Frankfurt am Main, Juli 2000. ,,[...] [W]enn ich die Drecksau auf der Straße treffe, dann landet er im Krankenhaus, dieser Hundsohn!"1 Wem der anonyme Anrufer hier einen Krankenhaus-Aufenthalt in Aussicht stellt, ist der Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn. Jener hatte mit einigen Faxen den Bestechungsskandal bezüglich der Entscheidung über das Austragungsland der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2006 initiiert. Der Anrufer hingegen ist ein empörter Bild-Leser; diese hat gewohnt doktrinär und emotional über den Skandal berichtet und ihre Leserschaft dazu aufgefordert, der Titanic-Redaktion die Meinung mitzuteilen.2
Wien, Mai 1899: Ein unbekannter Schreiber richtet einen Brief an Karl Kraus, den Herausgeber und verantwortlichen Redakteur der Fackel. Der Anonymus äußert darin sein Bedauern, dass Kraus bei einem Überfall ,,nicht die Knochen gebrochen wurden"3, und seinen, so Kraus, ,,frommen Wunsch, dass dies bald nachgeholt werde" (F 5, 23). Der tätliche Angriff auf Kraus war Folge des zuvor erschienenen Textes ,,Die demolirte Literatur", in dem Kraus mit diversen Wiener Autoren abgerechnet hatte.
Zwei anonyme Drohungen, die an verantwortliche Redakteure von satirischen Zeitschriften gerichtet wurden - das sind nicht die einzigen Analogien, die zwischen der Fackel und Titanic bestehen. Diese insbesondere hinsichtlich der Sprach- und Pressekritik zu zeigen ist die Intention der vorliegenden Hausarbeit. Natürlich: Sie kann es nicht leisten, 37 Jahrgänge der Fackel und 23 der Titanic vollständig miteinander zu vergleichen, sind dies doch in der Summe mehr als 45.000 Seiten Text. Daher beschränke ich die Auswahl auf einige exemplarische Texte aus den beiden Zeitschriften. Ich bin mir ferner dessen bewusst, dass etwa Vergleiche der Fackel aus den Kriegsjahren mit der heutigen Titanic daran leiden, nicht vergleichbaren Situationen zu entstammen. Doch das, was Kraus′ Fackel kritisiert hat und die Titanic heute kritisiert, weist Ähnlichkeiten auf.
Zunächst stelle ich Fackel und Titanic, die Situationen, in denen sie gegründet wurden, und ihre Programme bzw. Wirkungsabsichten kurz vor. Ausschlaggebend sind hier die jeweils ersten Ausgaben und die Titelbilder. Im Anschluss widme ich mich der in beiden Zeitschriften geübten Pressekritik, wobei ich den zentralen Begriff ,,Phrase" in verschiedenen Varianten zeigen will. Danach behandle ich die sich aus der Pressekritik ergebende Sprachkritik bzw. die Kritik am falschen Sprechen und Schreiben anhand dreier Aspekte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sagen, was ist: Fackel, Titanic und ihre Intentionen
- Von Repressalien zur Unabhängigkeit: die Fackel
- Aus den Ruinen der Pardon: Titanic
- Was wir umbringen... - Die Fackel
- Kritik an der Dummheit, gepaart mit Humor: Titanic - Das endgültige Satiremagazin
- Im Blickwinkel der Argusaugen – Die Kritik der Fackel und der Titanic an der übrigen Presse
- Exkurs: Die Macht der (Neuen Freien) Presse in Wien um 1900
- Halbwahrheiten – Der Kampf gegen die Desinformation
- Merkwürdiger Pluralismus: Inhaltliche Widersprüchlichkeiten
- Impressionen statt Informationen: Feuilleton und Feuilletonistisches
- Hinter den Kulissen - Presse und Korruption
- Beim Wort genommen - Sprachkritik in Fackel und Titanic
- Wenn Journalisten Literaten sein möchten
- Bewusstloses Sprechen
- Kritik an der Basis - Grammatik und Semantik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Parallelen in der Presse- und Sprachkritik der Zeitschriften „Die Fackel“ (Karl Kraus) und „Titanic“. Die Arbeit konzentriert sich auf exemplarische Texte, um die Ähnlichkeiten in der Kritik an Presse und Sprache aufzuzeigen, trotz der unterschiedlichen historischen Kontexte.
- Vergleich der Intentionen und Entstehungsbedingungen von „Die Fackel“ und „Titanic“
- Analyse der Pressekritik beider Zeitschriften, insbesondere der Verwendung des Begriffs „Phrase“
- Untersuchung der Sprachkritik anhand von Grammatik, Semantik und Stil
- Betrachtung der Folgen von geübter Kritik und der Wirkungsmacht beider Zeitschriften
- Hervorhebung der Analogien in den Reaktionen auf die kritische Berichterstattung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung vergleicht die Reaktionen auf „Die Fackel“ und „Titanic“ durch anonyme Drohbriefe an die jeweiligen Redakteure. Sie begründet die Notwendigkeit eines exemplarischen Vergleichs aufgrund des Umfangs des Materials und der unterschiedlichen historischen Situationen, betont aber die bestehenden Ähnlichkeiten in der Kritik an Presse und Sprache.
Sagen, was ist: Fackel, Titanic und ihre Intentionen: Dieses Kapitel beschreibt die Entstehungskontexte und Programme beider Zeitschriften, basierend auf den ersten Ausgaben und Titelbildern. Es legt die Grundlage für den weiteren Vergleich, indem es die Intentionen und Wirkungsabsichten von „Die Fackel“ und „Titanic“ vorstellt.
Im Blickwinkel der Argusaugen – Die Kritik der Fackel und der Titanic an der übrigen Presse: Dieser Abschnitt analysiert die Pressekritik beider Zeitschriften, wobei der Begriff „Phrase“ als zentrales Element der Kritik an der oberflächlichen und manipulativen Berichterstattung im Fokus steht. Der Exkurs zur Macht der Wiener Presse um 1900 liefert Kontext für Kraus' Kritik. Die Kapitel untersuchen die Verbreitung von Halbwahrheiten, inhaltliche Widersprüche und den Fokus auf oberflächliches Feuilletonistisches statt fundierter Information, sowie Aspekte der Pressekorruption.
Beim Wort genommen - Sprachkritik in Fackel und Titanic: Dieses Kapitel befasst sich mit der Sprachkritik, die sich aus der Pressekritik ergibt. Es untersucht Aspekte wie den Versuch von Journalisten, literarisch zu schreiben, das unbewusste, ungenaue Sprechen und die Kritik an grammatikalischen und semantischen Fehlern. Die Analyse zeigt die Gemeinsamkeiten in der Kritik an der Sprache in beiden Zeitschriften.
Schlüsselwörter
Pressekritik, Sprachkritik, Satire, Karl Kraus, Die Fackel, Titanic, Phrase, Desinformation, Journalismus, Wiener Presse, Sprachstil, Manipulation, Wirkungsmacht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu der Hausarbeit: "Parallelen in der Presse- und Sprachkritik von 'Die Fackel' und 'Titanic'"
Was ist der Gegenstand dieser Hausarbeit?
Die Hausarbeit untersucht die Parallelen in der Presse- und Sprachkritik der Zeitschriften „Die Fackel“ (Karl Kraus) und „Titanic“. Der Fokus liegt auf dem Vergleich exemplarischer Texte, um Ähnlichkeiten in der Kritik an Presse und Sprache aufzuzeigen, trotz der unterschiedlichen historischen Kontexte.
Welche Themen werden in der Hausarbeit behandelt?
Die Arbeit vergleicht die Intentionen und Entstehungsbedingungen beider Zeitschriften, analysiert die Pressekritik (insbesondere die Verwendung des Begriffs „Phrase“), untersucht die Sprachkritik anhand von Grammatik, Semantik und Stil, betrachtet die Folgen der Kritik und deren Wirkungsmacht und hebt Analogien in den Reaktionen auf die kritische Berichterstattung hervor.
Welche Kapitel umfasst die Hausarbeit?
Die Hausarbeit besteht aus einer Einleitung, einem Kapitel über die Intentionen von "Die Fackel" und "Titanic", einem Kapitel zur Pressekritik beider Zeitschriften (inklusive eines Exkurses zur Wiener Presse um 1900), einem Kapitel zur Sprachkritik und einem Fazit.
Wie wird die Pressekritik in der Hausarbeit analysiert?
Die Analyse der Pressekritik konzentriert sich auf den Begriff "Phrase" als zentrales Element der Kritik an oberflächlicher und manipulativer Berichterstattung. Es werden Halbwahrheiten, inhaltliche Widersprüche, oberflächliches Feuilletonistisches statt fundierter Information und Aspekte der Pressekorruption untersucht.
Wie wird die Sprachkritik in der Hausarbeit behandelt?
Die Sprachkritik wird anhand von drei Aspekten untersucht: dem Versuch von Journalisten, literarisch zu schreiben, dem unbewussten, ungenauen Sprechen und der Kritik an grammatikalischen und semantischen Fehlern. Die Analyse zeigt die Gemeinsamkeiten in der Kritik an der Sprache beider Zeitschriften.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Hausarbeit?
Schlüsselwörter sind: Pressekritik, Sprachkritik, Satire, Karl Kraus, Die Fackel, Titanic, Phrase, Desinformation, Journalismus, Wiener Presse, Sprachstil, Manipulation, Wirkungsmacht.
Welche Quellen werden in der Hausarbeit verwendet?
Die Hausarbeit basiert auf exemplarischen Texten aus "Die Fackel" und "Titanic", den ersten Ausgaben und Titelbildern beider Zeitschriften sowie Kontextinformationen zur Wiener Presse um 1900. Der genaue Umfang des Quellenmaterials wird nicht explizit genannt, aber die Auswahl ist aufgrund des Umfangs des Gesamtmaterials exemplarisch.
Wie wird der Vergleich zwischen "Die Fackel" und "Titanic" durchgeführt?
Der Vergleich erfolgt anhand von Parallelen in der Kritik an Presse und Sprache. Die unterschiedlichen historischen Kontexte werden berücksichtigt, aber die Ähnlichkeiten in Intention und Methodik der Kritik stehen im Vordergrund. Die Einleitung veranschaulicht dies durch den Vergleich der Reaktionen auf beide Zeitschriften mittels anonymer Drohbriefe.
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- Maik Philipp (Author), 2002, Was wir umbringen ... - Presse- und Sprachkritik in Fackel und Titanic, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9494