Hitchcocks Film Marnie besticht zweifellos durch seinen psychologischen Tiefgang. Zentrale Fragen sind hierbei: Warum stiehlt Marnie? Warum hat sie Probleme mit ihrer Sexualität – gibt es überhaupt ein ‚Problem’? Oder ist sie eigentlich mit ihrer Situation zufrieden und entsteht dieses ‚Problem’ erst durch die ‚Heilungsversuche’ Marks? Welche Rolle spielt dabei das dunkle Familiengeheimnis? Gibt es überhaupt eine ‚Heilung’ am Ende des Films? Handelt es sich um eine exemplifizierte psychologische Fallstudie oder geht es vielmehr um den Blick unter die Oberfläche?
Es wird schnell deutlich: Die Auflösung ist nicht so einfach wie es zunächst scheint. Auch Hitchcocks Interpretationsvorschlag reicht nicht aus: „Vor allem hat mir die Vorstellung Spaß gemacht, eine fetischistische Liebe zu zeigen. Ein Mann will mit einer Diebin schlafen, weil sie eine Diebin ist, wie andere mit einer Chinesin oder einer Schwarzen schlafen.“ (Truffaut, Scott and Fischer 1999, 257f.).
Im Mittelpunkt dieser Seminararbeit soll also der Blick unter die Oberfläche stehen. Leitfrage ist hierbei, welche Rolle die zentralen Aspekte Familiendrama und Gender-Konflikt in Hitchcocks ‚Fallgeschichte’ einnehmen. Oder, wie es Zizek ausdrückt: „The real ‚secret’ of his films is ultimately always the family secret, its tenebrous reverse.” (Zizek 1999, 135). Zuerst soll allerdings erläutert werden, welche Rolle Marnie in der feministischen Kritik gespielt hat; wie Marnie und ihre Weiblichkeit wahrgenommen wurde. Erst dann kann die Frage nach ihrer Sexualität gestellt werden. Rasch wird klar, welche immense Rolle dabei die Familie, die als Ureinheit der Identifikation aufgefasst werden kann, in Hitchcocks Film spielt. Es gilt, das Verhältnis zu Mrs. Edgar zu beleuchten. Im Mittelpunkt des fünften Gliederungspunktes stehen die Konflikte Marnies mit der Männerwelt. Aufgrund des hohen visuellen und erzählerischen Anspruchs des Films muss im Folgenden die Funktion der filmischen Mittel in Hinblick auf ihren subjektivierende Wirkung untersucht werden. Im letzten Abschnitt soll schließlich versucht werden, eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der freudschen ‚Fallgeschichte’ zu finden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Hitchcocks Marnie - Trivialisierung der Psychoanalyse?
- Marnie im Fokus der feministischen Kritik
- Marnie und ihre Sexualität
- Das Verhältnis zwischen Marnie und ihrer Mutter - Ureinheit der Identifikation
- Der Konflikt mit der Männerwelt - Marnies Beziehung zu Mark
- Wirkung und Funktion filmischer Erzählmittel - Mittel zur Subjektivierung?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit Alfred Hitchcocks Film Marnie und untersucht die Rolle des Familiendramas und des Gender-Konflikts in der "Fallgeschichte". Es soll analysiert werden, wie Marnie im Kontext der feministischen Filmkritik wahrgenommen wird und welche Bedeutung die Familie in ihrem Leben spielt. Darüber hinaus wird die Sexualität Marnies, ihr Konflikt mit der Männerwelt und die Funktion der filmischen Mittel im Hinblick auf ihre subjektivierende Wirkung untersucht.
- Feministische Rezeption von Marnie
- Marnies Sexualität und ihre Beziehung zu Mark
- Die Rolle des Familiendramas und der Beziehung zu Mrs. Edgar
- Die Funktion der filmischen Mittel
- Die Interpretation von Marnie als psychologische Fallstudie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Hitchcocks Marnie - Trivialisierung der Psychoanalyse? Dieses Kapitel beleuchtet die Kritik an Hitchcocks Film, die dessen psychologischer Naivität und Trivialisierung der Psychoanalyse bemängelt. Es werden auch alternative Interpretationen des Films vorgestellt, die auf absichtlich gelegte hermeneutische Fallen hinweisen.
- Marnie im Fokus der feministischen Kritik Dieses Kapitel stellt die Rezeption des Films durch die feministische Kritik vor und untersucht die Darstellung von Marnie als attraktive Frau in Konflikt mit der Männerwelt.
- Das Verhältnis zwischen Marnie und ihrer Mutter - Ureinheit der Identifikation Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung der Mutter-Tochter-Beziehung und die Rolle des Familiengeheimnisses in Marnies Leben. Es beleuchtet die "Ureinheit" der Identifikation mit der Familie, die für Hitchcocks Film zentral ist.
- Der Konflikt mit der Männerwelt - Marnies Beziehung zu Mark Dieses Kapitel analysiert Marnies Konflikte mit Männern und ihre Beziehung zu Mark, dem Protagonisten des Films. Es untersucht die Rolle der Männerwelt in ihrem Leben und die Art ihrer Interaktion mit ihnen.
- Wirkung und Funktion filmischer Erzählmittel - Mittel zur Subjektivierung? Dieses Kapitel untersucht die Wirkung der filmischen Mittel in Hitchcocks Werk und analysiert, wie diese zur Subjektivierung der Figuren beitragen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Familiendrama, Gender-Konflikt, psychoanalytische Interpretation, feministische Filmkritik, Hitchcock, Marnie, Tippi Hedren, Sean Connery, Sexualität, Familie, Mutter-Tochter-Beziehung, Beziehung zu Mark, filmische Mittel, Subjektivierung, "Fallgeschichte" und die Rezeption des Films im Kontext der 60er und 70er Jahre.
- Quote paper
- Fabian Vierbacher (Author), 2007, Familiendrama und Gender-Konflikt: Hitchcocks filmische ‚Fallgeschichte’ Marnie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94458