Heute gibt es neben Autoscheinwerfern, Radio, Gasherd und Zentralheizung auch das Internet; die Informationsgesellschaft ist längst Realität. Und doch existieren in dieser hochtechnisierten Welt noch Vorstellungen über Klabautermänner, Kobolde, Geister und andere sagenhafte Wesen. Obwohl sie nur ein Motiv unter vielen sind, leben solche Figuren weiter in den Geschichten der heutigen Zeit, in „modernen“ Sagen, die sich zu tausenden im Internet finden lassen. Der Begriff sei hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt – ob sie wirklich als modern bezeichnet werden kann, muss noch untersucht werden.
Während sich die Forschung ausgiebig mit mündlichen Überlieferungen „moderner“ Sagen beschäftigt hat, gibt es gerade in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit „modernen“ Sagen im Internet noch Lücken.
Dort setzt die vorgelegte Zulassungsarbeit an: Zentrale Frage ist, was das Wesen der „modernen“ Sage im Internet ausmacht. Zu Anfang muss die Suche nach einer Definition stehen, wobei hierbei auch Kategorisierung und Wandel des Sagenbegriffes, sowie die aktuelle Forschungslage Berücksichtigung finden sollen. Anschließend wird auch auf methodische Aspekte eingegangen werden. Es folgt eine Zusammenstellung von Sagen im Internet, die nach einem selbst gewählten Schema gegliedert werden. Diese Sammlung erfolgt ohne Eingreifen in die Kommunikationsvorgänge, um Authentizität zu gewährleisten und weitere Aussagen über die Funktion des Erzählens zu treffen. Untersuchungsgegenstand sind E-Mails, die mir unaufgefordert zu gesandt wurden, sowie öffentlich einsehbare Beiträge in Internetforen und auf Webpages. Erst danach kann erläutert werden, welche Merkmale, Funktionen und Strukturen charakteristisch für die „moderne“ Sage im Internet ist, was sie „modern“ macht – oder eben nicht. Abschließend soll beurteilt werden, inwiefern es sich hierbei tatsächlich um einen neuen Sagentypus handelt.
Während bei der Durchsicht der Literatur versucht wurde auch englischsprachige Werke mit einzubeziehen, können die im vierten Abschnitt untersuchten Beispiele nur einen kleinen Teil des im Internet auffindbaren Sagenschatzes repräsentieren. Die Auswahl beschränkt sich in erster Linie auf das deutschsprachige Netz und berücksichtigt somit Sagen, die für die hiesige Internetgemeinde relevant waren oder sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Fragestellungen
- Die Sage: Definitionen, Kategorisierungen, Wandel
- Definitionen des Sagenbegriffs
- Kategorisierungen
- Realitätsanspruch und Glaube
- Die „moderne“ Sage
- Die Suche nach einer Definition
- Die „moderne“ Sage - ein neuer Sagentypus?
- Aspekte der Sagenforschung
- Strömungen und Tendenzen in der Sagenforschung
- Die „moderne“ Sage in der Forschung
- Methodische Aspekte
- Das Internet als volkskundliches Forschungsfeld
- Verbreitungswege „moderner“ Sagen im Internet
- Foren
- Bestandsaufnahme
- Außerirdisches
- Von Aliens entführt
- Haunebu, Schauberger und die Flugscheiben
- UFOs bei Google Earth
- Unheimliches
- Unheimliche Orte - neu aufgelegt im Internet
- Unbekannter Zeitreisender?
- Gruselfoto via E-Mail
- Die Hexe von Blair
- (Neue) Sagenwesen
- Das „Rattenmädchen“
- Meerjungfrau gefunden
- Monsterspinnen im Irak
- Riesendrache fotografiert?
- Orbs
- Bonsai Kitten
- Vergiftetes
- Vorsicht vor Swiffer-Tüchern
- Wurmeier im Döner
- Rattenurin auf Getränkedosen
- Kakerlakeneier im Briefumschlag
- Verschwörungen
- Strichcodes und die Zahl 666
- Chemtrails
- AIDS-Sagen im Internet
- Verschwörungstheorien rund um den 11. September
- Sagen rund ums Internet
- Microsoft verschenkt Geld für weitergeleitete Mails
- Handy zu verschenken
- Ergebnisse
- Zentrale Elemente von Sagen im Internet
- Vernetztheit, Internationalität und rasche Verbreitung
- Begegnungen mit dem Unheimlichen und dem Tod
- Konzerne und ihr Bild in „modernen“ Sagen
- Die Angst vor Vergiftung als zentrales Motiv
- „Moderne“ Sagen und Verschwörungen
- Komik - charakteristisch für „moderne“ Sagen?
- Funktionen „moderner“ Sagen
- Erzählen - menschliches Grundbedürfnis
- Bewältigung von Angst
- Erklärung
- Unterhaltung
- Warnung
- Sagen und ihre Moral - Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und Bestätigung von Vorurteilen
- Sonstiges
- Internetsagen in Diskussionsforen: Überlegungen zu Struktur und Kontext
- Vorüberlegungen
- Beispiel 1: Von Aliens entführt
- Beispiel 2: Geisterhaus Dortmund-Syburg
- Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen über E-Mail und durch Foren verbreiteter Sagen
- Schluss: Der Wandel der „modernen“ Sage durch das Internet - Entstehung eines neuen Sagentypus?
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Veröffentlichungen im Internet
- Gedruckte Veröffentlichungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Zulassungsarbeit befasst sich mit dem Phänomen der „modernen“ Sage im Internet und untersucht dessen Wesen. Ziel ist es, die charakteristischen Merkmale, Funktionen und Strukturen dieser Sagen im digitalen Raum zu identifizieren und zu analysieren. Dabei werden sowohl die Verbreitung und die Inhalte der Sagen betrachtet als auch deren mögliche Funktionen für die Gesellschaft.
- Definition und Kategorisierung des Sagenbegriffs im Kontext des Internets
- Verbreitung von „modernen“ Sagen im Internet, insbesondere über E-Mails und in Foren
- Identifizierung zentraler Elemente und Themen von „modernen“ Sagen im Internet
- Analyse der Funktionen und Auswirkungen von „modernen“ Sagen im Internet
- Untersuchung der Frage, ob „moderne“ Sagen im Internet einen neuen Sagentypus darstellen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der die Fragestellungen der Arbeit erläutert werden. Im zweiten Kapitel werden verschiedene Definitionen und Kategorisierungen des Sagenbegriffs vorgestellt, wobei der Fokus auf dem Wandel des Sagenbegriffs in der heutigen Zeit liegt. Kapitel 3 widmet sich methodischen Aspekten der Sagenforschung im Internet und betrachtet das Internet als ein spezifisches Forschungsfeld der Volkskunde. Im vierten Kapitel erfolgt eine Bestandsaufnahme von „modernen“ Sagen im Internet, die nach verschiedenen Kategorien gegliedert sind. Dabei werden sowohl Sagen über Außerirdische, Unheimliches und Sagenwesen als auch Vergiftungsgeschichten und Verschwörungstheorien vorgestellt. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zusammengefasst und zentrale Elemente von „modernen“ Sagen im Internet herausgearbeitet. Zudem werden die Funktionen und Auswirkungen dieser Sagen im digitalen Raum diskutiert. Abschließend wird im sechsten Kapitel die Frage beleuchtet, ob „moderne“ Sagen im Internet einen neuen Sagentypus darstellen.
Schlüsselwörter
Moderne Sage, Internet, Volkskunde, Sagenforschung, Verbreitung, Funktionen, Strukturen, Außerirdische, Unheimliches, Verschwörungstheorien, E-Mail, Foren.
- Quote paper
- Fabian Vierbacher (Author), 2007, Die "moderne" Sage im Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94454