Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Vorstellung der Einrichtung
2.1 Sozialraum, Räumlichkeiten und Gruppen
2.2 Pädagogischer Ansatz der Einrichtung
2.3 Mitarbeitende und Vorstellen des eigenen Tätigkeitsfelds
3. Theoretische Hintergründe
3.1 Bindung als Basis
3.2 Charakteristika, Funktionen und Faktoren von Beziehungsgestaltung
3.3 Erziehungs- und Bildungspartnerschaft
3.4 Konzept der offenen gestalteten Pädagogik
3.5 Konsequenzen für die Beziehungsgestaltung in Kindertagesstätten
4. Reflektion und Praxisbezug
4.1 Beziehungsgestaltung und Beziehungsaufrechterhaltung
4.2 Elternarbeit
5. Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eine positive Beziehung ist als grundlegendstes Mittel für die pädagogische Arbeit zu sehen. Daher nimmt eine anerkennende und gelingende Beziehungsgestaltung einen äußerst hohen Stellenwert in der Praxis ein. Allerdings ändert sich die Funktion einer professionellen Beziehung auch je nach institutionellem Auftrag - an dieser Stelle soll es um die Institution der Kindertagesstätte gehen. Hier steht klar die Befähigung des Kindes zu einem eigenständigen Individuum im Vordergrund und die Grundbausteine dafür werden gelegt (vgl. Riegler 2016, S. 143ff.).
Dabei ist zu beachten, dass Kindertagesstätten stets in Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel zu sehen sind. Sie müssen sich sowohl mit diesem auseinandersetzen als auch nach ihm richten. So werden für die pädagogische Arbeit etwa Defamilialisie- rungsprozesse relevant. Diese fordern durch die erhöhte Berufstätigkeit der Frauen eine verstärkte U3-Betreuung, was etwa längere Betreuungszeiten mit sich bringt. Bildung und Erziehung werden damit vermehrt in staatliche Institutionen verlagert und Kindertagesstätten müssen sich zunehmend als Bildungseinrichtungen wahrnehmen. Um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können, ist eine stetige Reflexion und Überarbeitung pädagogischer Konzepte notwendig - unter diesen Gesichtspunkten ist auch die Einführung der offen gestalteten Pädagogik zu sehen. Diesem sehr jungen Konzept stehen Eltern jedoch oft sehr unsicher und ängstlich gegenüber, da sie befürchten, dass die Erzieherinnen keinen Überblick über das Kind behalten könnten und dementsprechend die Beziehungsgestaltung darunter litte,. Die aktuelle Fachdiskussion ist stark von dieser Thematik geprägt (vgl. Oel- kers 2012, S. 157ff.). Daher soll die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sich dies zum Gegenstand machen und lauten: „Welche Herausforderungen ergeben sich aus der offen gestalteten Pädagogik für die Beziehungsgestaltung und wie sind diese zu bewältigen?“. Um eine präzise Antwort auf diese Frage geben zu können, soll eine Kindertagesstätte, welche erst seit Anfang des Jahres nach diesem Konzept arbeitet, als Beispiel dienen. Da ich selbst nun seit zwei Jahren einmal wöchentlich in dieser Einrichtung tätig bin kann ich an dieser Stelle einen detailreichen Einblick schildern, welcher ebenso den Prozess der Umstellung sowie den Unterschied zu der vorherigen Arbeitsweise darstellt.
Die vorliegende Arbeit wird sich aufgrund dessen in vier Teile gliedern. Vorerst erfolgt eine Vorstellung der Kindertagesstätte, um einen Einblick in die äußeren Gegebenheiten und die Gestaltung der Einrichtung zu erlangen. Derweil werden auch der pädagogische Ansatz, die personelle Situation und eine genauere Beschreibung meines Tätigkeitsfeldes erfolgen. Der zweite Teil soll als theoretische Basis dienen, welcher erörtert, welche Anforderungen die Beziehungsgestaltung in der offenen Pädagogik mit sich bringt und damit den ersten Teil der Frage beantwortet. Dafür wird zunächst aufgezeigt, weshalb Bindung und Beziehungsgestaltung solch einen erheblichen Teil in der pädagogischen Praxis ausmachen und wie es am besten gelingt, eine pädagogische Beziehung aufzubauen. Der nächste Teil widmet sich der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft und erklärt, weshalb sie im Lichte der Beziehungsarbeit ebenfalls bedeutend ist. Daran anschließend erfolgt eine Darstellung der offen gestalteten Pädagogik. Da an dieser Stelle lediglich die einzelnen Teilbereiche genauer ausgeführt worden sind, werden nun die Konsequenzen und Herausforderung aus alledem für die Beziehungsgestaltung in der offenen Arbeit gezogen. Damit ist die Basis für den dritten Teil geschaffen und es kommt zur Reflektion sowie den damit einhergehenden Bezug zur Praxis. Wie die Herausforderungen zu bewältigen sind, wird beantwortet. Zum Schluss werden die Erkenntnisse im letzten Teil noch einmal knapp zusammengefasst und es wird ein kurzer Ausblick gegeben.
2. Vorstellung der Einrichtung
2.1 Sozialraum, Räumlichkeiten und Gruppen
Die evangelische Tageseinrichtung für Kinder befindet sich auf der XY in XY. Der Stadtteil XY ist ein innerstädtisches, dichtbebautes Wohngebiet, dessen Zentrum, die ihn durchziehende XY, bildet. Nicht zuletzt weist der Stadtteil durch diese Einkaufsstraße eine hohe Dichte an Dienstleistungsangeboten sowie Bildungs- und
Gesundheitsangeboten auf. Auch liegt Pempelfort unmittelbar nördlich der XY Innenstadt und ist aus allen Richtungen gut zu erreichen. Durch diese zentrale Lage sind die Wege zu Museen, Musikschulen, Theater, Oper und Sportvereinen kurz. Wichtig zu nennen ist ebenfalls, dass der Stadtteil darüber hinaus zahlreiche größere und kleinere Spielplätze sowie Grünanlagen bietet. So grenzt er auch an den XYgarten und die XYwiesen an.
Die Einrichtung selbst wurde im Jahr 2018 umgebaut und wird erst seit Februar 2019 wieder genutzt. Sie ist Montag bis Donnerstag von 7.30 bis 16.45 Uhr sowie Freitag von 7.30 bis 15.30 Uhr geöffnet. Die Schließungstage belaufen sich auf maximal 25 im Jahr. Diese setzen sich einerseits aus Konzeptionstagen und andererseits aus Schließungszeiten in den Sommerferien und am Jahresende zusammen. Die Kindertagesstätte bietet Platz für 62 Kinder, welche sich auf eine Familiengruppe (DF) mit Kindern im Alter von 4 Monaten bis 6 Jahren, eine T1-Gruppe mit Kindern im Alter von 2 bis 6 Jahren und eine T3-Gruppe mit Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren verteilen. Räumlich erstreckt sich die Einrichtung auf zwei Etagen. Im Erdgeschoss befindet sich die Familiengruppe mit einem Hauptraum, zwei Nebenräumen und dazugehörigem Schlafraum. Der große Nebenraum der Familiengruppe wird von 7.30 bis 9.30 Uhr und von 11.30 bis 13.30 Uhr parallel als Kindercafé genutzt. Zudem sind in dem unteren Bereich auch Waschraum und Wickelbereich zu finden. Da die Einrichtung seit dem Umbau die offen gestaltete Pädagogik lebt, gliedern sich die Räumlichkeiten in der ersten Etage nicht mehr in Haupträume und Nebenräume, sondern nunmehr in Funktionsräume. So finden sich hier etwa ein Kreativ-, Rollenspiel-, Kon- struktions-, Literacy/Gesellschaftsspiel-, Forscher-, Wasch-, Wickel- und Schlafraum. In der zweiten Etage befindet sich lediglich ein Mehrzweckraum, welcher beispielsweise zum Turnen genutzt wird. Darüber hinaus bietet die Einrichtung ein großes Außengelände. In einem schattigen und abwechslungsreich gestalteten Innenhof befinden sich für die Kinder zahlreiche Möglichkeiten für sowohl ruhigere als auch energiegeladenere Aktivitäten.
2.2 Pädagogischer Ansatz der Einrichtung
Der pädagogische Ansatz der Einrichtung steht ganz unter der Devise „Hilf mir es selbst zu tun“. Denn letzten Endes gilt - das Kind ist Akteur seiner Entwicklung. Wie im vorherigen Teil bereits angeschnitten, lebt die Einrichtung die offen gestaltete Pädagogik. Diese mit dem Umbau eingetretene „Umstellung“ beruht nicht zuletzt auf dem gerade genannten Leitspruch. Sie soll der Unterstützung des Kindes dienen, damit es seine individuellen Interessen und Begabungen entdecken und entfalten kann. Im Rahmen der offen gestalteten Pädagogik werden dem Kind Räume, Material, Zeit und Unterstützung zur Verfügung gestellt, damit dieses sein ganzes Potential voll ausschöpfen kann. Nach einem gemeinsamen Morgenkreis können sich die Kinder entscheiden, in welchem Raum sie den Tag verbringen wollen. Selbstverständlich besteht hier auch die Möglichkeit eines stetigen Wechsels oder aber in Absprache mit einem Erwachsenen den Außenbereich zu nutzen. Alle interessierten Kinder des Hauses können dieses Angebot wahrnehmen. Indes ist es den Mitarbeitern ebenfalls wichtig, dass die Kinder sich als Teil einer Gemeinschaft erleben können und die Vielfältigkeit einer Gruppe kennen lernen. Entwicklung von Eigeninitiative, Gemeinschaftsaktionen und Projekte der Kinder werden gefördert und im Alltag umgesetzt. Als besonderes Angebot der Einrichtung, welches in einem dreijährigen Turnus stattfindet, gilt die spielzeugfreie Zeit. Alles vorgefertigte Spielzeug wird für drei Monate in den Keller geräumt und die Kinder spielen und basteln mit wertfreiem Material. Sie gestalten ihren Kindergartentag ganz selbstständig, ohne Anregungen des pädagogischen Personals. Dabei gewinnen die Kinder an Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Selbstwirksamkeitsüberzeugung.
All dies geschieht unter Berücksichtigung des Beteiligungs- und Mitbestimmungsrecht der Kinder. Wie bereits beschrieben, können die Kinder ihren Aufenthaltsort sowie ihr dortiges Handeln frei wählen. Das Einüben von Mitbestimmung fängt ebenfalls schon bei den jüngsten Kindern in der Familiengruppe an. Sie werden gefragt, wer sie wickeln darf und Mimik sowie Gestik der Zustimmung beziehungsweise Abneigung entsprechend wahrgenommen und respektiert. Zudem gibt es in der Einrichtung einen von Kindern gewählten Kinderbeirat. In diesem ist jede Altersstufe ab zwei Jahren mit jeweils zwei Kindern vertreten. Treffen mit der Leitung finden regelmäßig statt. Dabei werden alle Belange des Kindergartenalltags besprochen und die Kinder können sowohl Wünsche als auch Kritik äußern. Viermal im Jahr finden außerdem Kinderkonferenzen statt. Dort werden anstehende Feste und Projekte besprochen sowie vorbereitet. Weitergehend werden die Kinder in regelmäßigen Abständen zu ihrem Wunschessen befragt und die Wünsche werden von der Köchin einmal wöchentlich umgesetzt. Darüber hinaus werden die Kinder, genauso wie die Eltern, jährlich in einer Kinderbefragung nach ihrer Meinung gefragt.
2.3 Mitarbeitende und Vorstellen des eigenen Tätigkeitsfelds
Das pädagogische Team der Kindertagesstätte setzt sich aus Erzieher*innen, Sozialpäda- gogen*innen, Kinderpfleger*innen und Mitarbeiterinnen in der praxisintegrierten Ausbildung zusammen. Einige der Mitarbeitenden arbeiten zwar in Teilzeit, mit insgesamt 12 Beschäftigten ist das Team jedoch recht gut aufgestellt. Das Team wird darüber hinaus durch eine ausgebildete Köchin unterstützt.
Meine Tätigkeit in dieser Einrichtung umfasst 22 Stunden pro Monat und beläuft sich damit auf einen Arbeitstag pro Woche. Dadurch gestaltet sich die Arbeit sehr flexibel und das Tätigkeitsfeld ließe sich wohl am besten mit den Bezeichnungen Springer- sowie Ergänzungskraft umreißen. Im Alltag entlaste ich Mitarbeiter beispielsweise für Vorbereitungszeit oder Angebote, springe im Krankheitsfall ein, begleite Ausflüge oder aber diene als Pausenablösung. Damit manifestiert sich meine Funktion als äußerst situationsgebunden und eine Handlung erfolgt nach Bedarf . Die Arbeitszeit beginnt in der Regel um 8.30 Uhr und endet um 14.00 Uhr, bei Engpässen kann diese nach Absprache allerdings auch länger ausfallen. Damit begleite ich grundlegende Alltagssituation, wie etwa die Frühstückssituation, das Freispiel im Vormittagsbereich, das Mittagessen oder auch die Ruhezeit. Damit fällt lediglich der Nachmittagsbereich aus meinem Tätigkeitsfeld. Doch auch hier gilt - je nach Bedarf. Es lässt sich jedoch tendenziell festhalten, dass ich mich vorwiegend in der ersten Etage befinde und dort an den jeweiligen Arbeitstagen verschiedene Funktionsräume übernehme. Ausschließlich für die Mittagssituation bin ich regelmäßig im unteren Bereich, wobei ich allerdings auch überwiegend die Kinder aus der ersten Etage begleite.
3. Theoretische Hintergründe
3.1 Bindung als Basis
Wie bereits zu Beginn dargestellt, wird es an dieser Stelle zunächst um den Bindungsbegriff im Allgemeinen gehen, da das Verständnis dessen als Grundlage für die Beziehungsgestaltung gesehen werden kann. Da sich diese Arbeit der Beziehungsgestaltung in Kindertagesstätten widmet, wird derweil immer wieder ein Bezug zum pädagogischen Kontext hergestellt. Indes erfolgt nun vorerst eine allgemeingültige Definition der Begrifflichkeit. Auf Basis dessen wird aufgezeigt, welchen Stellenwert Bindung hat und weshalb sie von solch hoher Bedeutung ist. Im Anschluss werden die Bindungstheorie und deren Relevanz für die Praxis anhand zwei maßgebender Theoretiker grob umrissen.
Clauß definiert Bindung wie folgt: „Bindung ist eine enge emotionale Beziehung zu jemanden, von dem man sich angezogen fühlt und als abhängig erlebt. Die Entwicklungspsychologie versteht unter Bindung die emotionale Beziehung eines Kleinkindes zu seinen Eltern oder ständigen Betreuungspersonen“ (1995, S. 41). Hervorzuheben ist an dieser Stelle ebenfalls, dass Clauß auch von ,ständigen Betreuungspersonen‘ spricht und damit ebenfalls pädagogische Fachkräfte einbezieht. Zudem geht aus dieser Definition bereits zweierlei hervor. Einerseits die starke Emotionalität, die hier involviert ist, und andererseits zeigt der Begriff der ,Abhängigkeit‘ auf, dass das Kind auf die jeweilige Bezugsperson angewiesen ist. Damit steht die Entwicklung des Kindes unmittelbar in Zusammenhang mit der Bindungsqualität zu seinen jeweiligen Bezugspersonen, vor allem im Kleinkindalter. Die Bedeutung einer stabilen und gesunden Bindung zu den Bezugspersonen für Entwicklungsprozesse wird schon hier deutlich. Darüber wie genau die Entwicklung und die Bindung eines Kindes im Zusammenhang stehen, gibt die Bindungs-ExplorationsWippe Aufschluss. Laut dieser stehen das Bindungsverhaltenssystem und das Explorationsverhaltenssystem in engem Zusammenhang. Die beiden Systeme wirken komplementär zu einander. In unsicheren Situationen etwa wird das Bindungssystem aktiviert und in sicheren Situationen das Explorationsverhalten. Eine sichere Basis ist damit Voraussetzung für Lernerfahrungen und somit wesentliche Entwicklungsprozesse des Kindes (vgl. Jungmann et al. 2011, S. 18).
Um nun kindliches Bindungsverhalten und deren Entwicklung genauer verstehen zu können, werden die für die Bindungstheorie maßgebenden Theoretiker John C. Bowlby und Mary Ainsworth hinzugezogen. Vorab wird auf die Entwicklung der sozial-emotionalen Bindung nach Bowlby eingegangen, um darauf aufbauend die vier verschiedenen Bindungstypen nach Ainsworth darzustellen.
Nach Bowlby entwickelt sich die sozial-emotionale Bindung in vier Phasen. Der Vorphase, welche von der Geburt bis zum dritten Lebensmonat reicht, der Phase der personalunterscheidenden Ansprechbarkeit, vom dritten bis zum siebten Lebensmonat, der Phase der eigentlichen Bindung, ab dem siebten oder achten Monat sowie ihren Höhepunkt zwischen dem zwölften und achtzehnten Monat erreichend und zuletzt der Phase der zielkorrigierten Partnerschaft, welche ab dem dritten Lebensjahr eintritt. Hervorzuheben ist zunächst, dass das Alter je nach Kind variieren und nicht auf eine genaue Zahl festgelegt werden kann. Das Alter gilt in diesem Fall mehr als eine Art Richtwert. Lediglich die drei letzten Entwicklungsphasen fallen nun in den Bereich einer Kindertagesstätte. Da diese jedoch bereits eine ganze Reihe an Anforderungen für die pädagogische Fachkraft beinhalten, erfolgt im Folgenden eine genauere Darstellung der wesentlichen Aspekte. In der Phase der personalunterscheidenden Ansprechbarkeit richtet sich das Kind mit Signalen, wie Lauten, an Menschen, die ihm das Gefühl von Nähe und Sicherheit geben. In der Phase der eigentlichen Bindung zeigt sich nun Ablehnung bis offensichtliches Fremdeln, wenn die Bezugsperson nicht in der Nähe ist. Unsicherheit und Ängstlichkeit sind die Folge - die primäre Bezugsperson ist zum Zentrum der Welt des Kindes geworden. Die letzte Entwicklungsphase, die der zielkorrigierten Partnerschaft, umfasst nun mit ihrer Altersspanne einen wesentlich größeren Teil. Allerdings steht der Fokus der dargestellten Inhalte auch hier wieder in Bezug zu der Altersgruppe der Kindertagesstätte. Für eine weitere Spanne kann in diesem Fall ebenfalls die angeführte Quelle Aufschluss geben. Das Kind nimmt sich mit dem Alter von drei Jahren zunehmend als eigene Person wahr und erlangt ein erstes großes Stück Selbstständigkeit. Körperkontakt und sprachlicher Austausch sind elementar. Zudem beginnt das Kind nun kognitiv damit, die Bedürfnisse der Bezugspersonen zu verstehen, weshalb man auch von der Phase der zielkorrigierten Partnerschaft spricht. Im Vorschulalter braucht das Kind zwar immer noch eine beständige Beziehung, jedoch reicht hier auch eine funktionale Bindungsbeziehung der Fachkraft gegenüber aus. Körperkontakt und sprachlicher Austausch sind zwar weiterhin wichtig, gemeinsame Erlebnisse gelten jedoch ebenso als wichtige Form der Zuwendung (vgl. Bowlby 2006, S. 256ff.). Das Wissen um die verschiedenen Charakteristika dieser Entwicklungsphasen ist für die pädagogische Fachkraft nun von hoher Bedeutung, um entsprechend agieren zu können. Sensibel für die einzelnen Bedürfnisse der Kinder innerhalb einer Gruppe zu sein bedeutet auch, spezifischen Anforderungen an bestimmte Situationen gerecht werden zu können, wie etwa für die Eingewöhnung, um nur ein Beispiel zu nennen.
Wie bereits eingangs erwähnt, werden nun die verschiedenen Bindungstypen nach Mary Ainsworth dargestellt. Diese werden durch den fremde Situationstest‘ erfasst. Die Altersspanne umfasst hier lediglich 12-24 Monate alte Kinder, jedoch gibt es auch entsprechende Tests für andere Altersgruppen, wie dem angeführten Werk zu entnehmen ist. Der Test gestaltet sich in einer Abfolge von je dreiminütigen Episoden, welche sich durch unterschiedlich gestaltete Trennungsmomente von der Mutter kennzeichnen. Diese wechselnden Situationen mit wechselnden Bedingungen sind entscheidend. Die Bindungsqualität hängt nämlich von dem Verhalten des Kindes zum Zeitpunkt der Trennung und des Wiedersehens ab sowie der Feinfühligkeit, Verfügbarkeit und Vorhersagbarkeit der Reaktionen der Bezugsperson. In solch belastenden Situationen zeigen Kinder das Bindungsverhalten und vier Bindungstypen kristallisieren sich heraus: Die unsicher-vermeidende Bindungsqualität A, die sicher gebundene Bindungsqualität B, die unsicher ambivalente Bindungsqualität C und zuletzt die desorganisierte Bindungsqualität D (vgl. Albrecht 2015, S. 166). Die Merkmale dieser verschiedenen Bindungstypen noch weiter auszuführen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Jedoch bietet auch in diesem Fall die angeführte Quelle weitere Informationen zu dieser Thematik. Für die pädagogische Fachkraft kann das Wissen über die verschiedenen Kennzeichen von hoher Bedeutung sein. Ein Kind, das ein nicht gesundes Bindungsverhalten aufweist, bedarf teils einer besonderen Zuwendung. An dieser Stelle kann der*die Erzieher*in kompensatorisch wirken oder bei Bedarf weitere Schritte einleiten. Weitergehend kann solch ein Wissen über das Verhalten während einer Trennung etwa bei der Eingewöhnung äußerst wertvoll sein.
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