Die Praxis der europäischen Auswanderung nach Amerika und die Bedingungen für die Emigranten während der Überfahrt


Hausarbeit, 1998

14 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Einwanderung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
2.1 Das Segelschiff als Transportmittel
2.2 Die Überfahrt mit dem Segelschiff
2.3 Die Organisation der Auswanderung in den europäischen Häfen
2.4 Die Probleme der Finanzierung der Reise
2.5 Gesetze für die Beförderung per Schiff

3. Die Einwanderung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts
3.1 Die Dampfschiffahrt etabliert sich
3.2 Die Rolle deutscher Häfen bei der Auswanderung, Hamburg und Bremen
3.3 Die Konkurrenz zwischen den Reedereien
3.4 Vorteile für die Emigranten durch die großen Reedereien
3.5 Die Überfahrt mit dem Dampfschiff

4. Zusammenfassung

5. Anhang
5.1 Literaturverzeichnis
5.2 Quellen- und Bildnachweis

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit soll die Praxis der Auswanderung nach Nordamerika vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre betrachtet werden. Die Auswanderung aus Europa fand in dieser Zeit naturgemäß mit dem Schiff statt. Den Anfang machten bis etwa 1850 die Segelschiffe, welche im Zuge des industriellen Fortschritts von den Dampfschiffen abgelöst wurden. Letztere machten die Massenauswanderung, wie sie in drei großen Schüben stattfand, die ihre Spitzen jeweils in den Jahren 1854, 1882 und 1907 hatten, erst möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Amerikanische Einwanderung 1820-1940 (in tausend Personen), Quelle[22]

2. Die Einwanderung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Vorbemerkung

Die zu Kapitel 2 gehörenden Abschnitte beziehen sich hauptsächlich auf das Buch The

Distant Magnet von Philip Taylor. Dieses Buch beschäftigt sich in den Kapiteln "The Journey under Sail" und "The Commercial System and Government Regulation"1 mit der Praxis der Einwanderung bis etwa zur Mitte des 19.Jh. und faßt dazu die wesentlichen Fakten und Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammen, die mir nicht zur Verfügung standen. Daher erschien es mir sinnvoll, sich diesem Wissen zu bedienen, zumal dieses Buch auch anderen Autoren als Grundlage ihrer Arbeit diente. Lediglich Fakten, die nicht aus dem Buch entnommen wurden, haben einen entsprechenden Quellenverweis.

2.1 Das Segelschiff als Transportmittel

Bis zur Mitte des 19.Jh., also fast bis in die Zeit der ersten großen Auswandererwelle hinein, standen keine Schiffe zur Verfügung, die ausschließlich für die Überfahrt von Passagieren konzipiert waren. Die Schiffe, es waren ausschließlich Segelschiffe, hatten meist weniger als 500t Wasserverdrängung und dienten in erster Linie Frachtzwecken. Von Amerika nach Europa kam zum Beispiel Baumwolle, Tabak, Getreide, Rinder- und Schweinefleisch. In umgekehrter Richtung wurden Eisenwaren, Salz, Ziegel, Glas und Textilien transportiert. An ein regelmäßiges, nach Fahrplan verlaufendes Ein- und Auslaufen eines Schiffes war in dieser Zeit nicht zu denken. Die Schiffe fuhren erst ab, wenn sie voll beladen waren und kamen je nach Wetterlage pünktlich oder unpünktlich am Bestimmungsort an. Passagiere und Auswanderer wurden auf vielen Schiffen eher nebenbei mitgenommen und dienten den Eigentümern der Schiffe als Zusatzeinnahme, falls die Ladekapazitäten nicht ausgelastet waren. Dies war der Regelfall, jedoch kommt man bei näherer Betrachtung der Zahlen der Auswanderer und der nach Amerika segelnden Schiffe zur Erkenntnis, daß zwar die meisten Schiffe auf diese Weise - also mit vereinzelt an Bord gegangenen Auswanderern - segelten, jedoch der Großteil der Emigranten auf wenigen Schiffen, die dann extrem stark besetzt waren, den Weg nach Amerika fand. Bernard Bailyn untersuchte dieses Verhältnis während des Zeitraums von 1774 bis 1776 in seinem Buch Voyagers to the West am Beispiel der Emigranten von den britischen Inseln.

Er fand heraus, daß gerade einmal 4,5% aller Emigranten dieser Zeit mit etwa der Hälfte der (in diesem Zeitraum) zur Verfügung gestandenen 402 Schiffe nach Amerika übersetzten. Diese Schiffe beförderten dann im Durchschnitt maximal vier Emigranten. Vierzig Prozent aller Emigranten jedoch setzten mit nur 22 Schiffen über. Dabei ergibt es sich, daß jedes dieser 22 Schiffe mehr als 100 Passagiere während der Überfahrt an Bord hatte und somit ausschließlich für die Personenbeförderung eingesetzt wurde.2 Bernard Bailyn findet dabei einen Zusammenhang zwischen der unterschiedlichen geographischen Lage der englischen Auswandererhäfen (London, Bristol, Newcastle, usw.) und der Art, wie ein in Frage kommendes Schiff beladen wurde: Im Norden Englands und in den schottischen Häfen dominierten die Schiffe, die ausschließlich Auswanderer beförderten und somit meist überfüllt waren. Im Süden Englands, allen voran London, war es üblicher, vereinzelte Auswanderer aufzunehmen.3

2.2 Die Überfahrt mit dem Segelschiff

Mit einem Segelschiff dauerte die Überfahrt mindestens fünf bis sechs Wochen und bei ungünstigen Winden sogar noch länger. Die Bedingungen für die Passagiere waren, und das nicht nur nach heutigen Maßstäben, nahezu katastrophal, zumindest, wenn es sich um die mit Auswanderern überfüllten Schiffe handelte.

Auf den Schiffen waren die Emigranten auf sich selbst angewiesen und hatten grundsätzlich unter dem Mangel an Verpflegung und Hygiene zu leiden. Für feste Nahrung mußten die Auswanderer selbst sorgen, lediglich Süßwasser wurde vom Schiff zur Verfügung gestellt. Diese Wasservorräte ließen jedoch in den seltensten Fällen Körperreinigung oder das Säubern der Wäsche zu. Das Salzwasser des Meeres war in dieser Beziehung die einzige Möglichkeit. Dauerte die Überfahrt länger als vorausgesehen, wurden die Lebensmittel entsprechend knapp und die durch Mangelernährung und durch verschmutzte und verlauste Kleidung hervorgerufenen Krankheiten konnten sich rasch verbreiten. Todesfälle während der Reise oder in der anschließenden Quarantäne in Amerika waren nicht selten. Im Jahre 1847 wurden von 100.000 Immigranten, die per Schiff in den Vereinigten Staaten ankamen, 17.000 Tote registriert. (Das sind 17%. Bis in die 1860er Jahre verringerte sich diese Zahl auf etwa ein Prozent.)

Neben den schlechten physischen Bedingungen trugen die psychischen Belastungen ihr Übriges zur Verschlechterung des Reiseklimas bei. Eintönigkeit herrschte vor und zu sehen gab es nichts als die weite See, zu hören nichts als die Kommandos der Seeleute und das Rauschen von Wind und Wellen. Durch Überfüllung mit Menschen und Gerät, war es schwer, sich auf den Segelschiffen Bewegung zu verschaffen. Häufig kam es auch vor, daß Frauen von der Crew oder den eigenen männlichen Mitfahrern belästigt wurden. Für Abwechslung sorgten lediglich die durch Streit verursachten Schlägereien, meist zwischen Emigranten verschiedener Nationen oder unterschiedlicher Religion. Willkommen waren außerdem Feiertage, an denen Salut geschossen und musiziert wurde. Für die Männer unter den Auswanderern bot sich die Möglichkeit, bedingt durch die arbeitsintensive Bedienung der Takelage auf den Seglern, den Matrosen zur Hand zu gehen.

Ein Beispiel für die traurigen Zustände auf den Schiffen sind die Erfahrungen des Deutschen Gottlieb Mittelberger, der von 1750 bis 1754 als Organist nach Amerika ging und seine Erlebnisse in dem Buch Journey to Pennsylvania niederschrieb:

"Among those who are in good health impatience sometimes grows so great and bitter that one person begins to curse the other, or himself and the day of his birth, and people sometimes come close to murdering one another. Misery and malice are readily associated, so that people begin to cheat and steal from one another. And then one always blames the other for having undertaken the voyage. Often the children cry out against their parents, husbands against their wives and wives against husbands, brothers against their sisters, friends and aquaintances against one another. [...] In a word, groanig, crying, and lamentation go on aboard day and night; so that even the hearts of the most hardened, hearing all this, begin to bleed."4

2.3 Die Organisation der Auswanderung in den europäischen Häfen

In den durch Emigranten stark frequentierten Amerika-Häfen bildeten sich schon früh Auswanderungsagenturen, im Englischen Passenger-Broker genannt, die dafür sorgten, daß Auswanderer auf einem Schiff untergebracht werden konnten. Diese Broker buchten, sofern verfügbar, ganze Zwischendecks, um diese dann mit den von ihnen angeworbenen Auswanderern zu füllen. Durchschnittlich zahlte der Auswanderer etwa zwölf Prozent seiner Überfahrtsgebühr zusätzlich an den Broker, wenn er sich von ihm vermitteln ließ. Die Auswanderungsagenturen nahmen ihre Aufgabe in verschiedener Weise wahr. Einerseits erreichten sie ihre "Kunden" durch Anzeigenwerbung in deren direkter heimatlicher Umgebung und kümmerten sich neben der Buchung der Atlantikpassage auch um die Fahrt zum Hafen selbst. Bei der sogenannten indirekten Auswanderung, etwa für Emigranten aus den skandinavischen Ländern, mußte erst die Reise per Schiff nach Ostengland und dann die Fahrt mit der Eisenbahn nach Liverpool oder Glasgow organisiert werden. Andererseits warben die Broker erst im Hafen für ihre Dienste, da sich viele Emigranten auch allein auf den Weg zum Hafen machten, um dort auf eigene Faust ein Schiff nach Amerika zu finden. In den Häfen gab es dann sogenannte Runners, in Deutschland auch Litzer genannt, die auf selbständiger Basis mit den Auswanderungsagenturen zusammenarbeiteten und sie mit Emigranten versorgten. Für ihren Zuspielerdienst erhielten sie dann etwa die Hälfte dessen, was die Agenturen einnahmen. Überdies machten die Runners eigene Geschäfte mit den unerfahrenen Auswanderern, indem sie diese mit allem, was für die Überfahrt nötig ist, darunter Verpflegung, Bettzeug, Geschirr, usw., versorgten. Den Emigranten wurde für diese Dinge viel Geld abverlangt und im allgemeinen Gewirr des Einschiffens wurden sie sogar ihrer letzten bzw. der neu erworbenen Habe bestohlen, die gewinnbringend an den nächsten Auswanderer verkauft wurde.

2.4 Die Probleme der Finanzierung der Reise

Für die Auswanderer gab es drei verschiedene Arten, eine Schiffspassage nach Amerika zu bezahlen. Am einfachsten war es, wenn der Auswanderer das Geld für die Fahrt von vorn herein aufbringen konnte und diese dann vor Antritt auch vollständig bezahlen konnte. Vielfach wurde die Reise auch von Verwandten, die bereits übergesiedelt waren, bezahlt. Da es sich bei den meisten Emigranten jedoch um die eher mittellosen Schichten der Bevölkerung handelte und in der Anfangszeit der Auswanderung schließlich nicht jeder schon Verwandte in Amerika besaß, war eine Vorauszahlung nicht möglich. Um trotzdem ausreisen zu können, verpflichteten sich die Emigranten erst nach der Überfahrt für die Kosten aufzukommen, nämlich durch Arbeit.

Für englische und irische Auswanderer bestand das System der sogenannten "Indentured Servitude". Hier verpflichtete sich der Emigrant zu einer Arbeitsleistung in Amerika für eine bestimmte Zeitdauer, meist mehrere Jahre, um die Überfahrt nachträglich zu bezahlen. Dieses System stand unter behördlicher Aufsicht. Der Nachteil für den Auswanderer dabei war die relativ lange Zeit, für die er sich bei einem Herren verdingte und daß eine etwaige Flucht aus diesem Arbeitsverhältnis geahndet wurde. Der Vorteil war, daß der Arbeitsvertrag bereits im Heimatland abgeschlossen wurde und der Auswanderer von vorn herein wußte, worauf er sich einließ.5

Deutschen, von holländischen Häfen aus segelnden Auswanderern stand das "Redemptioner- System" zur Verfügung, welches sich von der "Indentured Servitude" dadurch unterschied, daß der Arbeitsvertrag erst bei Ankunft im amerikanischen Hafen abgeschlossen wurde und daß es nicht unter Beaufsichtigung stand. Eine Reihe von Problemen wurde damit heraufbeschworen. Einerseits wurden die mittellosen Auswanderer mit falschen Versprechen auf die Schiffe in den holländischen Häfen gelockt, so daß sie von den später an sie gestellten Forderungen nichts ahnten. Andererseits mußten sie sich den ihnen aufgezwungenen Bedingungen fügen, sonst durften sie das bereits im amerikanischen Hafen vor Anker liegende Schiff nicht verlassen. Verständigungsschwierigkeiten in der Neuen Welt, insbesondere beim Abschluß des Arbeitsvertrages taten ihr übriges.6

Gottlieb Mittelberger schreibt in seinem Buch Journey to Pennsylvania sehr ausführlich über die menschenunwürdige Praxis auf den vor Anker liegenden Schiffen, derer die Emigranten nach einer ohnehin schon strapaziösen Fahrt nun ausgesetzt waren: "When at last after the long and difficult voyage the ships finally approach land, [...] everyone crawls from below the deck, [...] people cry for joy, pray, and sing praises and thank to God. The glimpse of land revives the passengers, especially those who are halfdead of illness. Their spirits, however weak they had become, leap up, triumph, and rejoice within them. Such people are now willing to bear all ills patiently, if only they can disembark soon and step on land. But, alas, alas!7

Von Bord gehen dürfen vorerst nur diejenigen, welche genug Geld bei sich haben, um die Reise sofort zu bezahlen. Alle anderen verbleiben so lange auf dem Schiff, bis sich ein Käufer, also jemand der die Fahrt bezahlt und den gekauften Auswanderer dann in Dienst stellt, findet. Bevorzugt werden dabei die Gesunden und Starken, so daß Alte und Kranke oft noch Wochen ausharren müssen und Todesfälle nicht ausbleiben. Für diese Todesfälle (und für die während der Überfahrt) müssen die an Bord befindlichen Verwandten finanziell oder mit ihrer eigenen Arbeitskraft aufkommen. Des weiteren kam es dazu, daß Familien auseinandergerissen und verschiedenen Käufern zugeteilt wurden. Kinder im geeigneten Alter wurden der Bezahlung wegen sogar verkauft. Diese blieben dann grundsätzlich bis zum Alter von 21 Jahren bei ihrem Käufer.8

2.5 Gesetze für die Beförderung per Schiff

Ab den 1830er Jahren begann man zaghaft, Regeln für Unterkunft und Versorgung der Auswanderer aufzustellen. Beide Seiten, sowohl die Vereinigten Staaten als auch die europäischen Länder, die einen Amerika-Hafen besaßen, erließen Gesetze. Diese Auswanderergesetze, im Englischen als Passenger Acts bezeichnet, wurden erlassen, um den Emigranten eine menschenwürdige Überfahrt zu ermöglichen. So wurde zum Beispiel erlassen, daß die Schiffe ausreichend Nahrung, auch für verlängerte Überfahrten, zur Verfügung zu stellen hatten. Mindestrationen an Hafer, Reis, Kartoffeln, Zucker, Tee, etc. wurden vorgeschrieben und Köche für die Passagiere eingestellt. Die Anzahl der Rettungsboote wurde festgelegt, die Schlafkojen hatten bestimmte Mindestmaße zu erfüllen und (Wasser)Toiletten mußten in ausreichender Zahl installiert werden. Ab einer Mindestzahl an Passagieren wurde ein Arzt pro Schiff verlangt und der Kapitän, dem es bisher oblag, in schweren gesundheitlichen Fällen Hilfe zu leisten, entlastet. Passagierlisten wurden aufgestellt, um Überfüllung zu vermeiden und in den Auswandererhäfen wurden spezielle Offiziere (engl. Emigration Officers) dazu eingesetzt, die Schiffe auf die geforderten Maßnahmen und natürlich auf Seetüchtigkeit zu überprüfen und im Falle von Verstößen Strafgelder zu kassieren. Waren zu viele Schiffe im Hafen und zu wenige Offiziere vor Ort, fielen die Kontrollen entsprechend oberflächlich aus.

Auch den Auswanderungsagenturen und deren Helfershelfern wurde Einhalt geboten. So mußten die Agenturen Lizenzen besitzen und deren Zubringer, die Litzer, hatten nachzuweisen, für welche Agentur sie arbeiteten oder daß sie überhaupt für eine Agentur arbeiteten und nicht ausschließlich kriminell tätig waren.

Die Vereinigten Staaten erließen ebenfalls Passagiergesetze. Eines aus dem Jahre 1855 beinhaltete neben den eben schon erwähnten Maßnahmen, daß ein Schiffsbesitzer für jeden Todesfall auf seinem Schiff zehn Dollar entrichten mußte.

Auszüge im Originalwortlaut eines 1898, also erst während der Zeit der Dampfschiffe in Deutschland in Kraft getretenen Gesetzes zeigt der folgende Text. Besonders in Paragraph 13 wird deutlich, wie intensiv und genau man sich mit den Problemen auseinandersetzte:9

Vorschriften über Auswandererschiffe

[...]

§ 13. Schlafkojen.

Die Schlafkojen müssen in genügender Anzahl vorhanden und mit Matratze, Kopfpfühl und Schlafdecke für jeden Auswanderer versehen sein. Diese Gegenstände sind nach jeder Reise gründlich zu reinigen und zu desinfizieren. Die einzelnen Kojen müssen durch niedrige Zwischenwände von einander getrennt sein; jede Koje muß mindestens 1,83 Meter lang und 0,60 Meter breit sein, doch können Doppelkojen von der doppelten Breite ohne Scheidewand angelegt werden. Mehr als zwei Kojen dürfen nicht übereinander angebracht werden. Der Abstand der unteren Kojen vom Fußboden muß mindestens 0,15 Meter, der Abstand der oberen von der Decke des Raumes mindesten 0,75 Meter betragen.[...]

§ 16. Frauenabtheilung.

Weibliche Auswanderer, welche ohne Begleitung von Ehemännern oder Eltern reisen, sind in einer von den übrigen Plätzen abgesonderten Abtheilung (§ 9 Absatz 2) unterzubringen. Die Frauenabtheilung ist mit einer verschließbaren Thür zu versehen und soweit entfernt von der Männerabtheilung anzubringen, als der mit Auswanderern besetzte Raum des Schiffes dies irgend gestattet.

§ 17. Männerabtheilung.

Die über vierzehn Jahre alten männlichen Auswanderer, welche nicht mit ihrer Ehefrau reisen, sind ebenfalls in einer besonderen, mit einer verschließbaren Thür zu versehenden Abtheilung unterzubringen.

§ 20. Abtritte.

Abtritte müssen in solcher Zahl vorhanden sein, daß für je fünfzig männlich und für je fünfzig weibliche Auswanderer mindestens einer zu deren ausschließlichem Gebrauche dient. Die für die männlichen und weiblichen Auswanderer bestimmten Abtritte müssen, wenn thunlich, auf verschiedenen Seiten des Schiffes gelegen sein. Von den Aufenthaltsräumen der Auswanderer müssen die Abtritte durch einen dichten Verschlag oder sonst in irgend einer weise abgeschlossen sein.

§ 24. Beköstigung.

Die Beköstigung darf nicht den Auswanderern überlassen bleiben. Denselben sind in mindestens drei täglichen regelmäßigen Mahlzeiten die Speisen gehörig zubereitet, in angemessener Abwechslung und in dem aus dem Verhältnisse zu dem vorschriftsmäßig mitzunehmenden Proviante sich ergebenden Mengen zu verabreichen; auch ist die vorgeschriebene Menge Trinkwasser sowie das zum Essen und Trinken nötige Geschirr zu liefern.

[...]

3. Die Einwanderung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts

Vorbemerkung

Aufgrund der mir zur Verfügung gestandenen Quellen wird sich Kapitel 3 im Wesentlichen mit der deutschen Entwicklung der Auswanderung beschäftigen. Dies ist meiner Ansicht nach nicht ungünstig, da in Deutschland schließlich die beiden größten Schiffahrtsgesellschaften der Welt beheimatet waren und Deutschland somit zum wichtigen Ausgangspunkt der europäischen Auswanderung wurde.

3.1 Die Dampfschiffahrt etabliert sich

Die erste Überquerung des Atlantischen Ozeans mit einem Dampfschiff war die Fahrt der Savannah vom gleichnamigen amerikanischen Hafen nach Liverpool im Jahre 1819. Obwohl das Schiff nur vier von den insgesamt 21 Reisetagen unter Dampf lief und den Rest mit seinen Segeln bewältigte, markierte diese Fahrt den Beginn der Dampfschiffahrt auf hoher See. 1840 wurde der erste überseeische Dampferliniendienst Cunard eröffnet, der zwischen Liverpool, Halifax und Boston verkehrte. Für die Masse der Auswanderer standen die Dampfschiffe anfangs jedoch nicht zur Verfügung, den die neue Technik war nur vereinzelt anzutreffen und dazu so teuer, daß nur 1.Klasse-Kabinen für Passagiere vorgesehen waren. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Reedereien hinzu und das Geschäft belebte sich und die Preise begannen zu sinken. Die britische Allan-Line bot auf ihrem Dampfschiff Canadian 1854 die ersten Zwischendecks für die Unterbringung von Auswanderern an.10 Während in Europa zahlreiche Dampferlinien eingerichtet wurden, regte sich in Deutschland lange Zeit nichts. Dies hatte hauptsächlich mit der politischen Zersplitterung in Deutschland zu tun, welche die bedeutendsten deutschen Seehäfen - gelegen in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen - durch Zollgrenzen von den übrigen Staaten trennte. Das Kapital für die Gründung einer Linie war in diesen Städten begrenzt und von außerhalb schwer einzuführen. Zudem gab es, wie etwa in Frankreich oder England, keine finanzielle staatliche Unterstützung. Die deutschen Häfen wurden deshalb anfangs von ausländischen Linien mit bedient. Deutsche Auswanderer reisten in den 1840er Jahren nicht einmal hauptsächlich aus deutschen Häfen ab, sondern durch indirekte Auswanderung über LeHavre, Antwerpen und

London, was zum einen auf dortige staatliche Förderung der Transportmittel zu den Häfen, auf die schon etablierte gute Organisation der Auswanderungsagenturen in Europa und deren bevorzugte Transportwege und nicht zuletzt auf die resultierende kürzere Seestrecke zurückzuführen ist.11

Die folgende Karte gibt einen Überblick über die wichtigsten Aus- und Einwandererhäfen und die Seerouten der Schiffe.

Seehäfen und Seerouten der Auswanderer, Quelle23

3.2 Die Rolle deutscher Häfen bei der Auswanderung, Hamburg und Bremen

Im Jahre 1836 begann in Hamburg die erste transatlantische Reederei ihren Dienst. Die Firma Rob. M. Sloman eröffnete damit die erste regelmäßige Segelverbindung zwischen Hamburg und New York. Vorher und bis in die 1850er Jahre hinein wurden die deutschen Häfen nur unregelmäßig und hauptsächlich von ausländischen - dabei vor allem von amerikanischen - Schiffen und Schiffahrtslinien betreut. Wie in Kapitel 2 schon erwähnt, kam durch solcherart unregelmäßigen Verkehr nur wenig direkte Auswanderung nach Amerika zustande.12

Beispielhaft dafür ist die folgende Aufteilung von 70.735 deutschen Auswanderern auf europäische Abfahrtshäfen, die 1847 in New York ankamen und registriert wurden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle11

Weitere Neugründungen von Schiffahrtsgesellschaften sorgten dafür, daß die Kapazitäten stiegen und sich die Anzahl der Auswanderer in Hamburg und Bremen bald ändern sollte. Die beiden wichtigsten Gesellschaften waren die 1847 in Hamburg gegründete Hamburg- Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) und der 1857 in Bremen gegründete Norddeutsche Lloyd (NDL). Bereits 1854, dem Jahr der ersten großen Einwandererwelle in Amerika, beförderte die Hapag 8.610 und Rob. M. Sloman 8.571 Passagiere von Hamburg nach New York. Das sind zusammen 17.181 Passagiere und damit etwa dreieinhalb mal so viele wie noch sieben Jahre zuvor. (Zu berücksichtigen ist natürlich, daß der Auswandererstrom stieg, aber auch, daß Hapag und Sloman nicht die einzigen waren, welche die Route Hamburg-Amerika befuhren. Tatsächlich ist der Prozentanteil Hamburgs an deutschen Auswanderungen bis 1854 nur unwesentlich gestiegen.)

Die Gründung der ersten Schiffahrtsgesellschaften in Deutschland - beispielsweise die der Hapag - hatte zwei Hauptursachen. Zum einen stieg mit der Industrialisierung im 19.Jh. der Welthandel stark an. Traditionelle Bremer und Hamburger Handelshäuser, die Handel und Seetransport der Waren mit eigenen Schiffen unter einem Dach organisierten, begannen damit, sich nur noch auf den Handel zu konzentrieren. Die Seefahrt wurde somit nach und nach von den in Gründung befindlichen Reedereien übernommen. Zum anderen war der Transport von Auswanderern nach Amerika ein erträgliches Geschäft, welches so rentabel war, daß die Rückfahrt nach Deutschland, die sogenannte Ostfahrt, auch ohne Ladung oder Passagiere hätte vorgenommen werden können, um mit dem Schiff noch einen Gewinn für den Reeder zu erzielen.13

Zwischen den zwei großen Auswandererhäfen in Deutschland - Hamburg und Bremen - gab es während des 19.Jh. einen Unterschied in der Weise, wie die Passagiere nach Amerika befördert wurden. Dabei handelt es sich um die auch schon oben angesprochene indirekte Auswanderung. In Bremen war diese nur marginal vorhanden, was auf die seit den 1820er Jahren bestehenden guten wirtschaftlichen Verbindungen zu Nordamerika zurückzuführen ist. Damit bestand direkter Kontakt zwischen den Häfen, den sich die Emigranten zunutze machen konnten. Hamburg hingegen war traditionell sehr stark mit England als wichtigstem überseeischen Handelspartner verbunden, von wo aus schon seit Kolonialzeiten ein geregelter Schiffsverkehr nach Amerika bestand. Direkter Betrieb von Hamburg nach Amerika war also nicht unbedingt nötig, besonders was den Passagiertransport angeht. Zudem war die gefürchtete lange Seefahrt über den Ozean von England aus kürzer. In Hamburg etablierte sich damit die indirekte Emigration, die den späteren, neu gegründeten transatlantischen Linien das Geschäft schwer machte.

Die indirekte Auswanderung war für den einzelnen Auswanderer billiger, da die Ozeanüberquerung von England aus kürzer war und der Transport von Hamburg nach England nicht den Auswandererbestimmungen der Stadt unterlag und daher qualitativ schlecht, teilweise sogar gefährlich war. Unterbringung, Verpflegung und Hygiene entsprachen nicht den Normen, welche die direkten Linien zu erfüllen hatten, denn die Schiffe waren meist nur für den Warentransport (von England nach Hamburg) hergerichtet und wurden zudem noch stark überladen. Hamburgische Reeder sorgten schließlich 1855 dafür, daß auch die indirekte Beförderung den Gesetzen unterstellt werden sollte.14

3.3 Die Konkurrenz zwischen den Reedereien

Zwischen den entstehenden Reedereien entbrannte starker Konkurrenzkampf. Das galt gleichermaßen für Reedereien, die in ein und demselben Hafen operierten und für die, die unterschiedliche Heimathäfen hatten. Der Wettbewerb ging sogar soweit, daß die Hafenstädte selbst, namentlich Hamburg und Bremen, untereinander um die Auswanderer konkurrierten - eine Folge der indirekten Emigration und deren schlechte Bedingungen, die den Ruf einer Hafenstadt mit prägten. Der harte Kampf um Passagiere und Marktanteile soll am Beispiel der Gesellschaften Sloman und Hapag kurz deutlich gemacht werden:

Die Hapag, die bis 1854 nur mit Segelschiffen fuhr, mußte sich auf den bereits mit einem Dampfschiff arbeitenden Robert Miles Sloman einstellen, um die eigene Existenz nicht zu gefährden. Auf der Aktionärsversammlung am 10. Januar stimmten die Teilhaber dem Kauf eines Dampfers zu, der bei einer englischen Werft gebaut werden sollte. Sloman versuchte kurz zuvor, alle möglichen Geldgeber an sich zu reißen, mit der Versicherung, daß er bereits den zweiten Dampfer in Auftrag gegeben hatte. Die Zustimmung der Hapag-Aktionäre vereitelte ihm jedoch sein Vorhaben, da er erkannte, daß bei dem derzeitigen Auswandererstrom nur Platz für eine einzige Gesellschaft in Hamburg ist. Er stieg aus dem Dampfergeschäft aus und verkaufte das in Auftrag gegebenen Schiff noch vor dem Stapellauf an die britische Regierung. Sein erstes Dampfschiff, die Helena-Sloman, mußte auf ihrer dritten Reise wegen schweren Sturmschäden kurz vor Neufundland aufgegeben werden. Sloman war damit aus dem Rennen und überließ das Amerikageschäft der Hapag.15 Im Kampf gegeneinander leistete man sich aber auch Unterstützung, zumindest um das eigene Geschäft am Laufen zu halten. Beispielhaft dafür sind die Preisabsprachen der Schiffahrtsgesellschaften untereinander und gegenseitige Einigung bei den Abfahrtsterminen. 1892 wurde der "Nordatlantische Dampfer-Linien-Verband" gegründet, ein Konglomerat zwischen Hapag, Norddeutschem Lloyd, der Holland-Amerika Linie und der Red Star Line (beide niederländisch). Untereinander wurden dabei die Preise für die Überfahrt für alle Beteiligten auf ein gemeinsames Niveau festgelegt. Weiterhin durfte jede Linie nur den ihr zugewiesenen Anteil an Passagieren transportieren. Wuchs oder sank dieser Anteil bei einer Linie, so wurden die Fahrtpreise regelmäßig bei allen Linien so angeglichen, daß jede Gesellschaft trotzdem noch die gleichen Einkünfte hatte. Neben dem "Nordatlantischen Dampfer-Linien-Verband" bestanden eine Reihe anderer Vereinigungen. Viele lösten sich wieder auf, neue kamen hinzu. Streitereien innerhalb der Verbände blieben ebenfalls nicht aus, da das Geschäft nicht statisch war und entweder technische Neuerungen hinzukamen oder die Expansionen der einzelnen Linien auf andere Häfen voranschritt.16

3.4 Vorteile für Emigranten durch die großen Reedereien

Da Konkurrenz das Geschäft belebt und die Preise so tief wie möglich hält, konnten die Auswanderer von dem Kampf der Schiffahrtsgesellschaften untereinander nur profitieren. Nicht nur, daß Preise unterboten wurden, um die Auswanderer anzulocken, sondern auch der Komfort auf den Schiffen, letztlich die Attraktivität der Seereise mußte erhöht werden. Die Preisabsprachen wirkten sich ebenfalls nicht unbedingt negativ für die Kundschaft aus. Die Auswanderer konnten mit festen Preisen rechnen, die sich nicht kurzfristig änderten, und sie konnten dadurch etwaigen falschen Versprechungen oder Übervorteilungen durch unseriöse Makler sicheren Gewissens aus dem Wege gehen.

Außer der eigentlichen Überquerung des Nordatlantik boten die Schiffahrtsgesellschaften weitere Leistungen an, welche die Auswanderung für die Emigranten erleichterten. Die Aufgaben der Auswanderungsagenturen wurden vollständig von den Reedereien übernommen, so daß auch die Runners in den europäischen Häfen überflüssig wurden und die Seriosität des Auswanderungsvorgangs zunahm. Die Reedereien machten nun für sich selber Werbung, entweder in Auswandererzeitungen oder auf Plakaten und sorgten in vielen Fällen auch für die Unterbringung und Beköstigung der Auswanderer vor Reiseantritt, d.h. während der Zeit, in der die in Massen auf die Hafenstadt zuströmenden Auswanderer mehrere Tage auf die Abfahrt des Schiffes warteten. Außerhalb von Hamburg errichtete die Hapag in den 1890er Jahren sogenannte Auswandererhallen, in denen die Auswanderer wegen der mittlerweile regelmäßig überfüllten Herbergen der Stadt untergebracht wurden.17

Ein weiteres Beispiel zeigt die Vorteile der Auswanderung für Staat, Auswanderer und Reedereien und es zeigt, welch hohen Einfluß die beiden großen deutschen Schiffahrtsgesellschaften auf die Politik hatten: Auf Grund einer Cholera-Epidemie in Hamburg, die 1892 durch russische Auswanderer ausgelöst wurde, machte Preußen die Grenzen für russische Emigranten dicht. Da diese aber nicht unbedeutend zum Gewinn der Schiffahrtsgesellschaften beitrugen, setzten Hapag und Norddeutscher Lloyd beim Staat durch, eigene Grenzstationen aufbauen zu dürfen, an denen die Auswanderer gesundheitlich kontrolliert und dann über Land direkt zum Hafen gebracht wurden. Die Gesellschaften behielten so ihre Einnahmequelle bei, die russischen Emigranten konnten wieder auswandern und der Staat verdiente an den Gebühren, die für diesen Transit von den Reedereien erhoben wurden.18

3.5 Die Überfahrt mit dem Dampfschiff

Die Überquerung des Nordatlantik mit einem Dampfschiff war für die Auswanderer wesentlich angenehmer als mit einem Segler. Die schnellere und dadurch kürzere Fahrt war dabei der größte Vorteil, den man der modernen Technik verdanken konnte. 1858 dauerte eine Überfahrt von Hamburg nach New York mit Hapag-Dampfern zwischen 13 und 19 Tagen. Im Vergleich zu den Segelschiffen mit etwa 35 bis 42 Tagen (bei günstigem Wetter), war dies ein enormer Vorteil. Man war relativ wetterunabhängig, was die Gefahr einer Verzögerung der Reise stark eindämmte, man sparte Proviant und vermied größere gesundheitliche Beeinträchtigungen der Passagiere. Von Havarien und Katastrophen durch die neue und störungsanfällige Technik in den Anfangsjahren der Dampfschiffahrt soll hier einmal abgesehen werden, zumal bei einem Totalausfall der Dampfmaschine die Segel, mit denen die Schiffe immer noch ausgestattet waren, gesetzt werden konnten.

Auf den Schiffen setzte sich eine Einteilung der Passagiere in erste Klasse, zweite Klasse und Zwischendeck durch. Das Beispiel der Weser, ein Dampfer den der Norddeutsche Lloyd 1858 in Dienst stellte, zeigt, daß die Anzahl der Zwischendeckpassagiere in der Regel deutlich überwog: 1.Klasse: 70 Passagiere, 2.Klasse: 100 Passagiere, Zwischendeck: 450 Passagiere.

Beispiel der Passagierverteilung auf Dampfschiffen, Quelle24 Viele Schiffe besaßen auch nur Kapazitäten für Ladung und Zwischendeck, da Passagiere der ersten und zweiten Klasse seltener und in späteren Jahren meist Touristen waren und nicht die Haupteinnahmequellen der Reedereien bedeuteten. Profite brachten eindeutig die Auswanderer im Zwischendeck und die beförderte Ladung, zum Beispiel Postfracht.19

Während die Kajütspassagiere (1. Und 2. Klasse) mit 2- bis 4-Mann-Kabienen Vorlieb nehmen durften und Speise- und Aufenthaltssalons zur Auswahl hatten, standen für die Zwischendeckpassagiere eines oder mehrere Decks (von den anderen Räumlichkeiten getrennt) zur Verfügung. Sie waren meist Schlaf-, Speise-, und Aufenthaltssaal in einem. Der Gesetzestext, der schon in Kapitel 2.5 (Seite 7) angeführt wurde, zeigt Regelungen für Unterbringung und Verpflegung der Zwischendeckpassagiere. Wichtig war vor allen Dingen das Vorhandensein von Wassertoiletten und Waschgelegenheiten, die Trennung von Männern und Frauen, korrekte Belüftung und Verpflegung. Letztere, einschließlich Geschirr und Bettwäsche, wurde nun vom Schiff bereitgestellt, so daß sich die Auswanderer nicht mehr darum kümmern mußten. Die folgende Tabelle listet beispielhaft einige Dampfschiffe aus dem Nordatlantikdienst zwischen 1859 und 1890 auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle20

In der Tabelle erkennt man, daß die Schiffe mit fortschreitender Zeit immer größer und leistungsfähiger werden. Wenn Passagierangaben fehlen, so deutet das darauf hin, daß außerdem Fracht transportiert wurde. Die hohen Zahlen der Zwischendeckpassagiere bekräftigen noch einmal, daß die Reedereien in der Hauptsache vom Auswanderergeschäft lebten. Eine weitere Tabelle stellt die Preisverhältnisse auf der Route Deutschland New York dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle21

Im Vergleich mit der vorhergehenden Tabelle kann man erkennen, daß das Geschäft mit der Auswanderung erst über die Jahre und mit steigender Auswandererzahl ins Laufen kam und damit auch die Schiffe angepaßt wurden: Betrachtet man die Schiffe der 1850er und 60er Jahre und vergleicht die Anzahl der Passagiere in den einzelnen Kajütsklassen mit den Preisen, so stellt man fest, daß bei voller Besetzung der Gewinnanteil bei allen drei Klassen etwa gleich ist und dies sich erst im Laufe der Zeit zu Gunsten des Zwischendecks hin entwickelt.

4. Zusammenfassung

Am Ende dieser Arbeit läßt sich der Schluß ziehen, daß die europäische Auswanderung eng im Zusammenhang mit der Entwicklung der Technik, d.h. in diesem Falle mit der steigenden Leistung der Überseeschiffahrt, zu sehen ist. Diese Leistung ist ihrerseits mit den Bemühungen der zahlen- und größenmäßig wachsenden Schiffahrtsunternehmen verbunden, die im Konkurrenzkampf untereinander alles taten, um ihre Marktstellung zu erhalten und auszubauen. Genauso wie die Auswandereragenturen vor und zu Beginn des 19.Jh. versuchten, so viele Auwanderer wie möglich zu werben, nahmen es die Reedereien ab der Mitte des 19.Jh. selbst in die Hand, Emigranten zu werben, sie zum Hafen und von dort nach Amerika zu befördern. Dabei erhöhte sich der Komfort der Reise mit der Zeit erheblich, wozu ebenfalls die verbesserte Technik, die vor allen Dingen eine verkürzte Überfahrt ermöglichte, beitrug. Die Reisebedingungen wurden weiterhin durch den harten Wettbewerb, bei dem Attraktivität und Komfort der eigenen Schiffe eine Rolle spielte, und nicht zuletzt durch Bestimmungen und Auswanderergesetze verbessert.

5. Anhang

5.1 Literaturverzeichnis

Bailyn, Bernard: Voyagers to the West: A Passage in the Peopling of America on the Eve of the Revolution. New York: First Vintage Books Edition, 1988

Just, Michael / Bretting, Agnes / Bickelmann, Hartmut: Auswanderung und Schiffahrtsinteressen, Little Germanies in New York, Deutschamerikanische Gesellschaften. Stuttgart: Franz Steiner, 1992

Kludas, Arnold: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band I bis IV, Augsburg: Weltbild, 1994

Mittelberger, Gottlieb: Journey to Pennsylvania. edited & translated by Oscar Handlin and John Clive. Cambridge, Mass.: The Belknap Press of Harvard University Press, 1960

Taylor, Philip: The Distant Magnet: European Emigration to the USA. New York: Harper & Row, 1972

[...]


1 Taylor: The Distant Magnet, S.107-144

2 Bailyn: Voyagers to the West, S.95

3 Ebd., S.103

4 Mittelberger: Journey to Pennsylvania, S.13f.

5 Just/Bretting/Bickelmann: Auswanderung und Schiffahrtsinteressen [...], S.110

6 Ebd., S.110; Mittelberger: Journey to Pennsylvania, S.16ff.

7 Mittelberger: Journey to Pennsylvania, S.16

8 Ebd., S.17-19

9 Gesetz und Ausführungsbestimmungen über das Auswandererwesen vom 9. Juni 1897 und 14. März 1898. Hamburg, aus: Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band II, S.174ff.

10 Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band I, S.10

11 Ebd., S.12

12 Ebd., S.13

13 Ebd., S.11; Just/Bretting/Bickelmann: Auswanderung und Schiffahrtsinteressen [...], S.14

14 Just/Bretting/Bickelmann: Auswanderung und Schiffahrtsinteressen [...], S.37f.

15 Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band I, S.19

16 Just/Bretting/Bickelmann: Auswanderung und Schiffahrtsinteressen [...], S.46-53

17 Ebd., S.35f.

18 Ebd., S.44

19 Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band I, S.28

20 Ebd., S.211f.

21 Ebd., S.218

22 Taylor: The Distant Magnet, S.103

23 Ebd., S.136

24 Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Band I, S.38f., S.132f

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Praxis der europäischen Auswanderung nach Amerika und die Bedingungen für die Emigranten während der Überfahrt
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Institut für Amerikanistik
Autor
Jahr
1998
Seiten
14
Katalognummer
V94685
ISBN (eBook)
9783638073653
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Praxis, Auswanderung, Amerika, Bedingungen, Emigranten, Institut, Amerikanistik
Arbeit zitieren
Jens Blaustein (Autor:in), 1998, Die Praxis der europäischen Auswanderung nach Amerika und die Bedingungen für die Emigranten während der Überfahrt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94685

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