Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aktueller Forschungsstand
3. Menschliche Kommunikation
3.1 Was ist menschliche Kommunikation?
3.2 Axiome der Kommunikation nach Paul Watzlawick
4. Was ist nonverbale Kommunikation?
4.1 Mimik
4.2 Gestik
4.3. Körperhaltung
4.4 Abstand
4.5 Tonfall
5. Interkulturelle nonverbale Kommunikation im Vergleich
5.1 Was ist Kultur?
5.2 Ein Deutscher in China - wie einige deutsche Gesten am anderen Ende der Welt missverstanden werden
5.2.1 Eins plus eins ist acht?
5.2.2 Winken ist nicht gleich Winken
5.2.3 Körperkontakt? Nein danke
5.2.4 Aufmerksames Zuhören wird überbewertet
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Angenommen, ein Deutscher würde sich mit einer französischen Dame in einem Restaurant treffen und zu Abend essen. Sie unterhalten sich vorzüglich, der Wein ist ganz nach ihrem Geschmack und die Bedienung ist freundlich. Auch das Essen ist schmackhaft. Auf seinem perfekt gebratenen Steak kauend, ruft der Deutsche den Kellner mit einem Wink seiner Hand zu sich, formt dann seinen Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis und spreizt die restlichen Finger ab, um zu verdeutlichen, wie sehr ihm sein Mahl mundet. Daraufhin verschluckt sich die französische Dame vor Empörung an ihrem Wein, ehe sie ein fassungsloses Schnauben von sich gibt. Auch der Kellner scheint alles andere als erfreut von dieser Geste zu sein und sagt mit stark russischem Akzent: „Unerhört! Schämen Sie sich denn gar nicht? Mit einer solchen Einstellung können sie das Restaurant gerne verlassen! So etwas muss ich mir wirklich nicht bieten lassen!“ Wütend stampft der Kellner davon und auch die französische Dame ist dabei zu gehen, während der Deutsche irritiert zwischen den beiden hin und her schaut.
Obwohl keiner der drei in diesem Moment etwas sagte, ist die Situation doch schnell eskaliert. Woran liegt das? Die Antwort ist einfach, führt bei Ahnungslosen jedoch schnell zu unangenehmen Missverständnissen. Andere Länder, andere Gesten. Die Bedeutung von Mimik und Gestik kann mitunter zwischen verschiedenen Nationalitäten sehr variieren. Während die oben genannte Geste in Deutschland so viel bedeutet wie „hervorragend“ und „gut“, ist es in Frankreich ein Zeichen für „null“ oder „nutzlos“. In Russland hingegen, ist dies eine sehr diskriminierende Beleidigung gegen Homosexuelle. Während der Deutsche also nur das Essen loben wollte, dachte die französischen Dame, ihre Begleitung hätte den Kellner als nutzlos bezeichnet, während der Kellner sich auf üble Weise beleidigt fühlte.
Missverständnisse sind als Fremder in einer anderen Kultur fast unvermeidbar. Ein Handzeichen oder ein vermeintlich falscher Blick können in Ländern wie China, in welchem andere Sitten und Normen gelten, als in Deutschland, schnell zum alltäglichen Problem werden.
Im ersten Teil dieser Hausarbeit beschäftige ich mich mit der grundlegenden Frage, was Kommunikation überhaupt ist. Dafür beziehe ich mich unter anderem auf die fünf Axiome nach Watzlawick. Des weiteren befasse ich mich mit dem Thema der nonverbalen Kommunikation, ehe ich im letzten Teil der Arbeit einige ausgewählte nichtsprachliche Mittel der Kommunikation zwischen Deutschland und China vergleiche. Als Grundlage für die Arbeit dient zum einen Hans Jürgen Heringers Interkulturelle Kommunikation, sowie Vera Birkenbihls Signale des Körpers.
2. Aktueller Forschungsstand
Um interkulturelle nonverbale Kommunikation zu verstehen, muss man zuallererst die Kommunikation im Allgemeinen ins Auge fassen, denn auch diese Art der Verständigung ist nichts weiter als eine Form der Kommunikation.1
Die Kommunikationsforschung fand bereits in der Soziologie und Ethnologie ihren Anfang, wurde nach dem zweiten Weltkrieg jedoch um einige Kommunikationstheorien erweitert. „In den 1990er Jahren stellt[e] sich die Forschungslage um die interkulturelle Kommunikation zwar breit gefächert, aber uneinheitlich dar.“2 Im Zusammenhang mit Migration tritt auch das Thema der multikulturellen Kommunikation auf, was aufgrund der Globalisierung der Welt immer mehr an Wichtigkeit und Aktualität erlangt. Nichtsdestotrotz ist die Forschung rund um das Thema der interkulturellen nonverbalen Kommunikation zwar ein sehr weitläufiges Gebiet, für das bisher jedoch keine festen Regeln aufgestellt wurden, da sich Kommunikation im kulturellen, religiösen oder gesellschaftlich zusammenspielenden Aspekt nur schwer verallgemeinern lässt. Dennoch werden weiterhin eine Reihe von Theorien entwickelt, um grundlegenden Problemen der Kommunikation entgegenzuwirken3
3. Menschliche Kommunikation
3.1 Was istmenschliche Kommunikation?
Der Begriff Kommunikation stammt von dem lateinischen Wort communicatio und bedeutet übersetzt Mitteilung. Bereits dies setzt voraus, dass der Prozess der menschlichen Kommunikation dem verbalen und nonverbalen Austauschen von Informationen, Erfahrungen oder Erlebtem, der zwischenmenschlichen Verbindung und Verständigung dient.4 „Kommunikation ist Teil der Naturgeschichte des Menschen.“5 Wir praktizieren sie alltäglich, ohne uns darüber Gedanken zu machen. Um zu kommunizieren benötigt es zu Beginn immer mindestens zwei Menschen, wobei einer aktiv Informationen sendet, während der andere passiv zuhört und eben diese Informationen deutet und im besten Fall versteht. Um zu kommunizieren werden sowohl Sprache als auch Zeichen verwendet. Letzteres besitzt, wenn auch indirekt, immer eine Bedeutung.6 Darüber hinaus ist Kommunikation genau wie jede andere Art des Handelns intentional. Vereinfacht ist Kommunikation, „dem anderen Wünsche [...] zu erkenne zu geben, in der Hoffnung [...], daß dies für den anderen ein Grund sein möge, den Wunsch zu erfüllen“7.8 Die Absicht, die sich hinter einer Kommunikation verbirgt, kann entweder bewusst oder unbewusst vermittelt werden. Kommunikation ohne Grund existiert nicht. Ein noch so banal erscheinendes Alltagsgespräch kommt beispielsweise zustande, weil der Gesprächspartner sich von seinem „Bedürfnis nach sozialer Nähe“9 zur Kommunikation verleiten lässt. In einer Gesprächssituation ist es wichtig, dass der Gesprächspartner in der Lage ist, den Grund für die stattfindende Kommunikation deuten zu können, andernfalls führt dies zu unvermeidlichen Missverständnissen.10
3.2 Axiome derKommunikation nach Paul Watzlawick
Bereits Bühler hat der menschlichen Kommunikation diverse Eigenschaften zugeordnet und sprach dabei von Axiomen11. Später griff auch Watzlawick die Idee von Axiomen auf und fasste damit seine Untersuchungsergebnisse in folgende fünf Axiome zusammen:12
„Man kann nicht nicht kommunizieren“13.14
Um dieses Axiom zu verstehen, muss man beachten, dass Kommunikation weitaus mehr ist, als nur Sprache. Sie umfasst zusätzlich „paralinguistische Phänomene (wie. z.B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache, Pausen, Lachen und Seufzen), Körperhaltung, [und] Ausdrucksbewegungen (Körpersprache)“15. Um es anders auszudrücken, handelt es sich bei Kommunikation um „Verhalten jeder Art“16. Da man sich nicht nicht verhalten kann, verhält sich dies ebenso bei der Kommunikation. Wir kommunizieren, selbst wenn wir es unbewusst tun.17 Alles was wir tun oder in diesem Falle nicht tun, wird gedeutet und interpretiert. Selbst wenn wir schweigen, deutet dies stets auf etwas hin, für dessen Aussage es nicht zwingend Worte bedarf. Wenn zum Beispiel in einem Wartezimmer ein Mann auf seinem Stuhl sitzt, die Arme vor der Brust verschränkt, schweigend vor sich auf den Boden starrt und somit Augenkontakt zu anderen vermeidet, kann dies den anderen Anwesenden vermitteln, dass dieser Mann momentan nicht sprechen möchte. Schweigen zu interpretieren hängt jedoch immer vom Kontext ab, da Schweigen nicht immer gleich Schweigen darstellt und somit leicht missverstanden werden kann. Besonders in Anbetracht interkultureller Kommunikation kann es zu Uneindeutigkeiten führen, da Handlungen wie Schweigen, Augenkontakt vermeiden oder die generelle Unterlassung von erwartetem Handeln kulturell anders gedeutet wird, als es in Deutschland der Fall ist.18
Die „Beziehung bestimmt [die] inhaltliche Bedeutung“19 der Kommunikation.20
Der Inhalt einer Mitteilung, die ein Sender an einen Empfänger weitergibt, enthält in erster Linie immer Informationen. Dabei spielt es keine Rolle, ob jene Informationen der Wahrheit entsprechen oder nicht. Neben diesem Inhalt, gibt der Sender jedoch ein Anzeichen darauf, wie er sich die Reaktion des Empfängers erhofft. In der Art und Weise wie der Sender eine Information weitergibt, macht er also deutlich, wie die Beziehung seiner Ansicht nach zu dem Empfänger aufgebaut ist. „Es gibt in jeder Kommunikation viele Informationsebenen, und eine davon betrifft stets die Beziehung, innerhalb der die Kommunikation stattfmdet.“21 Wenn beispielsweise Frau Schmidt Frau Müller fragt, ob das an ihrer Kette echte Perlen seien, ist der Inhalt der Mitteilung eindeutig eine Frage im Bezug auf diese Halskette. Zugleich wird jedoch auch deutlich, in welcher Beziehung Frau Schmidt sich zu Frau Müller sieht, denn die Art und Weise, wie sie die Frage stellt, kann entweder positiv oder negativ von Frau Müller aufgenommen werden. Frau Müller kann nun diese „Beziehungsdefinition“22 hinnehmen oder abweisen und dabei eine andere Art der Beziehung definieren.23 Doch genau wie das erste Axiom ist auch dieses sehr kulturspezifisch. In Deutschland spielt mehr die Inhaltsebene der Kommunikation eine Rolle, während die Beziehung zwischen Sender und Empfänger einer Mitteilung dem untergeordnet ist. In anderen Kulturen verhält es sich jedoch genau umgekehrt. Dort kann es geschehen, dass ein Geschäft vorzugsweise auf einer guten Beziehungsbasis abgeschlossen wird, da sich inhaltlich Fragen somit besser regeln lassen.24
Die „Interpunktion bedingt [den] Kommunikationsablauf“25.26
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es sich bei diesem Fall bei Interpunktion nicht um Zeichensetzung handelt. Kommunikation besteht aus Reiz und Wirkung und folgt dabei einer gewissen Struktur. Jemand tut etwas, worauf ein anderer reagiert, wobei das Verhalten des einen mit dem des anderen begründet wird. Betrachtet man beispielsweise ein Ehepaar, in dessen Beziehung die Frau über ihren Mann nörgelt und eben dieser Mann sich von seiner Frau zurückzieht. Die Frau nörgelt, weil der Mann sie meidet. Der Mann zieht sich zurück, weil die Frau nörgelt. Beide begründen ihr Verhalten mit dem desjeweils anderen, wodurch eine Art Teufelskreis entsteht. Interpunktion hängt auch hier von der Kulturzugehörigkeit zusammen, da eine andere Kultur eine andere Interpunktion zur Regulierung des Kommunikationsverhaltens mit sich führt.27
„Menschliche Kommunikation vollzieht sich digital und analog.“28 29
In der menschlichen Kommunikation gibt es zwei Arten, auf die ein Objekt dargestellt und somit zum Teil der Kommunikation werden kann.30 Zum einen kann Kommunikation digital, also in verbaler Form stattfinden. Dabei hat diese Form der Kommunikation „eine komplexe und vielseitig logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik“31. Die nonverbale Kommunikation gilt als analog, da sich dabei viel Interpretationsspielraum finden lässt. Dieses Axiom unterstreicht die Wichtigkeit der nonverbalen Kommunikation für die Kommunikation.
Bei der Übersetzung der analogen Form in die digitale kann es im Gespräch durchaus zu Uneinigkeiten kommen, wenn der Empfänger die auf nonverbaler Ebene verkündet Information falsch deutet. Dies geschieht besonders im interkulturellen Bereich, wenn Bedeutungen analoger Zeichen nicht eindeutig bekannt sind.32
„Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.“33 34 34
Auch bei diesem Axiom steht die Beziehung der Gesprächsteilnehmer, sowie die „Arten der Wechselseitigkeit“35 im Vordergrund. Die Rede ist von Symmetrie und Komplementarität. Eine Kommunikation ist symmetrisch, wenn alle Beteiligten die gleichen Handlungsmöglichkeiten besitzen und beide sich bemühen, Ungleichheiten in der Kommunikation zu vermeiden. In einer komplementären Kommunikation ergänzen sich die Gesprächsanteile beider Partner miteinander. Dabei nimmt einer der beiden „die sogenannte superiore, primäre Stellung ein, der andere die entsprechende inferiore, sekundäre“36 Stellung.37 Asymmetrie kann kulturell bedingt zu diversen Problemen führen, wenn sich beispielsweise Sprecher A von Sprecher B nicht genügend respektiert fühlt, obwohl es in Anbetracht der Kultur von Sprecher A so von B erwartet wird.38
4. Was ist nonverbale Kommunikation?
4.1 Mimik
Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei nonverbaler Kommunikation um ,,[v]erstehbares Verhalten, das nicht auf der Verwendung sprachlicher Zeichen beruht und parallel zur sprachlichen Verständigung stattfmdet oder diese auch ersetzt“39. Alles Verhalten einer Person, wird in einer Kommunikation, ob sie auf verbaler oder nonverbaler Ebene stattfmdet, gedeutet.40
[...]
1 Heringer; Hans Jürgen: Interkulturelle Kommunikation. Grundlagen und Konzepte, Narr Francke Attempto Verlag GmbH und Co. KG, Tübingen 2014, 4. Auflage, S. 7, Im Folgenden: Heringer, 2014.
2 Yousefi, Hamid Reza: Interkulturelle Kommunikation. Eine praxisorientierte Einführung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, S. 17, Im Folgenden: Yousefi, 2014.
3 Vgl. Ebd., S. 14-18.
4 Vgl. Bühler, Peter; Schlaich, Patrick; Sinner, Dominik: Visuelle Kommunikation. WahmnehmungPerspektive Gestaltung, Springer Verlag, Berlin2017, S. 2.
5 Heringer, 2014, S. 9.
6 Vgl. Ebd.,S.9.
7 Keller, Rudi: Sprachwandel, A. Francke Verlag, Tübingen 2014, S. 70, Im Folgenden: Keller, 2014.
8 Vgl. Keller, 2014, S. 70.
9 Eicher, Hans: Die verblüffende Macht der Sprache. Was Sie mit Worten auslösen oder verhindemundwas Ihr Sprachverhaltenverrät, Springer Verlag, Wiesbaden 2018, 2. durchgesehene und korrigierte Auflage, S. 4, Im Folgenden: Eicher, 2018.
10 Vgl. Eicher, 2018, S. 4.
11 Anm.: Bei einem Axiom handelt es sich um einen als wahr angenommenen Grundsatz, der keinerlei wissenschaftlicherDarlegungbenötigt. (Vgl. Glück, Helmut; Rödel, Michael (Hg.): Metzler Lexikon Sprache, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016, S. 82, Im Folgenden: Metzler 2016.)
12 Vgl. Heringer, 2014, S. 18.
13 Ebd., S. 19.
14 Anm.: 1. Axiom.
15 Watzlawick, Paul; Beavin, Janet; Jackson, Don: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Hogrefe Verlag, Bem 2017, 13., unveränderte Auflage, S. 58, Im Folgenden: Watzlawick, 2017.
16 Watzlawick, 2017, S. 58.
17 Vgl. Ebd., S. 58f.
18 Vgl. Heringer, 2014, S. 19.
19 Ebd., S. 20.
20 Anm.: 2. Axiom.
21 Badura, Bernhard; Gloy, Klaus: Soziologie der Kommunikation. Eine Textauswahl zur Einführung, Friedrich Frommann Verlag Günther Holzboog KG, Stuttgart-Bad Cannstatt 1972, S. 183.
22 Watzlawick, 2017, S. 62.
23 Vgl. Ebd, S. 61f.
24 Vgl. Heringer, 2014, S. 20.
25 Ebd., S. 20.
26 Anm.: 3. Axiom.
27 Vgl. Watzlawick, 2017, S. 65ff.
28 Heringer, 2014, S. 21.
29 Anm.: 4. Axiom.
30 Vgl. Watzlawick, 2017, S. 71.
31 Ebd., S. 78.
32 Vgl. Heringer, 2014, S. 21f.
33 Ebd., S. 22.
34 Anm.: 5. Axiom.
35 Heringer, 2014, S. 22.
36 Watzlawick, 2017, S. 80.
37 Anm.: Damit ist nicht zwingend gemeint, dass ein Gesprächspartner dominant (stark) und der andere unterwürfig (schwach) sein muss. Solche Beziehungen sind auf gesellschaftliche oder kulturelle Gegebenheiten zurückzuführen, wie zum Beispiel ein Gespräch zwischen Mutter und Kind. (Vgl. Watzlawick, 2017, S. 80).
38 Vgl. Heringer, 2014, S. 22.
39 Metzler, 2016, S. 468.
40 Vgl. Goffman, Erving: Verhalten in sozialen Situationen. Strurkturen und Regeln der