Witwen und gelehrte Frauen und welche Widerstände sie hervorrufen


Seminararbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Pastoralbriefe
2.1 Allgemeine Erläuterungen
2.2 Polemik gegen Frauen
2.3 Thematisches Leitmodell: Die Kirche als „Haus(halt) Gottes“
2.4 Im Gegensatz dazu: Das zuvor entwickelte Gemeindemodell des Paulus

3 Der erste Timotheusbrief
3.1 Entstehungszeit und inhaltliche Schwerpunkte
3.2 Aufbau

4 Die Rolle der Frau im Gottesdienst: 1 Tim 2,9-
4.1 Abgrenzung der Texteinheit und Einordnung in den Kontext
4.2 Gliederung der Texteinheit
4.3 Die Argumentation des Verfassers
4.4 Positionen und Handlungsräume der Frauen

5 Stand und Aufgabe der Witwen: 1 Tim 5,3-
5.1 Abgrenzung der Texteinheit und Einordnung in den Kontext
5.2 Gliederung der Texteinheit
5.3 Zum Text im Allgemeinen
5.4 Wer waren die Witwen?
5.4.1 Das Witwenamt in der Tradition
5.4.2 Das Witwenamt nach Ansicht des Verfassers der Pastoralbriefe
5.5 Positionen und Handlungsräume der Frauen

6 Auswirkungen der Polemik gegenüber Frauen im weiteren Verlauf der Geschichte

7 Zusammenfassung

8 Abkürzungsverzeichnis

9 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Als Frau, die einen Beruf in der Kirche ergreifen wird, interessiert es mich, wie sich der Blick auf die Frauen und ihre Positionen innerhalb der Gemeinde im Laufe der Zeit verändert hat. Außerdem konnte ich in meinem Jahrespraktikum an einem Gesprächsnachmittag für junge Erwachsene zum Thema „Die Frau in der Kirche“ teilnehmen, bei dem das Thema dieser Arbeit leider nicht zur Sprache kam.

Frauen nahmen bereits in der Frühzeit der Kirche unterschiedliche Rollen ein. Ihnen wurden verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten zugestanden, aber immer wieder auch verwehrt. Zwei besonders polemische und, den Frauen gegenüber, harte Texte finden sich im ersten Timotheusbrief (1 Tim 2,9-15 und 1 Tim 5,3-16). Diese beiden Perikopen sollen im Mittelpunkt der Arbeit stehen.

Sicher haben und hatten diese beiden Texte auch Auswirkungen auf die heutige Stellung der Frau in der Kirche und gerade in kirchlichen Berufen. Vor allem bei Frauen, aber auch bei Männern, dürfte das Thema in der Erwachsenenbildung auf Interesse stoßen.

2 Die Pastoralbriefe

2.1 Allgemeine Erläuterungen

Der erste Timotheusbrief, aus dem die beiden zu untersuchenden Perikopen stammen, gehört zu den Pastoralbriefen. Hierzu zählen auch noch der zweite Timotheusbrief und der Titusbrief. Alle drei Briefe sind in der Zeit von 90 bis 150 nach Christus entstanden.[1]

Bei den Pastoralbriefen handelt es sich um Pseudepigraphen, die von einem unbekannten Autor dem Apostel Paulus zugeschrieben wurden, um den Schriften mehr Wichtigkeit zu verleihen.[2] Aufgrund von Sprache und Inhalt können sie nicht von Paulus selbst stammen.[3] In den Pastoralbriefen werden Theologie, Ekklesiologie und Ethik als „paulinische Tradition“ dargestellt. Sie sind jedoch eine Neuentwicklung der damaligen Zeit, die es so vorher, auch bei Paulus, nicht gab. Die Pastoralbriefe lassen Paulus auch frühere Aussagen korrigieren, damit ein „gesellschaftskonformer“ Paulus entsteht.[4]

Eine weitere Besonderheit der Pastoralbriefe ist, dass auch die Empfänger der Briefe (Timotheus und Titus) fiktive Personen sind. Sie sind, nach Ansicht des Autors, Beispiele für die richtige christliche Nachfolge.[5]

2.2 Polemik gegen Frauen

Die Pastoralbriefe fallen innerhalb des Kanons des Neuen Testaments durch ihre „Polemik gegen Frauenaktivitäten und eine massive theologisch abgestützte Misogynie (Frauenfeindlichkeit)“[6] auf. Der polemische Ton deutet darauf hin, dass es innerhalb der Gemeinde einen Konflikt mit dem Auftreten von Frauen gegeben haben muss.[7] Andernfalls müsste nicht so massiv gegen die Frauen vorgegangen werden. Hintergrund könnte eine Auseinandersetzung unter verschiedenen, sich auf Paulus berufenden Strömungen sein.[8]

2.3 Thematisches Leitmodell: Die Kirche als „Haus(halt) Gottes“

In den Pastoralbriefen wird ein neues Modell für die Kirche entwickelt. Die Kirche wird als oikos theou, als „Haus(halt) Gottes“ gesehen. Damit beziehen sich die Pastoralbriefe auf den oikos, die zentrale Sozial- und Wirtschaftsgemeinschaft der antiken Gesellschaften. Dieser ist hierarchisch strukturiert. Die Leitung übernimmt der Hausherr, der auch die Gewalt über die übrigen Familienmitglieder innehat. Der Haushalt ist somit patriarchal strukturiert. Dieses gesellschaftliche Modell wird für die Ordnung der Kirche übernommen. Die Schlüsselstelle hierfür ist 1 Tim 3,14f. Dort heißt es:

„Ich schreibe dir alles, obwohl ich hoffe, schon bald zu dir zu kommen. Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hauswesen Gottes verhalten muß, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist.“[9]

Auch das Verhalten der Einzelnen sollte sich an diesem Modell orientieren.[10]

Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Änderung der Gemeindestruktur auch Auswirkungen auf die Partizipation der Frau in der Kirche hatte.

2.4 Im Gegensatz dazu: Das zuvor entwickelte Gemeindemodell des Paulus

Paulus orientierte sich bei der Entfaltung seines Gemeindemodells am antiken Vereinswesen. In Korinth gab es bereits vereinsähnliche Strukturen in den christlichen Gemeinden.[11] Er entwickelte daraus ein neues Modell, das davon ausgeht, dass „von den zentralen Motiven des Christusglaubens eine unwiderstehliche gemeinschaftsbildende Kraft ausgeht.“[12] Für ihn ist Kirche dort, wo sich die Menschen versammeln, um den Leib des Herrn zu empfangen. Er sieht die Kirche als Lebens- und Dienstgemeinschaft, die sich durch den eucharistischen Gottesdienst begründet. Die Sozialstruktur dieser Gemeinden ist vom geschwisterlichen Miteinander geprägt.[13] Es gab wahrscheinlich auch hier schon bestimmte Personen, die wichtige Funktionen übernahmen. Ämter im eigentlichen Sinne gab es aber noch nicht. Die Frauen waren ungewöhnlich weitgehend integriert und gleichberechtigt. Es gab nur leichte Tendenzen zur Unterordnung der Frau (z. B. in 1 Kor 11,2-16),[14] die aber nicht das Ausmaß der Pastoralbriefe angenommen haben. Von einer hierarchischen Struktur mit Über- und Unterordnung ist bei Paulus noch nicht die Rede.

Im 1. und 2. Jahrhundert hat sich diese Vorstellung des Paulus weiterentwickelt. Es entstand das bereits aufgeführte Gemeindebild der Pastoralbriefe. „Der zentral das Gemeindeleben bestimmende Faktor ist nun [in den Pastoralbriefen, Ergänzung C. G.] nicht mehr das von Christus geprägte Verhältnis der einzelnen Glaubenden zueinander, sondern das Verhältnis des Gemeindeleiters zu ihnen.“[15]

3 Der erste Timotheusbrief

3.1 Entstehungszeit und inhaltliche Schwerpunkte

Vermutlich ist der erste Timotheusbrief um 90 n. Chr. entstanden.[16]

Der Verfasser verfolgt mehrere Anliegen:

- Abbau von Spannungen zwischen christlicher Gemeinde und Gesellschaft
- Kampf gegen andere Lehren
- Einrichten einer hierarchischen Ordnung in den Gemeinden
- Durchsetzen der hierarchischen Ordnung für die gesamte Kirche.[17]

Im ganzen Brief geht es dem Autor darum, in der Gesellschaft gut dazustehen. Er versucht deshalb die Gemeinde an die soziale Umgebung anzupassen und die Position des Bischofs hervorzuheben. Das Konzept von Leitung und Lehre, wie es im Gemeindebild vom oikos theou in den Pastoralbriefen deutlich wird, passt nach Ansicht des Verfassers besser zur gesellschaftlichen Struktur als andere Konzepte.[18]

3.2 Aufbau

Der erste Timotheusbrief ist konzentrisch um die Schlüsselstelle 1 Tim 3,14f aufgebaut. Zwei größere Textabschnitte mit Anweisungen zur Gemeindeordnung rahmen diesen Teil.[19]

Einen Überblick zum Aufbau des ersten Timotheusbriefes liefert die folgende Gliederung:

Exordium (1,1-20):

- Zuschrift und Segenswunsch (1,1-2)
- Erneuerung des Auftrags an Timotheus - Antihäretische Polemik (1,3-11)
- Dankhymnus des „Paulus“ (1,12-17)
- Verpflichtung des Timotheus auf seinen Auftrag (1,18-20)

Erster Hauptteil: Erster Teil der Anweisungen zur Gemeindeordnung (2,1-3,13):

- Anordnungen für das gottesdienstliche Gebet (2,1-3,1a)
- Amtsspiegel mit Voraussetzungen für das Bischofs- und DiakonInnen-Amt (3,1-13)

Schlüsselstelle zur Leitvorstellung der Kirche als oikos theou (3,14f)

Zweiter Hauptteil (4,1-6,2) :

- Die Bekämpfung der Irrlehre - Antihäretische Polemik (4,1-11)

- Zweiter Teil der Anweisungen zur Gemeindeordnung (4,12-5,2):

Verhalten und Aufgaben des Gemeindeleiters (4,12-5,2)

Anweisungen für das Witwenamt (5,3-16)

Anweisungen für das Presbyteramt (5,17-22)

Weitere Mahnungen an den Gemeindeleiter (5,23-25)

Anordnungen für Sklavinnen und Sklaven (6,1-2)

Schlussteil (6,3-21):

- Gewinnsucht als falsche Motivation der Irrlehrer - Antihäretische Polemik (6,3-10)
- Das Ordinationsbekenntnis als tragende Motivation für den Auftrag (6,11-16)
- Mahnung an die Reichen der Gemeinde (6,17-21)
- Zusammenfassende Mahnung und Schlussgruß (6,20-21)[20]

Der Dankhymnus des „Paulus“ zeigt die Bekehrung des Paulus auf und will ihn so als Vorbild der Gläubigen und Garanten der „rechten Lehre“ darstellen. Im Text wird außerdem immer wieder die antihäretische Tendenz des Briefes deutlich (1,3-11; 4,1-11; 6,3-10).[21]

Die beiden Texte, die im Folgenden genauer untersucht werden, stammen aus den Abschnitten mit Anweisungen zur Gemeindeordnung.

4 Die Rolle der Frau im Gottesdienst: 1 Tim 2,9-15

4.1 Abgrenzung der Texteinheit und Einordnung in den Kontext

Dieser Text gehört zum ersten Teil der Anweisungen zur Gemeindeordnung, genauer zu den Anordnungen für das gottesdienstliche Gebet. Der vorhergehende Vers 8 enthält eine kurze Anweisung für das Gebet der Männer. Darauf folgt dieser wesentlich längere Teil mit Ermahnungen zum Verhalten der Frauen im Gottesdienst. Im Anschluss an diese Texteinheit folgen die Anweisungen für das Bischofsamt. Der erste Halbvers in Kapitel 3 bestärkt noch einmal die im vorhergehenden Abschnitt entwickelte Vorstellung von der Rolle der Frau.[22]

Durch die unterschiedliche Länge der Anweisungen für Männer und Frauen wird deutlich, dass es dem Verfasser des Briefes ein wichtiges Anliegen gewesen sein muss, das Verhalten der Frauen zu ordnen. Anscheinend hat ihm das Auftreten der Frauen nicht gefallen und nicht in sein Gemeindemodell vom oikos theou gepasst.

[...]


[1] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 661.

[2] Vgl. ebd., 661.

[3] Vgl. Roloff: Der erste Brief an Timotheus, 23-31.

[4] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 662.

[5] Vgl. ebd., 662.

[6] Ebd., 661.

[7] Vgl. ebd., 661.

[8] Vgl. ebd., 662.

[9] 1 Tim 3,14f.

[10] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 663.

[11] Vgl. Roloff: Kirche im Spannungsfeld gestaltender Kräfte, 209.

[12] Ebd., 209.

[13] Vgl. ebd., 209.

[14] Vgl. Schmeller: Urchristliche Gemeindebildung in ihrem sozialen Kontext, 214f.

[15] Roloff: Kirche im Spannungsfeld gestaltender Kräfte, 210.

[16] Vgl. Eltrop: Selbstbewusst und bedrohlich, 68.

[17] Vgl. ebd., 68.

[18] Vgl. Eltrop: Eva ist an allem Schuld, 19f.

[19] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 664.

[20] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 663f; Roloff: Der erste Brief an Timotheus, 50. Die Gliederung wurde anhand beider Werke zusammengestellt und teilweise leicht ergänzt.

[21] Vgl. Wagener: Die Pastoralbriefe, 664.

[22] Vgl. ebd., 666.668.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Witwen und gelehrte Frauen und welche Widerstände sie hervorrufen
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V94420
ISBN (eBook)
9783640106301
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Witwen, Frauen, Widerstände
Arbeit zitieren
Dipl.-Religionspäd. (FH) Cornelia Gaiser (Autor:in), 2007, Witwen und gelehrte Frauen und welche Widerstände sie hervorrufen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94420

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