Pornographie und Jugendschutz


Seminararbeit, 1997

8 Seiten


Leseprobe


Pornographie ist ein Begriff des Strafgesetzbuches, wird aber in der öffentlichen Diskussion oft synonym verwandt für jegliche mediale Darstellungen von Sexualität. Ob es sich aber lediglich um erotische Darstellungen (,,Erotographie"), gar Kunst oder wirklich um Pornographie handelt, muß - problematisch genug - im Einzelfall geklärt werden.

Die öffentliche Diskussion über Pornographie im Fernsehen ist noch immer nicht zu einem Ergebnis gekommen. Neben den Problemen der eindeutigen Definition von Pornographie bleibt auch das Problem, Aspekte der Darstellung von Sexualität für den Jugendschutz zu formulieren.

Es gibt bis heute kaum gesicherte Erkenntnisse, wie gut oder auf welche Weise Kinder mit Darstellungen von Gewalt oder Sexualität umgehen. Zwar ist ein Schutz der Jugend vor harter Pornographie ohne Zweifel notwendig, auf der anderen Seite muß jedoch auch eine Kompetenz zum Umgang mit den Medien ausgebildet werden.

Darüber hinaus bleibt zu diskutieren, wieso einem erwachsenen Menschen der Zugang zu Porno- bzw. Erotographie verwehrt werden kann, vor allem auch, wenn durch verschlüsselte Sendungen, Pay-TV und V-Chips der Zugang von Kindern zu diesen problematischen Programminhalten so gut wie ausgeschlossen bleibt.

Natürlich muß es Einschränkungen in einem gewissen Grade geben; pornographisches Material mit Kindern oder Tieren ist verboten, und dieses Verbot gründet sich auf einem breiten Konsens der Moralvorstellungen aller. Die Frage, die bleibt, ist, wo eine Grenze gezogen wird; da sich Einstellungen zu bestimmten Dingen jedoch fortlaufend wandeln, muß diese Grenze andauernd hinterfragt werden.

Der Begriff ,,harte Pornographie" ist gesetzlich ausdrücklich geregelt. Darbietungen solcher Art., d.h. pornographische Darstellungen, die Gewalttätigkeiten, sexuellen Mißbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zeigen, unterliegen einem Herstellungs- und Verbreitungsverbot.1

Die ,,einfache" Pornographie wird unterschiedlich definiert. Dennoch sind Sendungen im deutschen Rundfunk (zu dem ja auch das Fernsehen gehört) ,,unzulässig, wenn sie pornographisch sind (§ 184 StGB)."2. Diese Art der Pornographie darf zwar z.B. in Videotheken einem erwachsenen Publikum angeboten werden, jedoch auch zwischen 23 und 6 Uhr nicht gesendet werden. Dies dient neben dem Jugendschutz auch dem Schutz Erwachsener vor unverlangter Konfrontation mit Pornographie.

Unzulässig sind darüber hinaus auch Sendungen,

- die zum Rassenhaß aufstacheln oder grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer verherrlichenden, verharmlosenden oder die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen,
- die den Krieg verherrlichen,
- die offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden.3

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), eine Einrichtung der privaten

Fernsehanbieter, befindet darüber hinaus auch noch Sendungen unzulässig,

- die physische und sonstige Gewalt zur Durchsetzung sexueller Interessen befürworten;
- die Vergewaltigungen als lustvoll für das Opfer erscheinen lassen,
- der Gesamttendenz nach ein Geschlecht degradieren oder
- in erheblichem Umfang Darstellungen enthalten, die Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung degradieren.4

Der Gesetzgeber hat bewußt auf eine Legaldefinition des Begriffes Pornographie verzichtet. So regelt das Gesetz lediglich die Verbreitung pornographischer Erzeugnisse, was aber konkret unter Pornographie zu verstehen ist, wird der Rechtsprechung überlassen. Diese ist aber geprägt vom gesellschaftlichen Diskurs über Sexualität und Pornographie, in dem sich Norm- und Wertvorstellungen einer bestimmten Zeit zeigen. Die Kriterien, nach denen Pornographie beurteilt wird, sind also nicht werkimmanent, sondern vor allem moralisch gefärbte Bewertungen. Diese Bewertungen unterliegen einem stetigen Wandel und müssen deswegen immer neu diskutiert werden, auch damit die Rechtsprechung sich an der öffentlichen Diskussion orientieren kann5

Nach der herrschenden Rechtsprechung ist eine Darstellung dann pornographisch, wenn sie unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf die Aufreizung des sexuellen Triebes beim Betrachter abzielt sowie dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes eindeutig überschreitet.6 Problematisch an dieser Definition sind insbesondere die Begriffe ,,gesellschaftliche Wertvorstellungen" und ,,sexueller Anstand", die zu unbestimmt sind, um eine klare Abgrenzung zu bieten.

Der Versuch, den Pornographiebegriff teleologisch auszulegen - das heißt, daß, wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen geht, auch Darstellungen, die zum Beispiel eine entwürdigende Einstellung zum anderen Geschlecht oder eine Überbewertung der Sexualität zum Inhalt haben oder die Sexualität mit Angst-, Ekel- oder Schamgefühlen besetzen, als pornographisch gelten - ist problematisch.

Abgesehen davon, daß mit der Begrifflichkeit von ,,entwürdigenden Einstellungen" oder ,,Überbewertungen" auch keine klaren Kriterien zur Abgrenzung von Pornographie geschaffen werden, kann es bei einer juristischen Bewertung nur auf den Inhalt der Darstellung ankommen, nicht aber auf die Begleitumstände. Der pornographische Charakter muß in dem Erzeugnis selbst liegen; Zweck der Verwendung oder der Konsumentenkreis sind juristisch bedeutungslos.7

Anders als die Zielgruppe spielt der Kontext, in den die fragwürdigen Darstellungen eingebettet sind, schon eine Rolle. Auch wenn einzelne Darstellungen isoliert betrachtet pornographisch sein können, ist vielmehr der Gesamtcharakter des Werkes entscheidend. Zu berücksichtigen ist neben einer etwaigen Rahmenhandlung auch, ob vielleicht eine Schrift im Bild die Darstellung ihres pornographischen Charakters befreit (z.B. in Aufklärungsfilmen, wobei der vorgegebene Zweck nicht bloß als Alibi herhalten darf). Die gleichen Szenen können somit auch in einer Umgebung unbedenklich erscheinen, in einer anderen jedoch sehr wohl pornographisch sein.8

Ob eine Rahmenhandlung die Darstellung sexueller Handlungen kausal rechtfertigt oder ob diese Rahmenhandlung nur der Aneinanderreihung von sexuellen Interaktionen zwischen verschiedenen Protagonisten dient und dem Ablenken von einer ,,Selbstzweckhaftigkeit", ist oft nicht eindeutig zu beantworten. Schlechte Schauspieler, ein dürftiger Plot, triviale oder geschmacklose Dialoge machen einen Film vielleicht schlecht, aber nicht auch unbedingt pornographisch. Auch im Jugendschutz dürfen nicht Wirkungs- und Geschmacksbetrachtungen vermischt werden.

In der Bewertung der Rahmenhandlung liegt also ein weiteres Problem bei der Beurteilung, ob Filme pornographisch sind oder nicht.

Gemeinsam ist fast allen Definitionen von Pornographie, daß es um die explizite Darstellung von Sexualität geht, die die genossene Lust zum Ausdruck bringt, und dabei die Genitalien in Erscheinung treten läßt.9 Viele Definitionen führen daneben noch den Aspekt an, daß Pornographie (auch im Gegensatz zur Erotographie) immer Momente aufweist, in denen ein Partner, eine sexuelle Orientierung oder ein Geschlecht degradiert werden.

Um den Pornographiebegriff in Fragen der Rechtsprechung oder des Jugendschutzes handhabbar zu machen, wird er entsprechenden Anforderungen angepaßt und ist damit interessenbestimmt. Die Kriterien für Pornographie entwickeln sich also nicht historisch aus dem Genre selbst, sondern entstehen aus allgemeinen, widerstreitenden Normen und Werten.10

Jugendschützer der Landesmedienanstalten beschreiben eine Darstellung als ,,pornographisch", wenn sie in grober und in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradiert oder mit anderen Worten: wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und die Gesamttendenz nach ihrem objektiven Gehalt ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse an sexuellen Dingen abzielt.11

Von ihnen werden auch noch weitere Aspekte angeführt, unter denen sexuelle Darstellungen untersucht werden können. Zum Beispiel, ob auf der Darstellungsebene das Handlungsgerüst lediglich die Funktion hat, möglichst viele Szenen sexuellen Inhalts zu beschreiben und aufeinanderfolgen zu lassen bzw. ständig wechselnde Sexualpartner zusammenzuführen (Selbstzweckhaftigkeit), ob die Darstellung die Funktion hat, den Zuschauer sexuell zu stimulieren oder ob das gewählte Szenarium Nähe zur Lebens- und Erfahrungswelt von Jugendlichen hat oder nicht.

Nach Meinung der Jugendschützer kann der jugendliche Zuschauer in seiner Entwicklung zu einer sexual- und sozialethisch verantwortungsvollen Persönlichkeit durch Darstellungen gestört werden, die zum Beispiel Promiskuität und Prostitution verharmlosen oder verherrlichen, die den Eindruck erwecken, das menschliche Leben sei ausschließlich auf Sexualgenuß zentriert, oder die den Geschlechtsakt unter Aussparung des emotional-geistigen Bereiches auf einen rein technischen Vorgang reduzieren.

Werde Sexualität mit Gewalt kombiniert, zum Beispiel indem eine Vergewaltigung als vom Opfer provoziert oder gar als lustvoll empfunden dargestellt werde, bestehe die Möglichkeit der Herausbildung einer Akzeptanz gegenüber solchen Straftaten, einer Verankerung von Vorurteilen dem Opfer gegenüber oder eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt in der Sexualität oder generell beim jugendlichen Zuschauer.12

Anders als bei der Gewaltwirkungsforschung gibt es im Bereich der Wirkung von sexuellen Darstellungen bisher nur wenige Untersuchungen.

Dies hängt natürlich auch damit zusammen, daß es nicht im Sinne des Jugendschutzes ist, Jugendliche mit pornographischen Filmen zu konfrontieren. Insofern bewegen sich viele Befürchtungen des Jugendschutzes im Hinblick auf die Wirkung von Sexualdarstellungen auf Spekulationsebene.13

Ein Ergebnis dieser Untersuchungen ist, daß die in den 50er- Jahren in den USA entstandene Katharsis- Theorie, nach der der Zuschauer das Dargestellte miterlebt, Darstellungen in Film und Fernsehen also Ventil für Triebe sind, widerlegt wurde. Experimentelle Belege für die Katharsishypothese wurden in Untersuchungen aus den 60er Jahren nicht gefunden. Die Hypothese wird in der heutigen Forschung aber nicht mehr ernsthaft vertreten.14

Andere Untersuchungen zeigen, daß Filmszenen, in denen sexuelle und gewalthaltige Inhalte vermischt erscheinen, eine Bereitschaft zur kompromißlosen Durchsetzung sexueller Interessen fördern. Nach dem Anschauen solcher Szenen war die Akzeptanz von Pornographie und die sexuelle Experimentierfreudigkeit bei den Betrachtern erhöht. Eine direkte Rechtfertigung von Vergewaltigungen oder gar eine entsprechende Handlungsbereitschaft konnte nicht festgestellt werden.

Widerlegt wurde auch die in den 70er Jahren entstandene Spiraltheorie, nach der die zur sexuellen Stimulanz genutzten Darstellungen nach einiger Zeit ihren Reiz verlören. Auf der Suche nach neuen Stimuli würden immer drastischere Darstellungen genutzt, so daß die Spirale aus dem Zusammenspiel von Stimulus und Erregungspotential schließlich bis zur ,,harten Pornographie" führe.

Zwar verlieren erotisierende Bilder nach einiger Zeit ihren Reiz, aber die neuen Stimuli werden aus einem Feld mit gleichen Inhalten gewählt und nicht etwa zum Beispiel aus dem Zusammenspiel von Sexualität und Gewalt.15

In den 50er Jahren befürchteten Jugendschützer vor allem, daß Kinder und Jugendliche nach der Lektüre erotischer Bilder ein eigenes unkontrolliertes Sexualverhalten aufweisen würden. Laut dieser Theorie der Bewahrpädagogik müssen Kinder und Jugendliche vor manchen Aktivitäten der Erwachsenenwelt bewahrt werden. Bilder aus dieser Welt würden die Kinder auf Ideen bringen, auf die sie von alleine nicht kämen. Auch diese Übertragungstheorie forderte, Kinder vor stimulierenden Darstellungen zu schützen.16

Seit den 50er Jahren hat sich aber der Umgang von Kindern und Jugendlichen mit den Medien stark geändert. Gehörte damals noch ein Fernseher nicht zum Alltäglichen, haben Kinder heute die Auswahl zwischen mehr als 20 Programmen, denen sie nicht ausgeliefert sind, sondern die sie pragmatisch zu nutzen wissen.

Wie weiter oben erwähnt besteht hier für die Medienpädagogik die wichtige Aufgabe, Kindern und Jugendlichen eine Medienkompetenz zu vermitteln, und im Bereich der Medienwirkungsforschung müssen Erkenntnisse gewonnen werden, wie verschiedene Darstellungen auf jugendliche Medienrezipienten wirken und wie sie mit dem Wahrgenommenen umgehen.

Literatur

- Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland (StGB). · Rundfunkstaatsvertrag (RStV).
- Gemeinsame Stelle Jugendschutz der Landesmedienanstalten: Kriterien im Jugendschutz. Entwurfsstand 31. Dezmber 1991.
- Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Jugendschutzes (Jugendschutzrichtlinien) vom 13. Dezember 1994.
- Prüfgrundsetze der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vom 30.06.1995
- Werner Faulstich: Kuriose Bevormundung. Der Zuschauer soll Pornographie finden können.- In: epd Medien Nr. 88, 11/ 97
- Kai Flatau: Vortrag: Pornographie - Zeit für eine neue Begrifflichkeit?- Medienforum Berlin- Brandenburg.
- Joachim von Gottberg: Jugendschutz in den Medien.- Herausgegeben von der FSF, Berlin, 1995
- Lothar Milkos: Von der Zurschaustellung des Körpers zur Nummernrevue.- In: tv diskurs, Ausgabe 3, 12/ 97, S. 54- 61.
- Heribert Schumann: Von der Schwierigkeit, Pornographie zu definieren.- Schrift der juristischen Fakultät der Universität Leipzig.
- Christiane von Wahlert: Sex und Gewalt im Kino.- In: tv diskurs, Ausgabe 3, 12/ 97, S. 46- 53
- Klaus Walter: Zum Begriff der Pornographie.- In: tv diskurs, Ausgabe 3, 12/ 97, S. 102- 107.

[...]


1 vgl. StGB § 184 Art. 3

2 RStV § 3 (1) 4

3 vgl. RStV § 3

4 vgl. Prüfgrundsetze der FSF

5 vgl. Mikos, S. 54

6 vgl. Walter, S. 102 f.

7 ebd., S. 103

8 ebd., S. 107

9 vgl. Mikos, S. 56

10 ebd., S. 54, S. 61

11 vgl. Kriterien im Jugendschutz, B 1.- 2.3

12 ebd.

13 vgl. von Gottberg, S. 59 ff., vgl. von Wahlert, S. 53

14 vgl. von Gottberg, S. 35 f.

15 ebd., S. 59

16 ebd., S. 59 ff.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Pornographie und Jugendschutz
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Literaturwissenschaft und Medien)
Veranstaltung
Schwerpunktseminar "Aktuelle Probleme der Fernsehforschung"
Autor
Jahr
1997
Seiten
8
Katalognummer
V94894
ISBN (eBook)
9783638075749
Dateigröße
370 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pornographie, Jugendschutz, Schwerpunktseminar, Aktuelle, Probleme, Fernsehforschung, Prof, Wulff, Institut, Literaturwissenschaft, Medien, Christian-Albrechts-Universität, Kiel
Arbeit zitieren
Christian Möller (Autor:in), 1997, Pornographie und Jugendschutz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94894

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