Am 15. März 1956 wurde in New York ein Musical von Frederick Loewe (Musik) und Alan J. Lerner (Text) uraufgeführt: My fair Lady. Es erzählt die Geschichte eines einfachen londoner Blumenmädchens, Eliza Doolittle, das der Phonetiker Professor Higgins durch seinen Sprachunterricht in eine Dame verwandeln will, was ihm schließlich auch gelingt. Auf einem Ball der „feinen Gesellschaft“ kann Eliza alle Anwesenden überzeugen und niemand bemerkt ihre Herkunft von der Straße.
Dieses Musical befasst sich mit einem Phänomen, dem sich auch der vor fünf Jahren verstorbene Soziologe, Pierre Bourdieu (1930-2002) mit seinen Arbeiten zur Sprachwissenschaft widmet. Sprache ist viel mehr als nur ein reines Kommunikationsmedium. Sprache kann ein gesellschaftlich relevantes Distinktionsmerkmal sein, sie kann über Wohlstand und Armut entscheiden und mit einem großen Machtpotential verbunden sein.
Bourdieus Forschungsinteresse richtete sich in den 1960er Jahren zunächst auf ethnologisch-empirischen Arbeiten zu bäuerlichen, von materieller und symbolischer Enteignung geprägten Bevölkerungsgruppen in der Kabylei und im Béarn. Diese Studien veranlassten ihn später zu seinen Untersuchungen mit eher kultursoziologischen Fragestellungen und seinen Studien zum (französischen) Bildungssystem. Dabei lenkte Bourdieu seinen Blick auch auf die soziologisch relevanten Dimensionen von Sprache.
In dieser Arbeit soll Bourdieus Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Forschung betrachtet werden, vor allem sein Modell des sprachlichen Markts, das in der Soziolinguistik große Beachtung fand. Bourdieu wendet sich gegen eine Idealisierung von Sprach- und Kommunikationsbeziehungen, wie sie in der Pragmatik nach wie vor etabliert ist. Was für Bourdieu im Kontext von Sprache von zentraler Bedeutung ist - die sozialen Unterschiede zwischen den Sprechern und ihrer Sprechweise, sowie die dafür verantwortlichen gesellschaftlichen Faktoren - findet in der Pragmatik kaum Beachtung und wird in den Bereich der Soziolinguistik verwiesen. Diese Trennung ist für Bourdieu nicht aufrecht zu erhalten, da der soziale Kontext einer Sprechsituation maßgeblich Einfluss auf das Sprechen ausübt.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE PIERRE BOURDIEUS
- Habitus
- Feld
- Kapital
- DER SPRACHLICHE MARKT
- Die legitime Sprache
- Der Bildungsmarkt
- IN BOURDIEUS SPRACHSOZIOLOGISCHEN WERKEN FORMULIERTE KRITIK
- Saussure und Chomsky
- Kritik an Austin
- Kritik am Humankapital-Konzept
- KRITIK AN BOURDIEU
- REFLEXION
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem sprachwissenschaftlichen Modell des sprachlichen Markts, welches von Pierre Bourdieu entwickelt wurde. Das Ziel ist es, Bourdieus Beitrag zur Sprachwissenschaft zu untersuchen, insbesondere sein Modell, das in der Soziolinguistik große Aufmerksamkeit erregt hat.
- Bourdieus Grundbegriffe der Soziologie (Habitus, Feld, Kapital)
- Das Modell des sprachlichen Markts
- Bourdieus Kritik an etablierten Kommunikationsmodellen (Saussure, Chomsky, Austin)
- Kritik an Bourdieus Modell des sprachlichen Markts
- Der Einfluss des sozialen Kontextes auf Sprache
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die grundlegenden Begriffe der bourdieuschen Soziologie vor: Habitus, Feld und Kapital. Der Habitus wird als sprachlicher Habitus und das Feld als sprachlicher Markt definiert. Im zweiten Kapitel wird das Modell des sprachlichen Markts näher beleuchtet. Das dritte Kapitel widmet sich Bourdieus Kritik an bestehenden Kommunikationsmodellen, insbesondere an den Arbeiten von Saussure, Chomsky und Austin.
Schlüsselwörter
Sprachlicher Markt, Habitus, Feld, Kapital, Soziolinguistik, Pragmatik, soziale Unterschiede, Kommunikationsmodelle, Saussure, Chomsky, Austin, Kritik
- Arbeit zitieren
- Christian Austermann (Autor:in), 2007, Betrachtungen und Anmerkungen zu Pierre Bourdieus Modell des sprachlichen Markts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94428