf Waffenstillstand und Frieden und hat zugleich Sorge, im letzten Moment zu sterben. Entkräftet versucht der Protagonist einen seiner engsten Freunde vergeblich zu retten und muss letztendlich feststellen, dass keiner seiner ehemaligen Schulkameraden noch mit an der Front ist (vgl. Tutschek 2001, S.20f).

Der Roman endet mit der Feststellung, dass Paul an einem ruhigen Tag an der Westfront im Oktober 1918 fiel (vgl. Tutschek 2001, S.21).

Im nächsten Kapitel wird kurz auf den Film, auf seine Veränderungen gegenüber dem Buch und auf den Hintergrund der Produktion eingegangen.

1.2. Der Film

1929 erwarb der deutsche jüdische Emigrant und Begründer Universal Studios Carl Laemmle von Remarque die Filmrechte für den Film. Das Schreiben des Drehbuchs übernahm nicht der Autor des Buches, sondern dies wurde Professionisten aus Hollywood überlassen. Mit Lewis Milestone wurde ein von Russland in die USA ausgewanderter Starregisseur verpflichtet, der mit neuesten Kameratechniken und Effekten einen für die damalige Zeit brillanten „Anti – Kriegsfilm“ schuf (vgl. Chambers II 1998, S.35ff, Tutschek 2001, S.35).

Wie es sehr oft bei der Adaption von literarischen Werken für eine Filmversion passiert, wurden in diesem Fall inhaltliche Veränderungen vorgenommen. Sei es, dass ein Anfang gewählt wurde, der so im Buch nicht vorkommt bzw. eine Szene, wie der Geschlechtsverkehr mit den Französinnen, in seiner Länge überstrapaziert wird. Zudem wurde die Reihenfolge gewisser Inhalte aus dem Buch vertauscht oder weggelassen, wie z. B. sämtliche Gasangriffe. Im Wesentlichen hält sich der Film trotz dieser Veränderungen sehr nahe am Buch (vgl. Tutschek 2001, S.66f, Chambers II 1998, S.35ff).

Die Weltpremiere fand am 29.4.1930 in New York statt. Da zu Beginn der Produktion keineswegs ein finanzieller Erfolg garantiert war, kam Laemmle allen Regierungen und Prüfstellen hinsichtlich einer für das jeweilige Land zufriedenstellenden Version entgegen. Vor der Premiere in Deutschland am 4.12.1930 wurden deshalb alle Szenen herausgeschnitten, die dem Land und der Armee ein negatives Image zugesprochen hätten (vgl. Chambers II 1998, S.43f, Tutschek 2001, S.35).

Diese Vorabzensur des Hollywood - Films erfolgte nach dem Höhepunkt der Debatte über das Buch und vor der Machtdemonstration Joseph Goebbels gegen die Preußische Regierung. Über die beiden Diskussionen wird der Leser im nächsten Kapitel kurz informiert.

1.3. Die Debatten über den Film und das Buch in Deutschland von 1929 - 1930

Die Debatte über das Buch, das im Januar 1929 in gebundener Form erschien, bewegte sich zwischen Angehörigen liberaler, konservativer bis hin zu chauvinistischer Ausrichtung. Der Inhalt des Buches wurde v. a. von liberal Gesinnten gelobt und dessen Implementierung an den Schulen und Universitäten gefordert, anderseits kritisierten manche linke Kreise die ihrer Meinung nach fehlende Kapitalismuskritik (vgl. Bendick 1998, S.151).

Konservativen und chauvinistischen Kreisen waren die Darstellung des deutschen Soldaten, des Vaterlandes und die offen dargestellte Niederlage am Felde ein Dorn im Auge. Diese polarisierende Stimmung nützte, wie bereits erwähnt, der Ullstein – Konzern sehr geschickt aus, um die Auflagenzahlen zu steigern. Gleichzeitig trug die eine oder andere Legendenbildung um die Entstehung des Buches und Leben des Autors zum Erfolg bei. Das Buch wurde zu einem Erfolgsschlager und war zu diesem Zeitpunkt das erfolgreichste Werk. Eineinhalb Jahre nach seinem Erscheinen erreichte die Auflage in Deutschland eine Million, weltweit waren es gegen Ende 1930 insgesamt 3,5 Millionen. Durch diese hohe Auflagenzahl und die Berichterstattungen in den Zeitungen, war jeder Bürger in Deutschland sehr gut über das Werk informiert (vgl. Tutschek 2001, S.31f, Schneider 1996, S.9, 13ff, Chambers 1998, S.35).

Zu einem der wichtigsten Gegner des Buches wurde Joseph Goebbels. Da der Vielleser im ersten Halbjahr 1929 mit persönlicher Literatur eingedeckt war, las er das Buch erst im Sommer 1929. Bereits damals erkannte er den für seine Bewegung kontraproduktiven Inhalt. Doch erst die Premiere des Filmes lieferte ihm die Möglichkeit massiv gegen den Autor, den Verlag und das Werk vorzugehen (vgl. Dörp 1991, S.49ff, Dörp 1993, S.49, Tutschek 2001, S. 35f).

Die Geplänkel, die rechtsgerichtete Zeitungen gegen Remarque lieferten, indem sie die ursprüngliche Schreibweise seines Namens Remark spiegelbildlich in Kramer umwandelten, waren ihm zu kleinlich. Den Wind, den Goebbels brauchte, waren die Herbstwahlen 1930, bei der die NSDAP in Deutschland zweitstärkste und in Preußen drittstärkste Kraft wurde. Aufgrund gewisser Parteiintrigen war im Herbst 1930 seine Stellung innerhalb der NSDAP noch nicht sehr gefestigt. Goebbels nutzte die Premiere des Filmes als Chance einerseits von seinen parteiinternen Problemen abzulenken bzw. die Standfestigkeit der preußischen Landesregierung zu testen. Wasser auf seinen Propagandamühlen waren die Hetze gegen den jüdischen Ullstein – Konzern und die jüdischen Universal Pictures. Auf der Basis dieses Feindbildes gelang es ihm mit Hilfe von im Smoking agierenden SA–Leuten die Kinovorstellung am 5.12.1930 massiv zu stören. Durch die in Zivil gekleideten SA-Angehörigen sollte das Bild vermittelt werden, dass die Volksmasse gegen die Inhalte des Filmes aufbegehrt. Dazu gehörten jene Inhalte, wie das Entleeren der Gedärme in die Uniform, die die Wehrhaftigkeit und Stärke des deutschen Soldaten und der Armee herabsetzten. Die Vorstellung wurde mit Hilfe von Stinkbomben, lauten Rufen und umherlaufenden Mäusen gestört und letztendlich durch die Polizei abgebrochen. Bei den in den folgenden Tagen inszenierten Massendemonstrationen probierte Goebbels einerseits aus, was er mit dem „Druck der Straße“ erreichen konnte bzw. welche Ordnungskräfte mit der NSDAP sympathisieren würden (vgl. Tutschek 2001, S.32, Dörp 1991, S.51-56, Dörp 1993, S.45-49, 52-67).

Letztendlich hatten Goebbels´ Bemühungen Erfolg. Die links stehende preußische Landesregierung musste dem Widerstand gegen den Film stattgeben, gerade weil diese von der konservativen deutschen Regierung in dieser Sache im Stich gelassen wurde. Während viele Deutsche zwar mit dem Buchinhalt vertraut waren, konnten nur sehr wenige die Filmadaption durch das Verbot vom 11.12.1930 der Obersten Bildprüfstelle sehen. Zwar wurde dieses nach weiteren Filmschnitten durch Universal Pictures wieder aufgehoben. Die ursprüngliche Intention ging weitgehend verloren (vgl. Tutschek 2001, S.36, Dörp 1993, S.66f, Hartleif 1993, S.73ff, Schnabel 2000, S.80f).

Goebbels, der den Film als Mittel zum Zweck für die Grundlegung einer Machtdemonstration gelegt hatte, läutete damit das Ende der Demokratie in Preußen und v. a. in der Weimarer Republik ein. Den endgültigen Todesstoß erhielten das Buch und der Film durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30.1.1933 (vgl. Tutschek 2001, S.58f, Dörp 1993, S.67).

Durch einen Forschungsaufenthalt am Remarque Friedenszentrum in Osnabrück im Sommer 2001 wurde der Verfasser dieser Arbeit mit den Inhalten der Werke des deutschen Autors bekannt gemacht. Sehr interessant war, dass es im Archiv des Friedenszentrums immer wieder kleine Hinweise über Debatten in Österreich über das Buch und den Film gegeben hat, doch hat bis zum heutigen Zeitpunkt noch kein Wissenschaftler ein Werk über die Rezeption von „Im Westen nichts Neues“ in der Ersten Österreichischen Republik geschrieben. Das ist laut Meinung des Autors deshalb sehr verwunderlich, da es Artikel über die Rezeption von Werken Remarques´ z. B. in der Türkei, Bulgarien, China und Polen, Ungarn, in den Niederlanden, im ehemaligen Yugoslawien u.v.a. gibt (vgl. Erich Maria Remarque – Friedenszentrum 2006).

[...]


[1] Um die Lesbarkeit dieser Arbeit zu vereinfachen, wird nur die männliche Form verwendet. In der Mehrzahl werden beide Geschlechter angesprochen.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Die Debatte über den Film "Im Westen nichts Neues" 1930/31 in Österreich
Hochschule
Donau-Universität Krems - Universität für Weiterbildung
Veranstaltung
Seminar zur ersten Republik in Österreich
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
39
Katalognummer
V94088
ISBN (eBook)
9783638073509
ISBN (Buch)
9783638957519
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Debatte, Film, Westen, Neues, Seminar, Republik
Arbeit zitieren
M.Ed. Michael Kopetzky-Tutschek (Autor:in), 2007, Die Debatte über den Film "Im Westen nichts Neues" 1930/31 in Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94088

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