Was hat es mit dem Menschen und seiner Welt auf sich? Gibt es gute Gründe dafür, das eigene Dasein in der Welt zu akzeptieren? Was ist der Mensch eigentlich? Dies sind die zentralen Fragen, mit denen sich die theologische Anthropologie auseinandersetzt. Die theologische Anthropologie beschäftigt sich mit den Aussagen der christlichen Glaubenslehre über den Menschen, erfragt deren inneren Zusammenhang und macht ihn dem heutigen Menschen zugänglich. Dabei beschäftigt sie sich insbesondere mit dem Wesen des Menschen und der Bestimmung des Menschen vor Gott. Denn der Mensch kann sich nur dann ganz verstehen, wenn er mehr als sich selbst versteht. Deshalb setzt die theologische Anthropologie beim Selbstverhältnis des Menschen an und zeigt auf, dass zu diesem Selbstverhältnis auch gehört, es zu transzendieren.
Schon immer stellt der Mensch den Anspruch, etwas Besonderes und Bedeutendes zu sein. Die neuzeitliche Wissenschaft allerdings zeigt, dass eine Sonderstellung des Menschen längst überholt ist.
Die theologische Anthropologie fragt aber nicht nur, was es mit dem Menschen auf sich hat, sondern auch, was es mit dem Übel und dem Leid auf sich hat. Fraglich ist auch, ob das Übel in der Welt mit oder ohne Gott gedacht werden muss, denn der biblische Ursprungsmythos ist in dieser Frage nicht eindeutig. In der folgenden Arbeit möchte ich zeigen, was ein ohne Gott gedachtes Übel für die Zustimmungsfähigkeit der Welt bedeutet. Im Mittelpunkt der Untersuchung soll die Frage stehen, ob ein non-theistischer Ansatz dazu in der Lage ist, das Leidvolle am Leiden auf den Begriff zu bringen. Ich werde zeigen, dass das Leiden ohne Gott gedacht, zu einer Entübelung der Übel führt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Begriff des Leids und das Theodizeeproblem
2.1 Biblisches Zeugnis zu Übel und Leid
2.2 Übel und Leid in der Theologiegeschichte
2.3 Systematische Deutung des Leidens mit und ohne Gott
3. Abschließende Reflexion
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Was hat es mit dem Menschen und seiner Welt auf sich? Gibt es gute Gründe dafür, das eigene Dasein in der Welt zu akzeptieren? Was ist der Mensch eigentlich? Dies sind die zentralen Fragen, mit denen sich die theologische Anthropologie auseinandersetzt. Die theologische Anthropologie beschäftigt sich mit den Aussagen der christlichen Glaubenslehre über den Menschen, erfragt deren inneren Zusammenhang und macht ihn dem heutigen Menschen zugänglich.[1] Dabei beschäftigt sie sich insbesondere mit dem Wesen des Menschen und der Bestimmung des Menschen vor Gott. Denn der Mensch kann sich nur dann ganz verstehen, wenn er mehr als sich selbst versteht. Deshalb setzt die theologische Anthropologie beim Selbstverhältnis des Menschen an und zeigt auf, dass zu diesem Selbstverhältnis auch gehört, es zu transzendieren.[2]
Schon immer stellt der Mensch den Anspruch, etwas Besonderes und Bedeutendes zu sein. Die neuzeitliche Wissenschaft allerdings zeigt, dass eine Sonderstellung des Menschen längst überholt ist. Dies lässt sich beispielsweise am kosmologischen und biologischen Evolutionsgedanken festmachen. Hier wird die Natur als sich veränderndes Geschehen gedacht. Demnach ist die Welt nicht nach dem Vorbild eines ewigen Ideenreichs oder statischen Gebildes geformt. Aufgrund dieses Gedankens müssen dem Menschen die eigene Existenz und die Welt sinnlos erscheinen. Lohnt es sich überhaupt noch über den Menschen zu sprechen, wenn in seiner Existenz und seinem Dasein nichts darauf hinweist, das diesem Dasein einen höheren Zweck oder auf die Evolution des Lebens bezogen, eine Mittelpunkt- und Sonderstellung verleiht?[3] Auch die einschlägigen Theorien über die Naturalisierung, Psychologisierung, Soziologisierung und Historisierung der Frage nach der Besonderheit des menschlichen Daseins zeigen, dass die Bestimmung des Menschen als „animal rationale“, wovon die Aufklärung meinte, dass es das eigentliche und wahre Menschsein ausmacht, relativiert wird. Danach ist der Mensch nur durch seine Vernunft im Blick auf seine umgebende Natur etwas Besonderes.[4] Die Naturalisierung menschlicher Subjektivität, die besagt, dass es bewusstes Sein nur in Abhängigkeit von einem naturhaften Leib gibt ergibt nämlich, dass der Mensch letztlich ein neuro-physiologisches System der Informationsverarbeitung ist.[5] Die Frage, was der Mensch ist und was es mit ihm auf sich hat, ist nur schwer zu beantworten. Zunächst stellt sich der Vernunft die Frage, was der Mensch aus seinem Leben machen kann. Dazu muss der Mensch erst herausfinden, was er kann, welche Fähigkeiten und Talente er besitzt. Es stellt sich immer erst später heraus, was es mit der eigenen Existenz und dem eigenen Dasein auf sich hat. Das Menschsein ist nämlich ein offener Prozess, in dem unabsehbar viele Möglichkeiten zur Entfaltung kommen können.[6] Ob der Mensch seine Welt und sein Dasein für akzeptabel hält, setzt auch voraus, dass die Welt nicht von vorneherein etwas Absurdes für den Menschen darstellt, an der sich ohnehin nichts mehr verbessern lässt.
Die theologische Anthropologie fragt aber nicht nur, was es mit dem Menschen auf sich hat, sondern auch, was es mit dem Übel und dem Leid auf sich hat. Fraglich ist auch, ob das Übel in der Welt mit oder ohne Gott gedacht werden muss, denn der biblische Ursprungsmythos ist in dieser Frage nicht eindeutig. In der folgenden Arbeit möchte ich zeigen, was ein ohne Gott gedachtes Übel für die Zustimmungsfähigkeit der Welt bedeutet. Im Mittelpunkt der Untersuchung soll die Frage stehen, ob ein non-theistischer Ansatz dazu in der Lage ist, das Leidvolle am Leiden auf den Begriff zu bringen. Ich werde zeigen, dass das Leiden ohne Gott gedacht, zu einer Entübelung der Übel führt.
2. Der Begriff des Leids und das Theodizeeproblem
Alles das, was dem Menschen Unwohlsein bereitet, wird unter dem Sammelbegriff Leid zusammengefasst. Das Übel ist die Ursache für das Leid. Dabei ist zwischen leichtem und schwerwiegendem Leid zu unterscheiden. Physisches, psychisches, intellektuelles und soziales Unwohlsein sind dabei die vier ineinanderwirkenden Dimensionen des Leids. Diese vier Arten des Leids betreffen den gesamten Menschen. Wenn ein Mensch beispielsweise körperlich erkrankt, führt dies automatisch zu einer seelischen Bedrückung, diese wiederum bringt geistige Ratlosigkeit mit sich. Gleichzeitig führt diese Krankheit auch zur sozialen Isolierung. Man kann hier deshalb von einer anthropologischen Unteilbarkeit sprechen. Der gesamte Mensch und das gesamte Menschsein wird in Mitleidenschaft gezogen, wenn nur eine Leidkomponente auftritt.[7]
Das Leidensthema durchzieht die ganze Menschheitsgeschichte und die ganze Theologie. Das Leid ist das schwerwiegendste Argument gegen die Existenz Gottes.[8] Warum gibt es all das Leid in der Welt und warum müssen unschuldige Kinder leiden? Wie kann Gott angesichts seiner Allmacht und Güte das Leiden unschuldiger zulassen und warum greift er nicht ein? Diese Fragen existieren schon immer. Doch sie wurden in unserer Zeit durch das viele, unsagbare von Menschen verursachte Leid, für das der Name Auschwitz steht, verschärft. Es scheint kaum noch ein Sprechen von Gott möglich, ohne über das Leid- und Theodizeeproblem zu stolpern. „Theodizee“ heisst wörtlich übersetzt Rechtfertigung Gottes. Es geht darum, die Existenz Gottes angesichts der Leiden und Übel in der Welt zu rechtfertigen. Die Vernunft versucht, Gott mit den Übeln zusammen zu denken und wenn ihr dies misslingt, denkt sie das Leid ohne Gott und begreift das Leid als funktional.[9] Noch älter als Theodizeeversuche ist die Theodiezeefrage. Dabei handelt es sich um die existenzielle Frage Leidender nach Gott und an Gott. Sie bewegt sich auf einer anderen Ebene als Theodizeen oder theodizee-ähnliche Versuche. „Es ist die Ebene ureigener Erfahrung von großer Not und unbegreiflichem Leid, die sich in Klage, Anklage, Protest und im emotionsgeladenen Schrei ausdrückt: Warum?“[10] Auch in der Bibel machen Leidende Gott Vorwürfe.
2.1 Biblisches Zeugnis zu Übel und Leid
Für denjenigen, in dessen Leben Gott noch eine Rolle spielt, endet die Frage nach dem Leid des Menschen zwangsläufig in der Theodizeefrage. Das war zu jeder Zeit so. Das zeigt sich insbesondere im Alten Testament. Dort geht es immer wieder um das Leid des Menschen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen dabei die Erklärungs- und Bewältigungsversuche des Leides. Allerdings gibt das alte Testament keine einheitliche Deutung des Leides. Das individuell erfahrene Leid, das dem Menschen als physische, psychische und soziale Beeinträchtigung erscheint ist vielfältig. Die Leiden, die als „schöpfungsgegeben“ angesehen werden, zum Beispiel die täglichen Leiderfahrungen des Menschen durch Hitze und Kälte (Gen 31,40) oder Kinderlosigkeit (Gen 18), werden selten thematisiert. Das moralische Übel hingegen, wobei es sich um von Menschen verursachtes Leid handelt, wird besonders in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Dazu zählen beispielsweise Sklaverei (Am 1,6; Joel 4,6) und Ehebruch (2 Sam 3,16).[11] Auch die Reaktionen auf das erlittene Leid sehen unterschiedlich aus. Im Ijobbuch erleidet der Mensch sein Schicksal in stumpfer Ergebenheit (Ijob 2,13). Der Mensch sucht nach Erklärungen für sein Leid. „Er sieht in Dämonen ( Lev 18,8 ff.; Spr 30,15), im „Verderber“ (Ex 12,23) oder in einem bösen Geist (1 Sam 16,14) einen Verursacher“.[12] Und der Mensch sieht in seinem eigenen Verhalten die Ursache für das Leid (Tun-Ergehen-Zusammenhang).
Der Tun-Ergehen-Zusammenhang meint, dass ein Täter für seine Tat bestraft wird. Ein konsequenter Monotheismus verlangt jedoch, dass sich in Israel die Frage nach der Leidursache auf Jahwe konzentriert. Er wird als der Verursacher von Leid verstanden. Somit stößt man wieder auf die Theodizeeproblematik. Eng mit dem Tun-Ergehen-Zusammenhang verbunden ist die Einsicht, dass das Leid eine Strafe Gottes ist (Gen 2-3 und Gen 3,14-3,18). Im Buch Ijob wird das Leid auch als Erprobung und Erwählung (Ijob 1-2) verstanden. Dies sind nur einige wenige Erklärungsversuche des Leids im alten Testament aus deren Vielzahl hervorgeht, dass das alte Testament letztlich auch keine Erklärung für das Leid hat. Das alte Testament deutet nur zaghaft an, dass Gott mitleidet. Im neuen Testament wird das Übel mit unterschiedlichen Begriffen und Personifizierungen beschrieben.
Es stellt sich nun die Frage, welche Ansätze das Ijobbuch für die Erklärung des menschlichen Leids und dessen Bewältigung enthält. Das Ijobbuch, das zur Gattung der Weisheitsliteratur gehört, hat aufgrund seiner Universalität eine Sonderstellung unter den Schriften Israels.[13] Dort wird das existenzielle Ringen eines Menschen im Angesicht des Leids sehr anschaulich dargestellt. Im Ijobbuch stehen entstehungsgeschichtlich zwei Leiddeutungen nebeneinander. Der reiche und fromme Viehzüchter Hiob wird in der Rahmenerzählung von Gott auf die Probe gestellt. Gezeigt werden soll, ob Hiobs Gottesfurcht letztlich nicht nur Fassade ist und ob er auch im Elend gottesfürchtig bleibt. Schließlich verliert Hiob alles, was er hat. Die Vorstellung von einem gütigen und allmächtigen Gott widerspricht dieser ungerechten Situation. Der Hauptteil (Ijob 2,11-42,6) versteht das Leid als Strafe Gottes. In der zweiten Bewährungsprobe wird Ijob von einem Aussatz befallen. „Hälst du noch immer fest an deiner Frömmigkeit? Lästere Gott und stirb“, provoziert ihn seine Frau. Und die Freunde versuchen Ijob einzureden, dass sein Leid ein Zeichen seiner Schuld sei. Ijob jedoch verteidigt Gott weiterhin. Das Ausmaß der Leiden jedoch führt zu seiner Empörung und Verzweiflung. Ijob lehnt sich sogar gegen Gott auf indem er sagt: „ Ich will zum Allmächtigen reden, mit Gott zu rechten ist mein Wunsch“ (Ijob 13,3). Beide Deutungen gehen vom Vergeltungsschema aus, das besagt, dass Gott das Gute belohnt und das Böse bestraft. Aus dem Ijobbuch geht hervor, dass die Vergeltungstheorie falsch sein muss, denn Ijob leidet, obwohl er nichts Böses getan hat.[14] In der gegenwärtigen Literatur bietet Langenhorst eine Zusammenstellung aller Ijob Deutungen der Gegenwartsliteratur. „Ijob als Inbild des Rebellen und der Bestreitung: Bestreitung des Lebenssinnes, einer sinnvollen Weltordnung, einer Existenz eines gerechten Herrn der Welt“.[15] Für Voltaire und Kant besteht aufgrund des Ijobbuches kein Zweifel mehr an der Ungerechtigkeit Gottes. In der modernen jüdischen Literatur sieht man Ijob als die Person an, die das Schicksal des jüdischen Volkes verkörpert. Im Buch Hiob werden die gängigsten Leidtheorien angesprochen. Das Leid erklärt sich durch die kreatürliche Schwäche, so Elifas. Das Leid wird auf ein Vergehen Hiobs zurückgeführt und Leid wird als Ansporn zu Demut und Umkehr verstanden.[16] Auch das Ijobbuch liefert keine einheitliche Deutung des Leides. Darin liegt auch die Provokation des Ijobbuches. Hiob ist ein Dulder, „der in allem Leid Gott lobt und mit ihm Frieden hält“.[17] Damit legitimiert das Ijobbuch den religiösen Widerspruch. Dieser kommt durch die gegen Gott protestierende Berufung auf Gott zustande. Es zeigt sich, dass man mit der Leidfrage ringen kann, ohne die Existenz Gottes zu bezweifeln. Das Ijobbuch gibt eine Weisung, wie der Mensch dem Angriff auf die menschliche Gerechtigkeit begegnen kann.
[...]
[1] Vgl. Beinert, Wolfgang (Hg.), Lexikon der katholischen Dogmatik, 502.
[2] Vgl. H.-J. Höhn, Thesenpapier.
[3] H.-J. Höhn, Zustimmen. Der zwiespältige Grund des Daseins,17-18.
[4] Ebd., 27.
[5] H.-J. Höhn, Zustimmen. Der zwiespältige Grund des Daseins, 19.
[6] Vgl. Beinert, Wolfgang (Hg.), Lexikon der katholischen Dogmatik, 367.
[7] G. Kraus, Welt und Mensch, 267-268.
[8] Vgl. Beinert, Wolfgang (Hg.), Lexikon der katholischen Dogmatik, 346.
[9] H. Kessler, Gott und das Leid seiner Schöpfung, 12.
[10] Ebd., 14.
[11] Vgl. G. Höver (Hg.), Leiden, 13-16.
[12] Ebd.,17.
[13] H. Häring, Das Böse in der Welt, 30.
[14] Vgl. G. Kraus, Welt und Mensch, 276-278.
[15] G. Höver (Hg.), Leiden, 20-21.
[16] Ebd., 20.
[17] G. Theobald, Hiobs Botschaft: die Ablösung der metaphysischen durch die poetische Theodizee, 27.
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