Die Marktwirtschaft in der Geschichte
Das magische Viereck:
Die Komponenten dieses magischen Vierecks stellen die Idealziele der sozialen Marktwirtschaft dar, können jedoch in ihren Grundsätzen auch auf die meißten anderen Wirtschaftssysteme und -ordnungen angewandt werden. Dabei ist klar, daß nie alle vier Ziele vollends erreicht werden können, da die Vollendung eines Aspektes fast zwangsläufig Nachteile für einen oder mehrere andere nach sich zieht. So wird eine Wirtschaftsordnung, die sich auf Vollbeschäftigung konzentriert und diese auch erreicht, vermutlich das Wachstum einschränken. Seit den 1980er Jahren wird dieses magische Viereck von einigen Theoretikern um eine weitere Komponente, der Umwelt, zu einem Fünfeck ergänzt.
Die vier (fünf) Aspekte:
- Voll- oder möglichst umfassende Beschäftigung
- Geldwertstabilität
- Wachstum
- Außenhandelsgleichgewicht
- (Umwelt)
Liberalismus:
Die theoretischen Grundlagen des Liberalismus wurden vor allem von Adam Smith in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts gelegt. Seine Ideen waren vor allem von der Gedankenwelt der Aufklärung geprägt, die sich von den überkommenen Strukturen der Monarchie abwandte und das Individuum und das Naturrecht in den Mittelpunkt rückte. Dabei wurde von Adam Smith und seinen Gesinnungsgenossen (John Locke) vor allem das freie Spiel der Kräfte propagiert. Der Staat sollte sich nach Vorstellung Smiths möglichst ganz aus der Wirtschaft heraushalten und lediglich für die Sicherheit seiner Bürger und für gerechte Gesetze sorgen. Smith stellte dabei in seinem Werk ,,Vom Wohlstand der Nationen" die These auf, daß der Gesamtwirtschaft eines Staates und dessen Gesellschaft dann am besten gedient sei, wenn jeder einzelne seine Ziele für sich so festlegte, daß am Ende der größte Profit für ihn herauskommt. Auf diese Weise würde sich die Nachfrage der Bevölkerung am ehesten decken lassen, da die Produzenten ja gewillt sein müßten, eben diese Güter anzubieten, die benötigt werden und somit auch den höchsten Preis am Markt erzielten.
Dies also ist mit dem freien Spiel der Kräfte gemeint, nämlich, daß sich der Markt selbst reguliert. Somit würde der Bedarf eines regulierenden Eingreifens durch den Staat auf ein notwendiges Minimum begrenzt. Um diese liberalistische Wirtschaftsordnung erreichen zu können, müssen die folgenden Bedingungen gewährleistet sein:
- Individualprinzip
- Träger der Planung sind die einzelnen Wirtschaftssubjekte
- Preisbildung findet an den Märkten statt
- Privateigentum
- Entscheidungsgewalt über Investitionen und Außenhandel liegt bei den Wirtschaftssubjekten
- Die Produktion wird durch die Marktgegebenheiten gesteuert
- Konsumentensouveränität
- Vollendete Konkurrenz
Der Liberalismus erlebte seine Blüte ab dem Zeitalter der industriellen Revolution. Gerade die in Deutschland als Gründerzeit bezeichnete Epoche ist vom Liberalismus bestimmt. Der Staat hält sich aus der Wirtschaft heraus und profitiert von deren Blüte. Die erste Einbringung einer sozialen Komponente erfolgt unter Bismarck im Zuge seiner Doppelstrategie zur Bekämpfung der Sozialisten, die sich seit der Veröffentlichung des ,,Kommunistischen Manifestes" und des ,,Kapitals" von Marx immer stärker gegen die Verelendung des Proletariats einsetzten.
Bismarck erläßt neben seinen strengen Sozialistengesetzen verschiedene Sozialversicherungen, die der Arbeiterklasse das erste mal überhaupt ein Minimum sozialer Sicherheit bieten. Mit dem Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag an dessen Ende liegt die deutsche Wirtschaft zunächst danieder. Als man sich über die Zukunft des Deutschen Staatssystems und der Wirtschaftsordnung Gedanken macht, wird unter anderem die Planwirtschaft in Erwägung gezogen. Letzten Endes etabliert sich aber spätestens seit der Blütezeit in den ,,Goldenen Zwanzigern" wieder der Liberalismus. Nach der großen Krise 1929 wurde in der Freiburger Schule die Theorie des Neoliberalismus entwickelt.
Neoliberalismus:
Der Neoliberalismus, dessen Theorie von der Freiburger Schule um 1930 festgelegt worden ist, greift die grundsätzlichen Merkmale des klassischen Liberalismus auf, erweitert das System jedoch um einige regulierende Prinzipien. Diese Prinzipien, die ein marktkonformes Eingreifen des Staates vorsahen, waren aufgrund der offensichtlichen Probleme des Liberalismus notwendig geworden, um die zunehmende Konzentration von Kapital und die daraus resultierende Bildung von Oligopolen einzuschränken, die eine liberale Ordnung in ihren Grundsätzen in Frage stellten, da sie die ihr zu Grunde liegende vollständige Konkurrenz langfristig außer Kraft setzten. Diese neuen regulierenden Prinzipien sahen unter anderem ein Eingreifen im Falle von Überkonzentration und Kartellbildung vor. Der Neoliberalismus konnte jedoch in Deutschland nie über das Stadium eines gedachten Wirtschaftssystems nie wirklich hinauskommen, da schon 1933 mit der Machtübernahme Hitlers eine freiheitliche Wirtschaftsordnung eingeschränkt werden mußte, und mit dem Inkrafttreten der Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg eine dirigistische Ordnung an deren Stelle trat. Die Neuerungen des Neoliberalismus wurden allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg in die neue Wirtschaftsordnung der Bizone und später der jungen BRD, die soziale Marktwirtschaft, integriert.
Die Soziale Marktwirtschaft:
Bei der Sozialen Marktwirtschaft handelt es sich um eine konsequente Weiterentwicklung des Neoliberalismus ab ca. 1938. Die theoretische Grundlagen hierzu lieferten vor allem Alfred Müller-Armack, Walter Eucken und Wilhelm Röpke. Etabliert wurde sie schließlich vom Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in der Bizone und ersten Wirtschaftsminister der BRD ab 1949, Ludwig Erhard.
Mit der neuen Ordnung verließ der Staat die viel zitierte Rolle des Nachtwächters und verband, getreu ihrem Namen, die Prinzipien der Freiheit und der (sozialen) Gerechtigkeit. Neben der Bekämpfung von übermäßiger Kapitalkonzentration wurde nämlich nun das Augenmerk vor allem auch auf die soziale Sicherung der Bevölkerung gerichtet, um der Verelendung entgegenzuwirken. In der Sozialen Marktwirtschaft schreibt man dem Staat neben der bereits zuvor formulierten Pflicht, ein System von Rechtsgrundlagen zu schaffen, vier Funktionen zu. Bei diesen Funktionen handelt es sich um:
- Die Ordnungsfunktion: Herstellung und Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung
- Die Steuerungsfunktion: Aktive Gestaltung des Wirtschaftsablaufes (z.B. Konjunktur-, Beschäftigungs- und Außenwirtschaftspolitik)
- Die Schutzfunktion: Schutz der Marktteilnehmer und der Umwelt (z.B.: Verbraucherschutz, Umweltschutz)
- Die Ausgleichsfunktion: Korrektur unerwünschter und unsozialer Marktergebnisse. (z.B. Sozialpolitik, Subventionspolitik)
Walter Eucken hat seinem 1952 erschienenen Werk ,,Grundsätze der Wirtschaftspolitik" sieben konstituierende und vier regulierende Prinzipien festgesetzt, die zum Funktionieren einer marktwirtschaftlichen Ordnung essentiell seien:
Konstituierende Prinzipien:
- Das Grund oder Ordnungsprinzip: Festsetzung und Bewahrung der marktwirtschaftlichen Ordnung
- Der währungspolitische Stabilisator: Primat der Währungspolitik zur Aufrechterhaltung der Geldwertstabilität
- Offene Märkte: Gewährleistung der vollständigen Konkurrenz
- Privateigentum: Voraussetzung jeder freiheitlichen Wettbewerbsordnung
- Vertragsfreiheit: Essentiell zur Ermöglichung der Konkurrenz. Dann zu unterbinden, wenn sie zur Monopolisierung beiträgt
- Haftung: Persönliches Risiko jedes einzelnen Wirtschaftssubjektes
- Konstanz der Wirtschaftspolitik: Notwendigkeit um eine Kontinuität in der Wirtschaft zu erreichen
Regulierende Prinzipien:
- Die Wettbewerbsordnung und das Problem der Monopolisierung: Der Staat muß eine übermäßige Konzentration von Kapital und eine hieraus resultierende Bildung von Oligopolen oder gar Monopolen
- Einkommenspolitik: Der Staat hat die Aufgabe, über die Steuerpolitik eine ungerechte Verteilung des BIP weitestgehend zu unterbinden
- Wirtschaftsrechnung: Planung ist notwendig. Es handelt sich dabei immer um Globalplanung, die die Souveränität der Wirtschaftssubjekte möglichst wenig antasten sollte.
- Anomales Verhalten des Angebotes: In akuten Fällen von anomalem Verhalten des Angebotes auf dem Arbeitsmarkt kann die Festsetzung von Minimallöhnen notwendig werden.
Wenn man über die Wirtschaftsordnung der BRD spricht, muß man zwangsläufig erwähnen, daß unsere Verfassung, das Grundgesetz, keine bestimmte Ordnung für unseren Staat vorsieht. Es werden lediglich die Anforderungen formuliert, die das Gesetz an die Deutsche Wirtschaftsordnung stellt.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das magische Viereck in der Wirtschaft?
Das magische Viereck umfasst Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, Wachstum und Außenhandelsgleichgewicht. Es stellt die Idealziele der sozialen Marktwirtschaft dar, wobei die Vollendung eines Aspektes oft Nachteile für andere nach sich zieht. Einige Theoretiker ergänzen es seit den 1980er Jahren um die Umwelt zu einem Fünfeck.
Was sind die Grundlagen des Liberalismus nach Adam Smith?
Die theoretischen Grundlagen des Liberalismus, vor allem von Adam Smith, basieren auf dem freien Spiel der Kräfte, bei dem sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten und lediglich für die Sicherheit der Bürger und gerechte Gesetze sorgen soll. Jeder Einzelne soll seine Ziele so festlegen, dass am Ende der größte Profit herauskommt, wodurch sich die Nachfrage am ehesten decken lässt.
Welche Bedingungen müssen für eine liberalistische Wirtschaftsordnung gewährleistet sein?
Die Bedingungen umfassen das Individualprinzip, Planung durch Wirtschaftssubjekte, Preisbildung an den Märkten, Privateigentum, Entscheidungsgewalt über Investitionen und Außenhandel bei den Wirtschaftssubjekten, Steuerung der Produktion durch Marktgegebenheiten, Konsumentensouveränität und vollendete Konkurrenz.
Was ist Neoliberalismus und wie unterscheidet er sich vom klassischen Liberalismus?
Der Neoliberalismus greift die Merkmale des klassischen Liberalismus auf, erweitert das System aber um regulierende Prinzipien, die ein marktkonformes Eingreifen des Staates vorsehen. Diese Prinzipien sollen die Konzentration von Kapital und die Bildung von Oligopolen einschränken, um die vollständige Konkurrenz zu gewährleisten.
Was ist die Soziale Marktwirtschaft und welche Funktionen hat der Staat dabei?
Die Soziale Marktwirtschaft ist eine Weiterentwicklung des Neoliberalismus, die die Prinzipien der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit verbindet. Der Staat hat die Ordnungsfunktion (Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung), die Steuerungsfunktion (aktive Gestaltung des Wirtschaftsablaufes), die Schutzfunktion (Schutz der Marktteilnehmer und der Umwelt) und die Ausgleichsfunktion (Korrektur unerwünschter Marktergebnisse).
Welche Prinzipien sind laut Walter Eucken essentiell für eine funktionierende marktwirtschaftliche Ordnung?
Eucken unterscheidet konstituierende und regulierende Prinzipien. Konstituierende Prinzipien sind das Grundprinzip, der währungspolitische Stabilisator, offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik. Regulierende Prinzipien sind die Wettbewerbsordnung, Einkommenspolitik, Wirtschaftsrechnung und das Verhalten des Angebotes auf dem Arbeitsmarkt.
Welche Rolle spielt das Grundgesetz in Bezug auf die Wirtschaftsordnung der BRD?
Das Grundgesetz sieht keine bestimmte Wirtschaftsordnung vor, sondern formuliert lediglich die Anforderungen, die das Gesetz an die deutsche Wirtschaftsordnung stellt.
Gibt es Kritik an der aktuellen Wirtschaftsordnung der BRD?
Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob die aktuelle Ordnung noch der Sozialen Marktwirtschaft entspricht, die nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurde. Einige sehen eine Vernachlässigung der sozialen Komponente, während andere eine zu starke Entfernung von der marktwirtschaftlichen Komponente und eine Tendenz zum Wohlfahrtsstaat kritisieren.
- Citation du texte
- Timo Kirschberger (Auteur), 1999, Die Marktwirtschaft in der Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94720