Am 28. 6. 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand von einem bosnischen Studenten namens G. Prinzip in Sarajewo erschossen. Solche Attentate auf „Prominente“ standen seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung extremistischer Gruppierungen, um Aufmerksamkeit für die ihrer Meinung nach nationale oder soziale Ungerechtigkeit zu erzielen. Keiner dieser politischen Morde hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine größere internationale Krise provoziert. In diesem Falle aber sollte der Ablauf des diplomatischen und politischen Geschehens nur sechs Wochen später von diesem individuellen Terrorakt zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führen. Wie konnte das geschehen?
Kaum ein Problem der neueren Geschichte ist besser dokumentiert aber auch kontroverser interpretiert als der Ablauf der Julikrise 1914. Das beruht zum großen Teil darauf, dass die Kriegsschuldfrage von Anfang an große politische Bedeutung besaß. Nach Ende des Krieges schrieben die Siegermächte in Artikel 231 des Versailler Vertrages Deutschland die Schuld für den Kriegsausbruch zu. In Deutschland hingegen war der allgemeine Tenor, dass man in der Julikrise in Notwehr gehandelt habe, um in einem aufgezwungenen Defensivkampf die heranrollende russische „Dampfwalze“ aufzuhalten. In den dreißiger Jahren setzte sich die Auffassung von einem Parallelversagen der Regierungen durch, die, nach der Formel des britischen Premiers Lloyd George, letztlich alle in den Krieg „hineingeschlittert“ seien. Zu nachhaltigen Veränderungen in der historischen Forschung kam es im Jahre 1961 mit dem Buch des Hamburger Historikers Fritz Fischer „Griff nach der Weltmacht“.
Fischers Arbeit zeigte nicht nur das Ausmaß der deutschen Kriegsziele im Ersten Weltkrieg, sondern unterstellte auch, dass die deutsche Reichsleitung bewusst in den Krieg eingetreten war, um diese zu verwirklichen. Deutschland habe, im Zuge des Attentats von Sarajewo, die Chance genutzt, einen seit Jahren geplanten Hegemonialkrieg in Europa zu führen, dessen Ziele sich im Rahmen des sogenannten Septemberprogramms von 1914 widerspiegelten. Diese, in ihrer Beweisführung heftig umstrittenen These, löste eine jahrzehntelange, tiefgreifende Kontroverse aus, in deren Verlauf nicht nur die theoretischen und empirischen Schwachstellen der Fischer-These korrigiert, sondern auch apologetische Interpretationen der Julikrise 1914 und der Scheinkonsens der Zwischenkriegszeit durch neue rationale Analysen abgelöst wurden.
In diesem Rahmen konzentriert sich diese Arbeit nicht auf die mittel- und langfristigen Ursprünge des Ersten Weltkrieges, sondern auf die unmittelbaren Ursachen, die zum Ausbruch dieses bestimmten Krieges zu diesem bestimmten Zeitpunkt führten. Neben einer kompakten Darstellung der Chronologie der Ereignisse jener Tage, sowie der Handlungen und Äußerungen von Regierungsmitgliedern, Botschaftern und Militärs der unmittelbar beteiligten Länder, soll ein weiterer Schwerpunkt auf das Kalkül gelegt werden, dass der deutschen Politik in der Julikrise 1914 zugrunde lag.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- II Die Reaktion auf Sarajewo
- III Die Vorbereitung des „lokalen Konflikts“
- IV Ultimatum und Abbruch der Beziehungen
- V Vermittlungsbemühungen der Großmächte
- VII Der Weg in den Ersten Weltkrieg
- VIII Das deutsche Kalkül
- IX Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit den unmittelbaren Ursachen des Ersten Weltkriegs, insbesondere der Julikrise von 1914. Sie analysiert die Ereignisse, die zur Eskalation der Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien führten, sowie das Kalkül der deutschen Politik in dieser Krise.
- Die Reaktion der Großmächte auf das Attentat von Sarajewo
- Die Rolle der Diplomatie und des militärischen Drucks
- Das deutsche Kalkül und seine Folgen
- Die Vermittlungsbemühungen der Großmächte
- Die Eskalation der Krise zum Ersten Weltkrieg
Zusammenfassung der Kapitel
- I Einleitung: Dieses Kapitel stellt das Attentat von Sarajewo als Auslöser der Julikrise vor und erläutert den historischen Kontext, in dem sich die Ereignisse abspielten. Zudem wird auf die Kontroversen um die Schuldfrage im Ersten Weltkrieg und die verschiedenen Interpretationen der Julikrise eingegangen.
- II Die Reaktion auf Sarajewo: Dieses Kapitel untersucht die Reaktion Österreich-Ungarns und Serbiens auf das Attentat von Sarajewo. Es beleuchtet den Konflikt zwischen der Donaumonarchie und der südslawischen Nationalbewegung sowie die Rolle der „Schwarzen Hand“ im Attentat.
- III Die Vorbereitung des „lokalen Konflikts“: Dieses Kapitel analysiert die politischen und militärischen Vorbereitungen Österreich-Ungarns für einen Krieg gegen Serbien. Es beleuchtet die deutsche Unterstützung für Österreich-Ungarn und die Rolle der Diplomatie in der Eskalation des Konflikts.
- IV Ultimatum und Abbruch der Beziehungen: Dieses Kapitel beschreibt das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Es beleuchtet die serbische Reaktion auf das Ultimatum und die Rolle der Großmächte in der Krise.
- V Vermittlungsbemühungen der Großmächte: Dieses Kapitel untersucht die Vermittlungsbemühungen der Großmächte zur Verhinderung des Krieges. Es stellt die Positionen Russlands, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands in der Krise dar und beleuchtet die Rolle der Diplomatie in der Deeskalation des Konflikts.
- VII Der Weg in den Ersten Weltkrieg: Dieses Kapitel analysiert die Ereignisse, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten. Es beleuchtet die Eskalation der Spannungen zwischen den Großmächten und die Rolle der militärischen Mobilisierung in der Krise.
Schlüsselwörter
Julikrise, Erster Weltkrieg, Österreich-Ungarn, Serbien, Attentat von Sarajewo, „Schwarze Hand“, Diplomatie, Militär, Großmächte, Kriegsschuldfrage, deutsche Politik, Kalkül, Vermittlungsbemühungen, Eskalation, Krieg.
- Arbeit zitieren
- MAGISTRA ARTIUM Petra Bentele (Autor:in), 1990, Julikrise 1914, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94430