Religiöse Rituale in der Klimabewegung. Eine Analyse ritueller Aspekte der "Fridays for Future" Bewegung


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Gliederung

1. Einleitung

2. Ritual
2.1 Ethnologische Ritualforschung: Ein Versuch
2.2 Religion nach Geertz
2.3 Rationalismus

3. Fridays for Future Klimabewegung
3.1 Ein Kurzprofil
3.2 Werte

4. Rituelle Aspekte in der FFF Bewegung
4.1 Handlungsorientierungen
4.2 Dualismus
4.3 Erste Reflexion

5. Exkurs: Greta Thunberg als moderne Prophetin
5.1 Prophetie
5.2 Greta Thunberg

6. Zusammenfassung und persönliche Reflexion

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Bedeutungszuwachs der Wissenschaft und der leichte Zugang zu Fakten bedingt die Schwierigkeit, sich einer Religiosität im klassischen Sinne bedingungslos hinzugeben. Vor allem in Europa sind Denkmuster heutzutage eher rational. Trotzdem sehnen sich Menschen nach Erklärungsmustern und Handlungsorientierungen für ihr Leben. Die Fridays for Future (im Weiteren FFF) Bewegung gibt Orientierungen vor, die Herausforderungen unserer zusehends an Komplexität und Informationsfülle gewinnende Welt bestmöglich, unter Einbezug moralischer Gesichtspunkte, zu meistern. Mit der jungen Aktivistin Greta Thunberg gibt es eine starke Führungspersönlichkeit, die sich argumentativ „über die Dinge“ stellt und somit dem modernen Bild einer Prophetin entsprechen könnte. Das Moderne an ihr ist, dass sie mit den Argumenten der (rationalen) Wissenschaft moralische Orientierungspunkte eröffnet.

In dieser Hausarbeit wird analysiert, ob der Argumentation der „Fridays for Future“ Bewegung religiöse Rituale und Denkmuster in moderner Abwandlung zugrunde liegen. Dies einer ethnologischen Betrachtung zu unterziehen ist interessant, da das Fortführen bestehender Denkmuster und deren Erneuerung viel über gesellschaftliche und kulturelle Prozesse aussagt. Für mich ist es zudem spannend, dass Menschen ihrer Meinung nach ebenso rationale Gründe haben religiöse Rituale durchzuführen, wie es die FFF Anhängerinnen proklamieren . Diese platonische Gemeinsamkeit lässt einen interessanten Vergleich zu.

Die angewandte Methode dieser Arbeit ist die Analyse eines modernen Phänomens anhand etablierter Denkmuster unserer Kultur. Zu Beginn wird der Begriff des „Rituals“ in ethnologischen Forschungen veranschaulicht. Ein Kurzporträt der FFF Bewegung soll anschließend ihr inhärenten rituellen Aspekte aufdecken.

Die vorliegenden Überlegungen entstanden auf Grundlage eines Essays des Ethnologen Karl-Heinz Kohl mit dem Titel: „Religiöse Deutungsmuster und Rituale in der Klimabewegung“.

2. Ritual

Mein persönliches Ritual findet statt, wenn ich frisch entwickelte Fotos geduldig wartend an einem ausgewähltem Ort ansehe. Der Akt des Ansehens wird zu einer bewussten Unterbrechung meines Alltags und damit: zu etwas Besonderem. Rituale bestimmen allerdings auch den Rhythmus des Miteinanders. Sie geben Einblick in kulturelle Gepflogenheiten und Wertesysteme; sie zeugen vom „sozialen Klebstoff“ einer Gesellschaft. Rituale können so vieles bedeuten. Aber was bedeutet der Begriff in der Ethnologie?

2.1 Ethnologische Ritualforschung: Ein Versuch

Die religiöse Sphäre von Ritualen erschließt sich zunächst beim Betrachten der lateinischen Wortherkunft: ritus und ritualis. Dies bezieht sich auf die vorgeschriebene Ordnung eines zeremoniellen Ablaufs (Schmidt 2008: 127). Ein Ritus ist eine wiederkehrende Handlung, ein Brauch oder eine Sitte. Allerdings kann Ritual auch jedes standardisierte Handeln sein, wie Zähneputzen oder der Wein zum Abendessen.

„Wenn ich das Ritual definiere, versuche ich damit natürlich nicht zu sagen, was Ritual „wirklich“ ist, da es keine Wesenheit ist, die es zu entdecken gibt“ (Kertzer 1998: 372).

Ritualforschung hat unzählige Aspekte in der Ethnologie und es ist in dieser Arbeit nicht gegeben, diese aufzuzeigen. Vielmehr ist dies ein Versuch, rituelle Handlungen als Elemente gesellschaftlicher Entwicklungen zu begreifen. Allerdings gestaltet sich die Abgrenzung zwischen den Bedeutungen als schwammig und unübersichtlich.

Definitionen sind generell problematisch, da sie stets vom eigenen kulturellen Hintergrund geprägt sind und so den Blick auf das „Fremde“ beeinflussen. Eine objektive Beschreibung ist außerdem unmöglich - Aussagen sind immer auch „ Zuschreibungen, die Fremdvorstellungen in Abgrenzung zum Eigenen [...] schaffen“ (Heidemann 2011: 185). Daher soll dem Folgenden keine universelle Aussagekraft innewohnen, sondern eine spezifische Bestimmung des Begriffs im Untersuchungskontext vorschlagen.

Durkheim versteht Rituale als eine Art Mittelweg zwischen dem „Heiligen“ und dem „Profanen“. Sie schreiben nämlich vor, wie sich ein Mensch zu bestimmten Gegenständen (im weiteren Sinne) verhalten soll. Ein Gottesdienst beispielsweise ist also ein Ort, an dem bestimmte Werte gefeiert werden. Es geht hierbei nicht um den Glauben an sich, sondern um das gemeinsame Glauben. In der ethnologischen Forschung herrscht der etwaige-Konsens, dass die Inhalte von Ritualen austauschbar sind. Von Interesse ist, wie sie die Gesellschaft formen. Somit spiegelt sich in den Handlungen und Symbolen die gegenseitige Abhängigkeit und die Schwierigkeit des Umgangs mit der persönlichen Lebenswelt. Rituale sind also eine Art Hilfestellung, sich der Unbestimmtheit der Realität zu stellen. Sie verbinden Vergangenheit und Gegenwart, Gegenwart mit Zukunft (Kertzer 1998: 372f).

2.2 Religion nach Geertz

„Eine Religion ist (1) ein Symbolsystem, das darauf zielt, (2) starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen, (3) indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und (4) diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, dass (5) die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen“ (Geertz 1983: 48).

Religiosität hält Antworten auf die tiefsten Bedürfnisse des Menschen bereit. Sie verspricht Lösungen auf die großen Fragen des Lebens und gibt Handlungsorientierungen für den Alltag vor. Religiöse Rituale helfen, diese (fiktiven) Ideen in der Realität zu leben. Denn sie repräsentieren lebhaft alle Elemente dieses „Symbolsystems“. Gerade „gelebte Religion“ in Form von Ritualen findet häufig in Gruppen statt, was die Glaubhaftigkeit der Inhalte erhöht. Jeder Mensch verspürt das Verlangen, seinen gesicherten Platz in der Gesellschaft zu finden. Teil einer Gruppe zu sein hilft dabei, das Selbst zu erkennen. Dazu kommt, dass „übernatürliche“ Ereignisse oder erfahrenes Leid von den Wenigsten teilnahmslos hingenommen werden. Die Suche nach Verständlichkeit und die Bewusstwerdung der eigenen Handlungsmacht (beispielsweise im Gebet) wird in Religiosität vereint (Geertz 1983: 62).

2.3 Rationalismus

Diese Bedürfnisse haben sich heutzutage, nicht inhaltlich sondern vielmehr in ihrer Bewältigung, im europäischen Kulturraum rationalisiert. Laut dem historischen Wörterbuch der Philosophie wird als Rationalist jemand bezeichnet, „der dem reinen Denken größere Bedeutung für die Erkenntnis beimißt als der Erfahrung“ (Gawlick, Böhling 1992: Rationalismus). Der immense (digitale) Wissensschatz unserer Generation trägt dazu bei, klassische Erklärungen der Seinsordnung kritisch zu hinterfragen. Logisch nachvollziehbare, wissenschaftliche Erklärungen für Geschehnisse haben Vorrang vor erlebnisbasierten - die beiden Seiten schließen sich aber nicht automatisch aus. Es steht jedoch fest, dass vor allem die jetzigen Schüler*innen-Generation eher irdisch und säkular ausgerichtet ist und ihr Wissen jederzeit quasi auf „Knopfdruck“ aktualisieren kann. Damit heben sie sich deutlich von allen Generationen vor ihnen ab (Kohl 2020).

3. Fridays for Future

„Fridays for Future fordert die Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens und des 1,5 °C-Ziels“ (FFF Forderungen). So lautet die bescheidene Kernforderung der sich 2018 um die Schülerin Greta Thunberg gegründeten Bewegung: Fridays for Future. Das erklärte Ziel der Bewegung läuft letztendlich auf eine schlichte Forderung hinaus: die Einhaltung eines Vertrages. Es spiegelt das Misstrauen wider, welches politischen Entscheidungen seit jeher entgegengebracht wird. Denn alle Regierungen der Welt bekannten sich zu dem Ziel - die praktische Umsetzung lahmt jedoch (Sommer 2019: 2).

3.1 Eine Kurzbiographie

Den Beginn markiert die Einzelaktion jener Person, die seitdem kaum mehr aus dem Zeitgeschehen wegzudenken ist. Die Schwedin erregte durch ihren „Schulstreik für das Klima“ erste mediale Aufmerksamkeit, indem sie für drei Wochen den Unterricht verweigerte. Ihr Protest schien einen wunden Punkt zu treffen, da sich die Idee des Klimastreiks weltweit etabliert hat (Rucht, Sommer 2019).

Die politische Kampagne ist keineswegs „von oben“ instruiert. Im Gegenteil: jeden Freitag versammeln sich hauptsächlich junge Schüler*innen auf der Straße, um für eine lebenswerte und gerechte Zukunft zu demonstrieren. Die Zahl der Teilnehmerinnen stieg weltweit in kürzester Zeit rasant an. In Deutschland fanden die ersten Proteste im Dezember 2018 statt, bereits im Januar des Folgejahres waren 25.000 Menschen involviert. Im März demonstrierten weltweit 1.789.235 Personen (laut FFF) für die Umsetzung der Ziele. Greta Thunberg und andere Vertreterinnen der Bewegung sprechen mittlerweile auf internationalen Konferenzen und stoßen auf breite gesellschaftliche Anerkennung und Sympathie. Dieser immense Erfolg einer von Minderjährigen gegründeten und organisierten Gruppe stieß unweigerlich auf Erstaunen (Rucht, Sommer 2019).

Verschiedene Akteure des öffentlichen Lebens wie Journalistinnen und Politikerinnen schlagen diverse Erklärungsmodelle für den überdurchschnittlichen Erfolg vor: Da ist zum einen der Anreiz für Schulschwänzerinnen, ihr Fehlen als eine politische Notwendigkeit zu schönen. Auch die Sozialen Medien und die geschickt genutzten digitalen Möglichkeiten der Kommunikation sollen maßgeblichen Einfluss auf die Mobilisierungseffekte gehabt haben. Außerdem fänden schlichte Forderungen leichteren Zugang zu Jugendlichen, die die Komplexität der Politik zu bewältigen suchen. Die interessante Hypothese der Greta Thunberg als ein Rollenmodell wird in einem nachfolgendem Exkurs näher beleuchtet (Rucht, Sommer in Internationale Politik 2019).

3.2 Werte

FFF sind sowohl mit ihren Forderungen als auch mit ihrer Organisationsform „im Trend“. Die Bewegung gilt als unabhängig und basisdemokratisch. Ihre Mitglieder sind zu großen Teilen weiblich. Sie erreichen vor allem junges Publikum (Rucht, Sommer in IDP: 2019) und scheinen den Zeitgeist weit effektiver erfasst zu haben als der herkömmliche Politikbetrieb. Wie bereits beschrieben, haben sich die Denkmuster dieser Generation rationalisiert. FFF bietet Werte an, die aktuelles Gedankengut berücksichtigen. Zentral ist das Bewusstsein, gerade wegen der eigenen privilegierten Stellung, in der Welt Verantwortung zu übernehmen. Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit sind Sinnbilder einer lebenswerten Zukunft (von Werden, Kater-Wettstädt, Schneidewind: 2019). Die Zukunftsorientierung steht im Fokus und bildet die Grundlage der angestrebten gesellschaftlichen Transformation. Dazu grenzen sich die Mitglieder klar von materialistischen, kapitalistischen und egoistischen Lebensweisen ab. Flugreisen, tierische Ernährung, fossile Energiegewinnung und sogar Fortpflanzung gelten als Antagonisten verantwortungsvollen Handelns (Kohl 2020). Anhand wissenschaftlicher Fakten werden moralische Werte statuiert. Mit Bannsprüchen wie „HOW DARE YOU?“ Oder „change is coming, whether you like it or not!“ (FFF: Material) verdeutlichen die Klimaaktivist*innen, dass ihr Streben alternativlos ist.

4. Rituelle Aspekte in der FFF Bewegung

Religion und Politik sind nicht nur in religiös-fundamentalistischen Politiksystemen miteinander verflochten, sondern auch in der gesellschaftlichen Praxis kaum trennbar. Diese Gemeinsamkeit findet ihren Ausdruck in ähnlichen rituellen Handlungen (Heidemann 2011: 193f). Die FFF Bewegung begründet ihre Moralvorstellungen auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung. Auch wenn sich religiöse Denksysteme ideologisch von denen der Bewegung unterscheiden, so findet man doch rituelle Aspekte in ihnen. Beispielsweise knüpft die Wahl des Freitages als Protesttag an religiöse Traditionen aus dem Judentum oder Islam an (Kohl 2020). Die Selbstdarstellung als „Stimme der Vernunft“ erinnert an den religiösen Hochmut, die einzige Wahrheit zu kennen (v. Wehrden, Kater-Wettstädt, Schneidewind 2019). Im Folgenden werden zwei rituelle Aspekte in der Klimabewegung untersucht.

4.1 Handlungsorientierungen

Rituale geben, wie bereits angeführt, Orientierungen um eigene Erfahrungen in Einklang mit der komplexen Außenwelt zu bringen. Kertzer beschreibt in seiner Monographie Rituals, Politics and Power, dass Symbole maßgeblich das politische und soziale Leben beeinflussen. Gesellschaften stiften Identität auf Grundlage vermittelter Werte, die wiederum Ausdruck in Ritualen finden (Kertzer 1988: 10ff). Das ist auch auf die Klimabewegung übertragbar. Praktisch gesehen ist das Demonstrieren ein regelmäßig wiederholter Akt, der die gemeinsame Weltanschauung kollektiv bestätigt. Dieses Ritual ist dem Schulbesuch vorrangig, obwohl auch Bildung (für alle) einer der Werte der Bewegung zu sein scheint. Die Regelmäßigkeit dieses Rituals erinnert an das Durchführen von Gebeten im religiösen Kontext.

Vegetarismus ist aus multiplen Gründen (z.B. Tierschutz und Nachhaltigkeit) ein anerkanntes modernes Lebenskonzept. Karl-Heinz Kohl vergleicht die Speisevorschriften in religiösen Gemeinschaften (beispielsweise bei den Jainas oder im Judentum) mit dem Konsumverhalten der Bewegung. Er hebt hervor, dass Zugehörigkeiten zu Gruppen sich vor allem dadurch ausdrücken, was man (nicht) isst. Vegetarismus und Veganismus seien „soziale Marker“ (Kohl 2020).

Übermäßiger Konsum von Lebensmitteln, Kleidung und anderen Produkten ist ein Artefakt aus jener Zeit, in der man sich ihn (noch) nicht leisten konnte und er ein Symbol des Wohlstands war. In der Folge der Globalisierung hat sich die Selbstverständlichkeit eingeschlichen, zu jedem Produkt, jederzeit und unbegrenzt Zugang zu haben. Laut einer Studie der University of Arizona nutzt die Reduzierung des Konsums aber nicht nur der Umwelt, sondern macht uns selbst glücklicher (Podbregar 2019). Darauf zu verzichten fällt jedoch vielen (gewohnheitsmäßig handelnden) Menschen schwer und gleicht einer asketischen Handlung. Auch hier lässt sich ein religiöser Bezug erkennen. Die Reinigung des Körpers, in Form eines Fastens, ist gelebte religiöse Enthaltsamkeit. Klimaaktivist*innen kaufen ihrerseits bewusst regional und nachhaltig ein (Kohl 2020).

Dem Entsagen des luxuriösen Lebens und dem gleichzeitigen Engagement für eine nachhaltigere Welt in Form von Spenden oder Demonstrieren, wohnt eine Bewältigungsstrategie der bisherigen Versäumnisse inne. Kohl liest diese Absolution des Gewissens als historisches Produkt des Ablasshandels der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert. Wer die ausreichenden finanziellen Mittel besaß, konnte sich damals seiner sündhaften Vergangenheit entledigen (Kohl 2020).

Die dargelegten Bezüge zwischen den Handlungsorientierungen der Klimabewegung und religiösen Traditionen verdeutlichen, dass die Bedürfnisse der Menschen sich nicht grundlegend verändert haben. FFF bietet eine moderne Art und Weise der Bewältigung von Problemen der aktuellen Weltpolitik. Unter Zuhilfenahme ritualisierter Handlungen können sich Menschen an den Empfehlungen entlang hangeln und moralischen Einklang mit dem eigenen Gewissen erlangen. Doch sind die Argumente wirklich so unbedenklich und vernünftig, wie sie scheinen? Die Betrachtung der verwendeten argumentativen Methodik lässt daran zumindest einige Zweifel.

4.2 Dualismus

Laut dem Religionsethnologen Karl-Heinz Kohl bauen rituelle Handlungen in aller Regel „auf binären Grundoppositionen auf, mit deren Hilfe sich komplementäre Gegensatzpaare und dynamische Widerspruchsmodelle konstruieren lassen, deren einzelne Teile sich dialektisch aufeinander beziehen (Kohl 2020). Damit beruft er sich auf Claude Lévi-Strauss, dem die Allgemeingültigkeit dieser Denkmuster auffiel (ebd.). Die eigene Weltanschauung ist also davon geprägt, inwiefern man sich von gegensätzlichen Überzeugungen abgrenzt. Die Bezugnahme auf diese Gegensätzlichkeit stiftet eine gewisse (Gruppen-)Identität. Dazu gehört auch ein Überspitzen der gegenüberstehenden Seiten.

Die Aufteilung der Welt in Gut und Böse ist für alle großen Religionen, ausgenommen des Buddhismus und Taoismus obligatorisch. Beispielsweise verkörpern schon in der altpersischen Religion des Manichäismus verschiedene Opponenten den Dualismus. Ahriman (der Böse) kämpft gegen seinen Bruder Spenta Mainyu (der Gute). Wenn Ahriman besiegt ist, so heißt es, kehre Frieden ein und ein neues Zeitalter könne beginnen. Auch der Götterwelt des Hinduismus liegt dieses Prinzip zugrunde (Whyss 1997: 50). In der christlichen Tradition bezeichnete der „Sündenfall“ das Ereignis, der das „Böse“ in die Welt brachte.

Dieser skizzenhafte Überblick soll helfen, die über Jahrtausende gewachsenen und sich im unauflösbaren Widerspruch befindlichen Personifizierungen von Gut und Böse zu verstehen. Ich vernachlässige dabei den Fakt, dass der Schöpfergott (in welcher Religion auch immer) beide Prinzipien in sich birgt.

Das Auftreten der FFF Bewegung lässt ähnliche Mechanismen erkennen. Die Rationalität der Argumente verleihen ihrer Weltanschauung allerdings einen irdischen Anstrich. Um das apokalyptische Szenario einer Klimakatastrophe abzuwenden, ist nachhaltiges Handeln erforderlich. Der zu bekämpfende Feind ist der Treibhausgas ausstoßende Mensch. Die Überbevölkerung der Welt gefährdet das Ideal einer globalen Gleichberechtigung (Kohl 2020). Die Klimabewegung gibt also Handlungsempfehlungen, die exemplarisch für eine „bessere“ Welt stünden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Religiöse Rituale in der Klimabewegung. Eine Analyse ritueller Aspekte der "Fridays for Future" Bewegung
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Religion & Ritual
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V946868
ISBN (eBook)
9783346283351
ISBN (Buch)
9783346283368
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klimabewegung Ritual Fridays for Future rituelle Aspekte Greta Thunberg
Arbeit zitieren
Cara Georgi (Autor:in), 2020, Religiöse Rituale in der Klimabewegung. Eine Analyse ritueller Aspekte der "Fridays for Future" Bewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/946868

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