INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 Der Begriff Werbung
1.2 Der Kommunikationsprozeß
1.3 Die Werbestrategie
1.4 Werbung und Rhetorik
2. UNTERSUCHUNG RHETORISCHER STILMITTEL IN ANZEIGENTEXTEN
2.1 Werbetexte aus dem technischen Bereich
2.1.1 CITROËN SAXO
2.1.2 CITROËN XANTIA
2.1.3 Ford
2.1.4. Zusammenfassung
2.2 Werbetexte aus dem Gesundheits- und Kosmetikbereich
2.2.1 Deutsche Lebensversicherungen
2.2.2 Schwarzkopf Poly Country Colors
2.2.3 Zusammenfassung
3. SCHLUßBEMERKUNG
4. LITERATURVERZEICHNIS
5. ANHANG
1. Einleitung
Bereits beim morgendlichen Wecken durch den Radiowecker wird man durch eine verführerische Stimme darauf aufmerksam gemacht, wie sauber und rein gerade jenes Waschmittel wäscht. Durch simples Ausschalten ist man der täglichen Werbeflut dennoch nicht entgangen, denn spätestens im Badezimmer erinnern einen grüne Streifen auf der Zahnpastatube an einen Flußin wilder, unberührter Landschaft, an dem Biber ihr zahnstrapazierendes Geschäft betreiben. Davon nicht genug begegnen einem selbst beim Frühstück werbende Gestalten wie z. B. der Kaffesahne-Bär, das Büblein auf der Zwieback- Packung und nicht zuletzt sieht man beim Genußvon Nutella unweigerlich einen Boris Becker vor sich, der die braune Masse genüßlich von seinem Brotmesser leckt. Das fällt natürlich erst dann auf, wenn man dafür sensibilisiert ist. Im Grunde ist man doch eher genervt von derart Beeinflussung. Trotzdem hört, sieht und liest jeder täglich Werbung. Die Werbefachleute haben es heute aus mehreren Gründen deutlich schwieriger. Die Zahl der Produkte und Hersteller ist im Zeichen der EG bei weitreichender Logistik unübersichtlicher geworden. Die Übersättigung der Verbraucher ist weit fortgeschritten und man empfindet Werbung als Störfaktor. Aus diesem Grund wird von den Werbenden in Bezug auf die Gestaltung der Produktwerbung und des Produktes selbst eine immer origineller werdende Kreativität verlangt. So werden Emotionen, die mit dem Produkt angeblich eng verbunden sind, in das Design der Anzeige mit aufgenommen. Man denke hier z. B. an die Zigarttenmarke, deren GenußFreiheitsgefühle und männliche Stärke hervorrufen sollen. Doch nicht nur auf das Aussehen der Werbung kommt es an, sondern auch auf das des Produktes selbst. Dabei spielen Farbe, Form und Verpackung eine wichtige Rolle. Man entscheidet sich beim Kauf von Wein bei drei - laut Aufschrift gleichwertigen Getränken - doch für den, der in der attraktiveren Flasche steckt. Warum auch nicht?
Man ist schließlich an die Bilder und Sprache der Werbung gewöhnt und versteht sie, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Trotzdem lohnt sich eine nähere Beschäftigung mit der sprachlichen Konzeption von Werbetexten statuarischer Medien. Lassen sich bestimmte stilistische Merkmale erkennen, die immer wieder verwendet werden und somit als charakteristisch für diesen Bereich gelten können? Existieren Unterschiede zwischen Texten in Fachzeitschriften und Boulevardzeitschriften?
Nach einem kurzen Überblick über den Bereich Werbung in Zusammenhang mit dem Kommunikationsprozeßsoll der Bogen über die Gemeinsamkeiten von Rhetorik und Anzeigenwerbung hin zu der konkreten rhetorischen Analyse von Werbetexten gespannt werden.
Dabei wird der bildliche Teil der Anzeige vernachlässigt; der linguistische Teil steht im Vordergrund der Untersuchung. Die textlichen Teile werden zu linguistischen Einheiten (LE) zusammengefaßt, um die Gliederung der Anzeige zu verdeutlichen. Die Kopien der dabei verwendeten Anzeigen befinden sich im Anhang dieser Arbeit.
1.1 Der Begriff Werbung
Um das Thema der Arbeit klar einzugrenzen, erscheint es angebracht, den Begriff Werbung zu definieren. Dazu ein Auszug des Artikels „Werbung" aus der Brockhaus Enzyklopädie1: „Werbung _zu ahd. hwerban _sich drehen_, _sich umtun_, _sich bemühen__, jede Darbietung von Botschaften mit dem Ziel, Einstellungen und Handlungen der Adressaten zum Vorteil des Werbetreibenden zu steuern."
Es handelt sich also um eine Art Kommunikationsprozeß, bei dem der Produzent mit dem möglichen Konsument seines Produktes in Verbindung tritt, um ihn von dessen positiven Eigenschaften zu überzeugen.
1.2 Der Kommunikationsprozeß
Der Kommunikationsprozeßverläuft nach einem einfachen Schema2:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Gründe, warum der Produzent mit dem Umworbenen in kommunikative Verbindung tritt, sind plausibel. Einerseits soll der Konsument über das Vorhandensein und die guten Eigenschaften eines Produktes informiert werden und andererseits will der Produzent erreichen, daßgerade sein Produkt im Unterschied zu dem der Konkurrenz vom Umworbenen ausgewählt und gekauft wird.
Nach diesem Schema laufen sämtliche Werbeprozesse ab.
Das zentrale Element des Kommunikationsprozesses und dieser Arbeit ist jedoch die Werbebotschaft, die sich im textlichen Teil einer Anzeige befindet. Für die vorliegende Untersuchung ist es interessant, zu wissen, nach welcher Strategie eine solche Botschaft entworfen wird.
1.3 Die Werbestrategie
Die Hauptarbeit der Werbetexter fällt auf die Konzeption der Werbebotschaft. Sie mußüberzeugend und durchdacht wirken, damit sie ihre Absicht nicht verfehlt. „Es ist Aufgabe der Konzeption, alle Argumente, Informationen, Ansprache-Apelle so zu verdichten, daßdas Hauptziel der Information bei der Zielgruppe ankommt. Über die Zielgruppe mußman vor Ausarbeitung der Konzeption genauestens Bescheid wissen."3
Deshalb existieren einige Fragen, die bei der Umsetzung des Textes von Werbefachleuten beachtet werden müssen4:
WAS
sagen wir?
UNIQUE SELLING PROPOSITION
Basis - REASON WHY
vermitteln wir?
Werbemittel, Medienwahl
WIE
ist die Aussprache?
Stil, Psychologie, Tonalität usw.
Ist unter Berücksichtigung dieser Fragestellungen eine Konzeption entstanden, mußdiese noch in konkrete Text- und Bildanteile transformiert werden.
Diese Fragestellungen sind aber keineswegs nur auf das Gebiet der Werbung beschränkt, sondern sind auf jegliche Arten von schriftlichen oder mündlichen Vorträgen übertragbar. Es sind wesentliche Bestandteile der Rhetorik, die in vielen Bereichen ihre Anwendung finden.
1.4 Werbung und Rhetorik
Die Arbeitsschritte , die zu einer Textkonzeption führen, lehnen sich eindeutig an die systematische Vorgehensweise der Rhetorik an. So entspricht die Erarbeitung der „Inventio", dem Finden des Stoffes, sowie der „Dispositio", dem Ordnen des Stoffes. Der sprachliche Ausdruck „elocutio" der Werbebotschaft muß„aptum" sein, d. h. er mußauf das Zielpublikum abgestimmt und seiner Sache angemessen sein. Dieser Teil beinhaltet schließlich auch die eigentliche rhetorische Stilistik.
Im folgenden sollen Anzeigentexte auf derartige rhetorische Stilmittel hin untersucht werden. Außerdem wird ein Vergleich gezogen zwischen Anzeigenformen in Zeitschriften, die der Mehrheit zugänglich sind (Wochenmagazin, Frauenzeitschrift) und solchen, die nur einem ausgewählten Publikum vorgelegt werden (Kultur- und Literaturzeitschrift). Es sollen ebenfalls die verschiedenen Argumentationstypen der Werbebotschaften diskutiert und entlarvt werden. Dies soll herausstellen, auf welch unterschiedlicher Ebene Produzenten ihr Zielpublikum zu beeinflussen versuchen.
2. Untersuchung rhetorischer Stilmittel in Anzeigentexten
Die Anzeigentexte wurden aus Zeitschriften entnommen, die einem breiten Publikum zugänglich sind. Es handelt sich dabei um die Frauenzeitschrift „Freundin" und das Magazin „DIE ZEIT. Magazin", das der ZEIT wöchentlich beilegt ist.. Darüber hinaus wird die Anzeigenart der Kultur- und Literaturzeitschrift „foglio" als Vergleich herangezogen.
2.1 Werbetexte aus dem technischen Bereich
2.1.1 CITROËN SAXO
5 LE 1:
Unser Streitwagen.
LE 2:
Die einen sagen,
daßder CITROËN SAXO ein Riese ist.
Sie meinen seine innere Größe.
Andere wiederum finden ihn klein.
Sie sprechen von seinen äußeren Maßen.
Für die einen ist er der ideale Partner, sparsam und flexibel,
für die anderen ein echter Kumpel, kraftvoll und belastbar.
Über eines ist man sich beim CITROËN SAXO
allerdings einig: Er macht seine Besitzer zufrieden.
Wollen Sie auch zufriedener werden?
Rufen Sie einfach Ihren sympathischen CITROËN Händler an,
er schenkt Ihnen gerne eine Probefahrt.
(...)
LE 3:
CITROËN SAXO. EINER, DER ES DEN GROSSEN ZEIGT.
LE 4:
NICHTS BEWEGT SIE WIE EIN CITROËN
2.1.1.1 Analyse
Das Produkt: CITROËN SAXO ist ein Auto.
Das Inserat: Die Anzeige ist doppelseitig. Sie wurde einer Boulevardzeitschrift entnommen. Es handelt sich um eine Farbphotographie, die im Vordergrund einen vor einem Gebäude parkenden CITROËN SAXO zeigt. Die Tür des Gebäudes steht offen. Auf der Beifahrerseite steht eine die Arme verschränkende weibliche Person vor dem Auto, auf der Fahrerseite eine männliche Person, die ebenfalls die Arme verschränkt. Die erste linguistische Einheit befindet sich auf der linken Seite der doppelseitigen Anzeige. Sie ist auf dem Photo an der Stelle der offenen Tür plaziert und bildet die Headline. Die zweite linguistische Einheit findet sich auf der gegenüberliegenden Seite vor den Füßen der männlichen Person wieder. Sie enthält die wichtigen Informationen über das Produkt. Die dritte LE beinhaltet einen Slogan, der sich speziell auf das beworbene Auto bezieht und ist der zweiten LE nachgestellt. Die letzte linguistische Einheit bildet erneut einen Slogan, diesmal bezogen auf alle Produkte von CITROËN. Sie ist unter dem Firmenzeichen plaziert.
Die Headline „Unser Streitwagen." verrät zunächst nichts über die Marke des Produktes. Man kann erahnen, daßes sich bei dieser Aussage um eine Äußerung der beiden auf der Photographie gezeigten Personen handelt. Bekräftigt wird diese Vermutung durch die Mimik des Paares. Es scheint sich zwar um das Auto beider zu handeln („unser"), doch wird durch die Aussage „Streitwagen" etwas Negatives assoziiert. Bezogen auf die Intention einer Anzeige, den Kunden zum Kauf des Produktes anzuregen, erscheint die Headline fast ironisch und man ist zunächst leicht irritiert. Doch im Verlauf wird der „Streit" auf positive Weise ausgeführt und steht dann auch nicht mehr im Einklang mit dem bildlichen Teil des Inserats. Es ist also anzunehmen, daßman mit der provokativen Headline lediglich die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen will, sich dahinter aber kein tieferer Sinn versteckt.
Die zweite linguistische Einheit liefert die Argumente des „Streits", der, wie sich bald herausstellt, nicht die typischen Merkmale eines solchen besitzt. In fast durchgängig symmetrisch angelegten Zweizeilern werden nun die Eigenheiten des Produktes aufgezählt und dessen Name genannt. Die ersten fünf Zeilen sind parallelistisch konzipiert: „Die einen sagen" zu „Andere wiederum finden" und „Sie meinen" zu „Sie sprechen". Metaphorisch wird das Auto einem Riesen gleichgesetzt, einem Bild aus Fabel- und Märchenwelt. Offensichtlich ist aber ein Kleinwagen Gegenstand der Anzeige- wie auf der Photographie erkenntlich ist. Es handelt sich bei der Verwendung des Begriffs „Riese" um ein dem Gegenstand nicht angemessenes, sondern übertreibendes Merkmal, also um eine Hyperbel. Das Bild des Riesen wird in der darauffolgenden Zeile erklärt: „seine innere Größe". Der Begriff „Größe" wird polysemantisch verwendet und kann sich einerseits auf die innere Geräumigkeit des Fahrzeugs und andererseits auf einen Wert beziehen, der damit verbunden scheint. So meint man mit der Wendung „innere Größe" im allgemeinen eine menschliche Eigenschaft, die hier auf den technischen Bereich übertragen wird.
Dieser These wird eine Antithese gegenübergestellt: „Andere wiederum finden ihn klein./ Sie sprechen von seinen äußeren Maßen.". Entgegen der vermuteten negativen Reaktion des Rezipienten („großbedeutet auch gut, klein nicht unbedingt") wirkt diese Aussage im Zusammenhang mit der vorangestellten durchaus positiv. Das erklärt die hier angewandte Reihenfolge der Argumente zusätzlich. Gewollt inkonsequent gelangt man vom „Großen" zum „Kleinen", während man von „innen" nach „außen" geht.
Der folgende Zweizeiler ist parallelistisch aufgebaut und beinhaltet sowohl These als auch Antithese, wobei hier eher von einer Accumulatio gesprochen werden kann als von einer Antithese. „Für die einen ist er der ideale Partner, sparsam und flexibel,"; die Metonymie „er", nämlich der CITROËN SAXO, nicht das Auto von CITROËN, evoziert beim Rezipienten unweigerlich die Vorstellung, daßin einem Auto doch mehr stecken könnte, als nur die bloße Fähigkeit des schnellen Personentransports. Im folgenden wird das Ding Auto zu etwas lebendigen, ja menschlichen, gemacht. Die Rede ist von einem „idealen Partner", dem die Eigenschaften „sparsam und flexibel" beigemessen werden. Der hier gewählte Ausdruck der Flexibilität erscheint bezogen auf ein technisches Produkt eher vermessen und es leuchtet bei längerem Durchdenken nicht ein, was damit bei einem Auto gemeint sein könnte. Der Rezipient dürfte aber dennoch positiv beeinflußt sein, denn in einer Partnerschaft ist Flexibilität sicher eine Tugend. Die Zeile „für die anderen ein echter Kumpel, kraftvoll und belastbar", weist durch „für die anderen" zunächst erneut auf antithetischen Aufbau hin. Bei fortlaufender Lektüre läßt sich aber erkennen, daßhier nicht Gegenteiliges aufgeführt wird, sondern, daßdie positiven Eigenschaften durch weitere ergänzt werden. Die Descriptio des Produktes findet in der lokalen Mitte der Anzeige ihren Platz. Die Verwendung der Allegorie hat hier dazu geführt, daßdie primäre, technische, Ebene gänzlich in den Hintergrund gerückt wurde und die sekundäre, die humane/zwischenmenschliche, Ebene nun im Vordergrund steht. Explizit betrachtet würden diese Zeilen keinen Zusammenhang mit einer Kraftfahrzeugwerbung vermuten lassen. Es werden bestimmte positive Emotionen hervorgerufen, um den Rezipienten zu einem gesteigerten Interesse am Produkt zu bewegen. Werbetexte sollten auf das Zielpublikum, hier Leser der Frauenzeitschrift „Freundin", abgestimmt sein, d. h. der Inhalt mußaptum sein. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, da die Themen im gesamten Printmedium oft um Partnerschaft bzw.
Zwischenmenschliches im allgemeinen kreisen.
Das veränderte äußere Design der Zeilen, bzw. der angeblichen „Streitpunkte", läßt erkennen, daßdie gegensätzlichen Meinungen über das Produkt nicht mehr gänzlich unvereinbar sind und sich daher auch äußerlich „näherkommen". Die Hauptaussage der Anzeige findet sich in den folgenden Zeilen wieder: „Über eines ist man sich beim CITROËN SAXO/ allerdings einig: Er macht seine Besitzer zufrieden.". Die Zeilen fassen alle positiven Eigenschaften des Fahrzeuges zusammen und minimieren das Gesagte zu einer Ursache-Wirkung-Formel. Das beworbene Auto nimmt eine aktive Rolle ein und „macht" mit all den erwähnten Merkmalen „seinen Besitzer zufrieden". Letzteres steht dennoch im Gegensatz zu LE 1, da bei einem Streit in den meisten Fällen nicht von einer derartigen Wirkung gesprochen werden kann. Ob es sich hierbei um intendierte Irreführung oder aber schlicht um einen Fehler des Werbetexters handelt, sei dahingestellt.
Die zentrale Aussage des Textes bildet jedoch noch nicht das Incrementum der Anzeige.
Dieses folgt mit einer freistehenden Zeile und beinhaltet eine rhetorische Frage: „Wollen auch Sie zufriedener werden?". Der Komparativ impliziert, daßder Rezipient zwar glaubt, er sei mit dem, was er bereits hat, zufrieden; er könne aber mit Hilfe des Autos von CITROËN noch zufriedener werden. Das Bindewort trägt zur Betonung der direkten Anrede bei und verleiht ihr emphatischen Charakter: Wollen auch Sie zufriedener werden? Es wird davon ausgegangen , daßes bereits viele Personen gibt, die durch den Kauf eines Autos dieser Marke zufriedener geworden sind.
Deshalb ist der nächste Schritt nur folgerichtig: man nimmt Kontakt zum Händler auf. „Rufen Sie einfach Ihren sympathischen CITROËN Händler an,/ er schenkt Ihnen gerne eine Probefahrt." Die positiven Eigenschaften des Autos scheinen sich auch auf den Händler zu beziehen. Er ist „sympathisch" und „schenkt" dem potentiellen Käufer „gerne" eine Probefahrt.
Der Slogan der dritten linguistischen Einheit „CITROËN SAXO. Einer, der es den Großen zeigt.", führt die personifizierte Darstellung des Fahrzeugs fort und geht davon aus, daßdas Auto sich gegenüber seinen großen Kontrahenten durchaus behaupten, wenn nicht gar profilieren kann. Die Redewendung „es jemandem zeigen" ist jedem geläufig und man verbindet einen gewissen Begriff von Stärke damit. Man kann damit andere in Erstaunen versetzen, aber durchaus auch sich selbst. Das soll der Kauf des Autos bewirken. Die letzte linguistische Einheit „Nichts bewegt Sie wie ein CITROËN" enthält das Motto oder den das Produkt charakterisierenden Satz. Er arbeitet mit der Polysemie des Verbs bewegen und mit einem Vergleich. Einerseits beschreibt es den Fortbewegungscharakter des Autos, andererseits spricht es die emotionale Ebene des Rezipienten an und steht damit im Einklang mit der ersten linguistischen Einheit; ein Streit bewegt auch.
2.1.2 CITROËN XANTIA
6 LE 1:
Dingen, mit denen man nicht leben kann, sollte man ausweichen.
LE 2:
Was soll man nicht alles tun? Sich bewusst ernähren. Sport treiben. Auf der Strasse aufpassen. Doch „höhere Gewalt" macht einem hier immer wieder das Leben schwer. Die Hydropneumatik im Robusten, gut gebauten CITROËN XANTIA kann jedoch helfen, Unfälle zu vermeiden. Blitzschnell schaltet sich das intelligente Fahrwerk um. Das Zusammenspiel von Gas und Öl ist darum nicht nur komfortabel, sondern auch sicher. Also dann: Gute Fahrt.
(...)
LE 3:
Nichts bewegt Sie wie ein CITROËN.
2.1.2.1 Analyse
Das Produkt: CITROËN XANTIA ist ein Auto.
Das Inserat: Es handelt sich um eine ganzseitige Farbanzeige, die sich in einer Magazinbeilage einer Wochenzeitung befand. Am linken Rand erkennt man eine Felswand, von der große Brocken auf die Straße fallen. Rechts daneben befindet sich ein CITROËN XANTIA, was sich am Nummernschild erkennen läßt, der den herabstürzenden Felsbrocken auszuweichen scheint. Der obere Bildteil besteht aus Himmel, vor dessen Hintergrund der Anzeigentext untergebracht ist.
Die erste LE enthält eine Art Regel oder Redensart, die einen wagen Zusammenhang zwischen Bild und Text herzustellen versucht: „Dingen, mit denen man nicht leben kann, sollte man ausweichen." Gemeint ist hier zunächst wohl die Gefahr, die durch die herabstürzenden Felsbrocken entsteht. Man erkennt, daßdie Vorderreifen in einer ausweichenden Stellung sind, womit der zweite Teil der Headline erklärt wäre. In welchem Zusammenhang steht aber die Headline mit dem eigentlichen Anzeigentext? LE 2 erscheint in eng gedruckter Schrift leicht nach rechts versetzt unter der Headline. Sie greift die Regelhaftigkeit der Überschrift auf und entwertet sie zugleich mit der Frage „Was soll man nicht alles tun?" Es wird gezielt die Appellfigur Subiectio eingesetzt, denn der imaginäre Redner gibt sich selbst die Antwort auf die Frage: „Sich bewusst ernähren. Sport treiben. Auf der Strasse aufpassen." Die Ellipse des „man soll" unterstützt den Eindruck, daßRegeln oder Redensarten nicht immer besonders einleuchtend für den Rezipienten sind. Der durchweg im genus medium konzipierte Werbetext nimmt damit zumindest zwei populäre Voraussetzungen für ein gesundes Leben auf. Diese Botschaften werden dem Verbraucher täglich in der Werbung nahegelegt. Man darf also von einer ironischen Intention in der Verwendung dessen ausgehen. Die dritte Regel man soll auf der Straße aufpassen gibt darüber Aufschluß, in welchem Bereich das beworbene Produkt wirkt, nämlich auf der Straße bzw. im Verkehr. Eingeschränkt wird die Befolgung der Regeln durch die nachfolgende Aussage: „Doch „höhere Gewalt" macht einem hier immer wieder das Leben schwer." Die Anspielung „höhere Gewalt" auf einen religiösen Kontext ist unübersehbar. Die Polysemie des Ausdrucks wird konsequent durchgeführt, so daßman die Zeile auf zwei verschiedene Arten lesen kann. Im religiösen oder spirituellen Bereich könnten damit die Zehn Gebote gemeint sein, deren Befolgung manch einem vielleicht nicht immer leicht fällt. Wenn dies aber tatsächlich so verstanden werden könnte, würde die Anzeige doch eine gewisse Anstandsgrenze überschreiten und würde dadurch sicherlich potentielle Kunden vertreiben. Vielleicht ist die Wahl des Ausdrucks „höhere Gewalt" hier deshalb nicht sehr geglückt. Um diesem Vorwurf zu entkommen, setzt der Werbetexter den Begriff in Anführungszeichen. Die Wendung bezieht sich damit eher auf den bildlichen Teil der Anzeige, nämlich auf die Gesteinsbrocken, die von oben herunterfallen. Mit den ersten Worten der Anzeige wird eine Art „Problem" geschildert, das nach einer Lösung verlangt. Zumindest soll das so evoziert werden. Deshalb läßt sich die zweite linguistische Einheit in zwei Teile untergliedern:
1. Problemdarstellung; 2. Problemlösung/Abhilfe. Das erinnert an Werbetexte aus dem medizinischen bzw. kosmetischen Bereich. „Die Hydropneumatik im robusten, gut gebauten CITROËN XANTIA kann jedoch helfen, Unfälle zu vermeiden." Der Kunde soll sich eines Problems bewußt werden, um für dessen Lösung offen sein zu können. Die Verwendung des technischen Fachausdrucks läßt ein anderes Zielpublikum als das der zuvor besprochenen Anzeige vermuten. Die Mehrheit der Leser des Zeitmagazins gehören einem höheren Bildungsstand an und sind daher eher kompetent, die Bedeutung der Fachtermini zu kennen als Leser einer Boulevardzeitschrift. Allerdings steht der Fachterminus im Gegensatz zu der relativ unklaren Beschreibung „robust" und „gut gebaut". Man könnte von einem Stilbruch sprechen. „Hydropneumatik" bleibt im gesamten Anzeigentext das einzige Fremdwort, worauf sich der Rezipient fragt, warum es überhaupt in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommt. Vielleicht soll damit der relativ schwach und unmotiviert wirkende Einstieg wieder wettgemacht und das Tempo der Anzeige beschleunigt werden.
Auch in diesem Text wird das Auto mit etwas Lebendigem gleichgesetzt und personifiziert. Im folgenden wird ihm sogar eine Art Intelligenz beigemessen: „Blitzschnell schaltet sich das intelligente Fahrwerk um." Hier bedient sich der Werbetexter einer Naturmetapher, um die vom Fahrzeug erwartete Reaktionsfähigkeit bei Gefahrensituationen positiv hervorzuheben. Durch Inversion wird dies noch zusätzlich betont. Im folgenden Satz „Das Zusammenspiel von Gas und Öl ist darum nicht nur komfortabel, sondern auch sicher.", wird ein zusätzliches Merkmal des intelligenten Fahrwerks gegeben. Die Adjektive „komfortabel" und „sicher" sind in der Fahrzeugvermarktung beliebte Vokabeln, die die zentralen und die vom Kunden erwarteten Eigenschaften der Karosserie hervorheben.
LE 3 enthält wieder den Slogan der Firma, der bereits mit der vorigen Anzeigenanalyse besprochen wurde.
Die Auffälligkeit dieser Anzeige besteht darin, daßder potentielle Kunde im gesamten Text keine direkte Anrede erfährt. Diese Auslassung kann man bei modernen Anzeigen immer häufiger feststellen, obwohl die direkte Anrede zu den leitenden Maßstäben der Konzeption von Werbetexten gehört7.
Die Anzeige arbeitet mit einer Plausibilitätsargumentation, die breite Bevölkerungskreise ansprechen und eine kurzfristige spontane Zustimmung erzielen soll.
2.1.3 Ford
8 LE 1:
Wir können uns hören lassen.
LE 2:
Motorengeräusche sind nicht die einzigen Töne, die uns in Fahrt bringen. Deshalb engagiert sich Ford als Hauptsponsor des Kölner Gürzenich-Orchesters und des „Kölner Sommers". Außerdem fördern wir das Landesjugendorchester sowie den Opernnachwuchs. Und nicht zuletzt unterstützen wir mit unseren Literaturstipendien neben dem gesungenen auch das geschriebene Wort.
LE 3:
Ford. Die tun was.
2.1.3.1 Analyse
Das Produkt: Ford ist ein Autohersteller.
Das Inserat: Ganzseitige Anzeige in einer Kultur- und Literaturzeitschrift in den Farben Schwarz-Weiß-Blau.
Dreiviertel der Seite sind durch Notenzeilen eingenommen. Die Noten sind nicht erkennbar bis auf eine, deren Notenkopf das Logo von Ford darstellt. Der Text befindet sich im unteren Teil des Inserats.
Die Headline „Wir können uns hören lassen" steht im Einklang mit der farbigen Abbildung und dem Konzept der Zeitschrift, aus der die Annonce entnommen wurde: „foglio. Seiten der Sinne". Einen dieser Sinne spricht die Zeile an, den Hörsinn. Das sprachliche Design ist dem Leser bekannt. Die Floskel „der/die/das kann sich sehen lassen" ist weit gebräuchlich. Neu ist hier lediglich die Verwendung des Personalpronomens „wir". Dieses steht für Ford, was sich in Zusammenhang mit dem bildlichen Teil der Anzeige ergibt. Den kulturell interessierten Rezipienten mag es wundern, daßeine Automarke auf diese Art - scheinbar ohne Bezug - wirbt. Bei Lektüre der zweiten linguistischen Einheit wird der Grund dafür aufgedeckt. Zunächst wird erneut mit einer redensartähnlichen Aussage gearbeitet: „Motorengeräusche sind nicht die einzigen Töne, die uns in Fahrt bringen."
Der erste Teil spannt wieder einen Bogen zur Musik und spricht konsequent den Hörsinn an. Ebenso wird erwähnt, welche Töne das Produkt, um das es sich hier handelt, hervorzubringen imstande ist: „Motorengeräusche". Den Einsatz der Redewendung „in Fahrt bringen" kann man wieder auf zweierlei Bedeutungsebenen interpretieren. Primär ist schlicht die Technik eines Autos gemeint, das, um sich in Bewegung zu setzen, zunächst einen laufenden Motor braucht. Die sekundäre Ebene ist auf dem Gehalt der Redensart anzusiedeln, d. h. die Firma Ford ist in ihrem Engagement nicht nur auf den Kraftfahrzeugsbereich beschränkt, sondern interessiert sich auch für anderes. Im folgenden werden diese anderen Dinge aufgezählt:
„Deshalb engagiert sich Ford als Hauptsponsor des Kölner Gürzenich-Orchesters und des „Kölner Sommers". Außerdem fördern wir das Landesjugendorchester sowie den Opernnachwuchs. Und nicht zuletzt unterstützen wir mit unseren Literaturstipendien neben dem gesungenen auch das geschrieben Wort." Es fällt auf, daßFord sich vor allem für den jugendlichen Nachwuchs engagiert und damit einer weitreichenden gesellschaftlichen Forderung nachkommt. Es dürfte sich hierbei um eine taktische Argumentation handeln, bei der versucht wird, durch Betonung der eigenen Überlegenheit bzw. hier der kulturellen Beteiligung die Konkurrenz dagegen blaßerscheinen zu lassen. Dazu im Einklang steht die letzte linguistische Einheit, die das Firmenmotto enthält: „Ford. Die tun was." Durch die Interpunktion nach „Ford" entsteht eine Zäsur, die zur Akzentuierung beiträgt. Der Syntax des folgenden hat Appellcharakter und hebt die Firma weiter von der Konkurrenz ab. Das Motto ist kurz, prägnant und präzise. Es umfaßt sowohl das primäre Tätigkeitsfeld des Autoherstellers als auch eventuelle Engagements in anderen Bereichen.
Die Anzeige steht der verordneten Knappheit in nichts nach; sie nennt für die Leser der Kulturzeitschrift alle wichtigen Bereiche, die Ford zusätzlich auszeichnen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Inseraten in Boulevardzeitschriften, wird nicht für ein einzelnes Produkt geworben, sondern für eine ganze Firmenphilosophie. Der Leser soll nicht zum Kauf eines bestimmten Autos angeregt werden, sondern einen positiven Eindruck von Ford als Gesellschaft erhalten. Damit wäre sein Interesse geweckt und er würde sich mit diesem Wissen bei Bedarf doch eher einem Auto von Ford als einem der Konkurrenz zuwenden. In einer einem breiteren Publikum zugänglichen Zeitschrift würde die Annonce vermutlich übergangen werden und auf Unverständnis stoßen. In einer Fachzeitschrift aber besitzt sie eine Zielgerichtetheit, die sie von anderen Anzeigen abhebt.
2.1.4. Zusammenfassung
Die Werbetexte aus dem technischen Bereich in Boulevardzeitschriften zeichnen sich zunächst durch Beschreibung der den Produkten zugrundeliegenden Eigenschaften aus, die unter weitgehender Aussparung fachlicher Termini vorgenommen wird. Sie sind durch genus medium gekennzeichnet und somit leicht verständlich für den Rezipienten. Sie verwenden häufig Figuren der Amplifikation und bedienen sich allgemeinverständlicher Metaphern oder Allegorien. Im Gegensatz dazu steht die Anzeige aus einer Fachzeitschrift, deren Stil zwar noch auf der mittleren Kategorie angesiedelt, aber durch die sparsame Verwendung von Tropen auch dem genus humile zugeordnet werden kann. Es werden hier kaum Emotionen angesprochen, sondern es zählen lediglich Fakten, die das Produkt von dem der Konkurrenz abheben.
2.2 Werbetexte aus dem Gesundheits- und Kosmetikbereich
2.2.1 Deutsche Lebensversicherungen
9 LE 1:
Was haben Sie eigentlich gegen Klimmzüge bei Ihrer Altersvorsorge?
Eine Lebensversicherung.
LE 2:
Eine Lebensversicherung hält, was sie verspricht. Ein Leben lang.
LE 3:
Wer auch im Alter hoch hinaus will, mußfrühzeitig für Auftrieb sorgen. Die Lebensversicherung bietet eine Altersvorsorge auf verläßlichem Niveau, ohne Klimmzüge und ohne Berg- und Talfahrten. Denn sie garantiert Ihnen eine feste Auszahlungssumme oder eine zugesicherte Rente auf Lebenszeit. Auf die garantierte Mindestrendite ist dabei über Jahrzehnte zu 100 % Verlaß. Für weiteren Auftrieb sorgt dann noch die gesetzliche Überschußbeteiligung. Mit der Lebensversicherung können Sie Ihre Flughöhe selbst bestimmen - ganz exakt und heute schon.
(...)
LE 4:
Ihre deutschen Lebensversicherungen
2.2.1.1 Analyse
Das Produkt: Es handelt sich um eine Lebensversicherung.
Das Inserat: Die Anzeige nimmt eine halbe Seite einer Wochenzeitung ein und ist farbig. Sie stellt ein Bild mit einem gezeichneten Heißluftballon dar. Der Text befindet sich hauptsächlich im unteren Teil der Annonce.
Die erste linguistische Einheit leitet mit der Interogation „Was haben Sie eigentlich gegen Klimmzüge bei Ihrer Altersvorsorge?" das Thema „Altersvorsorge" ein. Der Rezipient wird sofort direkt angesprochen und durch die provokative und ironische Formulierung der Frage, vor allem durch den Einschub des Umstandswortes „eigentlich" verunsichert. Unter Verwendung der Sportmetapher „Klimmzüge" in Zusammenhang mit dem Begriff „Altersvorsorge" gewinnt die Frage an Gewicht. Mit der sportlichen Betätigung verbindet man körperliche Anstrengung, einer Beschäftigung, der man - wenn nicht schon in jungen Jahren - im Alter in der Regel nicht mehr nachgehen kann und will. Übertragen auf den Bereich Versicherung würde das bedeuten, daßsich auch hier unnötige Anstrengungen vermeiden lassen. Das „Gegenmittel" und die Antwort auf die Frage, welche Mittel für eine sichere Altersvorsorge notwendig sind, bietet das folgende: „Eine Lebensversicherung." Die nächste linguistische Einheit evoziert beim Leser Vertrauen und steht deswegen als Headline über dem ausführlichen Anzeigentext: „Eine Lebensversicherung hält, was sie verspricht. Ein Leben lang." Die Metonymie „Lebensversicherung" stellt ein Mittel der Reduktion dar, wodurch der Satz auf den Leser prägnanter wirkt. Außerdem wird mit der Einbettung des Begriffs in die Redensart „halten, was man verspricht" ein Verweis auf andere Produkte der Werbebranche gegeben, bei denen dem Kunden Versprechungen gemacht werden, die dann nicht eingehalten werden.
Die Alliteration „Leben lang" hat eine harmonisierende Wirkung und steht damit im Einklang mit dem beabsichtigten Vertrauen, das durch die Anzeige hervorgerufen werden soll. Die erste Zeile von LE 3 beinhaltet eine Art Ratschlag, der durch Allegorisieren periphrasiert wird. Die Syntax hat konditionalen Charakter: „Wer (...) will, muß(...) sorgen". Der Inhalt harmoniert mit der Zeichnung des Heißluftballons („hoch hinaus", „Auftrieb"). Im folgenden wird der Bogen zur Lebensversicherung gespannt, in dem sie als „verläßlicher" Indikator der Altersvorsorge „ohne Klimmzüge und ohne Berg- und Talfahrten" beschrieben wird. Die Sportmetapher wird um eine Naturmetapher erweitert und dadurch nochmals betont. Um mögliche Unklarheiten zu vermeiden, liefert der Text ein weiteres positives Detail einer Lebensversicherung: „Denn sie garantiert Ihnen eine feste Auszahlungssumme oder eine zugesicherte Rente auf Lebenszeit." Der durchgängig metonymisch gebrauchte Gegenstand wird durch ständiges Repetieren der Wortteile „sicher" und „leben" zusätzlich hervorgehoben. Des weiteren wird diese Verfahrensweise auf das Verb „garantieren" und das Substantiv „Verlaß" angewandt, welche ebenfalls wiederkehrend auftauchen. Gegen Ende des Textes wird das Bild des „Auftriebs" abermals aufgenommen. Die Nennung gesetzlicher Regelungen besitzt rational argumentativen Charakter, was als ergänzende Rechtfertigung gesehen werden kann.
Zum Schlußwerden die Vorteile der Versicherung zusammenfassend in der Anrede an den Kunden dargestellt: „Mit der Lebensversicherung können Sie Ihre Flughöhe selbst bestimmen - ganz exakt und heute schon." Das Bild des aufsteigenden Ballons zieht sich konsequent durch die Anzeige. Für den Rezipienten bedeutet das, daßder Ballon ein notwendiges Extra ist - um im Bild zu bleiben - daß, er aber dennoch selbst darüber bestimmen kann, in welcher Höhe er fliegen soll.
Die vierte linguistische Einheit gibt Aufschlußüber den Absender des Inserats „Ihre deutschen Lebensversicherungen". Die Verwendung des Possessivpronomens schafft abschließend eine Vertrauensbasis, auf der das Verhältnis zwischen Kunde und Versicherungsfirma aufgebaut werden soll.
2.2.2 Schwarzkopf Poly Country Colors
10 LE 1:
Der Farbrausch der Natur - so vielseitig wie nie:
LE 2:
Das Rot-Braun der Rotbuche
Erleben Sie jetzt die atemberaubenden neuen Farben von Poly Country Colors. Zum Beispiel Virginia mit der neuen berauschenden Farbenpracht der amerikanischen Rotbuche.
LE 3:
Das Gold-Blond reifer Weizenfelder
Lassen Sie Ihr Haar in faszinierendem Gold-Blond leuchten: Mit dem neuen Blondton Venezia wird intensiv aufgehellt und gleichzeitig gepflegt.
LE 4:
Das Blau-Schwarz asiatischer Ebenhölzer
Oder schenken Sie Ihrem Haar tiefes natürliches Blau-Schwarz mit dem neuen Asia.
LE 5:
Jede Nuance von Poly Country Colors verleiht Ihrem Haar die faszinierenden Farben der Natur mit dem intensiven Color-Gel. Für vollendete Haarfarben mit lebendigem Glanz. Nur Poly Country Colors enthält natürliches Bienenwachs und pflegendes Weizenprotein.
LE 6:
Poly Country Colors. Berauschende Farben. Gesundes Haar.
LE 7:
Schwarzkopf
HauptSache schönes Haar.
2.2.2.1 Analyse
Das Produkt: Schwarzkopf Poly Country Colors ist ein Haarpflegeprodukt.
Das Inserat: Es handelt sich um eine farbige, doppelseitige Anzeige. Die linke Seite stellt ein Photo einer weiblichen Person dar, die rechte (befindet sich im Anhang) enthält die textlichen Komponenten. Am Kopf der Seite befindet sich der Produktname. Darunter der beschreibende Anzeigentext.
Bei dieser Kosmetikanzeige handelt sich um einen ganz und gar die Sinne ansprechenden Text, den man der Stilkategorie genus sublime zuordnen kann. Auf die Verwendung von Naturmetaphern bzw. auf deren Bezugsebene weist bereits die Headline „Der Farbrausch der Natur - so vielseitig wie nie" hin. Das Kompositum aus „Farb(en)"und „Rausch" evoziert beim Leser bereits eine Vielzahl von Assoziationen. Der Neologismus periphrasiert diese Assoziationen und stellt gleichzeitig eine Metapher dar. Der Zusatz „so vielseitig wie nie" erhält in Bezug auf die reale Farbvielfalt der Natur fast ironischen Charakter. Verstärkt wird dieser Eindruck zusätzlich durch die folgende Aufzählung und Beschreibung von lediglich drei Farbvarianten des Haarpflegeprodukts. Diese sind jeweils als kleinere Headlines gekennzeichnet und werden anschließend erläutert. LE 2 beginnt mit „Das Rot-Braun der Rotbuche", LE 3 mit „Das Gold reifer Weizenfelder", und LE 4 mit „Das Blau-Schwarz asiatischer Ebenhölzer". Es wird stets eine farbliche Nuance mit einer Erscheinung aus der Natur, in diesem Fall der Pflanzenwelt, in Bezug gesetzt. In den beiden letzteren wird dem Vergleichsbild aus der Natur jedesmal ein Attribut zugeordnet, was weiter zu einer kompletten Bilderzeugung durch die Sinne beiträgt. Die Bilder, die vor dem inneren Auge des Rezipienten entstehen, werden sich im Fall von LE 3 beispielsweise alle um den „goldenen Herbst" drehen. Die Erläuterungen von LE 2 bis LE 4 werden jeweils mit einer Exclamatio eingeleitet: „Erleben Sie jetzt die atemberaubenden neuen Farben von Poly Country Colors.", „Lassen Sie Ihr Haar in faszinierendem Gold-Blond leuchten.", „Oder schenken Sie Ihrem Haar tiefes natürliches Blau-Schwarz mit dem neuen Asia". Dabei geben die Hyperbeln „atemberaubend" und „faszinierend" dem Ganzen einen fast pathetischen Charakter. Das „jetzt" in LE 2 besitzt Aufforderungsfunktion und treibt das Tempo der Anzeige voran. LE 3 ist an Schwulstigkeit nicht mehr zu übertreffen und bedient sich einem Wortlaut, der stark an den kirchlichen Segen erinnert („Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch"). Auffallend sind die häufigen Wiederholungen des Wortes „neu" im gesamten Anzeigentext. Angefangen mit der Exclamatio von LE 2 und dem darauffolgenden Satz „Zum Beispiel Virginia mit der neuen berauschenden Farbenpracht der amerikanischen Rotbuche.", wird in jedem Abschnitt auf die Neuheit des Produktes hingewiesen: „Mit dem neuen Blondton Venezia wird intensiv aufgehellt und gleichzeitig gepflegt.". In der zweiten linguistischen Einheit erkennt man auch eine Paraphrasierung der Headline wieder: Statt von „Farbrausch" ist hier nun von „berauschender Farbenpracht" die Rede. Das Kompositum wurde erneut gesteigert und vermittelt dadurch unverkennbaren Pathos und Enthusiasmus. LE 3 enthält immerhin einige die Qualität des Produktes angehende Merkmale („intensiv aufgehellt", „gleichzeitig gepflegt"). Die spezielle Namengebung der einzelnen Farbpräparate scheint ebenfalls eminent: „Virginia" ist ein Staat im Osten der USA, mit dem der durchschnittlich gebildete Mensch warme Sommer und landschaftliche Vielfalt assoziiert; „Venezia" (Venedig) ist eine Stadt und Provinz in Italien, wobei die Namengebung hier nicht einleuchtend ist; „Asia" ist eine römische Provinz in Westkleinasien, womit der Rezipient einen bestimmten Menschentypus verbindet. Immer wieder wird auf die Verwandtschaft mit der Natur Bezug genommen; das „tiefe natürliche(s) Blau-Schwarz" läßt den Betrachter förmlich in einen Rausch der Farbsinne eintauchen.
LE 5 faßt die herausragenden Eigenschaften des Produktes zusammen. Die bereits genannten Hyperbeln werden um weitere ergänzt: „faszinierenden Farben der Natur", „intensiven Color- Gel", „vollendete Haarfarben", „lebendigem Glanz". Vor allem letztere wir durch Metaphorisierung des ohnehin schon prunkvollen Wortes „Glanz" von etwas Unbelebtem zu etwas Belebtem gemacht und dadurch zunehmend gesteigert. Die letzte Zeile der fünften linguistischen Einheit verspricht die Abgrenzung des Produktes von denen der Konkurrenz:
„Nur Poly Country Colors enthält natürliches Bienenwachs und pflegendes Weizenprotein." Die Natürlichkeit und die pflegenden Merkmale des Gels werden zum wiederholten Mal erwähnt.
Der Slogan von LE 6 dient der Einprägung des Gesagten beim Kunden: „Poly Country Colors. Berauschende Farben. Gesundes Haar." Die Ellipse von „steht für" kürzt den Slogan auf die wesentlichen Eigenschaften des Produktes und Macht ihn so für den Rezipienten augenfälliger. Außerdem wird ein weiterer erstrebenswerter Umstand genannt: das Produkt hat den Anspruch, für die Gesundheit des Haares zu sorgen.
Mit der letzen linguistischen Einheit erscheint der Firmenname zusammen mit dem Firmenmotto: Schwarzkopf/ HauptSache schönes Haar." Die Typographie läßt bereits auf Polysemie des Begriffes schließen. Gemeint ist das Haar auf dem Haupt, also auf dem Kopf, und der Schwerpunkt liegt auf dem Erreichen von schönem Haar durch das vorgestellte Haarpflegeprodukt.
Der Werbetexter versucht, den Leser durch Erregung seiner Leidenschaften und Sinne zu bewegen (movere) und ihn durch das Hervorrufen angenehmer Assoziationen zum Kauf des Werbegegenstandes zu verführen.
2.2.3 Zusammenfassung
Die behandelten Anzeigen aus dem Gesundheits- und Kosmetikbereich weisen wie diejenigen aus dem Technikbereich eine Vielzahl von Tropen auf. Besonders bei Kosmetikanzeigen wird teilweise mit überstrapazierten, weil oft vorkommenden, Figuren und Bildern gearbeitet, die den Anzeigentext zu einem schwülstigen und unter Umständen weniger glaubwürdigen Etwas verkommen lassen. Durch den zahlreichen Einsatz von Hyperbeln entsteht ein maßlos übertriebener, dem Produkt nicht mehr angemessener Text. Trotzdem wirbt die Mehrheit der Kosmetikfirmen auf diese Art und Weise. Selten werden medizinische Erklärungen für die Tauglichkeit des Produktes gegeben. Falls dies dennoch der Fall ist, wirkt die Anzeige weniger ansprechend und erzielt daher nicht die beabsichtigte Wirkung. Um die jedoch zu erreichen, mußder Werbetexter sich neue Varianten der Präsentation einfallen lassen, die aber in der bisherigen Werbebranche nicht oder nur kaum Realisierung erfahren.
3. Schlußbemerkung
Die Analyse der Anzeigentexte hat gezeigt, daßder Einsatz rhetorischer Stilmittel die Konzeption der Inserate positiv, aber auch negativ beeinflussen kann. Deutlich wurde vor allem aber die Notwendigkeit dieser Mittel. Inwieweit der Text dadurch dem Publikum oder dem Produkt angemessen wird, hängt von der mehr oder weniger sparsamen Verwendung der Tropen bzw. der Stilkategorien ab. Entsteht ein ideales Gleichgewicht zwischen diesen Komponenten ist ein wichtiger Schritt in Richtung Erfolg getan. Der übertriebene Einsatz rhetorischer Mittel führt bei wiederkehrender Anwendung auf Abstumpfung beim Leser; die Anzeige kann sich auf Dauer nicht von denen der Konkurrenz abheben und das Produkt wird absatzunfähig.
Zu den am häufigsten verwendeten Tropen gehört immer noch die Metapher. Sie stellt ein beliebtes Mittel dar, um den Text aufzulockern und ihn somit einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Während Boulevardzeitschriften oder Wochenmagazine sich eines eher breiten Spektrums rhetorischer Stilmittel bedienen, lassen Anzeigen von Fachzeitschriften dieses missen. Sie beschränken sich auf das Wesentliche und stehen unter dem Motto des Mediums, in dem der Text veröffentlicht wird. In dem besprochenen Beispiel kam zusätzlich hinzu, daßes sich hierbei nicht um die Hervorhebung eines bestimmten Produkts handelte. Vielmehr wurde versucht, den Leser für die Firmenidee insgesamt zu interessieren. Intendiert wurde dabei eine sich positiv entwickelnde Einstellung auch zu bestimmten Produkten des Herstellers. Wie eine Werbebotschaft sich auf den Empfänger auswirkt, hängt letztendlich auch von der Einstellung des Rezipienten ab. Wird er beispielsweise ständig von einer Werbeflut überrollt oder kommt er nur selten mit der Branche in Berührung? Wie empfänglich ist er zu bestimmten Tageszeiten? Nimmt er die Anzeigen bei der morgendlichen Lektüre einer Tageszeitung anders auf, als das Schmökern in einer Boulevardzeitschrift am Abend? Diese Kriterien konnten in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt werden. Sie stellen aber ebenfalls eine wichtige Komponente in dem Kommunikationsprozeßzwischen Produzent und Konsument dar.
4. Literaturverzeichnis
Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden. 19., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 24. Mannheim: F. A. Brockhaus GmbH, 1994.
Heiz, André: Wie argumentiert Werbung. Zur verbalen und imaginalen Konzeption von Werbebotschaften. Rhetorik der Codes, Analyse und Methodendiskussion. München: Verlag Ölschläger GmbH, 1978.
Kaiser, Andreas: Werbung. Theorie und Praxis werblicher Beeinflussung. Mit Beiträgen von Gerold Behrens (...). WiST Taschenbücher. München: Verlag Franz Vahlen GmbH, 1980.
Obermaier, Ernst: Grundwissen Werbung. Zielgruppen, Ideenfindung, Konzeption, Werbemitel, Text, Layout, Etat, Abwicklung, Erfoglskontrolle. Heyne Kompaktwissen Nr. 22/203. München: Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, 1988.
Plett, Heinrich F.: Einführung in die rhetorische Textanalyse. 8. Aufl. Hamburg: Helmut Buske Verlag GmbH, 1991.
Ueding, Gert/Steinbrink, Bernd: Grundrißder Rhetorik. Geschichte. Technik. Methode. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Weimar: Verlag J. B. Metzler, 1994.
Wehner, Christine: Überzeugungsstrategien in der Werbung. Eine Längsschnittanalyse von Zeitschriftenanzeigen des 20 Jahrhunderts. Studien zur Kommunikationswissenschaft, Bd. 14. Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, 1996.
5. Anhang
[...]
1 Brockhaus Enzyklopädie. Artikel „Werbung", S.66. Mannheim, 1994.
2 Heiz, André: Wie argumentiert Werbung. München, 1978. S. 21.
3 Heiz: S. 32.
4 Heiz: S. 33
5 aus: Freundin. Nr. 21/98. München: FMC Magazin Verlag GmbH.
6 aus: Die Zeit. Magazin. Nr. 44, 22. Oktober 1998. Hamburg: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co.
7 Obermaier, Ernst: Grundwissen Werbung. München 1988.
8 aus: foglio. Seiten der Sinne. Nr. 3 Herbst 1998. Köln: Foglio Medien GmbH.
9 aus: Die Zeit. Nr.44, 22. Oktober 1998.
10 aus: Freundin. Nr. 21/98. München: FMC Magazin Verlag GmbH.
- Arbeit zitieren
- Daniela Groß (Autor:in), 1998, Rhetorik in der Anzeigenwerbung - Eine Untersuchung zur rhetorischen Stilistik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94742